Protokoll der Sitzung vom 14.10.2020

Sie haben jetzt davon gesprochen, dass man künftig auf eine stärkere Differenzierung achten will. Dahin geht meine erste Frage, und zwar – Sie haben jetzt gerade auch von Akzeptanz gesprochen; wir wissen auch, dass so ein Virus wahrschein lich keine Unterscheidung zwischen einem Geschäftsreisen den und einem touristisch Reisenden macht –: In welcher Wei se kann eine derartige Differenzierung Sinn machen? Das ist die erste Frage.

Die zweite Frage: Sie haben auch gesagt, Sie wollen sich da für verwenden, die Maßnahmen insgesamt anders auszuge stalten, weil auch Sie sehen, was alles daran hängt – der gan ze Einzelhandel etc. bis hin zu den Kur- und Heilbädern in Baden-Württemberg, die in der Folge ja von derartigen Rege lungen in der Beherbergung betroffen sind. Welches sind denn die konkreten Maßnahmen, die Sie da schon angedeutet ha ben, um mit Blick auf die Gestaltung im Land Baden-Würt temberg die Dinge zu verbessern und – so, wie es Kollege Pro fessor Schweickert gesagt hat – auch effizienter zu gestalten?

Vielen Dank.

Ich glaube, dass wir generell in der Gestaltung unserer Hygiene vorgaben und unserer Margentabellen im Umgang mit der Pandemie sehr gut strukturiert sind. Schauen Sie mal, wie man es in Esslingen, in Stuttgart gemacht hat, wie schnell Allge meinverfügungen erlassen wurden. Die Margentabellen, die wir vorgegeben haben, all die Handlungsleitfäden, die wir mit der kommunalen Familie erarbeitet haben, die haben schon Wirkung.

Noch einmal: Hinter dem Beherbergungsverbot als touristi sche Zielrichtung steht natürlich schon die Grundannahme, keinen Sog auszulösen. Ja, Stand heute können wir bisher nicht beschreiben, dass ein Sog mit erhöhten Infektionszah len ausgelöst wurde. Darum traue ich mich heute zu sagen: Stand jetzt – – Vielleicht ist das etwas anderes, wenn wir 100, 150, 200 Infektionsfälle in den Inzidenzlagen haben; dann werden wir es wieder neu beurteilen.

Darum brauche ich jetzt gar nicht von Maßnahmen zu reden, sondern ich sage tatsächlich: Stand heute würde ich empfeh len, auf ein Beherbergungsverbot einfach zu verzichten und dabei die Lage ganz genau im Blick zu haben. Wir kennen un sere Betriebe; sie sind nominiert. Wenn jetzt jemand aus ei nem Gebiet mit einem erhöhten Inzidenzwert kommt, werden natürlich die Gastronomen mit denen noch mal reden und fra gen: „Haben Sie sich überprüft? Haben Sie mal Fieber gemes sen? Wie geht es Ihnen? Halten Sie sich daran?“ Das wäre meine Maßgabe.

(Beifall des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Es kann aber sein, dass das nicht reicht. Wir können im Au genblick immer nur situative, punktuelle Bestandsanalysen vornehmen. Stand heute traue ich uns das zu. Wir hoffen, dass die Schritte, die wir jetzt machen, wirken. Heute sind die Kennzahlen nicht in dem Maß hochgegangen wie in den letz ten Tagen. Es ist festzustellen, dass wir wieder mehr kleinere lokalisierte Ausbruchssituationen haben.

Ich würde jetzt aus baden-württembergischer Sicht sagen: Bei uns dauern die Ferien ja nur eine Woche. Ich weiß – ich habe auch viele Briefe bekommen –, dass die Debatte der letzten Wochen bei uns zu Stornierungen geführt hat; ich bin schon informiert. Trotz allem: Wenn es bei der Debatte um touristi sche Maßnahmen noch eine zu große Diskrepanz zwischen Strenge und Milde gäbe, bin ich doch sicher, dass es in jedem Fall bei den Geschäftsreisenden ein schnelles Einvernehmen geben wird, auch wenn diese in der Gesamtschau keinen Un terschied machen. Aber ich weiß auch, wie es Ihnen geht, wenn Sie oder Ihre Mitarbeiter nach Stuttgart kommen und anschließend wieder woanders hinmüssen. Das ist alles kei ne Petitesse. Das wollen wir auf alle Fälle regulieren.

Frau Abg. Wölfle, Sie haben das Wort, um Ihre Frage zu stellen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, dass der Ministerprä sident uns morgen berichten wird. Ich denke, das Beherber gungsverbot ist eigentlich das Thema, bei dem alle warten, welche Entscheidung dazu aus dem Kanzleramt kommt. Jetzt lief aber vor knapp einer Stunde über den Ticker, dass dieses Reizthema zu einem Randthema heruntergestuft worden ist und es dort sehr wahrscheinlich gar nicht zu einem Ergebnis kommen wird.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Es ist eine Frage, die Baden-Württemberg als Tourismusland betrifft. Es betrifft auch Bayern. Aber Ministerpräsident Söder hat ja gestern die Rolle rückwärts gemacht, wie so oft schon. Wir haben hier Betriebe, die die Gäste in den anstehenden Herbstferien brauchen, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Wenn es im Kanzleramt kein Resultat gibt, dann sind diese Betriebe natürlich weitestgehend betroffen und auch gefährdet.

Haben Sie aktuell Kontakt zum Ministerpräsidenten,

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

damit man z. B. Einfluss nehmen kann, dass dieses Thema heute nicht von der Tagesordnung verschwindet oder in einer Randnotiz erscheint? Denn gerade das wird gerade über die Nachrichtenticker kolportiert.

(Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Lie be Kollegin Wölfle, Sie waren früher als Gesellschaftspoliti kerin auch in Kontakt mit der damaligen Familienministerin Schwesig. Dieser hätte man vielleicht auch mal sagen kön nen, dass ihre Hardlinerpolitik in diesem Punkt es uns auch nicht gerade leicht macht. Das Gleiche gilt für meinen Freund Heiner Garg, den Gesundheitsminister von Schleswig-Hol stein. Ich könnte sagen, er hat lediglich das falsche Parteibuch,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das sagt er über Sie auch!)

ansonsten ist er wirklich ein Mordskerle.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Die haben im Grunde die gleiche Herangehensweise. Sie ver folgen den Schutz der touristischen Destinationen durch die se Rigidität der Maßnahmen. Es gibt auch welche, die Angst haben, dass sie sich im touristischen Bereich Infektionen ins Land holen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Der Blick richtet sich nicht nur darauf, dass die Maßnahmen restriktiv sind. Man muss schon beide Seiten beleuchten.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Ich habe jetzt natürlich keine Standleitung zum Herrn Minis terpräsidenten – ich finde es auch bei den Fußballspielen im mer albern, wenn jemand mit einem Mikrofon herumläuft –, aber der Herr Ministerpräsident kennt meine Position. Er hat ja gestern in der RPK ganz ehrlich gesagt, dass dies eine schwierige Sache ist. Ihm schlagen da zwei, drei Herzen in seiner Brust.

(Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Doppel herz!)

Ich habe ihm meine Position ähnlich deutlich, wie ich es hier gesagt habe, mitgegeben. Nun schauen wir mal.

Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Binder.

Herr Minister, vorneweg: Der Mi nisterpräsident hatte beim Landkreistag zwischen privat Rei senden und dienstlich Reisenden unterschieden. Deshalb hof fe ich, dass er auf Ihren Rat hört und das Beherbergungsver bot fällt.

Meine Frage bezieht sich auf einen Inzidenzwert von 50 in nerhalb von sieben Tagen bzw. die Anzahl der vorliegenden Meldungen. Es ist nicht ganz einfach, den Wert exakt festzu setzen. Es kommt immer wieder zu zeitlichen Verzögerungen, die zumindest Fragen bezüglich dieses Wertes aufkommen lassen. Vermutlich werden diese Fragen mehr, umso mehr wir aufgrund dieses Wertes Einschränkungen, auch Grundrechtseinschränkungen – diese können wir dann rechtfertigen – vor nehmen. Vielleicht können Sie dazu etwas sagen; denn um diesen Wert wird es zunehmend mehr gehen.

Danke, Herr Binder, für diese Frage. Die Bedeutung eines Wertes von 30 haben Sie selbst erklärt.

(Abg. Sascha Binder SPD: Er hat das jetzt verstan den!)

Ja, so ist es. Mehr als mir manchmal lieb ist, wenn Sie zum Rapport kommen.

Wir haben Ihnen unseren dreistufigen Plan zur Eindämmung der Pandemie mit regional greifenden Maßgaben vorgestellt.

Für uns ist allein der Inzidenzwert nie ausschlaggebend für das Auslösen einer Maßnahme. Wir hatten z. B. in der Stufe 1 lange zehn bis 15 Fälle pro 100 000 Einwohner. Nach der wis senschaftlich, rein an Zahlen orientierten Maßgabe hätten wir die Stufe schon ab einem Wert von zehn wechseln können. Wir haben gesagt: Das Infektionsgeschehen ist überschaubar. Es gibt keine starken Einträge in die Bereiche Gesundheit, Pflege oder bezüglich anderer vulnerabler Gruppen. Das In fektionsgeschehen ist im Wesentlichen nicht diffus, sondern nominierbar.

Genauso betrachten wir die Situation in Stufe 2; vor einer Wo che haben wir Stufe 2 ausgerufen. Jetzt bewegen wir uns schon im 30er-Bereich. Die Zunahme an lokalisierten und dif fusen Ausnahmen ist da. Wenn sich der Trend von heute Mor gen fortsetzen würde, wenn der Zuwachs erneut geringer wä re, dann würde uns das guttun.

Eines machen wir aber nicht. Wenn irgendwelche Leute im mer „Einheitlichkeit, Einheitlichkeit, Einheitlichkeit!“ rufen, stellt sich mir die Frage: Was meinen sie mit Einheitlichkeit? Es kann sich nicht um die Einheitlichkeit von Maßnahmen, sondern muss sich um die Einheitlichkeit von Maßstäben han deln.

Ich möchte heute keine Stufe ausrufen, die für das ganze Land gilt, wenn im Großraum Karlsruhe, in Oberschwaben, am Bo densee die Inzidenz bei neun, zehn oder 15 liegt, während an derswo die Inzidenz bei 50 liegt. Ich möchte diese Regionen nicht mit Maßnahmen überziehen, die einen hohen Aufwand bedeuten, der nicht mehr verhältnismäßig ist – auch vor dem Hintergrund, wenn die Werte dort wirklich steigen.

Ich glaube, Sie können uns abnehmen, dass wir punktuell ganz entscheidend – – Ich muss an dieser Stelle sagen: Die Stadt Stuttgart hat hervorragend gehandelt.

(Abg. Anton Baron AfD: Ach!)

Ja, absolut. – Die Allgemeinverfügung, die Konzepte haben wir abgestimmt. Wir sind die Handlungsleitfäden übers Wo chenende gemeinsam durchgegangen, übrigens auch mit Landrat Eininger.

Sie wissen, Herr Binder, wir haben noch vor den Kommuni ons- und Konfirmationsfeierlichkeiten am Wochenende ver kündet, dass die Größe der Feierlichkeiten – das war ein Ein schnitt für die Menschen – eingeschränkt ist, um die Zahl der Corona-Ausbrüche zu minimieren.

Die Frau Kultusministerin und ich haben uns in der letzten Woche gemeinsam an die Sportverbände gewandt und mit ih nen Konzeptgespräche geführt. Derzeit besteht sozusagen das Problem der dritten Halbzeit; die Bierliesel kreist in der Du sche. Wir haben Jugendverbände, die Jungadler und andere. Das Problem hier bereitet uns schon Kummer. Da müssen wir ansetzen.

Von den 60 000 Schulklassen sind momentan die Schülerin nen und Schüler von 517 Schulklassen in Quarantäne. Wir ha ben nicht die ganzen Schulen geschlossen. Wir haben ein ex zellentes Zusammenspiel der Schulen, der Schulverwaltung und der Gesundheitsämter.

Wir haben das Problem, dass Jugendliche viele Kontakte ha ben und uns am Anfang gern ein wenig anschwindeln, sodass die Kontakte schier nicht mehr nachvollziehbar sind. Da ha ben wir eine wirklich große Aufgabe. Sie wissen, dass wir jetzt für die Nachverfolgung in Stuttgart und in Esslingen die Bun deswehr um Amtshilfe gebeten haben. Aber wir müssen auf passen, dass wir dort tatsächlich wirken können. Wenn ich das als Maßstab heranziehe, dann ist die Beherbergung als Hort der Überprüfung für uns leistbar.

Jetzt kommt die letzte Frage. Sie wird von Herrn Abg. Haußmann gestellt. – Wenn Sie, Herr Minister, Ihre Antwort relativ kurz halten, dann sind wir auch gut in der Zeit. Vielen Dank.

Vielen Dank. – Herr Mi nister, wir testen inzwischen 16-mal mehr als zu Beginn der Pandemie – über 130 000 Tests in der Woche. Ich denke, das muss man auch noch einmal bewerten.

Ich will in der Kürze der Zeit nur einen Punkt ansprechen, auch um Ihnen gegenüber dem Ministerpräsidenten noch ein mal den Rücken zu stärken, was die Abwägung zwischen ge schäftlich und touristisch angeht. Sie haben es heute vielleicht gelesen: Die Musiktage in Donaueschingen sind abgesagt worden. Ich weiß von weiteren Sport- und Kulturveranstal tungen, dass sie nicht stattfinden bzw. ihre Durchführung auf der Kippe steht.

Neben den Existenzen vieler Hoteliers und Gastronomen steht auch die Existenz der Vereine auf dem Spiel. Wenn man die Abwägung trifft, welche Entwicklung sich in den letzten Mo naten in den Hotels vollzogen hat, sollte man nicht nur an ge schäftliche Themen, sondern auch an die Themen denken – deswegen möchte ich Ihnen den Rücken stärken –, die in der Breite unserer Gesellschaft wirken. Deswegen sollte das Be herbergungsverbot komplett aufgehoben werden.