Franz Untersteller

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Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ohne Frage: Ich habe einen großen Fehler gemacht. Es war ein Fehler, der mir nicht hätte passie ren dürfen und der mir, sehr geehrter Herr Dr. Rülke, in 44 Jahren – so lange habe ich den Führerschein; man kann es auch „Fahrerlaubnis“ nennen – nie passiert ist.
Ich bedaure diese Sache zutiefst. Das können Sie mir wirk lich glauben.
Da gibt es auch gar nichts weiter zu rechtfertigen, und es gibt auch nichts weiter zu erklären.
Dass ich dafür hart kritisiert werde, das habe ich mir selbst zuzuschreiben. Letztlich muss ich so eine Situation aushalten, ebenso wie die Häme; auch die muss ich aushalten, auch wenn es wehtut.
Ich möchte mir nur kurz erlauben, von meinem Fall abstra hierend zu fragen,
welche Erwartungen wir an uns Politikerinnen und Politiker haben. Erlauben wir uns, Fehler zu machen, auch Fehler, die im Privaten liegen?
Erlauben wir uns diese Schwächen, oder stellen wir an uns selbst die Erwartung, fehlerfrei zu sein und bei Fehlern dann unverzüglich die politische Bühne zu verlassen?
Jeder und jede hier im Haus muss das für sich selbst verant worten. Ich persönlich stehe zu meinem Fehler.
Ich bin wie jeder andere ein Mensch aus Fleisch und Blut; und Menschen aus Fleisch und Blut machen leider Gottes nun auch mal Fehler.
Ich muss, wie jede und jeder andere auch, in einem rechts staatlichen Verfahren dafür geradestehen. Ich muss mich dann den vom Gesetz für diese Fehler vorgesehenen Sanktionen stellen.
Ich will aber auch eines betonen: Den größten Schaden habe ich mir mit dieser Sache selbst zugefügt. Wichtig ist mir schon, zu betonen, dass ich nicht anderen einen Schaden zu gefügt habe.
Nochmals: Ich stehe zu meinem Fehler, werde aber – –
Nein, die hat er nicht gehabt.
Noch einmal: Ich denke, ich habe es deutlich gemacht. Ich stehe zu meinem Fehler. Aber ich werde gleich
wohl mein Amt bis zum Ende dieser Legislatur weiter, wie in den bisherigen neuneinhalb Jahren, gewissenhaft und auch zum Wohl dieses Landes ausführen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Von Kreislaufwirtschaft über Ressourcenscho nung bis hin zur Circular Economy – wie wir morgen leben werden, das entscheiden wir letztlich heute. Diese Themen mögen trocken klingen; es geht dabei aber um nicht weniger als darum, unser aller Zukunft, ja, auch die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder zu gestalten. Eine nachhaltige, res sourceneffiziente und klimaschonende Kreislaufwirtschaft ist letztlich ein Schlüssel zum Schutz unseres Klimas und zum Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
Daher setzen wir mit dem im Entwurf vorliegenden Gesetz zur Neuordnung des Abfallrechts für Baden-Württemberg nicht nur Vorgaben des Bundes und der EU um; neben diesen notwendigen Anpassungen an höherrangiges Recht setzt die Landesregierung dabei vielmehr auch ganz eigene Akzente. Wir wollen mit dem geplanten Gesetz die Kreislaufwirtschaft im Land weiter vorantreiben und diese zugleich in Teilen auch modernisieren. Die neuen Regelungen tragen dazu bei, Abfäl le noch besser zu vermeiden, Abfälle – man sollte eher von Wertstoffen sprechen – konsequent zu sammeln und der Wie derverwertung zuzuführen, damit wir unsere natürlichen Res sourcen möglichst schonend einsetzen können.
Bemerkenswert dabei ist: Mit dem vorliegenden Gesetz – man höre und staune – sparen Bürgerinnen und Bürger sowie auch die Wirtschaft im Land und die öffentliche Hand relevante Geldsummen. Rund 23 Millionen € können nach konservati ver Berechnung mit der Umsetzung des Gesetzentwurfs jähr lich im Land eingespart werden. Ich finde, das ist ein durch aus stolzer Betrag.
Dieser Gesetzentwurf enthält zwar Pflichten, die über das der zeit bestehende Recht hinausgehen; insgesamt verbilligen die vorgesehenen Regelungen jedoch das Bauen.
Den Schwerpunkt des Gesetzes zur Neuordnung des Abfall rechts bildet das Landes-Kreislaufwirtschaftsgesetz, welches das bisherige Landesabfallgesetz ablösen soll. Darin ist u. a. vorgesehen, die öffentliche Hand im Rahmen ihrer Vorbild funktion zum verstärkten Einsatz von Recyclingmaterialien im Bereich des Bauens zu verpflichten. Wir sind guter Hoff nung, so auch die notwendige Markteinführung von gütege sicherten Recyclingbaustoffen vorantreiben zu können.
Wir haben bislang bereits hier Pilotprojekte gefördert. Ich nen ne den Erweiterungsbau des Landkreises Ludwigsburg, den wir mit 50 000 € gefördert haben, ich nenne das Institut für Bienenkunde an der Universität Hohenheim, das mit Recyc lingbeton gebaut wurde, aber auch – das steht jetzt bevor – den Neubau der LUBW in Karlsruhe als einige Beispiele hier im Land.
Wichtig ist mir dabei: Es gibt – das haben wir in den letzten Jahren nachgewiesen, nicht zuletzt durch solche Pilotprojek te – keinen Qualitätsunterschied zwischen Beton, der aus Pri märrohstoffen hergestellt wurde, und Beton, der auf der Ba sis von Recyclingmaterialien erstellt wurde. Das ist mit ein Grund, warum wir das meines Erachtens voranbringen soll ten.
Außerdem sieht der Gesetzentwurf vor, Bau- und Abbruchab fälle besser zu verwerten oder sie erst gar nicht entstehen zu lassen. Man kann es auch auf den Punkt bringen: Der beste Abfall ist derjenige, der erst gar nicht entsteht.
Mit dem Ziel der Abfallvermeidung als oberstes Gebot in der Abfallhierarchie setzt die Landesregierung künftig auf den so genannten Erdmassenausgleich. Erdaushub ist einer der größ ten Abfallströme, die wir hier in Baden-Württemberg haben. Statt den Bodenaushub beim Bau wie bislang in aller Regel auf Deponien zu bringen, ist es ökologisch, aber auch ökono
misch sehr viel effizienter, ihn vor Ort zu belassen, z. B. durch die leichte Anhebung der Gebäude- und Straßenniveaus in den Bebauungsplänen, z. B. aber auch durch eine entsprechende Verwendung für die Modellierung von Freiflächen, von Lärm schutzwällen etc. Das spart wertvolle Deponiekapazitäten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und senkt letztlich die ständig wachsenden und schon heute hohen Entsorgungs kosten der jeweiligen Bauherren. Insbesondere die Wirtschaft profitiert in diesem Bereich nach den Berechnungen, die wir angestellt haben – die werden auch von der Wirtschaft nicht in Zweifel gezogen –, Gelder in der Größenordnung von knapp 10 Millionen €.
Böden, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind nun mal eine unverzichtbare Lebensgrundlage für uns Menschen, für Tie re, aber natürlich auch für Pflanzen. Unsachgemäße Boden veränderungen können zu irreversiblen Schäden führen. Das wissen wir z. B. durch den großen PFC-Fall im badischen Landesteil, mit dem wir uns seit einigen Jahren herumschla gen.
Daher sehen wir im Gesetzentwurf vor, dass bei größeren Bau vorhaben künftig bereits in der Planungsphase ein Boden schutzkonzept erstellt wird, zu dessen Umsetzung im Einzel fall auch eine bodenkundliche Baubegleitung angeordnet wer den kann. Nach den bisherigen Erfahrungen bewegen sich die zusätzlichen Kosten im Verhältnis zur Bausumme in einem einstelligen Promillebereich. Bei kostenintensiven Großvor haben wird dies sogar noch deutlich unterschritten.
Ein weiterer konzeptioneller Schwerpunkt des Landes-Kreis laufwirtschaftsgesetzes besteht in der Möglichkeit der Ge meinden, künftig auch einseitig ihre Funktion als öffentlichrechtliche Entsorger bzw. – wie es im Fachdeutsch heißt – örE wieder zurück auf den Landkreis zu übertragen. Wir haben ei nen solchen Fall beispielsweise im Alb-Donau-Kreis – womit ich befasst war –, wo man dankenswerterweise – das ist einer der letzten Landkreise – die getrennte Erfassung der Bioab fälle einführen will. Aber man steht dort vor dem Problem, dass nicht nur der Landkreis entsorgungspflichtige Körper schaft ist, sondern – man höre und staune – 50 Kommunen. Das hängt zusammen mit einem Gesetz aus dem Jahr 2008. Ich denke, es ist uns allen klar, dass es wenig sinnvoll ist, dass hier die Gemeinden entsorgungspflichtige Körperschaften sind.
Insgesamt gibt es in Baden-Württemberg rund 400 Gemein den, die entsorgungspflichtige Körperschaften sind. Deshalb wollen wir mit diesem Gesetz auch die Möglichkeit schaffen, dass sie diese Funktion als öffentlich-rechtlicher Entsorgungs träger einseitig aufgeben können – nicht müssen, aber kön nen. Ich denke, es ist auch sinnvoll, das zu tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Qualität unserer Ziele bestimmt die Qualität unserer Zukunft. Das Innovationsland Baden-Württemberg steht für ein umweltverträgliches Wirt schaften durch hochwertiges Recycling und auch eine moder ne Kreislaufwirtschaft. Das ist eines unserer umweltpoliti schen Anliegen und, so glaube ich, auch bundesweit eines un serer Kennzeichen in der Abfallwirtschaft. Das soll auch zu
künftig so bleiben, damit auch künftige Generationen hier von diesem hohen Niveau profitieren können.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kollegin nen und Kollegen Abgeordnete! Lassen Sie mich vorweg ei
ne kurze Bemerkung machen. Der Netzbooster Kupferzell ist ein innovatives Netzausbauvorhaben, das zum einen der Ver sorgungssicherheit mit Strom dienen wird und zum anderen ein Leuchtturmprojekt für Baden-Württemberg darstellt. Denn nach derzeitigem Stand wäre der Netzbooster der größte Bat teriespeicher der Welt, wenn er denn gebaut wird.
Zur Frage unter Buchstabe a, Herr Abg. Baron, wie die Lan desregierung den Netzbooster Kupferzell hinsichtlich Legiti mität, Akzeptanz und Kommunikation beurteilt. Ich will ein mal so sagen: Wenn mit Legitimität die energiewirtschaftli che Notwendigkeit des Netzboosters in Kupferzell gemeint ist, dann ergibt sich diese bereits aus der Bestätigung der Bun desnetzagentur zum Netzentwicklungsplan 2019 bis 2030. Diese Bestätigung liegt seit Dezember letzten Jahres vor.
Ob der Netzbooster zusätzlich in den Bundesbedarfsplan auf genommen wird, ist gegenwärtig offen, da das Gesetzgebungs verfahren zur Novellierung des Bundesbedarfsplangesetzes noch läuft. Aus der Sicht der Landesregierung wäre es aller dings sinnvoll, dieses Projekt, wenn es denn verwirklicht wer den soll, aufzunehmen.
Bezüglich der Akzeptanz und Kommunikation des Netzboos ters vor Ort ist es wichtig, die Verfahren zur Bedarfsermitt lung und zur Bedarfsfeststellung vor Ort auch ausführlich dar zustellen, z. B. durch den Vorhabenträger – das ist in diesem Fall TransnetBW –, durch unabhängige Expertinnen und Ex perten oder durch die Bundesnetzagentur. Das von meinem Haus, vom Umweltministerium, unterstützte Forum Energie dialog ist diesbezüglich bereits in Kupferzell aktiv, um hier auch im Zuge einer Kommunikation in der Öffentlichkeit un terstützend zu wirken.
Zur Frage unter Buchstabe b, ob dafür eine Bestätigung durch den Netzentwicklungsplan der Bundesnetzagentur ausreichend ist: Aus der Sicht der Landesregierung wäre es wünschens wert, dass nicht nur der Netzbooster Kupferzell, sondern alle im Netzentwicklungsplan enthaltenen Punktmaßnahmen in den Bundesbedarfsplan aufgenommen werden. Die vom Bun desgesetzgeber offensichtlich gewollte und rein formale Un terscheidung zwischen Leitungen und Anlagen bzw. Strecken maßnahmen und Punktmaßnahmen mag – das will ich gar nicht anzweifeln – rechtlich zulässig sein. Für sinnvoll halten wir es aber nicht, so zu unterscheiden. Deshalb bereitet mein Haus derzeit auch einen entsprechenden Antrag im Bundes ratsverfahren zur Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes vor. Wir werden dabei darauf hinweisen, dass letztlich die Konse quenzen der unnötigen Unterscheidung am Verfahren zum Netzbooster in Kupferzell zu sehen sind. Denn es wird vor Ort nicht leicht sein, es zu erklären, wenn der Netzbooster nicht – wie übrigens erwartet – im schließlich verabschiedeten Bun desbedarfsplan enthalten sein sollte.
Tritt dieser Fall ein, muss der energiewirtschaftliche Bedarf des Netzboosters im Genehmigungsverfahren durch die zu ständige Behörde abschließend festgestellt werden. Hierfür wird die Bestätigung des Vorhabens im aktuellen Netzent wicklungsplan eine ausreichende Grundlage für die Beurtei lung der Planrechtfertigung darstellen. Das heißt, rechtlich kann man es so machen. Aber nicht alles, was rechtlich mach bar ist, ist auch unbedingt sinnvoll in der öffentlichen Kom munikation.
Herr Abg. Baron, herzlichen Dank für die Fra ge. Sie sind jetzt vier Jahre Mitglied dieses Hauses. In den vier Jahren – so glaube ich – kann man mitbekommen haben, dass es in diesem Land so etwas wie Genehmigungsverfahren gibt. Diese Genehmigungsverfahren werden auf der Grundlage von Gesetzen durchgeführt – in diesem Fall z. B. auf der Grund lage des Bundes-Immissionsschutzgesetzes.
Erst einmal hat ein Antragsteller das Recht, ein solches Ge nehmigungsverfahren durchzuführen. Wie dann zum Schluss die Genehmigungsbehörde entscheidet, das weiß ich heute nicht, und das weiß auch sonst niemand – vielleicht das Ora kel von Delphi; aber das sitzt nun einmal in Delphi und nicht in Stuttgart.
Herr Abg. Baron, das Umweltministerium baut diese Anlage nicht, sondern das ist ein Projektträger – in die sem Fall ein Netzbetreiber –, und der entscheidet erst einmal
von sich aus, wie er die Dinge in der Öffentlichkeit kommu niziert. Wie dieses Thema in eine Zeitung mit vier Buchstaben kommt, das weiß ich nicht. Das ist mir nicht bekannt.
Für mich ist aber klar: Es ist wichtig, solch ein Projekt in der Öffentlichkeit umfassend zu kommunizieren, zu erklären, zu erläutern. Das ist der Grund, warum wir beispielsweise von seiten des Landes, vonseiten des Umweltministeriums schon in den letzten Jahren das Projekt Forum Energiedialog ge schaffen haben, das in solchen Fällen bei Windkraftanlagen, bei Netzausbauvorhaben und anderen Vorhaben vor Ort un terstützend wirkt, um Dinge zu erklären und zu erläutern. Es ist auch im Fall von Kupferzell bereits aktiv geworden.
Danke für die Frage, Herr von Eyb. – Erst mal grundsätzlich nicht. Über was reden wir? Wir reden über ei ne Batterie.
In diesem Fall ist es zugegebenermaßen eine ziemlich große Batterie, übrigens nicht die einzige, die in Deutschland ge plant ist. Es sind vielmehr mehrere geplant. Diese Netzboos ter, die für sinnvoll erachtet werden – das kann ich auch nach vollziehen; um das auch einmal zu sagen –, sind im Moment in der Diskussion, weil es darum geht, in einer energiewirt schaftlichen Welt, die zukünftig überwiegend – um nicht zu sagen: perspektivisch fast vollständig – auf volatiler Erzeu gung aufgebaut sein wird – sprich Windenergieerzeugung, sprich Fotovoltaikerzeugung, Wind offshore, Wind onshore –, trotzdem in einem sehr hohen Maß Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Da ist es dann durchaus sinnvoll, neben Netzausbauvorhaben auch Batterien in dieser Größenordnung – in diesem Fall sind, wenn ich es richtig weiß, 300 MW angedacht; das ist zum heu tigen Zeitpunkt, wie gesagt, die größte Batterie weltweit – zu verwirklichen.
Noch einmal: Mir ist bis jetzt nicht bekannt, dass das mit be sonderen Gefahren zusammenhängen würde.
Aber noch einmal: Diese Dinge sind dann alle in einem Ge nehmigungsverfahren zu klären. Wenn es Gefahren geben sollte, dann ist das auch durch Gutachten usw. zu erörtern und zum Schluss dann auch zu entscheiden.
Verehrte Frau Präsidentin, verehrte, liebe Kol leginnen und Kollegen!
Liebe Kollegin Rolland, ich schätze Sie sehr als eine enga gierte Umweltpolitikerin, im Ernst.
Man kann bei einem solchen Gesetz immer auch unterschied licher Meinung sein über das, was drinsteht. Das kann bis hin zu einer Polemik gehen, wie sie Herr Karrais zum Schluss ge bracht hat, was ich schon grenzwertig finde. Aber gut, das hal te ich alles aus.
Doch was ich nicht verstehe, ist, wie Sie dazu kommen, zu behaupten, in der Ausschusssitzung wären Vorschläge von Ih nen lächerlich gemacht worden. In der Ausschusssitzung, in der ich dabei war, hat man sich inhaltlich mit Ihren Vorschlä gen auseinandergesetzt. Aber an keinem Punkt sind Ihre Vor schläge lächerlich gemacht worden. Ich würde Sie wirklich bitten, so etwas zu lassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte zunächst noch ein paar Grundsatzbemerkungen machen. Denn ich fin de, in den Details haben wir das Gesetz in der ersten Lesung, im Ausschuss und dann auch in der Anhörung breit diskutiert.
Die Klimakrise – ich denke, da sind wir uns auch einig – for dert von uns eine neue Qualität von Politik. Warum? Weil es eine Krise ist, die letztlich global wirkt.
Das heißt natürlich, wir brauchen zum Schluss eine globale Politik, um die Krise einzudämmen, was nicht heißt, dass man es von der globalen Politik nicht auch auf die Nationen, auf die Regionen, auf die Gemeinden übertragen muss. Deswe gen macht es auch Sinn, dass sich ein Bundesland wie BadenWürttemberg oder auch die anderen Bundesländer Klima schutzgesetze geben.
Die Klimapolitik stellt auch konkrete zeitliche Anforderun gen an uns. Warum? Wir müssen uns in unseren Entscheidun gen an Terminen messen lassen, weil mittlerweile klar ist: Die se Klimakrise duldet keinen Aufschub. Die Wissenschaft sagt uns von verschiedener Seite: Es gibt die sogenannten Kipp punkte, und damit ist schwer umzugehen. Das meine ich jetzt sehr ernst. Man muss wissen: Wenn es über diesen Kipppunkt hinausgeht, können wir das, was dann passiert ist, nicht mehr zurückholen. Deswegen ist es natürlich eine ganz schwierige Geschichte. Alle Schäden, die bis dahin eingetreten sind, sind irreversibel. Zugegeben, genau dieser Punkt ist mit mensch lichem Ermessen – ich habe es schon gesagt – nur schwer zu fassen. Denn wir sind es eigentlich gewohnt, die Dinge auch immer kontrollieren zu können – besser gesagt, wir waren es gewohnt.
Die Coronapandemie hat uns gezeigt, was Kontrollverlust be deuten kann. Das ist, denke ich, für uns alle eine tiefgreifen de Erfahrung. Die Klimakrise bedeutet gegebenenfalls, wenn wir da nicht gegensteuern, Kontrollverlust. Unser Ökosystem wird sich dann so rasant verändern, dass wir nichts mehr tun können. Und dann hilft auch keine Technik, auch nicht die noch so ausgeklügelte Innovation.
Diese Bedrohung ist, jedenfalls nach meinem Dafürhalten, von einer wirklich singulären Qualität; denn sie bedroht letzt lich unsere Existenz. Ich meine damit nicht die Existenz des Planeten. Die Klimakrise wird unseren Planeten dramatisch verändern;
und doch wird dieser Planet bleiben. Es kann sich aber jeder überlegen, was es für uns Menschen bedeutet, wenn es 4 Grad, 5 Grad oder 6 Grad wärmer wird. Wir haben erlebt, was in den letzten drei Jahren geschah; wir sehen, was sich in Kali fornien abspielt und wie sich die Entwicklung der letzten Jah re in Afrika darstellt. Da kann sich jeder selbst ausmalen, wie sich das auswirkt. Ich will jetzt aber keine Horrorgemälde an die Wand malen.
Wie beim Artensterben gilt auch bei der Klimakrise: Was ver loren ist, das ist verloren. Im Hölderlinjahr darf man aber gleichwohl zitieren: „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende
auch.“ Es liegt letztendlich in unserer Hand, diese Krise ab zuwenden.
Eigentlich kann man es nicht einmal als mutig bezeichnen, die eigene Existenz zu retten; es ist eine schiere Notwendig keit. Das Klimaschutzgesetz des Landes mit seinen Maßnah men wird das Weltklima nicht retten.
Wir haben es – ich habe es eingangs schon gesagt – mit einer globalen Herausforderung zu tun. Baden-Württemberg hat an den globalen CO2-Emissionen einen Anteil von plus/minus 0,2 %.
Aber wir sind in Baden-Württemberg die Blaupause. Wir sind die Blaupause dafür, ob es möglich ist, in einer der wichtigs ten Industrieregionen Europas oder gar weltweit
wirtschaftliche Stärke und Klimaschutz zu vereinbaren. Es ist nämlich auch die Blaupause dafür, zu zeigen, dass sich unse re kohlenstoffbetriebene Wirtschaft dekarbonisieren lässt und man sie dekarbonisieren kann.
Ich bin davon überzeugt: Wir können es; und hierfür gibt es heute vielfach auch schon Beispiele. So hatten wir in der letz ten Woche den Ressourceneffizienzkongress mit über 1 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, darunter drei Viertel aus der Wirtschaft – diesmal leider digital und nicht so, wie wir es die letzten acht Mal gewohnt waren. Das ist die größte Ver anstaltung dieser Art in Deutschland, und wir haben dabei in der letzten Woche das Klimabündnis des Landes mit den Un ternehmen gestartet. Wir haben mit 17 Unternehmen begon nen, die unterschrieben haben, ehrgeizige Klimaschutzpläne in Richtung Klimaneutralität ihrer Unternehmen vorzulegen. Dabei haben sich die Unternehmen für ihre Planungen unter schiedliche Fristen gesetzt; das Ziel aber ist in jedem Fall die Klimaneutralität.
Es sind sehr große Unternehmen dabei – SAP, Bosch –, es sind mittelgroße dabei wie die MVV – einer der großen deutschen Energieversorger –, es sind Mittelständler dabei wie die SICK AG, die J. Schmalz GmbH, Rothaus, die Lorenz GmbH & Co. KG – ein Unternehmen mit annähernd 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – sowie auch noch kleinere Unternehmen wie der Konfitürenhersteller Simmler. All diese Unternehmen – ich könnte noch weitere nennen – haben sich zum Ziel ge setzt, klimaneutral zu werden.
Die kleinen und mittleren Unternehmen unterstützen wir sei tens meines Hauses in diesem Bündnis mit der Wirtschaft mit Beratung, mit Förderung, mit Tischgesprächen, bei denen man sich untereinander über seine Erfahrungen austauscht etc.
Ich bin sehr sicher, dass diese 17 Unternehmen der Anfang sein werden und dass viele diesem Beispiel folgen werden. Das ist auch gut so; denn es zeigt, dass sich die Wirtschaft in
Baden-Württemberg mit uns in der Landespolitik auf den Weg macht, dieses Land zu dekarbonisieren. Und darüber bin ich sehr froh.
Im Übrigen: Das, was diese Unternehmen machen, folgt ei nem Leitbild, und dieses Leitbild, Herr Karrais, hat einen Na men: Es nennt sich ökosoziale Marktwirtschaft.
Das machen diese Unternehmen.
Das ist letztendlich der Rahmen der Wirtschaft im 21. Jahr hundert, und dafür setzen wir hier mit die Leitplanken, auch in diesem neuen Klimaschutzgesetz.
Die Inhalte – ich habe es schon eingangs gesagt – haben wir eigentlich ausführlich diskutiert, und sie wurden über Mona te hinweg auch in der Öffentlichkeit diskutiert. Ich nenne noch mal einige Punkte.
Als Erstes nenne ich die verpflichtende Wärmeplanung in 103 Städten.
Übrigens, Frau Rolland: Klar, es gibt noch 1 000 Gemeinden mehr in Baden-Württemberg. Aber die 103 großen Städte um fassen 5,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Bei die sen in den kommenden drei Jahren eine kommunale Wärme planung zu erstellen, das ist erst mal vorrangig. Für die ande ren 1 000 Kommunen in Baden-Württemberg machen wir nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ein Förderpro gramm, über das sie eine 80- bis 90-prozentige Förderung be kommen, die darauf aufsetzt. Aber nur mal theoretisch ange nommen, ich würde alle 1 000 Kommunen in Baden-Würt temberg verpflichten: Wo soll denn das Know-how, das Inge nieur-Know-how herkommen, um so etwas in kurzer Zeit vo ranzutreiben?
Das ist doch in der Kürze der Zeit gar nicht verfügbar.
Dadurch würde man die Preise für Beratung hochtreiben. Das ist einfach ein völliger Unsinn – das muss ich mal so deutlich sagen –, so etwas hier vorzuschlagen.
Im Übrigen will ich noch sagen: Das ist eine sehr kluge Her angehensweise, die wir da wählen.
Denn bis im Jahr 2023 die 103 Pläne vorliegen – so steht es im Gesetz –, werden wir über das Brennstoffemissionshan delsgesetz auf Bundesebene eine CO2-Bepreisung beginnend mit 25 € je Tonne und ansteigend bis 55 € je Tonne haben. Dann wird sich zunehmend die eine oder andere Stadt über legen, die Dinge, die da drinstehen, auch umzusetzen, weil dann die neue Welt wirtschaftlich attraktiver gegenüber der alten Welt wird und wir nicht jedes Mal mit Millionen an Steu ergeldern in die Förderung hineingehen müssen, um solche Projekte zum Tragen zu bringen. Mit der kommunalen Wär meplanung und der Herangehensweise sind wir bundesweit führend.
Zur Fotovoltaikpflicht – das ist auch vom Kollegen Renkonen angesprochen worden –: Die Zeit ist einfach reif, Leute.
Wenn wir heute bei den größeren Anlagen in Industrie, Ge werbe und Dienstleistungen oder bei den Discountern – An lagen mit 100, 200 KW – Stromerzeugungskosten von 7, 8, 9 Cent je Kilowattstunde haben, dann quäle ich damit doch niemanden, sondern ich tue ihm damit einen Gefallen;
denn er selbst zahlt 15, 16, 17 Cent. Es ist einfach so.
Jetzt kann man natürlich die Frage stellen: Warum machen sie es nicht von sich aus? Ganz einfach: weil andere Dinge im täglichen Geschäft dieser Unternehmen wichtiger sind, als sich damit auseinanderzusetzen, ob man eine PV-Anlage aufs Dach legt. Aber diese Maßnahme hier steigert letztlich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die das dann zum Schluss machen, weil die Stromerzeugungskosten für sie günstiger werden.
Deswegen ist es der richtige Schritt. Wenn es nach meiner Fraktion gegangen wäre, hätten wir es auch bei den Wohnge bäuden gemacht.
Das ist an unserem Koalitionspartner gescheitert.
Ich bin mir aber sehr sicher, dass das in der nächsten Legisla turperiode kommen wird, weil es auch da Sinn macht.
Auch die anderen Punkte, die vorgesehen sind, etwa dass zu künftig die Kommunen ihre Energieverbräuche auf einer Platt form darstellen, anhand derer sie sich dann auch untereinan der vergleichen können und sehen können, wo die Nachbar kommunen stehen und welches Einsparpotenzial, das die Nachbarkommunen genutzt haben, in der eigenen Kommune noch besteht, das sind doch, denke ich, sinnvolle Sachen. Da kann man doch nicht so reden, wie Sie, Frau Rolland, das hier getan haben.
Dieses Klimaschutzgesetz mit den genannten Maßnahmen ist bundesweit unter den Ländern führend,
weil kein anderes Bundesland so etwas wie die PV-Pflicht und die verpflichtende kommunale Wärmeplanung vorsieht.
In einem muss ich Sie, Herr Kollege Karrais, korrigieren: In Brüssel ist erst mal noch gar nichts beschlossen.
Nein, ich würde gern fertig reden. – Da muss ich Sie korrigieren. Das stimmt so nicht. Vielmehr liegt in Brüssel ein Vorschlag der Kommissionspräsidentin vor, der lautet, den Anteil von 40 % auf 55 % zu erhöhen.
Das Europäische Parlament hat einen Beschluss gefasst, der verkürzt besagt: „Das reicht nicht; wir brauchen eine Treib hausgasminderung von 60 %.“ Jetzt muss der Rat entschei den. Anschließend gibt es die sogenannten Trilog-Verhand lungen zwischen Parlament, Kommission und Rat.
Die Bundeskanzlerin, die in diesem Halbjahr bekannterma ßen den Rat der Europäischen Union führt, hat sich bereits festgelegt und geäußert, dass sie das 55-%-Ziel unterstützt. Auch ich fände es gut, wenn das kommt – um das klar zu sa gen. Mit einer Treibhausgasminderung von 40 % werden wir die Ziele des Übereinkommens von Paris nicht erreichen. Nur mit einer Festlegung auf 55 % lassen sich die Ziele des Über einkommens von Paris erreichen.
Dass das Vorgehen richtig war, sehen Sie daran, dass China wenige Tage nach dieser Festlegung gesagt hat: „Wir gehen auch in diese Richtung.“ So gesehen war es klug und richtig, was von der Leyen da gemacht hat.
Angenommen, man einigt sich in Brüssel bis Ende des Jahres in den Trilog-Verhandlungen – ich persönlich glaube, es wird zu einer Festlegung in Richtung von 55 % kommen –, dann werden die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ihre Kli maschutzgesetze anpassen müssen. Mein Wunsch ist, dass wir den vorliegenden Gesetzentwurf heute hier verabschieden. Kaum ist der Gesetzentwurf verabschiedet, wird sich aller dings der nächste Landtag mit der Frage befassen müssen, wie wir die Ziele aus Brüssel erreichen können. Man wird das selbstverständlich anpassen müssen. Das Gleiche gilt für das IEKK, das wir hier noch gar nicht behandelt haben. Auch das wird dann entsprechend angepasst werden müssen. Wir wer den dann zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen, um das in Brüssel festgelegte Ziel einer Treibhausgasminderung von 55 % zu erreichen.
Das heißt unterm Strich, verehrte Damen und Herren Abge ordnete: Das, was wir heute hier beraten, ist ein Zwischen schritt, ein Zwischenschritt mit Blick auf 2030. Über diesen Zwischenschritt wird in der nächsten Legislaturperiode – das ist meine Prophezeiung; ich bin hier dann nicht mehr dabei –
neu beraten werden müssen, weil es nicht bei einer Treibhaus gasminderung von 42 % bleiben kann, wie sie heute im Ge setzentwurf steht. Wir werden den Wert anheben müssen, wenn die Ziele des Übereinkommens von Paris Wirklichkeit werden sollen. Wir werden in Baden-Württemberg dann eine Minderung von mehr als 50 % erreichen müssen; das ist für mich so klar wie Kloßbrühe.
Der Gesetzentwurf, den wir vorlegen, ist alles andere als ei ne Bedrohung, sondern die Grundlage dafür, dass unsere Kin der und Kindeskinder eine gute Zukunft haben,
nicht weniger und nicht mehr. Das sollten wir uns immer wie der klarmachen.
Wir können es zusammen schaffen – davon bin ich fest über zeugt –, die Krise, über die seit geraumer Zeit geredet wird, über die in der Wissenschaft gesprochen wird, zu bewältigen. Dafür ist letztendlich wirklich kraftvolles Handeln notwen dig.
Deswegen bin ich froh über das, was von Brüssel kommt. Das wird auf allen Ebenen Folgen haben. In der Gesellschaft wür de manches ohne die Jungen – dazu zählt auch „Fridays for Future“; um das deutlich zu sagen – so nicht diskutiert wer den,
die Jungen, die auf die Straße gegangen sind und gesagt ha ben: „Es geht um unsere Zukunft.“ Ich habe vor denen große Achtung. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Ich bin nicht mit allem, was sie machen, einverstanden. Aber ich habe gro ße Achtung vor denen und einen wirklich großen Respekt da vor, was sie da global hinbekommen haben – eine Bewegung, die dieses Thema vorantreibt, und das immer auf der Grund lage von wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Unser Klima zu retten, das kann und sollte, glaube ich, eine vornehme Aufgabe für uns alle jenseits von Parteidenken in den kommenden Jahren sein. Einen guten Schritt gehen wir heute mit dem vorliegenden Gesetz. Davon bin ich fest über zeugt. Deswegen bitte ich Sie zum Abschluss herzlich um die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vergangenen Freitag haben weltweit wieder Zehntausende junge Menschen unter dem Motto „Kein Grad weiter!“ für den Klimaschutz demonstriert. Wir alle wissen um die Folgen eines fortschreitenden Klimawandels, und wir sehen die Folgen auch bei uns hier im Land: Waldsterben, Dürre, Ernteausfälle, zurückgehende Grundwasserspiegel, sich aufheizende Flüsse – um nur einige Stichworte zu nen nen. Wir haben also kein Erkenntnisproblem, sondern leider noch immer ein Umsetzungsproblem. Deshalb ist es wichtig, dass wir unser Klimaschutzgesetz weiterentwickeln.
Der vorliegende Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, ist eine konsequente Weiterentwicklung des Gesetzes, das wir im Jahr 2013 hier im Landtag mit breiter Mehrheit verabschie det haben. Wir nehmen uns ein neues Zwischenziel auf dem Weg hin zu einem klimaneutralen Baden-Württemberg vor, abgeleitet aus dem Ziel des Bundes. Mir ist es wichtig, diesen Aspekt zu betonen, gerade vor dem Hintergrund der Bericht erstattung heute. Wir, Grüne und CDU, haben nämlich nicht gewürfelt oder uns zusammengesetzt und darüber nachge dacht, worauf wir uns denn wohl einigen könnten.
Nein, abgeleitet aus dem Ziel des Bundes – das Klimaschutz gesetz des Bundes hat 55 % weniger CO2-Emissionen als Ziel formuliert – haben wir bei mehreren Instituten ein umfassen des Gutachten in Auftrag gegeben. Diese Institutionen kamen zu dem Ergebnis, dass Baden-Württemberg seine CO2-Emis sionen bis 2030 um 42 % reduzieren muss – sozusagen als Beitrag der Bundesländer –, damit das Ziel des Bundes er reicht werden kann.
Womit hängt das zusammen? Wir haben in Baden-Württem berg – ich sage dazu: Gott sei Dank – keine Braunkohlekraft
werke. Deswegen ist unser CO2-Ausstoß niedriger. Dafür ha ben wir andere Industriestrukturen, und wir haben mehr Ver kehr als andere. Diese Aspekte fließen in diese Zielsetzung mit ein; das möchte ich hier noch einmal betonen.
Eines möchte ich hier auch ganz klar sagen: Falls sich der Vor schlag der Präsidentin der Europäischen Kommission, Frau von der Leyen, durchsetzt,
dass nämlich das bisherige Ziel der Europäischen Union, de finiert im Jahr 2014, von 40 % auf 55 % heraufgesetzt wird, bedeutet das, dass sich die Mitgliedsstaaten und in der Folge auch dieser Landtag und auch die nächste Landesregierung erneut mit diesem Thema werden beschäftigen müssen. Inso fern gehe ich davon aus, dass das Klimaschutzgesetz auch in der nächsten Legislaturperiode hier erneut aufgerufen wird, wenn das Ziel auf europäischer Ebene neu festgesetzt wird.
Nun hinzugehen und zu sagen: „Na ja, wir sollten jetzt hier einmal vorangehen und höhere Ziele setzen“, verkennt, mei ne ich, ein wenig, wie die Dinge da schon ineinandergreifen, dass zunächst einmal wichtig ist, dass man sich auf europäi scher Ebene einigt, und anschließend die nachgelagerten Ebe nen die Dinge einordnen.
Denn letztendlich sind wir natürlich in dem, was wir uns in einem Bundesland wie Baden-Württemberg als Ziel setzen, auch davon abhängig, was für Maßnahmen auf europäischer Ebene ergriffen werden – das Stichwort lautet „Emissionshan del“; um den einmal zu nennen –, oder auch davon, was auf Bundesebene an Maßnahmen ergriffen wird, sei es im Bereich Gebäudeeffizienz, sei es in Bezug auf den Ausbau erneuerba rer Energien usw.
Um auch das zu sagen: Dann wird es notwendig sein, dass sich auch der Bund andere Ziele gibt, sowohl was den Um gang mit dem Gebäudebestand betrifft, als auch was z. B. den Ausbau der erneuerbaren Energien betrifft, wenn der Vor schlag von Frau von der Leyen zum Schluss zum Tragen kom men würde. Das werden wir in den nächsten Monaten sehen. Ich habe mich dazu geäußert. Ich würde es begrüßen – das sa ge ich ausdrücklich –, wenn es der Fall sein sollte, dass die ser Vorschlag durchkommt.
Meine Damen und Herren, dass diese Landesregierung bereits mit der jetzigen Gesetzesnovelle – das sage ich ebenfalls aus drücklich – mutig vorangeht, sieht man an verschiedenen Punkten. Ich will einmal drei Punkte herausgreifen. Wir ha ben uns darauf verständigt – nach intensiven Diskussionen mit den Koalitionspartnern –, dass wir eine Fotovoltaikpflicht für Nichtwohngebäude einführen, das heißt für Industriege bäude, für Gewerbehallen, für Logistikhallen, für Discounter, für Verwaltungsgebäude – um nur einmal einige zu nennen –,
und zwar zum 1. Januar 2022. Gleiches gilt auch für große Parkplatzanlagen mit mehr als 75 Stellplätzen.
Baden-Württemberg ist damit das erste große Flächenland in Deutschland mit einer solchen Regelung, und wir sind Vor bild für andere. Ich habe kürzlich gelesen, dass der bayerische
Ministerpräsident Söder angekündigt hat, dass auch Bayern dies zum 1. Januar 2022 will – es gibt jetzt in Bayern noch keinen Gesetzentwurf – und dass er auch anstrebe, eine sol che Regelung auf neue private Wohngebäude auszuweiten.
Es ist bekannt, dass ich das auch gern gemacht hätte, dass auch meine Fraktion es gern gemacht hätte, doch der Koalitions partner hat das zum jetzigen Zeitpunkt anders gesehen. In ei ner Koalition ist es nun einmal so: Wenn es keine Einigkeit gibt, dann wird es nicht gemacht. Also haben wir jetzt eine Pflicht für Nichtwohngebäude, aber ich bin sehr zuversicht lich, dass man sich in der nächsten Legislaturperiode – wenn diese Dinge kommen sollten, von denen ich vorhin gespro chen habe, nämlich dass wir uns mit einem angehobenen Ziel auf EU-Ebene auseinandersetzen müssen – eines Besseren be sinnen und sagen wird: Es macht Sinn, auch die neuen Wohn gebäude hineinzunehmen.
Übrigens, um das auch einmal einzuordnen, weil ich den Eindruck habe – – Ich weiß nicht, inwieweit es hier bekannt ist; in der Öffentlichkeit ist es, glaube ich, auch kaum bekannt: Wir haben einmal geschaut: Wie ist es denn von den Anteilen her bei neuen Nichtwohngebäuden und bei neuen Wohngebäuden? Auch für mich war überraschend – das will ich an dieser Stel le auch einmal sagen –, dass wir den weitaus größeren Anteil bei den Nichtwohngebäuden haben. Wenn man also einmal auf die letzten Jahre zurückschaut, muss man sagen, wir kom men an Potenzial bei den Nichtwohngebäuden in etwa auf das Zwei- bis Dreifache dessen, was wir bei den Wohngebäuden erreichen können.
Das spricht übrigens nicht gegen eine Pflicht bei neuen Wohn gebäuden, jedenfalls nicht aus meiner Sicht – nicht dass Sie mich da falsch verstehen wollen. Sie können auch sagen: In dieser Situation, in der die Stromerzeugungskosten bei Solar strom so weit unten sind und das Thema Eigenverbrauch – ich sage einmal: Gott sei Dank – auch in Zukunft für Industrie unternehmen, Gewerbeunternehmen usw. möglich ist – –
Beim ersten Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium wäre es sehr schwierig geworden. So, wie die Koalition es jetzt beschlossen hat, geht es auch zukünftig. Man kann auch sagen: Das ist Zwangsbeglückung. Denn letztendlich ist da mit natürlich eine Eigenkapitalverzinsung von 10, 11, 12, 13 % verbunden, je nachdem, wie hoch der Eigenverbrauch ist. Das ist, glaube ich, auch der Grund, warum da jetzt nicht arg viel Widerstand von denjenigen gekommen ist, die wir da letztlich verpflichten. Ich glaube, auch die haben eingesehen: Sie können hier einen wichtigen Beitrag leisten, und das macht durchaus Sinn für die Unternehmen – übrigens auch aus wirt schaftlichen Gründen.
Neu im Gesetz ist auch – auch damit sind wir bundesweit Vor reiter –, dass wir die großen Städte, die Großen Kreisstädte, die Stadtkreise im Land, also in der Regel die Städte mit mehr als 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, mit diesem Ge
setz verpflichten wollen, eine kommunale Wärmeplanung zu entwickeln.
Warum ist das wichtig? In den letzten Jahren sind wir beim Thema „Umstellungen bzw. Energiewende im Stromsektor“ ganz gut vorangekommen. Manches hätte ich mir auch anders gewünscht. Wenn man aber einmal die Zahlen anschaut, sieht man: Wir haben im Stromsektor mittlerweile einen Anteil von plus/minus 50 % an erneuerbaren Energien. Wo wir aber nicht gut vorangekommen sind – das gilt insgesamt für den Bund; es gilt auch für das Land –, das ist der Wärmesektor. Wir ste hen nicht zuletzt aufgrund des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes zwar besser da als andere. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass wir hier noch besser vorangekommen wären. Der Anteil des Wärmesektors bei den CO2-Emissionen liegt bei 30, 35 %.
Das heißt, wenn wir im Wärmesektor nicht erfolgreich sind, können wir in der Klimapolitik insgesamt nicht erfolgreich sein. Deswegen ist das so wichtig.
Wir verpflichten jetzt 103 Städte. 103 Städte heißt – das will ich an dieser Stelle auch einmal sagen – 5,5 Millionen Ein wohnerinnen und Einwohner. Wenn ich dann heute in der Zei tung lese, das springe viel zu kurz, es blieben 1 000 kleine Ge meinden übrig, dann verkennt man erst einmal, dass wir mit diesen 103 Städten 5,5 Millionen Einwohner erreichen und dass das Umweltministerium die Gemeinden im Land, die wir nicht verpflichten, künftig mit einem Förderprogramm in ei nem Umfang von 80 bis 90 % der Kosten unterstützt. Wie man dann so etwas schreiben kann wie das, was ich heute in der Zeitung lesen muss, das mag verstehen, wer will; ich verste he es nicht. Das will ich an dieser Stelle offen sagen.
Es heißt zudem, es fehle der Umsetzungsplan. Also: Droht diese kommunale Wärmeplanung, die wir für die Städte erst mals in Deutschland verpflichtend machen, in den Schubla den zu verschwinden? Nein, das droht nicht. Warum droht es nicht? Da sage ich selbstbewusst: Weil es in diesem Land ei nen Ministerpräsidenten gibt, der im letzten Dezember im Ver mittlungsausschuss bei dem Thema Brennstoffemissionshan delsgesetz mit durchgesetzt hat, dass im kommenden Jahr der CO2-Preis im Wärmesektor nicht bei 10 € anfängt, sondern bei 25 € pro Tonne CO2,
und dass dieser CO2-Preis im Jahr 2025 auf 55 € ansteigt. Was folgt daraus? Daraus folgt, dass sich in den kommenden Jah ren Akteure wie Stadtwerke, größere Energieversorger, Ener giegenossenschaften und andere diese Konzeption der kom munalen Wärmepläne anschauen und genau überlegen wer den: Wo macht es Sinn, die neue Welt gegen die alte Welt zu stellen und Projekte umzusetzen, weil die alte Welt aufgrund eines anstehenden CO2-Preises ökonomisch unattraktiver wird? Das ist die Idee dahinter. Ich bin mir sehr sicher, dass diese Idee der verpflichtenden Wärmepläne, wie wir sie entwickelt haben, mit diesem ansteigenden CO2-Preis sehr gut funktio nieren wird.
Noch eines: Auch da gilt wieder: Wenn sich Frau von der Leyen durchsetzt, bleibt es nicht bei diesem CO2-Preis. Das prophezeie ich. Daher glaube ich, wir haben in Baden-Würt temberg damit eine gute Grundlage, um im Wärmesektor in den kommenden Jahren voranzukommen.
Wichtig ist mir auch, dass wir uns darauf verständigen konn ten, mit diesem Gesetz die über 1 000 Gemeinden in BadenWürttemberg zu verpflichten, künftig ihre Energieverbräuche detailliert zu erfassen, um Energieeinsparpotenziale besser er kennen und nutzen zu können. Die Energieverbräuche wer den auf einer Plattform erfasst, auf der sich die Kommunen mit vergleichbar großen Kommunen oder mit Kommunen in der Region vergleichen können, um dann zu sehen: Wieso ist diese Kommune besser als die andere? Was steckt dahinter?
Ich bin ziemlich sicher, das läuft ähnlich, wie wir das in der Vergangenheit übrigens im Abfallbereich auch gemacht ha ben.
Jedes Jahr im August wird die Abfallbilanz veröffentlicht, die auch dazu anreizt, zu schauen: Wo stehe ich eigentlich bei den Landkreisen? Jeder schaut natürlich, dass er nicht unten ist, sondern weiter oben steht. Ich glaube, dass das hier durchaus auch Anreize bietet, dass Kommunen das Thema Energieeffi zienz bei ihren eigenen Liegenschaften noch stärker berück sichtigen, als sie es sowieso schon machen.
Ich will an dieser Stelle aber auch sagen: Viele Kommunen in Baden-Württemberg sind schon sehr stark engagiert. Es ist nicht so, dass da nichts gemacht wird. Vielmehr ist es meine Erfahrung der letzten Jahre, dass da auf kommunaler Ebene bereits vieles getan wird.
Meine Damen und Herren, wir denken Ökologie und Ökono mie mit diesem Gesetzentwurf zusammen, und wir sind über zeugt: Klimaschutz rechnet sich, Klimaschutz verschafft Wett bewerbsvorteile auf wichtigen Zukunftsmärkten. Deshalb sieht der Gesetzentwurf auch vor, dass Unternehmen auf freiwilli ger Basis mit dem Land Klimaschutzvereinbarungen abschlie ßen können. Es geht dabei darum, Unternehmen – insbeson dere natürlich die kleinen und mittleren Unternehmen – auf dem Weg zu dem Ziel Klimaneutralität zu begleiten und da, wo es nötig ist, seitens des Landes auch zu unterstützen.
Vonseiten der großen Unternehmen haben die ersten ja schon erklärt, bis wann sie klimaneutral sein wollen. Auch im mit telständischen Bereich gibt es erste Beispiele dafür, dass dies getan wird. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir hier in Ba den-Württemberg viele Unternehmen erleben werden, die die Chance nutzen, gemeinsam mit dem Land bei diesem wichti gen Thema voranzugehen, um auch zu zeigen, dass sie bereit sind, bei diesem wichtigen Zukunftsthema selbst Verantwor tung zu übernehmen.
Wir werden in der nächsten Woche auf dem Ressourceneffi zienzkongress, an dem auch der Ministerpräsident teilnehmen
wird, die ersten Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Be reichen präsentieren, die hier gemeinsam mit dem Land eine Vereinbarung zum Thema Klimaneutralität beschließen wer den.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe bereits ausgeführt, dass dieses Gesetz ein Zwischenschritt ist. Es ist ein Zwi schenschritt auf dem Weg, spätestens 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Setzt sich die Kommissionspräsidentin durch – um das noch einmal zu sagen –, dann werden der Bund und auch wir in der Folge nachsteuern müssen.
Wenn man zurückschaut, kann man sehen, wie richtig das ist, was ich vorhin gesagt habe: dass die Dinge ineinandergreifen. Ich habe mir in den letzten Jahren einige Male anhören müs sen, auch hier im Haus: „Na ja, ihr erreicht das Klimaschutz ziel 2020 nicht.“ Das Gesetz von 2013 sieht vor, dass wir bis 2020 – in wenigen Monaten, Ende des Jahres – minus 25 % CO2-Emissionen erreichen. Das war das Ziel. Es hat lange so ausgesehen – das gestehe ich durchaus zu –, dass wir davon ein gutes Stück weg sind, um nicht zu sagen, dass wir die Lat te reißen und drunter durchlaufen.
Im letzten Jahr hat sich das dramatisch geändert – und zwar vor Corona. Warum? Im letzten Jahr hat der CO2-Preis auf eu ropäischer Ebene erstmals gegriffen. Davor hatten wir Preise von 5 €, 6 € pro Tonne CO2 gesehen, und im letzten Jahr sa hen wir dann Preise von 23 €, 24 € pro Tonne CO2. Wozu hat das geführt? Die Folge war, dass in Deutschland und auch in Baden-Württemberg Kohlekraftwerke, Steinkohlekraftwerke – ältere Anlagen – in einem Umfang aus dem Markt gegan gen sind, wie das vorher nie der Fall war. Diejenigen, die am Netz geblieben sind, hat man runtergefahren, weil plötzlich natürlich jede Tonne Brennstoff, die da drin verbrannt wird, anders bewertet wird, als das vorher der Fall war – mit der Folge, dass Baden-Württemberg im letzten Jahr seine CO2Emissionen um über 6 % reduzieren konnte.
Das meine ich: Wir sind nun mal ein Teil von Europa, wir sind nun mal ein Teil von Deutschland. Wir haben aber auch eine eigene Verantwortung und auch eigene Möglichkeiten. Aber letztendlich werden wir in den Bundesländern nur dann er folgreich sein können – das gilt für alle –, wenn die Dinge in einandergreifen, wenn die europäische Politik funktioniert, wenn die Bundespolitik funktioniert und wenn wir unsere ei genen Hausaufgaben hier machen.
Dass wir nicht ganz so schlecht sind, was unsere eigenen Hausaufgaben betrifft, zeigt sich in Folgendem – ich will ein mal daran erinnern –: Wenn es im Dezember des letzten Jah res ein Ranking von einer unabhängigen Agentur in Berlin ge geben hat,
die verglichen hat, wie das mit dem Klimaschutz und mit der Energiewende in den Bundesländern so ist, und wir dabei zum zweiten Mal auf Platz 1 gelandet sind – beim letzten Mal zu sammen mit Schleswig-Holstein –, dann scheinen wir in der Vergangenheit ein paar Dinge richtig gemacht zu haben. Das will ich an dieser Stelle auch einmal sagen. Es ärgert mich
auch, wenn ich dann so manche Kritik lese, dass das da völ lig untergeht.
Aber es ist wahrscheinlich auch der Job der Nichtregierungs organisationen, immer noch mehr zu fordern. Das ist okay; damit kann ich umgehen. Aber ich bitte auch darum, dass man das, was wir da schon auf den Weg gebracht haben, entspre chend würdigt.
Auf dem Weg, den wir eingeschlagen haben, wollen wir mit diesem Gesetz konsequent weitergehen. Wir werden in ver schiedenen Bereichen mit diesem Gesetz bundesweit eine Führungsrolle einnehmen. Das Thema PV-Pflicht, das Thema „Kommunale Wärmeplanung“ habe ich erwähnt, auch das Thema „Vereinbarungen mit den Unternehmen“.
Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss und die an schließenden weiteren Beratungen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin, verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute ein guter Tag für den Naturschutz, es ist heute aber auch ein guter Tag für die Landwirtschaft in Baden-Württemberg.
Nach monatelangen intensiven Beratungen beschließen wir hier und heute ein Gesetzespaket, das sich wirklich sehen las sen kann und das landes- wie bundesweit sowie – das sage ich dazu; denn ich war in der vergangenen Woche bei einer Ver anstaltung in Brüssel – auch europaweit große Beachtung fin det. Wir schreiben mit dem vorliegenden Gesetzentwurf – auch das mag vielleicht für manche ein wenig pathetisch klin gen; ich sage es trotzdem – heute ein Stück weit Landesge schichte.
Zunächst zu Ihnen, Herr Dr. Rülke. In Ihrer Rede vorhin ha ben Sie ja mit der Ihnen eigenen Art davon gesprochen, wir hätten eine Initiative abgewürgt.
Wir hätten also das Volksbegehren abgewürgt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie in diesem Haus in der Ihnen eigenen Art der Erste gewesen wären, der, wenn das Volksbegehren weitergelaufen wäre, hier kritisiert hätte, dass diese Landes regierung es zugelassen habe, dass die Gräben zwischen Stadt und Land, zwischen Naturschutz und Landwirtschaft, zwi schen Konventionellen und Ökos in den nächsten Monaten aufgerissen worden wären. Sie wären der Erste hier gewesen! Da gehe ich jede Wette ein.
Und seien wir einmal ganz ehrlich: Das, was Sie machen, ist doch: Sie weinen hier Krokodilstränen. Warum? Weil Ihnen ein Wahlkampfthema abhandengekommen ist. Sie hatten sich doch schon dafür aufgestellt: „Wir sind die Vertreter von euch Bäuerinnen und Bauern; wir bewahren euch vor dem, was da mit dem Volksbegehren droht.“ Im Grunde genommen haben wir Ihnen diese Möglichkeit genommen. Auch dem rechten Rand haben wir diese Möglichkeit genommen – um das ein mal klar und deutlich zu sagen.
Herr Fischer, ich wundere mich schon ein bisschen, wie man solch eine Rede halten kann, wenn beispielsweise der Lan desbauernverband in seiner Vorstandssitzung diesem Gesetz entwurf einstimmig zugestimmt hat. Wie kann man dann hier solch eine Rede halten und behaupten, dass wir mit diesem Gesetz den Bauern an den Kragen wollten? Das ist schon mu tig. Das ist echt mutig.
Verstehen Sie: Dieser Gesetzentwurf wird von großen Teilen – nicht von allen – der Anbauverbände mitgetragen.
Weil ich mich wundere, welche Reden hier gehalten wer den. Darüber rege ich mich auf.
Bitte? Ich habe Sie nicht verstanden.
Ich darf mich doch wundern, wenn man hier solche Reden hält, bei denen man den Eindruck bekommt, wir lieferten hier das Land wirklich was weiß ich wem aus.
Okay.
Die heutige Beschlussfassung, verehrte Kolleginnen und Kol legen, markiert, wie ich finde – Herr Kollege Fischer – das gute Ende eines Gesetzgebungsprozesses, der zugegebener maßen nicht immer einfach, aber meines Erachtens sehr wich tig und letztlich auch richtig war.
Angefangen mit dem Start des Volksbegehrens über die Ent wicklung des Eckpunktepapiers gemeinsam mit Peter Hauk Anfang Oktober des letzten Jahres bis hin zu dem heute vor liegenden Gesetzentwurf haben wir alle gemeinsam – das be tone ich noch einmal –, die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens, die Naturschutz- und die Landnutzerverbän de, die Landesregierung und letztlich auch etliche Kollegin nen und Kollegen aus verschiedenen Fraktionen, bewiesen, dass es gelingen kann, die Herausforderungen des Artenster bens im Dialog miteinander anzugehen.
Ich bedanke mich auch ausdrücklich bei Kollegin Rolland für die Ankündigung, dass die SPD-Fraktion diesem Gesetzent wurf zustimmt. Das freut mich. Aber natürlich frage ich mich: Wie passt denn das zu der Rede, die Ihr Fraktionsvorsitzen der vorhin gehalten hat?
Das hat nicht so richtig damit zu tun. Aber am Schluss
lieber Kollege Binder – zählt das Ergebnis.
Ja, es zählt das, was hinten herauskommt.
Ich freue mich wirklich aufrichtig über die Zusage, dass die SPD-Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmt.
Das Artensterben aufzuhalten ist nicht nur ein Selbstzweck. Denn es geht um den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrund lagen für uns, aber es geht vor allem um den Erhalt der Le bensgrundlagen für unsere Kinder und Kindeskinder.
Warum habe ich das in Bezug auf Ihren Fraktionsvorsitzen den, Kollegen Stoch, gesagt? Man hatte vorhin den Eindruck, da hätten jetzt welche von außen zum ersten Mal etwas vor
gelegt, um die Themen Naturschutz und Artenschutz in Ba den-Württemberg aufzugreifen. Also, ich meine, wir haben einmal gemeinsam regiert
und das eine und andere auch gemeinsam gemacht. Ich will daran erinnern: Naturschutzstrategie, Nationalpark – wir ha ben die Mittel von 30 Millionen € auf 60 Millionen € erhöht – usw. In dieser Legislaturperiode, mit dem neuen Koalitions partner, haben wir die Dinge weiterentwickelt, beispielswei se mit dem Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt. Wir haben die Mittel im Naturschutz weiter erhöht usw. Da braucht man hier doch keine Reden nach dem Motto zu halten, man müsse uns jetzt zum ersten Mal sagen, wie es im Naturschutz geht.
Klar ist, dass die Maßnahmen bisher nicht ausgereicht haben, um den Artenverlust, von dem vorhin auch der MP gespro chen hat, aufzuhalten. Das ist doch mit ein Grund dafür, wa rum das Volksbegehren entstanden ist. Übrigens: Das Volks begehren war im Kern eine Reaktion auf die Krefelder Stu die, auf die Debatte, die sich daraus in der Öffentlichkeit ent wickelt hat, und war auch eine Reaktion auf das Volksbegeh ren in Bayern. Das war sozusagen die geschichtliche, die his torische Entwicklung.
Es ist doch okay, wenn so ein Anstoß aus der Gesellschaft he raus kommt. Es ist doch die vornehmste Aufgabe des Parla ments oder auch einer Regierung, eine solche Initiative aus der Gesellschaft aufzugreifen und zu schauen, wie man das so umsetzt, dass es keine gesellschaftliche Spaltung gibt – die es gegeben hätte, wenn das Volksbegehren zum Tragen ge kommen wäre; da bin ich mir sehr sicher.
Wir haben, verehrte Damen und Herren Abgeordnete, mit die sem beispielhaften, dialogorientierten Prozess auch bewiesen, dass die Demokratie in unserem Land allen gegenwärtigen Krisen zum Trotz funktioniert und dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in unserem Land da ist. Es hat sich gezeigt, wie breit der Konsens darüber ist, dass wir weitere Maßnah men ergreifen müssen, um die Biodiversität zu erhalten, und dass wir dabei die Landwirtschaft als Partner auf dem Weg zu diesem Ziel begreifen müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die in den Ausschüssen und jetzt auch hier von der FDP/DVP, aber auch von Kollegin Rol land und ihrer Fraktion gestellten Änderungsanträge zeigen, dass es hier – wie auch in manchen Landnutzerverbänden; auch das ist ja bekannt – Skepsis bezüglich der Frage gibt, ob die beabsichtigte Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsat zes im Umfang von 40 bis 50 % bis zum Jahr 2030 zu erreichen ist. Übrigens, noch einmal: Das ist eine gesamtgesellschaftli che Aufgabe, und dies verpflichtet nicht den einzelnen Be trieb. Dann muss man hier auch keine Horrormärchen erzäh len von wegen, die DUH werde irgendwann dastehen und ir gendetwas einklagen. Das ist schlichtweg Nonsens.
Diese Skepsis ist jedenfalls auch hier sichtbar.
Mir ist durchaus bewusst – da bin ich auch mit Peter Hauk ei nig –, dass es ein ambitioniertes Ziel ist, das wir da haben. Aber gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass es kein unre alistisches Ziel ist. Übrigens sind wir da durchaus nicht ganz allein. Schauen Sie etwa einmal in die Biodiversitätsstrategie der Europäischen Union, die vor wenigen Tagen vorgelegt wurde, oder schauen Sie, was beispielsweise in Bayern mitt lerweile beschlossene Gesetzeslage ist, oder schauen Sie in weitere Bundesländer.
Es ist ein Ziel, das letztendlich wiederum gesamtgesellschaft licher Anstrengungen bedarf. Denn die Einsparungen bei den Pflanzenschutzmitteln können und sollen nicht allein von der Landwirtschaft erbracht werden,
sondern genauso vom Land – in der Bewirtschaftung unserer eigenen Flächen –, von den Kommunen in der Bewirtschaf tung ihrer Flächen sowie im Verkehrsbereich – denken Sie einmal an das sogenannte Straßenbegleitgrün –; zudem geht es auch um die privaten Gärten. All diese Punkte, die ich da genannt habe, sind Gegenstand dieses Gesetzentwurfs. Es ist nicht so, dass wir, wie es hier in manchen Reden angeklungen ist, hierbei allein die Landwirtschaft in die Verpflichtung neh men würden. Das ist mitnichten der Fall.
Den Weg zu diesem Ziel werden wir auch noch genauer kon kretisieren müssen. Frau Kollegin Rolland, Sie meinten, was fehle, sei eine Risikobetrachtung der Wirkstoffe. Es lohnt sich doch manchmal durchaus, in einen Gesetzentwurf hineinzu schauen, um herauszufinden: Was steht denn dazu geschrie ben? Ist es wirklich so, dass dazu nichts geschrieben steht? Es ist natürlich nicht so, dass wir dazu nichts geschrieben hätten. In § 17 steht zunächst einmal sinngemäß, dass wir jährlich ei nen Monitoringbericht machen und dass wir in den Jahren 2023 und 2027 umfassende Berichte erstellen. Weiter heißt es dort – ich zitiere –:
Der Bericht umfasst auch eine Bewertung hinsichtlich des Risikopotenzials einzelner Wirkstoffe...
Was ist denn das anderes als das, was Sie mit Ihrem Ände rungsantrag wollen? Jetzt kann man sagen, das sei noch zu unpräzise. Aber lasst uns doch zuerst mal das neu aufzubau ende Monitoring machen, und dann schauen wir, wie es läuft – und dann kann man noch immer kommen und nachsteuern und sagen: „Es hat sich Folgendes gezeigt.“ Aber von vorn herein bei einem Punkt, den wir in diesem Gesetzentwurf be rücksichtigt haben, so zu tun, als gebe es den nicht, das finde ich ein bisschen gewagt. Ich kann es daher gut verstehen, dass die beiden Koalitionsfraktionen dem Änderungsantrag nicht zustimmen wollen.
Meine Damen und Herren, zum Schluss: Eines muss jedem von uns klar sein: Allein mit der Verabschiedung des Geset zes heute ist es noch nicht getan. Erst die tagtägliche prakti sche Umsetzung und auch die Anwendung der gesetzlichen Regelungen bewirken eine Stärkung der Biodiversität und der bäuerlichen Landwirtschaft in unserem Land. Wir befinden uns nicht etwa am Ende eines langen Weges, sondern an des sen Anfang, auch wenn wir heute bereits ein ganz wichtiges Etappenziel erreichen.
Ich bedanke mich noch einmal ausdrücklich bei allen, die an diesem Prozess mitgewirkt haben, bei den Umweltverbänden, bei den Anbauverbänden, bei den Landwirtschaftsverbänden, auch im Obstbaubereich, bei den Weinbauverbänden, aber auch bei vielen anderen, die in diesen Prozess eingebunden waren, die über Monate hinweg mitdiskutiert haben. Ich be danke mich natürlich auch bei den beiden Koalitionsfraktio nen, die schlussendlich ihre Zustimmung zu diesem Gesetz gegeben haben, und bei der SPD, die signalisiert hat, dem Ge setz zuzustimmen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin, verehrte liebe Kolleginnen und Kollegen! Als vor rund einem Jahr die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ mitteilten, sie hätten die in der ersten Phase erforder lichen 10 000 Unterschriften beisammen, konnten wir besten falls erahnen, wohin die weitere Entwicklung führen würde.
In der Tat ist der Verlust der Artenvielfalt und gerade der In sekten eine der drängendsten Herausforderungen der Gegen wart; denn Insekten sind sowohl als erstes Glied der Nah rungskette – denken Sie beispielsweise an Vögel, Reptilien und andere –, aber auch als Bestäuber für Mensch und Natur von herausragender Bedeutung. Daran hat auch die Corona pandemie nichts geändert. Das Artensterben kennt weder ei nen Lockdown noch einen Impfstoff, sondern erfordert letzt endlich unser konsequentes Handeln.
So wichtig und so berechtigt die Intention des Volksbegehrens im Grundsatz war, konnte die Landesregierung allerdings nicht alle Inhalte 1 : 1 mittragen. Da spreche ich auch für die grüne Fraktion. Für sie gilt das Gleiche. Denken wir beispiels weise an den damals enthaltenen § 34 – Verbot des Pflanzen
schutzmitteleinsatzes in allen Schutzgebieten. Wenn man sich das einmal überlegt, beispielsweise für den Weinbau in Ba den-Württemberg mit einer Fläche von rund 27 000 ha, von der plus/minus etwa die Hälfte in Schutzgebieten liegt, dann hat man ungefähr eine Vorstellung davon, was das letztend lich bedeutet hätte.
Daher sind wir im Herbst letzten Jahres mit den Initiatoren des Volksbegehrens und anschließend mit den Landnutzerver bänden in einen intensiven und konstruktiven Dialog einge treten. Wir haben kurz vor Weihnachten einen Konsens erzielt, der von einem großen Teil der Beteiligten mitgetragen wird, für den ich auch sehr dankbar bin. Ich bin dem Trägerkreis des Volksbegehrens dankbar, dass er sich auf unseren Eck punkteprozess eingelassen hat, aber ich bin ebenso den Land nutzerverbänden dankbar, dass sie die Eckpunkte ebenfalls – jedenfalls zu einem überwiegenden Teil – mitgetragen haben.
Das zentrale Ergebnis dieses Prozesses, meine Damen und Herren, liegt uns heute vor. Ich betrachte es auch als großen Erfolg dieser grün-schwarzen Landesregierung, von der ja im mer behauptet wird, wir bekämen da nichts mehr hin, bekä men keine Ergebnisse mehr hin.
Ich sage gleich noch einmal etwas dazu, welche Ergebnisse wir da hinbekommen.
Ich bedanke mich hier, lieber Kollege Zimmermann, aus drücklich bei meinem Kollegen Peter Hauk für die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit bei diesem gemeinsamen Projekt über all die Monate hinweg.
Der vorliegende Gesetzentwurf – ja, da könnt ihr ruhig lachen, aber es ist nun einmal so, wie ich es hier sage – zur Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Lan deskulturgesetzes greift die Anliegen des Volksbegehrens auf, entwickelt sie weiter und stellt das Ziel des Erhalts der Arten vielfalt auf eine breite gesellschaftliche Basis.
Der Biodiversitätsverlust hat vielfältige Ursachen. So müssen wir auch vielfältige Maßnahmen ergreifen, um diesem aktiv und zielorientiert entgegenzuwirken.
Zugleich fließen in den Gesetzentwurf in weitem Umfang auch – das will ich auch noch betonen – Zielsetzungen des ersten Volksantrags, der ja unter dem Titel „Gemeinsam un sere Umwelt schützen in Baden-Württemberg“ läuft, mit ein. Aus meiner Sicht haben wir mit diesem Gesetzentwurf eigent lich sieben der zehn Punkte durchaus mit umgesetzt. Die drei anderen Punkte – so sage ich jetzt einmal – sind Punkte, die wir nicht adressiert haben, aber bei denen ich persönlich kein Problem damit hätte, ihnen vom Grundsatz her ebenfalls zu zustimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die Landwirt schaft, aber auch das gesellschaftliche Leben insgesamt na turverträglicher gestalten. Die insektenfreundliche Gestaltung öffentlicher Grünflächen, der Ausbau des Biotopverbunds im