Hierzu wurde eine Onlinebefragung zur Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg durchgeführt. Fast 2 300 Menschen haben daran teilgenommen.
Hierbei hat sich gezeigt, dass noch immer viele Menschen auf grund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität schlech te Erfahrungen an ihrem Arbeitsplatz gemacht haben. Die Dis kriminierungen reichten von Getuschel über Ausgrenzungen bis hin zu körperlicher Gewalt. Mehr als 10 % der Befragten hatten zudem erklärt, in den vergangenen fünf Jahren mindes tens einmal Opfer von körperlicher oder seelischer Gewalt ge worden zu sein.
Ganz klar wünschen sich die Befragten mehr Aufklärung in der breiten Öffentlichkeit und in der Schule.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Vielfalt muss selbstver ständlich sein, und es muss auch selbstverständlich sein, dass LSBTTIQ-Menschen dazugehören.
Natürlich hat sich vieles im Leben der queeren Community zum Guten verändert. Zeichen dafür sind die Öffnung der Ehe für alle, die offen homosexuell lebenden Paare beispielswei se in Politik, Kultur und Wirtschaft oder jetzt auch die Verei digung der ersten Trans-Ministerin in Belgien.
Allerdings ist es auch heute in der Realität noch so: Wer nicht der klassischen Vorstellung von Sexualität und Geschlecht entspricht, braucht viel Mut. Wer anders ist, erlebt Diskrimi nierung – so wie Petra De Sutter, die Ministerin in Belgien, die von den Rechtsextremisten schon am ersten Tag, am Tag ihrer Vereidigung als Ministerin, auf das Übelste beschimpft wurde.
Deshalb müssen wir alle, alle demokratischen Parteien, die sen homophoben, rassistischen, beleidigenden Kommentaren und Aussagen der Rechtsextremisten entgegentreten.
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Ich bin doch der Einzige, der hier im Landtag alle anspricht!)
So wurde leider das Abstammungsrecht nicht geändert, was bedeutet, dass Zwei-Mütter-Ehen nach wie vor benachteiligt sind. Auch das Adoptionshilfegesetz, das Gott sei Dank im Bundestag nun gescheitert ist, hätte für Frauenpaare und ihre Kinder eine drastische Verschlechterung bedeutet. An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich beim Sozial- und Integ rationsminister Manne Lucha dafür bedanken, dass er sehr da rauf hingewirkt hat, dass das Adoptionshilfegesetz im Bun desrat durchgefallen ist und nun in den Vermittlungsausschuss verwiesen wurde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Jahr 2019 gab es min destens 564 politisch motivierte Straftaten aufgrund der sexu ellen Orientierung. Das sind 60 % mehr als im Jahr zuvor. Das finde ich sehr besorgniserregend. Es zeigt, wie notwendig es ist, auf allen Ebenen dagegen vorzugehen. Fachkräfte müssen wissen, wie sie reagieren, wenn auf dem Schulhof, am Ar beitsplatz oder auch auf offener Straße Menschen diskrimi niert werden. Dafür brauchen wir gut ausgebildete Pädago ginnen und Pädagogen sowie Beraterinnen und Berater.
Ein großer Erfolg des Aktionsplans ist auch der Aufbau eines professionellen, landesweiten Beratungsangebots. Heute exis tieren im Land 16 Beratungsstellen, die die Menschen bei ih ren Fragen, Sorgen und Ängsten rund um ihre sexuelle Ori entierung und Identität unterstützen. Eine Beratungsstelle möchte ich hier besonders ansprechen, da sie bislang einzig artig ist: die Beratungsstelle TTI, Beratung zu Transsexuali tät, Transgender und Intersexualität, in Ulm.
Wie Sie am Montag vielfach in der Presse lesen konnten, ist Transidentität ein Thema, das viele Jugendliche umtreibt. Ei ne professionelle Anlaufstelle dafür zu haben ist für die Ju gendlichen, für ihre Partnerinnen und Partner und vor allem auch für die Eltern oftmals überlebensnotwendig.
Der Aktionsplan hat das Ziel, querschnittsübergreifend zu ar beiten; das heißt, so, wie alle Fraktionen im Beirat beteiligt sind, so nehmen auch Vertreterinnen und Vertreter aller Mi nisterien teil. Lassen Sie mich drei Beispiele aufzeigen:
Seit der Einführung des Aktionsplans werden jährlich ca. 1 500 bis 1 800 Auszubildende bei der Polizei und ca. 300 bei der Justiz über LSBTTIQ-Themen informiert und fortgebil det. An dieser Stelle ganz herzlichen Dank an VelsPol, den Verband lesbischer und schwuler Polizistinnen und Polizis ten, die diese Fortbildung durchführen.
Im Bildungsbereich haben wir im Bildungsplan 2016 die Leit perspektive „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Viel falt“ verankert. Wir Grünen wollen diese Leitperspektive wei ter stärken und die Sichtbarkeit sexueller Vielfalt in den Bil dungsplänen erhöhen – oder diese überhaupt erst einmal sicht bar machen.
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Frühse xualisierung der Kinder! Schämen Sie sich eigentlich nicht?)
Leider ist es bisher kaum gelungen, didaktisches Material, ei ne Handreichung oder ausreichend Fortbildungen anzubieten. Da muss das Kultusministerium dringend noch einen Zahn zulegen.
Im Bereich des Wissenschaftsministeriums sind wir bei der historischen Aufarbeitung der Verfolgung und Repression ho
mosexueller Menschen vor und nach 1945 durch § 175 ein gutes Stück weitergekommen. Neu hinzugekommen ist jetzt ein Projekt über die Verfolgung lesbischer Frauen im Natio nalsozialismus und in der Nachkriegszeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, über den Aktionsplan und das Netzwerk ist es gelungen, verbindliche Strukturen zu schaffen. Dazu haben viele beigetragen, viele Aktive in den Communitys, Gruppen, Organisationen und Vereinen. An die ser Stelle möchte ich mich bei all den Aktiven aus den 140 In itiativen und allen, die seit Jahrzehnten ehrenamtlich daran ar beiten, dass Baden-Württemberg vielfältig und bunt ist, ganz herzlich bedanken.
Bedanken möchte ich mich auch beim Ministerium für Sozi ales und Integration für dessen wichtige Arbeit, auch dafür, dass es im letzten Jahr das Aktionsjahr 2019 „Für Akzeptanz & gleiche Rechte“ durchgeführt hat und dass zahlreiche Pro jekte gefördert wurden. Dadurch wurde die Vielfalt weiter ins Land getragen und die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger auf dieses wichtige Thema gelenkt.
Öffentliche Debatten sind wichtig; sie sind notwendiger denn je, wenn wir uns die Parolen der Rechtspopulisten anschau en. Die Ablehnung von Genderthemen, von Geschlechterge rechtigkeit, gleichgeschlechtlicher Lebensweise und sexuel ler Vielfalt gehört zu den Grundsäulen der Rechtspopulisten. Es werden bewusst Ängste geschürt und Unwahrheiten ver breitet. Deshalb sind Information, Diskussion und Gespräch so wichtig. Dazu leistet der Aktionsplan ganz wichtige Diens te.
Hallo Frau Lösch, die Toleranz geht einfach zu weit. Ho mo, Lesben und andere krankhafte Störungen müssen be kämpft werden. Es gibt hierfür einen Arzt, der solche see lischen Fehlentwicklungen behandelt. Vielfalt darf nie mals geduldet werden und muss bekämpft werden.
Solange wir solche Mails noch bekommen, so lange werden wir uns gemeinsam für eine offene und vielfältige Gesellschaft einsetzen, in der jede und jeder diskriminierungsfrei leben kann.
(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Hein rich Fiechtner [fraktionslos]: So ein Theater!)
Die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die volle ge sellschaftliche Teilhabe setzen voraus, dass jeder Mensch, ungeachtet seiner sexuellen und geschlechtlichen Identi tät, gesellschaftliche Achtung erfährt und sein Leben oh ne Benachteiligungen und Diskriminierungen leben kann.
Baden-Württemberg steht für eine offene und tolerante Ge sellschaft. Die Würdigung der Vielfalt sowie deren Respekt und Akzeptanz sind wesentliche Grundbausteine unserer de mokratischen Gesellschaft. Dafür steht auch die heutige De batte.
Der Aktionsplan „Für Akzeptanz & gleiche Rechte BadenWürttemberg“ hat bereits viel bewirkt. Die zahlreichen Pro jekte und Kampagnen haben ganz erheblich dazu beigetragen, Ausgrenzungen und Benachteiligungen von homo-, bi- und transsexuellen Menschen entschieden entgegenzuwirken.
Der Ausbau und die Professionalisierung der Beratungs- und Unterstützungsstruktur waren wichtig. So erfahren insbeson dere die psychosozialen Beratungsangebote eine rege Nach frage.
Mit dem Landesbeirat „Für Akzeptanz & gleiche Rechte Ba den-Württemberg“, mehr als 100 Mitgliederorganisationen im Landesnetzwerk LSBTTIQ sowie zahlreichen Communitys, Initiativen und Projekten haben Zusammenschlüsse von ho mo-, bi- und transsexuellen Menschen einen festen Platz in der zivilgesellschaftlichen Akteurslandschaft von BadenWürttemberg eingenommen.
Im Rahmen des Aktionsjahrs 2019 wurden landesweit zahl reiche Veranstaltungen, Aktionen und Ausstellungen organi siert, um die Sichtbarkeit dieser Vielfalt zu fördern, aber auch, um bestehende Probleme wie Anfeindungen und Gewalt zu thematisieren. So hat die Landesregierung im Rahmen des Ak tionsplans seit 2016 auch einen stärkeren Fokus auf die Auf arbeitung der Verfolgung homosexueller Menschen in unse rem Land gelegt.