(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist heute die ers te Wahrnehmung des Oberhauses! Bei der Abstim mung werden wir nie wahrgenommen! – Zuruf: Den stellen wir in die Ecke!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! In der heutigen Beratung zum Gesetzentwurf bezüglich des Elektronische-Regierung-Geset zes – ich möchte keine unnötigen Anglizismen verwenden, wenn die deutsche Sprache auch verwendet werden kann – gilt es, vorneweg zu sagen: Es wird Zeit.
Kleine Länder, vor allem im Baltikum, sind uns hier weit vo raus. Das ist schon irgendwo beschämend. Ich habe mich mit dem Gesetzentwurf befasst. Eines sticht da gleich ins Auge: Die vollständige Umsetzung soll laut diesem Gesetzentwurf fünf Jahre dauern. Das überrascht mich dann doch sehr. Auf gelistet ist auch die Anzahl der Arbeitsplätze, bei denen pro Jahr auf papierlose Aktenführung umgestellt werden soll. Da stellt sich mir die Frage: Warum dauert das so lange?
Ich bin mir sicher, dass ein Unternehmen, das Arbeitsplätze in der Größenordnung der im Gesetzentwurf aufgeführten Zahlen hat, wohl keine fünf Jahre brauchen würde, um diese Umstellung durchzuführen. Dazu, woran es liegt, dass dafür fünf Jahre vorgesehen werden, hätte ich gern mehr Details.
In der Begründung zum Gesetzentwurf steht, dass es zu der artigen Verzögerungen kommt, weil u. a. auch aufgrund von Corona eine schnellere Umsetzung nicht machbar wäre. Das mag in Teilen richtig sein; es klingt für mich jedoch eher nach einer willkommenen Ausrede.
Damit wir uns richtig verstehen: Ich begrüße ausdrücklich die Umstellung auf die E-Aktenführung. Sie ist richtig und soll te längst vollzogen sein. Meiner Ansicht nach braucht es für die Aktenführung überhaupt kein Papier – übrigens auch nicht im Landtagsbetrieb, vom Stenografischen Dienst vielleicht einmal abgesehen.
Schauen wir uns nur einmal die Arbeitsweise im Ausschuss an. Ich erhalte die Tagesordnung teilweise dreimal in gedruck ter Form und noch einmal in elektronischer Form. Sagen Sie mir doch bitte einmal, wer das so braucht. Dasselbe gilt für Anfragen, Beschlussempfehlungen, Anträge.
Ich habe eine kleine Vermutung, woran das eventuell liegen könnte. Liegt es womöglich daran, dass hier einige Damen und Herren im Hohen Haus der Zeit quasi ein bisschen ent rückt sind
und dem technologischen Fortschritt nicht mehr folgen kön nen oder wollen? – Ich finde es toll, dass Sie so ehrlich sind.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Was du schwarz auf weiß besitzt, usw.! – Gegenruf von der AfD: Bes ser als schwarz auf grün! – Zuruf des Abg. Karl Zim mermann CDU)
Das ist ein Umstand, welcher sich dann nicht nur auf den Be reich der Technologie, sondern auch auf die Sorgen und Nö te der Bürgerschaft beziehen könnte. Auch hier scheint mir, dass einige Damen und Herren nicht mehr ganz mithalten kön nen oder wollen und nicht erkennen, was in diesem Land wirklich vor sich geht und was den Bürger umtreibt.
Zurück zum Gesetzentwurf: Eine derart lange Umsetzungs zeit bringt unweigerlich auch erhöhte Personalkosten mit sich. Das wird im Gesetzentwurf auch benannt. Vielleicht schaffen Sie es ja – das wäre mein eindringlicher Appell an Sie –, die Umstellung auf die E-Aktenführung doch etwas schneller als geplant durchzuführen. Ich fordere die Regierung auf, mit vol lem Elan dafür zu sorgen, dass es schneller, als angedacht war, vorangeht, und zwar auch im Sinne von Steuerersparnissen, welche gerade in der aktuellen Zeit mehr als sinnvoll erschei nen. Es würde auch die Angestellten entlasten, die in den kom menden Jahren teilweise die doppelte Arbeit haben – elektro nisch und in Papierform.
Zum Schluss daher noch einmal ein klares Ja zur Sache, jedoch ein klares Nein zur veranschlagten Zeit. Wir werden die Um setzung weiter im Auge behalten. Die Umstellung sollte schnel ler vonstattengehen. Die starre Bindung an das E-GovernmentGesetz der Bundesregierung war sicherlich gut gemeint.
Jedoch lässt sich bei so unterschiedlichen Ebenen eine gleich zeitige Umsetzung eben nicht immer realisieren, erst recht nicht bei einem so komplexen Vorhaben. Anstatt eine gleich zeitige Umsetzung mit dem Bund zu sichern, wäre es meiner Meinung nach wichtiger, landesintern den Gleichlauf zwi schen dem E-Akten-Rollout und der Verpflichtung der Ver waltung zu sichern bzw. zu regeln.
(Beifall bei der AfD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Neun weiße DIN-A4-Blätter haben Sie für diese Re de benötigt! – Heiterkeit)
Oh, Entschuldigung. Ich wollte jetzt auch mal schnell sein und hatte Sie schon abgehakt. Entschuldigung, Herr Abg. Kar rais. Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Einen Anglizis mus muss ich jetzt doch verwenden; dann muss der Kollege Stein eben weghören.
Wir haben bei der letzten Bundestagswahl einen Spruch pla katiert, der hieß „Digital first. Bedenken second.“
Der war in der einen oder anderen Diskussion durchaus um stritten, aber er sagt einen wesentlichen Punkt aus, nämlich dass man durchaus mal den Mut haben muss, an etwas heran zugehen und auch etwas auszuprobieren. Das ist im digitalen Bereich durchaus üblich. So kann man relativ einfach Fehler wieder ausbessern oder Verbesserungspotenzial heben. Das ist definitiv eines unserer Credos beim Thema Digitalpolitik.
Allerdings bedeutet das nicht, dass man Dinge, die man vor hersehen kann, nicht durch eine ordentliche Planung verhin dern könnte. Die war hier offensichtlich nicht vorhanden; sonst würden wir heute nicht über diesen Gesetzentwurf be raten.
Denn was liegt uns vor? Es geht im Wesentlichen um die E-Akte. Die E-Akte ist der Grundstein der digitalen Verwal tung. Sie ermöglicht die Automatisierung vieler Prozesse. Sie vereinfacht viele Arbeitsschritte in den Verwaltungen und er öffnet so mehr Freiräume für die zeitliche Gestaltung der Ar beit der Beamtinnen und Beamten sowie der Angestellten in der öffentlichen Verwaltung. Es ist eine Arbeitserleichterung bei Routineaufgaben.
Die E-Akte ist immer zugänglich, Stichwort Telearbeit. Das ist gerade in Pandemiezeiten besonders wichtig, ist aber auch vor dem Hintergrund der generellen Diskussion um Heimar beit und Homeoffice und der damit einhergehenden Verpflich tungen grundsätzlich durchaus sinnvoll.
In der Coronazeit sind die Angestellten aus vielen Verwaltun gen am Montag ins Amt gelaufen, haben einen Stapel Akten mitgenommen, den sie am Dienstag zu Hause von Hand be arbeitet haben, und sind dann am Mittwoch wieder ins Büro gegangen, um alles digital in den Rechner einzutragen bzw. die Akten wieder abzuheften. Das ist im Jahr 2020 wirklich nicht mehr zeitgemäß – und das ist es auch nicht im Jahr 2025, was jetzt das Ziel ist.
Die E-Akte hat ganz viele Vorteile. Daraus könnten sich vie le Potenziale ergeben. All das hätten wir zum 1. Januar 2022
als Pflicht in allen Verwaltungsinstanzen haben können. Es kommt jetzt aber leider erst im Jahr 2025, und das ist sehr be dauerlich.
Denn Baden-Württemberg ist im Jahr 2016 schon recht gut mit dem Thema gestartet. Es war schön, dass man hier schon recht früh diesen Weg gegangen ist. Hätten wir Sorgfalt vor Eile walten lassen, dann hätten wir jetzt wahrscheinlich einen besseren Umsetzungsstand.
Zum Vergleich: Das Land Nordrhein-Westfalen führt die E-Akte bereits 2022 ein. In Rheinland-Pfalz wird sie seit 2018 zumindest freiwillig in den Behörden umgesetzt.
Thüringen möchte sie 2023 eingeführt haben. Das heißt, all diese Länder sind schon mal schneller, als wir es hier in Ba den-Württemberg jetzt konkret sein werden.
Das ist sehr bedauerlich, vor allem vor dem Hintergrund, dass 2022 das Onlinezugangsgesetz in Kraft tritt. 575 Verwaltungs dienstleistungen sollen online zugänglich sein. Das kann man vielleicht hinbekommen. Ich bin da noch skeptisch, aber man kann es hinbekommen. Aber was bedeutet es, wenn dann die E-Akte nicht da ist? Das bedeutet, dass ein Antrag zwar digi tal gestellt werden kann, im Amt wird dann aber irgendein Pa pier ausgedruckt, und der Antrag wird ganz normal auf Papier weiterbearbeitet, anstatt dass man das durchgängig digital oh ne Medienbrüche behandeln könnte. Das wäre eine moderne Verwaltung, das wäre eine Verwaltung, die effizient arbeiten könnte und die dann auch entsprechend ihre Vorteile daraus ziehen könnte.
All das wird jetzt dadurch verzögert, dass im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Fehler bei der Planung dieses Projekts gemacht wurden, die vorhersehbar waren. „El la“ lässt grüßen. Das ist leider ein weiterer Akt an Schlecht leistungen im Bereich der Digitalisierung des Landes BadenWürttemberg. Das gereicht uns allen zum Nachteil.
Die FDP/DVP-Fraktion lehnt den vorliegenden Gesetzent wurf ab. Sie werden ihn wahrscheinlich trotzdem mit Ihrer Mehrheit beschließen. Allerdings wollen wir mit dieser Ab lehnung auch das klare Zeichen setzen, dass wir es nicht gut heißen, wenn die Digitalisierung im Land Baden-Württem berg verschleppt und dadurch vor sich hergeschoben wird, dass man hier falsche Planungen gemacht hat.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Landesregie rung betrifft Änderungen des E-Government-Gesetzes und des Errichtungsgesetzes BITBW. Es geht dabei erstens um die Veränderung des zeitlichen Ablaufs der Einführung der elek
tronischen Aktenführung in den Behörden des Landes. Und weil das Projekt, lieber Kollege Stickelberger, nicht scheitern soll, machen wir genau dies.