Protokoll der Sitzung vom 15.10.2020

Das heißt, die Übergangszahlen auf die weiterführenden all gemeinbildenden Schulen nach der Grundschule sind mit Recht unterschiedlich. In den Universitätsstädten erhalten tat sächlich deutlich mehr Schüler eine Gymnasialempfehlung als auf dem „platten Land“.

Jetzt geht es der FDP/DVP nicht zuletzt um jene Übergangs zahlen auf der Ebene der einzelnen Schulen, also dort, wo die Eltern möglicherweise Druck ausüben können, dort, wo sie gegebenenfalls ihr Kind an einer anderen Schule anmelden können oder wollen. Damit wird es natürlich interessant, aber auch brisant. Denn vor Ort wissen die Verantwortlichen meist ganz genau, wo die Probleme sind und welcher Art sie sind. Diese Information möchte die Landesregierung anscheinend für sich behalten. Das kann man nicht gutheißen.

In anderen Ländern – Großbritannien ist heute kurz angespro chen worden – sieht man das anders. Da gibt es Rankings. Da mit werden die Schulen natürlich unter Druck gesetzt. Je nach Gegend senden einige Schulen kaum Kinder auf die Gram mar School, also auf das Gymnasium, in anderen Gegenden nur die Hälfte.

Aber Mut zur Wahrheit, Transparenz muss vorhanden sein.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Hier sehen wir für die Landesregierung durchaus Verbesse rungsmöglichkeiten. Es sollte offen kommuniziert werden, warum in Baden-Württemberg keine Unterstützung für Schu len in der sogenannten herausfordernden Lage definiert wird.

Die Landesregierung weigert sich, der Tatsache ins Auge zu schauen, dass es auch in Baden-Württemberg Brennpunkt schulen gibt und nicht nur in Berlin oder in Duisburg-Marx loh. Einiges weist darauf hin, dass dies in Baden-Württem berg ein größeres Problem ist, als man es unter Umständen wahrhaben möchte. In Baden-Württemberg wird die Existenz von Brennpunktschulen quasi geleugnet. Aber: Nicht darüber reden, nicht wahrnehmen löst Probleme nicht.

Natürlich wollen wir alle eine Stigmatisierung vermeiden. Aber eine herausfordernde Lage lässt keine Aussage über die Qualität einer Schule zu. Der Unterricht und die Förderung der Schule mögen durchaus genauso gut oder besser sein als in einem Nobelviertel am anderen Ende der Stadt. In Einzugs gebieten dieser Schulen in herausfordernder Lage wohnen häufig Menschen mit höheren Sozialleistungen, gibt es eine höhere Arbeitslosigkeit, und wir haben dort auch ein höheres Armutsrisiko. Natürlich: Stigmatisierung muss man verhin dern. Aber die Bürger wissen sowieso, was an den Schulen los ist und was eigentlich dort gelernt wird oder eben nicht.

Deswegen: Auch die Stellungnahmen der Verbände – damit will ich dann zum Ende kommen – weisen darauf hin, dass hier unterschiedliche Bedürfnisse sorgfältig gegeneinander abzuwägen sind. Im Vertrauen darauf, dass der Bürger mit den Informationen heute durchaus richtig umgehen kann, sehen wir den Gesetzentwurf der FDP/DVP durchaus positiv.

(Beifall bei der AfD)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Strobl.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Mit der Einführung des Landesinfor mationsfreiheitsgesetzes im Dezember 2015 haben wir das allgemeine Recht auf Informationszugang gesetzlich veran kert. Bei der Schaffung wie auch bei der Anwendung des Ge setzes ist die Herausforderung stets, den Transparenzgedan ken auf der einen Seite mit dem Schutz berechtigter Interes sen auf der anderen Seite in Ausgleich zu bringen.

Die Aufnahme des hier diskutierten Ausschlussgrunds in das Landesinformationsfreiheitsgesetz war eine bewusste Ent scheidung des damaligen Gesetzgebers. Nach der Gesetzes begründung hat dieser Ausschlussgrund den Zweck, die Wahr nehmung des Erziehungs- und Bildungsauftrags nach § 1 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg zu gewährleisten. Da ran hat sich nichts geändert.

Der Auftrag der Schule bestimmt sich insbesondere daraus, dass jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf seine Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung hat. Durch die Auf nahme des Ausschlussgrunds in § 4 Absatz 1 Nummer 11 LIFG sollte verhindert werden, dass auf der Basis von Daten, die sich nicht ohne Weiteres zum direkten Vergleich eignen, leistungsbezogene Rankings zwischen Schulen entstehen.

Die leistungsbezogenen Daten der einzelnen Schulen wie bei spielsweise Lernstandserhebungen, Vergleichsarbeiten, Prü fungsdurchschnitte, Versetzungs- oder Übergangsquoten hän gen von vielen Faktoren ab, die zum Teil nicht oder nur be dingt von den Schulen selbst beeinflusst werden können. Die Veröffentlichung solcher Daten kann daher zu falschen Schluss folgerungen bezüglich der Qualität der Arbeit an der jeweili gen Schule führen und zu einem langfristigen Standortnach teil werden.

Hierdurch würde sich insbesondere die Situation von Schu len, die ohnehin unter erschwerten Bedingungen arbeiten müs sen, noch weiter verschärfen. Die Veröffentlichung solcher Daten würde Schulwahlentscheidungen massiv beeinflussen und damit auch zu einer Fehlsteuerung der Schulen führen, die ihre Weiterentwicklung an diesen Daten ausrichten wür den.

Darüber hinaus sind negative Auswirkungen auf das Schul klima wie auch auf die Motivation von Schülerinnen und Schülern, ihrer Eltern sowie der Lehrkräfte zu vergegenwär tigen. Mit anderen Worten: Die Brandmarkung als Schule der Verlierer geht an der Sache vorbei, nützt niemandem und scha det gegebenenfalls vielen. Eine solche Kategorisierung in „gu te Schulen“ und „schlechte Schulen“ würde dem Erreichen ei

ner Chancengleichheit, wie sie der Erziehungs- und Bildungs auftrag fordert, völlig zuwiderlaufen.

Auch die kommunalen Landesverbände lehnen in einer ge meinsamen Stellungnahme den Gesetzentwurf ab und geben ebenfalls zu bedenken, dass es sich gerade bei leistungsbezo genen Daten um sehr sensible Informationen handelt, die iso liert dargestellt auf die einzelne Schule zu Fehlinterpretatio nen führen können.

Aus diesen Erwägungen heraus spricht sich die Landesregie rung klar gegen einen öffentlichen Zugang zu leistungsbezo genen Daten auf Einzelschulebene aus.

Abgesehen davon gibt es in Baden-Württemberg bereits eine Vielzahl allgemein zugänglicher Daten, die die Schulen be treffen, sowohl aggregiert auf Landes- und Regionalebene als auch detailliert in den kommunalen Schulberichten, sodass mittels verschiedener Publikations- und Veröffentlichungsfor men Transparenz hergestellt wird.

Hinweisen möchte ich noch darauf, dass das Landesinforma tionsfreiheitsgesetz entsprechend dem gesetzlichen Auftrag nach einem Erfahrungszeitraum von fünf Jahren, der Ende dieses Jahres ausläuft, durch die Landesregierung evaluiert werden wird. Darauf hat die Kollegin Nese Erikli bereits hin gewiesen. Sollten sich im Rahmen der Evaluation Änderungs bedarfe ergeben, wird die Landesregierung einen entsprechen den Vorschlag unterbreiten.

Da in Bezug auf Schulen aus unserer Sicht ein solcher Ände rungsbedarf jedoch nicht besteht, lehnt die Landesregierung den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP/DVP zur Änderung des Landesinformationsfreiheitsgesetzes ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Weinmann.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Leistungsbezogene Daten können nach Ihrer Auffassung, Herr Innenminister Strobl, zu einer Stigmatisierung und zu Fehlinterpretationen führen. Darum geht es uns aber gar nicht. Uns geht es nicht um Stigmatisie rung; uns geht es darum, eine öffentliche Diskussion über mögliche Probleme zu eröffnen, anzustoßen, auch für den Fall, dass dies möglicherweise nicht im Sinne der Landesregierung ist.

Dafür ist eine Transparenz, eine ordentliche Datengrundlage notwendig. Mündige Bürgerinnen und Bürger brauchen für eine differenzierte Bewertung Zugang zu staatlichen Informa tionen, und dazu soll diese Gesetzesinitiative beitragen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wenn Sie, meine Damen und Herren, sich um das Ranking Sorgen machen, wäre es auch geboten, sich gerade bei diesem Thema einmal ein Ranking anzuschauen, nämlich das der Transparenz. Baden-Württemberg belegt im Transparenzran king der 13 Länder, die über ein eigenes Informationsfreiheits gesetz verfügen, und des Bundes den vorletzten Platz.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Hört, hört!)

In allen Bereichen wird auf einen Verbesserungsbedarf hin gewiesen; dabei werden insbesondere die eingeschränkten Auskunftsrechte im Bereich der Schulen und Hochschulen als problematisch angesehen.

Insoweit gibt es da in der Tat einiges zu tun. Schwachstellen gibt es im Landesinformationsfreiheitsgesetz reichlich. Des wegen sind wir, Frau Kollegin Erikli, gespannt auf die Eva luation und die entsprechenden Bewertungen.

Aber wenn gerade an einem Punkt wie diesem, ausgehend von den Anhörungen, so viel positives Feedback kommt – auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informa tionsfreiheit begrüßt den Gesetzentwurf ausdrücklich, der auf einen Schwachpunkt des Landesinformationsfreiheitsgeset zes aufmerksam mache –, dann ist der Zeitpunkt doch richtig, darüber nachzudenken – wenn man genau weiß, da ist Kor rekturbedarf – und zu fragen: Was können wir heute anpa cken? Dann brauchen wir nicht unbedingt eine Fehlinterpre tation fortzuführen.

(Beifall der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke und Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Vor diesem Hintergrund ist das Vorhaben eben nicht revolu tionär, sondern es geht tatsächlich darum, etwas, was wir auch in vielen anderen Ländern bereits erfolgreich sehen, für Ba den-Württemberg zu übernehmen.

Insoweit freuen wir uns auf die Diskussionen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aus sprache beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/8535 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres, Digitalisie rung und Migration und mitberatend an den Ausschuss für Kultus, Jugend und Sport zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Punkt 6 unserer Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes – Drucksache 16/8546

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion für die Aussprache und fünf Mi nuten für die Begründung des Gesetzentwurfs festgelegt.

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hinde rer.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Der Innenausschuss bekommt heute noch einiges an Arbeit. Herr Innenminister Strobl, bei der Be ratung des vorherigen Tagesordnungspunkts haben Sie gesagt,

den Gesetzentwurf der FDP/DVP müssten Sie ablehnen. Aber dem nun vorliegenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion kön nen Sie sicher zustimmen. Die Beobachter des kommunalpo litischen Geschehens wissen, wovon ich jetzt gleich reden werde.

Bei der Bürgermeisterwahl in Bad Herrenalb 2019 gab es 29 Kandidatinnen und Kandidaten, davon 24 Bewerber aus der Satirepartei „Die PARTEI“ oder aus deren Umfeld. Ein Kan didat der PARTEI erklärte: „Wir haben Bad Herrenalb ausge wählt, da hier weniger als 8 000 Menschen leben. Dann müs sen wir keine Unterstützerunterschriften sammeln.“ Ziel war ein Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. Zur Vorstellungs runde vor der Bürgerschaft reiste die Mehrheit der Kandidie renden aus dem gesamten Bundesgebiet erst gar nicht an.

Bei der Bürgermeisterwahl in Mauer im Rhein-Neckar-Kreis gab es zehn Bewerberinnen und Bewerber, davon sieben aus der Satirepartei „Die PARTEI“. Acht Bewerberinnen und Be werber kamen lediglich auf Einzelergebnisse zwischen null und zehn Stimmen.

Bei der Bürgermeisterwahl in Erdmannhausen 2020 gab es ein Jubiläum: die 50. Kandidatur von U. R. – übrigens CDUMitglied – in einer Gemeinde unter 20 000 Einwohnern.