Protokoll der Sitzung vom 14.10.2020

Sie haben quasi noch einmal eine Zusammenfassung gebracht, aber einen neuen Aspekt eingeführt, und auf diesen gehe ich ein. Wir testen jetzt in der Tat mehr als am Anfang, und dar auf bin ich stolz. Denn Sie erinnern sich, was wir zu Beginn an Blut, Schweiß und Tränen geschwitzt haben, weil wir kei ne Kits hatten und, und, und. Das funktioniert also.

Aber ich sage Ihnen auch: In der Hochzeit, in der wir die gan zen Reiserückkehrer getestet hatten, lag der Anteil positiver Tests zwischen 0,67 und 0,79 %. Dieser Anteil bewegt sich jetzt in Richtung 4 %, was mir natürlich nicht nur Spaß macht. Es ist gut, dass wir die Betreffenden erreichen. Dann können wir tatsächlich agieren, auch die App besser einsetzen. Aber die quantitative Zunahme ist schon enorm. Und, um es mit Drosten zu sagen – das richtet sich auch noch einmal an Herrn Binder; jetzt ist er schon wieder weg –: Jede Neuinfektion, auch 50 plus/minus x, ist natürlich ein Vorgriff auf das Kom mende, das wieder exponentiell wirken kann. Sie wissen, das Schlimmste bei der unerkannten Infektion ist eine exponenti elle Steigerung, die wir auf alle Fälle verhindern müssen.

Herzlichen Dank.

Vielen Dank, Herr Minister, auch für die kurzen Antworten.

(Beifall des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Dadurch konnten wir ganz viele Fragen beantworten.

Ich möchte noch eines sagen: Auch wenn hier desinfiziert wird, haben Masken nichts auf Tischen verloren. Wenn Sie in Itali en wären und die Carabinieri kämen, wären Sie schon einkas siert worden.

(Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Aber Ihre Maske hängt am Hals!)

Eben, weil ich immer ein paar bei mir habe. Danke für die Erinnerung, Herr Professor. – Sorry.

Vielen Dank, Herr Minister, auch für diese Aufklärung.

Damit ist Punkt 5 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Einführung von Einwohneranträ gen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Landkrei sen – Drucksache 16/5892

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für In neres, Digitalisierung und Migration – Drucksache 16/8808

Berichterstatter: Abg. Ulli Hockenberger

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Faktion festgelegt.

In der Aussprache erteile ich Frau Abg. Erikli für die Frakti on GRÜNE das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Vor über einem Jahr haben wir über den vorliegenden Gesetzentwurf der FDP/DVP schon einmal diskutiert.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Schnell wurde klar: Wir warten die Evaluierung der Gemein deordnung ab. Wir wollten schließlich keine Entscheidung treffen, bevor nicht die Fakten auf dem Tisch liegen.

Nun liegt uns die Evaluierung der Gemeindeordnung vor. Das Dokument stellt auf über 100 Seiten ausführlich dar, was in den Bereichen Bürgerbeteiligung, „Transparenz der Gremi enarbeit“, „Stellung der Fraktionen“ sowie Minderheitenrech te Stand der Dinge ist.

Das Thema „Bürgerbeteiligung auf Landkreisebene“ wird da rin nur kurz behandelt. Das hat seine Ursache darin, dass es die Bürgerbeteiligung auf Landkreisebene zwar bisher nicht gibt, aber dennoch Fragen zur Einstellung dazu gestellt wur den. Die Landkreise wurden gefragt, ob sie eine Bürgerbetei ligung auf ihrer Ebene als sinnvoll erachten. Von den insge

samt 35 Landkreisen haben sich 16 dagegen ausgesprochen, drei dafür.

(Abg. Gabi Rolland SPD: Kein Wunder!)

16 Landkreise haben diese Frage nicht beantwortet.

Wonach in der Evaluierung nicht gefragt wurde, was aber nach dem Gesetzentwurf der FDP/DVP auch eingeführt werden soll, sind Einwohneranträge und Bürgerbegehren. Gefragt wurde nur nach einer Option der verschiedenen Beteiligungs formen, und es gab von 60 % der Landkreise überhaupt kei ne Rückmeldung. Das ist wirklich sehr bedauerlich.

Was aber sehr ausführlich evaluiert worden ist, sind die ver schiedenen Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung auf kommu naler Ebene. Klar wird vor allem eines: Die Kommunen kom men mit den verschiedenen Möglichkeiten der Bürgerbeteili gung gut zurecht. Auch die Evaluation kommt zu diesem Schluss. Im Bereich der kommunalen Bürgerbeteiligung gibt es nur wenige Änderungswünsche. Besonders beachtlich ist: Die Kommunen fragen nicht nach weniger Bürgerbeteiligung. Es geht eher um eine leichtere und vor allem unkomplizierte Handhabung. Es wird also nicht das Ob, sondern das Wie in frage gestellt.

Als 2015 die Gemeindeordnung reformiert wurde, hörte sich das alles noch anders an. Von einer Gängelung war da die Re de, von Durchsetzung von Partikularinteressen und von einer sinkenden Bereitschaft der Menschen vor Ort, ein Gemeinde ratsmandat zu übernehmen.

(Zuruf des Abg. Rainer Hinderer SPD)

Außerdem wurde befürchtet, dass Bürgerbeteiligung in den Kommunen beispielsweise den Bau neuer Wohnungen mas siv einschränken würde. Diese Befürchtungen haben sich al le nicht bewahrheitet. Das zeigt die Evaluation der Gemein deordnung sehr deutlich. Das ist wirklich erfreulich. Wir kön nen hier erkennen: Es ist gut und vernünftig, wenn die Men schen über Projekte vor Ort mitreden dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Auf Landkreisebene sind wir aber nicht zufrieden. Denn Ba den-Württemberg ist neben Hessen das einzige Flächenland in Deutschland, das keine Bürgerbeteiligung auf Landkreis ebene vorsieht.

(Abg. Rainer Hinderer SPD: So ist es!)

In den anderen Bundesländern gibt es momentan keine Be strebungen, diese Form der Bürgerbeteiligung wieder rück gängig zu machen. So schlecht scheint es also dort vor Ort nicht zu laufen. Für uns Grüne ist das ein Grund mehr, Bür gerbeteiligung auch auf der Ebene der Landkreise einzufüh ren. Leider sieht das unser Koalitionspartner nicht so.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb ist es schade, dass wir, die Regierungsfraktionen, heute nicht einen eigenen Entwurf zur Bürgerbeteiligung auf Landkreisebene vorlegen können.

(Abg. Rainer Hinderer SPD: Das ist echt schade!)

Hier ist von uns Grünen offensichtlich noch starke Überzeu gungsarbeit zu leisten.

(Abg. Rainer Hinderer SPD: Die sind schon alle ge flohen! Es ist gar niemand mehr da!)

Herr Klenk lächelt vor sich hin. Aber wir kennen die Kolle gen von der CDU. Sie sind oftmals nach zähem Ringen für kluge Vorschläge empfänglich.

Wir Grünen unterstützen die Forderung des Vereins „Mehr Demokratie“. Deshalb war die Bürgerbeteiligung auf Land kreisebene auch Teil unseres letzten Wahlprogramms. Ich fra ge mich: Warum hört die FDP/DVP hier nicht auf die Exper tinnen und Experten von „Mehr Demokratie e. V.“? Sie sehen nämlich andere Quoren vor.

Es fällt mir nicht nur wegen der geringen Beteiligung und der unzureichenden Faktenlage schwer, dem Gesetzentwurf der FDP/DVP zuzustimmen. Vielmehr ist der Gesetzentwurf auch inhaltlich schwach. Denn er übernimmt von „Mehr Demokra tie“ die wirklich relevanten Inhalte bezüglich der Quoren eben nicht.

Zum Abschluss: Die Menschen in Baden-Württemberg sind natürlich in der Lage, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Wir trauen ihnen mehr Beteiligung auf Landkreisebene zu, und ich bin der festen Überzeugung, dass die Bürgerinnen und Bürger bei der nächsten Wahl sehr genau im Kopf behalten, welche Parteien ihnen mehr Verantwortung zutrauen und wel che nicht.

(Zuruf: Genau!)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Rainer Hinderer SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Hockenberger.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, werte Kolleginnen und Kollegen! Heute geht ein langer Weg zu Ende – zumindest heute.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Warum sage ich das? Der Tagesordnungspunkt lautet: „Zwei te Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Einführung von Einwohneranträgen, Bürgerbegeh ren und Bürgerentscheiden in Landkreisen“. Ich bitte um Ver ständnis, wenn ich mich in meiner Rede genau darauf kon zentriere. Denn die politische Aufarbeitung der Bewertung des Evaluationsberichts im Haus steht noch an. Sie wurde noch nicht vorgenommen und steht noch aus; darüber wird zu gegebener Zeit noch etwas zu sagen sein.