Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

Das Haushaltsrecht jedenfalls obliegt – daran muss ich Sie er innern – noch immer als Königsrecht dem Parlament. Die überaus wichtige Kontrollaufgabe gegenüber der Regierung obliegt in freiheitlichen Verfassungsstaaten westlicher Prove nienz noch immer den Abgeordneten. Das heißt, die Legisla tive und die Regierung müssen getreu dem ehernen Grund satz der Gewaltenteilung handeln. Es ist detailliert offenzule gen, welche Ausgaben die Regierung vorhat bzw. mit gehei men Papieren plant vorzuhaben. Jede dieser Ausgaben muss im Haushaltsplan vom Parlament bewilligt werden – ich je denfalls gehe davon aus.

Geheime Nebenabreden sind die zentrale Frage. Es herrscht eine Kultur des Misstrauens innerhalb der Landesregierung, eine tiefe Missachtung des Parlaments und eine unglaubliche Geringschätzung der Wählerinnen und Wähler in diesem Land.

Da jetzt zum zweiten Mal hinreichend die Bombe geplatzt ist, frage ich Sie, geschätzte Damen und Herren auf der Regie rungsbank: Mit was müssen wir als Nächstes rechnen? Wann kommt der nächste Offenbarungseid? Wann wird ein weite res schmutziges kleines Geheimnis Ihrer Koalition auffliegen? Wann werden Sie abermals eingestehen müssen, dass zum so undsovielten Mal die Öffentlichkeit schamlos getäuscht wur de? Wann schenken Sie uns und den Bürgern im Land reinen Wein ein? Wie viele Nebenabreden über die bereits bekannt gewordenen hinaus haben Sie noch getroffen? Wie viel haben Sie hinter verschlossenen Türen vereinbart? Wann erfahren wir von den Stellenstreichungen? Die Zahl 5 000 steht im Raum.

Ich frage Sie: Welche Schritte haben Sie für welchen Zeit punkt vorgesehen, um diesen Stellenabbau wie geplant bis 2020 umzusetzen? Wo wollen Sie den Rotstift konkret anset zen? Dienststellen und Landesverwaltung werden vorrangig betroffen sein. Welche Ressorts werden die Einschnitte am

härtesten treffen? Mit Lebensarbeitszeitkonten allein werden Sie es schwerlich schaffen, 500 Millionen € einzusparen. Wie stellen Sie es sich eigentlich vor, woher die ohnehin – nicht zuletzt durch Ihre verfehlte Willkommenspolitik – arg gebeu telten Kommunen die Mittel aufbringen sollen, um einen von Ihnen zudem noch so kaltschnäuzig aufgebürdeten Konsoli dierungsbeitrag zu stemmen?

Diese Politik ist gegenüber den Städten und Gemeinden eine aberwitzige Politik und im höchsten Maß instinktlos. Sowohl in ihrer Vorgehensweise als auch inhaltlich ist das Agieren der grün-schwarzen Koalitionsspitzen in jeder Hinsicht inakzep tabel. Ich darf an dieser Stelle den Präsidenten des Gemein detags, Herrn Kehle, zitieren, der es, wie ich meine, sehr schön auf den Punkt bringt. Der SWR berichtet:

„Wir haben x-mal in Gesprächen darauf hingewiesen, dass der Finanzbedarf der Städte und Gemeinden steigt und nicht sinkt“, so Kehle. Den Kommunen noch mehr Geld wegzunehmen sei deshalb absolut widersinnig und bringe die Städte und Gemeinden in große Schwierigkei ten. Die Koalition nannte Kehle eine „Mauschel-Kons tellation“. Dem Ministerpräsidenten und seinem Vize ge bühre eine Goldmedaille fürs Mauscheln. „In dieser Dis ziplin sind sie unschlagbar“, so der Gemeindetagspräsi dent.

(Beifall bei der AfD)

Besonders entsetzt hat mich allerdings die geplante Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Wie man hört, steht eine Erhöhung um satte 1,5 Prozentpunkte in diesem Papier – ein Vorhaben, das besonders familienfeindlich und arbeitnehmerfeindlich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Dabei wäre gerade die Abschaffung der Grunderwerbsteuer für das selbst genutzte Wohneigentum ein geeigneter und we sentlich besserer, positiver Beitrag, um Leute in ihr Eigenheim zu bringen. Zur Reduktion der Gesamtbaukosten würde dies wesentlich beitragen. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass die Politik auf Landes-, Bundes- und kommunaler Ebene un aufhörlich durch höhere Standards, Verordnungen, Vorschrif ten des Bauens und damit auch des Eigentumserwerbs die Mieten, aber auch den Kauf von Wohneigentum verteuert.

Die derzeit explodierenden Bau- und Mietkosten wirken sich extrem negativ auf die soziale Struktur unseres Landes aus, ganz besonders in Ballungsräumen. Eine Erhöhung der Grunder werbsteuer würde die Situation zusätzlich verschärfen, und sie brächte haushaltspolitisch wenig. Nach meiner festen Über zeugung sollte nicht über die Erhöhung...

Herr Abg. Sänze, kommen Sie bitte zum Schluss.

... dieser Familienbesteuerung nach gedacht werden, sondern vielmehr über einen Anreiz zur In vestition angesichts des knappen Wohnraums.

Über politische Inhalte lässt sich freilich trefflich streiten, aber nur, wenn alle Beteiligten mit offenem Visier kämpfen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Das ist bei der derzeitigen Mauschelei und Geheimniskräme rei der grün-schwarzen Landesregierung leider nicht gegeben. Weder der Parlamentsöffentlichkeit noch den von den in klei nen Runden beschlossenen Einsparungen betroffenen Gesell schaftsgruppen bringt diese Landesregierung den Respekt ent gegen, der notwendig wäre, um eine Regierung zu bilden.

Herr Abg. Sänze, Ihre Zeit ist deutlich überschritten.

Ich komme zum Schluss.

Ich bitte Sie, ein – –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Zu viel auf geschrieben! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Moment! – Kommen Sie bitte mit einem letzten Satz zum Schluss.

Genau. – Im Bereich der direkten De mokratie ist Baden-Württemberg im Vergleich zu seinen Nach barländern längst Schlusslicht. Doch statt den Bürger zu stär ken, wird er von Informationen abgeschnitten und für unnö tig erklärt. Als wären wir in Zeiten – –

(Glocke der Präsidentin)

Herr Sänze, nein! Stopp!

Eine Zeile habe ich noch. – Letzter Satz:

(Lachen bei den Grünen – Unruhe)

Herr Abg. Sänze – –

Demokratie braucht Transparenz, De mokratie braucht Vertrauen. Herr Ministerpräsident – –

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Schluss! Herr Abg. Sänze, das geht nicht. Ich habe Sie mehrfach aufgefordert, zum Schluss zu kommen. Ihre Redezeit ist längst übererfüllt.

(Abg. Winfried Mack CDU: Es gibt noch eine Debat te 3.0, da kann er weiterreden! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Herr Sänze, Sie sind hier vorn fertig. Würden Sie bitte Ihren Platz einnehmen? – Danke.

(Abg. Emil Sänze AfD begibt sich zu seinem Platz. – Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rülke.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Mack, den ich ja ansonsten schätze,

(Heiterkeit – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Immer diese Einschränkungen!)

hat heute kritisiert, dass man nun eine Debatte 2.0 mache. Es sei doch eigentlich schon alles gesagt.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Nur nicht von Herrn Rülke!)

Aber, Herr Kollege Mack, als dieser Landtag zum ersten Mal über die geheimen Nebenabsprachen diskutiert hat, war eben erst ein Geheimpapier bekannt. Es sind in der Sommerpause weitere bekannt geworden. Das ist das Problem.

(Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Deshalb ist es notwendig, dass dieses Parlament weiter über Ihre Mauschelei diskutiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der SPD sowie Abge ordneten der AfD)

Das ist auch in der Regierung angekommen. Der Kollege Stoch hat es bereits festgestellt: Zu Beginn seiner Rede saß Herr Strobl allein auf der Regierungsbank; hinter ihm noch der Schatten Murawski.

(Heiterkeit)

Wahrscheinlich waren die anderen von Scham erfüllt über das, was da herausgekommen ist. Ich habe es beobachtet: Herr Mu rawski hat dann ins Handy getippt: „Kommen!“

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Dann sind ein paar Mitglieder dieser Landesregierung herein geschlichen, damit die Regierungsbank nicht ganz so leer aus sieht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Es ist auch wirklich beschämend, was in dieser Legislaturpe riode abläuft. Frau Präsidentin, Sie haben sehr zu Recht zu Beginn der Debatte dem Landtag ins Gewissen geredet. Sie haben wirklich ein eigenartiges Parlament. Erst diskutieren wir die angeblichen Protokolle der „Weisen von Zion“ und dann die tatsächlichen Protokolle der „Mauschler von Kiwi“.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)