Ich denke, der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zeigt noch einmal auf, dass wir in diese Richtung gehen. Sie alle können sich noch an eine Aussage im Kricheldorff-Gutachten erinnern, wonach für die Menschen das Wiedererkennen von Häuslichkeit ein großer Anspruch ist, egal, in welcher Form und Intensität der Pflege und der Betreuung. Dies gilt es her zustellen in diesem Spannungsfeld von zum einen Verbrau cherschutz durch klare ordnungsrechtliche Rahmenbedingun gen und zum anderen auch Verbraucherschutz durch Transpa renz, durch Integration der Bürgerinnen und Bürger, durch un terschiedliche Formen, auch durch Offenheit, wie alte Men schen oder Menschen, die schwer pflegebedürftig sind, be treut werden.
Das ist der Versuch im Bereich des Ordnungsrechts. Das ist vor allem der Ansatz, den wir hier gemeinsam mit der En quetekommission „Pflege“ verfolgt haben. Da haben wir kei nen Dissens. Auf diesem Weg werden wir weitergehen. Wir werden genau diese Ansprüche im 21. Jahrhundert – Schutz und Selbstbestimmung – immer wieder zueinanderführen. Da rum werden wir auch immer wieder überprüfen – deshalb be steht zwischen den Ausführungen der Abg. Rapp und Pores ki auch kein Widerspruch –, ob das, was wir bei diesen viel
leicht manchmal auch gegenläufigen Kriterien tun, das Rich tige ist. Ich glaube, wir haben in Baden-Württemberg mit un serer Pflegepolitik, die wir gemeinsam getragen haben – in der vergangenen Legislaturperiode gab es da kaum einen Dis sens –, sehr viel auf den Weg gebracht. Das werden wir auch weiterhin tun.
Herr Kollege Poreski, ich möchte noch einmal klarmachen: Wir waren mit der Stellungnahme aus dem Hause Lucha zu unserem Antrag sehr zufrieden; keine Frage. Wir waren sogar positiv überrascht. Nicht zufrieden waren wir mit der Formu lierung im Koalitionsvertrag. Da durfte die CDU mitschrei ben. Zick. Dann kam die Stellungnahme aus dem Ministeri um. Das war zack. Da waren wir zufrieden. Jetzt kommt Ihr Änderungsantrag. Wieder zick. Ich bin einmal gespannt, was nächste Woche – vielleicht sprechen Sie ein Grußwort beim Verbandstag des VdK – kommt. Da kommt dann vielleicht wieder zack. Wir sind nicht damit zufrieden, dass nicht klar ist, was Sie denn eigentlich wollen. Wir wollen, dass Sie den Menschen sagen, was Sache ist.
Herr Poreski, Sie sind Fachpolitiker. Insofern wundere ich mich schon, dass Sie jetzt nicht zur Sache gesprochen haben.
Sonst können Sie immer sehr ausführlich und lang zur Sache sprechen. Jetzt haben Sie plötzlich das Spielfeld gewechselt und haben das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz hier einge führt.
Entschuldigung, Sie haben uns das Bundesteilhabegesetz hier vorgeworfen. Sprechen Sie einmal mit dem Ministerprä sidenten über das Bundesteilhabegesetz, und fragen Sie ihn, wie er sich dazu verhält. Ich erinnere an den Festakt des Land kreistags, bei dem er gesagt hat: „Das brauchen wir gar nicht. Das können die Kommunen selbst viel besser regeln.“ Ma chen Sie sich also über das Bundesteilhabegesetz erst einmal intern schlau.
Herr Kollege Dr. Rapp, es ist richtig: Die Rahmenbedingun gen haben sich geändert. Die ändern sich immer. Eines ändert sich aus unserer Sicht nicht, nämlich dass es eine Würde auch des alten und pflegebedürftigen Menschen gibt. Da sagen wir: Die Einzelzimmerregelung – keine Einzelzimmerpflicht; wer zusammen wohnen möchte, darf das – ist der richtige Weg. Deshalb möchten wir uns davon nicht verabschieden.
Was sich in der Tat geändert hat, ist, dass viele Träger in den letzten Jahren, seit dem Inkrafttreten der Landesheimbauver ordnung im Jahr 2009 unter Schwarz-Gelb – Sie haben dan kenswerterweise noch einmal darauf hingewiesen, wer diese Regelung verabschiedet hat –, bereits investiert haben. Da geht es uns genau um das, was auch Kollege Haußmann an gesprochen hat: Wir wollen Verlässlichkeit. Wir wollen, dass die Träger, die sich mit Investitionen auf den Weg gemacht haben, jetzt nicht bestraft werden, indem man von dieser Re gelung wieder grundsätzlich abweicht.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich einfach noch einmal aus unserer Sicht übersetzen, was dieser grün-schwarze Änderungsantrag bein haltet. Er beinhaltet aus unserer Sicht, dass sich die Fraktion GRÜNE vom Landtagsbeschluss zu den Handlungsempfeh lungen der Enquetekommission „Pflege“, insbesondere zur Einzelzimmerregelung, verabschiedet. Sie machen heute oh ne Not eine Tür dafür auf, dass der Qualitätsausbau in der Pfle ge in Baden-Württemberg zurückgeworfen wird. Wenn Sie das wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann müssen Sie dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zustimmen. Wenn Sie weiter den Weg des Ausbaus hin zu einer menschen würdigen Pflege mit uns beschreiten wollen, dann sollten Sie diesen Antrag ablehnen und dem Antrag der SPD zustimmen.
Lieber Kollege Hinderer, bei aller Liebe zum Streit: Die Unterstellung, wir würden uns von diesen Standards verabschieden, ist schlichtweg unseriös.
Das widerspricht sowohl dem, was ich hier ausgeführt habe, als auch dem, was das Ministerium dargestellt hat. Daher ist dies eigentlich keiner weiteren Kommentierung würdig.
Ich finde auch interessant, dass Sie kritisiert haben, dass ich mich auf das Bundesteilhabegesetz bezogen habe – dieses Ge setz wird hier eine Wechselwirkung haben –, gleichzeitig aber selbst darauf eingegangen sind. Anhand dessen, was Sie hier zitiert haben, stelle ich aber fest, dass der Ministerpräsident es kritisch sieht. Ich sehe es auch kritisch. Daher sehe ich da keinen Widerspruch.
Darüber kann man sich unterhalten, wenn man die Kritik berücksichtigt, dass das in der jetzigen Form an vielen Stel len ein Rückschritt ist.
(Lachen der Abg. Sabine Wölfle SPD – Abg. Sabine Wölfle SPD: Lieber gar kein Gesetz! Das ist beschä mend! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Aber echt!)
Das sehen, glaube ich, alle, die sich damit befassen – so wohl auf internationaler Ebene als auch das Deutsche Institut für Menschenrechte –, anders. Fragen Sie die Behindertenbe auftragten in Bund und Ländern. Es ist niederschmetternd, was da kommt, aber ich möchte es jetzt nicht vertiefen.
(Abg. Sabine Wölfle SPD: Dann sind Sie nicht auf dem neuesten Stand! Sie müssen sich mal erkundi gen, was aktuell ist!)
Sie haben sich – das ist, glaube ich, jetzt das Entscheidende – auf den Änderungsantrag bezogen. Da die Fragen, die Sie ge stellt haben, eindeutig beantwortet worden sind, muss man keinen Antrag stellen, der abfragt, ob das wirklich stimmt. Vielmehr muss man einen Antrag stellen, der das, was in Ih rem Antrag nicht beinhaltet ist – nämlich das, was zukunfts trächtig ist, das, was über das Pflegestärkungsgesetz an zu sätzlichen Anforderungen gestellt wird –, mit erfasst. Genau das machen wir: Wir wollen eben nicht nur Ergebnissicherung – man kann übrigens in Landtagsprotokollen nachlesen, dass wir alle dazu stehen –, sondern wir wollen nach vorn gehen. Dazu können Sie sich positiv verhalten, indem Sie unserem Antrag zustimmen.
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags der Fraktion der SPD, Drucksache 16/23. Zu Ab schnitt II dieses Antrags liegt der Änderungsantrag der Frak tion GRÜNE und der Fraktion der CDU, Drucksache 16/748, vor.
Abschnitt I des Antrags ist ein Berichtsteil, der für erledigt er klärt werden kann. – Sie stimmen zu.
Wir kommen zu Abschnitt II des Antrags der Fraktion der SPD, Drucksache 16/23. Ich stelle hierzu zunächst den Ände rungsantrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU zur Abstimmung.
Wer dem Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU, Drucksache 16/748, zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist dem Änderungsantrag mehrheitlich zugestimmt.
Die Abstimmung über Abschnitt II des Antrags der Fraktion der SPD, Drucksache 16/23, hat sich durch die Annahme des Änderungsantrags erledigt.
Wir haben noch zwei Tagesordnungspunkte. Ich bitte Sie um Ruhe. Wer meint, Gespräche führen zu müssen, der möge das bitte nach außerhalb des Plenarsaals verlagern.
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Eu ropa und Internationales zu der Mitteilung der Landesre gierung vom 5. Juli 2016 – Bericht über aktuelle europa politische Themen – Drucksachen 16/233, 16/285