(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ihr habt ja auch noch Zeit! – Gegenruf des Abg. Dr. Boris Weirauch SPD: Genau!)
In Anlehnung an die Bundesebene muss man nach unserer Auffassung natürlich auch im Rahmen der internen Verstän digung überprüfen, ob es wirklich sinnvoll ist, jeden Bestand teil des Bundesgesetzes zu übernehmen, und ob wir nicht an der einen oder anderen Stelle landesspezifische Regelungen brauchen. Darauf hatte ich bereits hingewiesen.
Ein paar Sätze noch zu dem Entschließungsantrag, den die SPD hier ebenfalls eingebracht hat. Ich hatte schon in der ers ten Lesung darauf hingewiesen, dass unserer Meinung nach auch wir Abgeordneten in der Pflicht stehen, wenn es um die Frage des Vertrauensschutzes für die Politik geht. Durch Transparenz und Offenlegung von Einkünften können wir si cherstellen, dass hier nicht der falsche Anschein entsteht, wir könnten einer Einflussnahme von außen ausgesetzt sein.
Gerade jetzt, in einer Zeit, in der die demokratischen Partei en in Deutschland es mit einer großen politischen Kraftan strengung geschafft haben, die negativen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in Europa sehr niedrig zu hal ten, ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Po litik gestiegen wie selten in den Jahrzehnten zuvor. Dies zu schützen setzt voraus – da gebe ich Ihnen völlig recht –, dass auch wir unsere Einkommensverhältnisse transparent darle gen und dadurch die wirtschaftlichen Verhältnisse so transpa rent machen, dass wir unser Amt glaubwürdig in unabhängi ger Weise ausüben können.
Bemerkenswert ist allerdings, liebe Kolleginnen und Kolle gen von der SPD-Fraktion, dass Sie als Opposition jetzt der Regierung die Aufgabe übertragen wollen, hierfür einen Ge setzentwurf zu machen – der tatsächlich ja in unsere Rechte als Landtagsabgeordnete eingreift. Als selbstbewusste Parla mentarier sind wir der Auffassung, dass wir das sehr wohl ganz gut allein regeln können,
und werden dazu auch einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen. Aus diesem Grund sind wir im Moment auch nicht bereit, Ih rem Entschließungsantrag zuzustimmen.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Der von der SPD eingebrachte Gesetzentwurf zur Einführung einer Ka renzzeit für Minister und Staatssekretäre soll angeblich zu ei nem transparenteren Übergang von einem Staatsamt in einen Beruf in der freien Wirtschaft führen. Aber führt dieser Ge setzentwurf tatsächlich zu mehr Transparenz? Daran hege ich Zweifel.
Es fällt auf, dass der Landesregierung mit dem Gesetzentwurf ein sehr großer Bewertungsspielraum in Bezug auf die zu künftige Beschäftigung eines ehemaligen oder noch amtieren den hauptamtlichen Regierungsmitglieds gewährt wird. Hier in sehe ich gleich mehrere Probleme.
Die SPD muss sich die Frage gefallen lassen, worin der sach liche Grund dafür besteht, eine Karenzzeit auf zwölf bzw. 18 Monate festzulegen. Diese Frist erscheint willkürlich. Da aber sehr stark in die Berufsfreiheit eingegriffen werden soll, be darf es einer besonderen Rechtfertigung für diese Zeitspanne. Diese Rechtfertigung sehe ich derzeit nicht.
Zum anderen bahnt sich hier aufseiten der Regierung ein In teressenkonflikt an. Bei jedem Wechsel hat der neue Amtsin haber ein gestiegenes Interesse daran, dass sein Vorgänger ihm nicht in die Quere kommt. Dies ist verständlich. Parteifreun den wird man eine zu laxe Handhabung vorwerfen. Politische Gegner trifft der Vorwurf, zu scharf ins Gericht zu gehen.
Helfen soll hier – so verstehe ich den Gesetzentwurf – ein Be ratergremium. Der Vorwurf der Voreingenommenheit in die eine oder andere Richtung soll zwar durch die Schaffung ei nes unabhängigen beratenden Gremiums vermieden werden, doch letztlich bleibt es bei der Entscheidung der Regierung.
Auch beim Gremium selbst gibt es Anhaltspunkte zur Kritik. So sind weder Regelungen über die Befangenheit eines Mit glieds vorgesehen, noch müssen notwendige Kenntnisse im jeweiligen Tätigkeitsbereich, in welchen das Regierungsmit glied wechseln möchte, vorhanden sein. Es stellt sich daher schon die Frage, ob das Beratergremium überhaupt abschät zen und rechtlich zweifelsfrei bewerten kann, welches aus dem Amt erlangte Wissen eines ehemaligen Regierungsmit glieds in der angestrebten Anschlussverwendung tatsächlich nutzbar gemacht werden könnte. Dieses Wissen kann ein Be ratergremium nur durch Informationen der amtierenden Lan desregierung und speziell des Amtsnachfolgers erhalten. Und hier schließt sich der Kreis: Das Beratergremium soll ein Fei genblatt für eine politische Entscheidung der Landesregierung darstellen.
Neben inhaltlichen und politischen Bedenken gegen dieses Gesetzesvorhaben gibt es auch rechtliche Einwände. So stellt das Gesetz einen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit ge mäß Artikel 12 des Grundgesetzes dar. Sowohl die Berufs wahl als auch die Berufsausübung der Regierungsmitglieder werden durch das Gesetz eingeschränkt. Artikel 12 des Grund gesetzes ist das bedeutendste Grundrecht im Bereich unserer Sozial- und Wirtschaftsordnung. Solch ein gravierender Ein griff ist nur gerechtfertigt, wenn hierdurch wichtige, der Frei heit des Einzelnen vorgehende Gemeinschaftsgüter geschützt werden. Nun will ich nicht bestreiten, dass es sich bei der In tegrität der Regierung um ein überragend wichtiges Gut han delt und man nach juristischer Prüfung im Einzelfall zum Er
gebnis kommen kann, dass der Eingriff gerechtfertigt ist. Aber ob dies generalisierend der Fall ist, wage ich zu bezweifeln.
Doch was sagt dies aus, wenn das Vertrauen in die Arbeit der Regierung durch ein Gesetz erhalten werden soll, welches die Freiheit ihrer ehemaligen Mitglieder einschränkt? Kann und muss Integrität durch ein Gesetz erzwungen werden?
Hinweisen möchte ich auch auf die Auswirkungen eines sol chen Gesetzentwurfs über den reinen Wortlaut hinaus, die ebenfalls in den Blick zu nehmen sind und auf die bislang noch keine überzeugende Antwort gegeben wurde. Wer soll sich denn noch für das Gemeinwohl an herausragender Stel le engagieren, wenn er möglicherweise mit einer 18-monati gen Tätigkeitsquarantäne bestraft werden kann? Man wird kaum noch jemanden zum Wechsel aus der Erwerbstätigkeit in eine politische Funktion bewegen können. Konsequenter weise gefährdet man damit die Offenheit des Politikbetriebs und riskiert langfristig, dass nur noch Partei- und Staatsdie ner in eine Regierungsverantwortung kommen können und wollen. Dies muss man wollen.
Integrität wird sich allein mit einem Gesetz nicht erzwingen lassen. Es kommt auf die innere Haltung an. Wenn diese vor handen ist, benötigt man ein solches Gesetz nicht.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr von Eyb, vorab: Wenn es immer nur auf die individuelle Integrität der betrof fenen Personen ankäme, bräuchten wir in Deutschland auch kein Strafgesetzbuch.
Wir befinden uns in der Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs. Im Prinzip haben wir bereits in der Ersten Beratung im Juli, vor fast drei Monaten, umfänglich über den vorliegenden Ge setzentwurf diskutiert. Wir dachten ursprünglich, dass der Ab stimmungsprozess in den Regierungsfraktionen über die Som merpause in Gang kommt, nachdem man vier Jahre in diesem Bereich nichts gemacht hat.
Wir hatten nach den Wortbeiträgen in der letzten Beratung die Hoffnung, dass doch die Möglichkeit einer Einigung besteht, dass man im Landtag einen gemeinsamen Vorstoß vornimmt. Der „Staatsanzeiger“ hatte getitelt: „Großes Lob für SPD-Vor schlag“. Wir waren ganz beglückt und dachten: Wir warten einmal ab, was kommt. Und es kam nichts. Es ist ein klassi sches Komplementärchaos in den Regierungsfraktionen: Der Berg kreißte und gebar am Ende nicht einmal mehr eine Maus. Es ist nämlich gar nichts passiert.
Das wurde von prosaischen Ausführungen begleitet. Aber das war nichts anderes als grünes Marketing; das muss man an dieser Stelle einmal sagen. Ihnen muss klar sein, dass in einer parlamentarischen Demokratie ein Tweet kein Gesetz ersetzt.
Sie hätten die Möglichkeit gehabt. Wir waren dafür offen; ich habe es betont. Wir hätten auch über Änderungsanträge dis kutieren können. Es ist aber, wie gesagt, nichts passiert, Fehl anzeige.
Es gibt nun heute zwei Möglichkeiten. Die einfachste Lösung ist: Sie stimmen uns einfach zu und schaffen eine Karenzzeit regelung analog zu der Karenzzeitregelung des Bundes beim Wechsel von einem Regierungsamt in die Wirtschaft und schaffen hier Transparenz nach dem Grundsatz „Klarheit und Wahrheit“. Die zweite Möglichkeit ist: Sie machen das nicht. Dann müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie beim Werfen von Nebelkerzen Wiederholungstäter sind
mit dem Ergebnis, dass der Eindruck entsteht, dass die von Ihnen mit großer Anmut vorgetragenen Ziele der Transparenz Ihnen doch nicht so am Herzen liegen, wie Sie es uns und den Bürgerinnen und Bürgern im Land vorgaukeln.
Wir haben ferner Ihre vollmundigen Ankündigungen zum Lobbyregister in guter Erinnerung und haben sie auch ernst genommen. Wir haben das in einen Entschließungsantrag ge gossen, den wir heute hier zur Abstimmung stellen. Durch die Lobbyaffäre um den CDU-Bundestagsabgeordneten Amthor ist neuer Schub in die Diskussion gekommen. Selbst die CDU – das muss man wirklich sagen –, die da jahrelang blockiert hat, hat auf Bundesebene gemeinsam in der schwarz-roten Ko alition einen Gesetzentwurf für die Errichtung eines Lobby registers auf Bundesebene auf den Weg gebracht. Das wird noch im Oktober vom Deutschen Bundestag beschlossen.
Herr von Eyb hat das noch nicht mitbekommen. Vielleicht wird er sich einmal mit der CDU-Bundestagsfraktion ins Be nehmen setzen, weil sie bei der Einrichtung eines Lobbyre gisters keine verfassungsrechtlichen Bedenken hatte, ebenso wie bei der Karenzzeit; diese gibt es bereits seit zwei Jahren auf Bundesebene. Sie funktioniert hervorragend; das haben wir hier im Haus schon besprochen. Insofern kann ich Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken an dieser Stelle nicht so hoch ansetzen, wie Sie dies kundgetan haben.
Um nicht missverstanden zu werden: Die Vertretung von In teressen, zumal wenn diese gesellschaftlich einen hohen Stel lenwert haben, gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlich keit gehört zu den Wesensmerkmalen eines demokratischen Staatswesens. Jeder kann sich und die für ihn wichtigen Inte ressen in politische Prozesse einbringen. Das wollen wir an dieser Stelle auch nicht beenden oder irgendwie verhindern. Es geht aber darum, dass dies im Zusammenspiel zwischen Parlament, Regierung, Interessenvertreterinnen und Interes senvertretern in transparenter Weise nachvollziehbar gemacht wird.
Wenn der Bundestag das hinbekommt, muss das doch auch hier im Landtag von Baden-Württemberg möglich sein. Ich bitte Sie! Ein Lobbyregister stärkt das Vertrauen der Men schen in die repräsentative Demokratie.
Wir, die SPD, haben einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem die Landesregierung ersucht wird, bis zum 31. Dezem ber 2020 einen Gesetzentwurf für ein Lobbyregister vorzule gen und auf dieser Basis bestimmte Eckpunkte analog zum Bundesgesetz entsprechend hier im Land zu verankern. Hät te der Kollege Hentschel den Antrag richtig gelesen, hätte er gemerkt, dass die Offenlegungsthematik Sache der im Land tag vertretenen Fraktionen und nicht der Regierung ist. Wenn man genau in den Antrag hineingeschaut hätte, hätte man das gesehen. Das war uns, der SPD, sehr bewusst.
Wir wollen im Prinzip also einen Dreiklang, so wie er auch bei der Ersten Beratung thematisiert wurde. Wir wollen ein ordentliches Karenzzeitgesetz, wir wollen ein richtiges Lob byregister, und wir wollen strengere Offenlegungsregeln für die Abgeordneten im Landtag von Baden-Württemberg.
Ich schlage Ihnen vor, unserem Gesetzentwurf und auch un serem Entschließungsantrag für ein Lobbyregister und für strengere Offenlegungsregeln zuzustimmen. Wir werden da zu im Übrigen auch eine namentliche Abstimmung beantra gen, damit jeder im Land weiß, woran er ist.
Frau Präsidentin, meine sehr geehr ten Herren und Damen! Bereits in der Ersten Beratung haben wir massive Zweifel angemeldet, dass es sich bei diesem Ge setzentwurf um einen handelt, der ernst gemeint ist. Nach der Befassung im zuständigen Ausschuss sehen wir uns in unse ren Bedenken bestätigt. Denn als Ihr Gesetzentwurf dort auf gerufen wurde, kam von der einreichenden Fraktion nichts, keine einzige Wortmeldung. Auf keinen der Einwürfe aus der Ersten Beratung hier im Plenum – da kam ja einiges – ging die Fraktion der SPD ein – nur Schweigen. Das können Sie gern so handhaben. Das spart Zeit, zeigt aber überdeutlich, dass Ihnen an vernünftiger Sachpolitik und dem Austausch von Argumenten in keiner Weise gelegen ist.