Jetzt sage ich Ihnen: Eines hat mich schon in der Regierungs zeit von Grünen und SPD gestört, und das kann ich auch heu te nicht nachvollziehen, nämlich, dass die Regierung in den Verlautbarungen Koalitionsverträge zitiert und diese so dar stellt, als seien sie quasi als gegeben anzusehen. Selbstver ständlich ist es so, dass ein Koalitionsvertrag Willensbildung der Parteien ist, aber er ist kein Regierungshandeln. Vielmehr entsteht Regierungshandeln in der Regierung selbst,
und es entsteht hier im Parlament. Wir haben das freie Man dat. Dieses nehmen wir selbstverständlich auch wahr.
Deswegen ist Willensbildung das eine und das Handeln von Regierung und Parlament das andere. Sie machen hier den Versuch, das Ganze zu vermischen. Wir vermischen das aber nicht, sondern wir handeln nach der Verfassung.
(Beifall bei der CDU und den Grünen – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Da sind wir verfassungs treu!)
Uns ist klar, welche Bedeutung Koalitionsverträge haben. Jetzt geht es aber darum, eine stabile Regierung zu haben und mit dieser Regierung Akzente zu setzen – der Kollege Schwarz hat das vorhin zu Recht angesprochen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn ich mir ansehe, welche Themen Sie für die Aktuelle Debatte beantra gen und welche Themen wir, die Regierungsparteien, für mor gen beantragt haben – die CDU: „Arbeit im Wandel“ – dann stelle ich fest: Wir beantragen im Gegensatz zu Ihnen Debat ten zu Zukunftsthemen,
von denen ich denken würde, diese könnte auch die SPD be antragen. Die Grünen beantragen für die morgige Aktuelle De batte das Thema Ressourceneffizienz, ebenfalls ein wichtiges Zukunftsthema.
Es war Ernst Ulrich von Weizsäcker, der Stuttgarter SPD-Bun destagsabgeordnete, der als Antwort auf den „Club of Rome“Bericht von 1972 gesagt hat:
Wir brauchen eine Effizienzrevolution und dürfen nicht länger das Wirtschaftswachstum als unausweichlichen Grund für die ökologische Zerstörung brandmarken.
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ereifern Sie sich doch nicht so! – Abg. Sascha Binder SPD: Nicht einmal bei diesem Thema haben Sie eine eigene Auffas sung!)
Wir müssen über die Zukunftschancen der jungen Generation diskutieren, Europa ist wichtig, Europa als Staatsräson und die Bewältigung der Flüchtlingskrise.
Meine Damen und Herren, wir müssen wirklich große, wich tige Themen angehen, nicht aber das Thema „Nebenabspra chen 2.0, 3.0, 4.0“.
(Beifall bei der CDU und den Grünen – Abg. Rein hold Gall SPD: So viele gibt es? – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das war ein Tiefpunkt in der Parla mentsgeschichte!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, ge schätzte Kollegen Abgeordnete, meine Damen und Herren! Nun ist eine weitere Katze aus dem Sack: Die grün-schwarze Landesregierung will die Grunderwerbsteuer erhöhen und bei den Landesbediensteten und Kommunen ans Eingemachte ge hen.
Aus dem offiziellen Koalitionsvertrag geht hervor, dass nicht einmal die Abgeordneten die Unterschriften von Ministerprä sident Winfried Kretschmann und Thomas Strobl kannten. Sie wussten nicht, dass die Regierungsfraktionen diese Abspra chen verpflichtend eingeführt haben.
Die Unterzeichner verpflichten sich auf strukturelle Maßnah men, die in der Endstufe 2020 ein Volumen von dauerhaft 2 Milliarden € jährlich umfassen. Zur Gegenfinanzierung he
rangezogen und zur Kasse gebeten werden u. a. wiederum die Kommunen. Sie sollen einen Konsolidierungsbeitrag von zu sätzlich bis zu 300 Millionen € pro Jahr erbringen. Die Pläne umfassen auch die Streichung von 3 500 Stellen im Landes dienst. Die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten soll wei tere 1 500 Stellen an Einsparungen erbringen. Der Personal abbau soll mit insgesamt 250 Millionen € zu den Einsparun gen beitragen. Weitere Eingriffe bei der Besoldung sollen den Landesetat sogar um 500 Millionen € jährlich entlasten.
Die Landesbeamten müssen daher damit rechnen, dass unter Grün-Schwarz Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst weder zeit- noch inhaltsgleich an sie weitergereicht werden. Bei den Pensionären plant das Land eine – wie es beschönigend heißt – moderate Absenkung. Die Ausgaben sollen um 50 Millio nen € gedrückt werden.
Schon im Juli wurde durch die Presse das erste Geheimpapier veröffentlicht, in welchem sich zeigte, wie wenig die Landes regierung und ihre Koalitionäre von ihrem eigens ausgegebe nen Rütlischwur der Schuldenbremse halten, sobald diese ih ren eigenen Prestigeprojekten und den Erwartungshaltungen ihrer Klientel in die Quere kommt. Da war von einem ganz anderen Bündel von Ausgaben die Rede, die, komme, was wolle, unabhängig vom Konjunkturverlauf getätigt werden müssten.
Nun also taucht unversehens das zweite Geheimpapier auf, welches die Kehrseite enthält, sozusagen die im KBW unse ligen Angedenkens – Herr Kretschmann mag sich erinnern; er ist heute leider nicht da – schon immer virulente Frage: Wem soll es an den Kragen gehen? Darum diese im Verbor genen ausgebrütete Liste von Grausamkeiten, die ein höchst fragwürdiges Verständnis von Offenheit, Transparenz und De mokratie erkennen lässt. Aus der vollmundigen „Politik des Gehörtwerdens“ ist unversehens eine sinistre Politik des Be schweigens und des Sich-feige-Wegduckens geworden.
Meine Damen und Herren, was wir hier erleben, ist der trau rige Rückfall in einen voraufklärerischen und vorkonstitutio nellen Regierungsstil oder, besser gesagt, in die geheime Ka binettspolitik, wie sie zu Metternichs Zeiten gang und gäbe war.
Es ist ein Hohn auf die parlamentarische Demokratie, deren oberstes Gebot die Transparenz ist. Zum einen sind die Bür ger des Landes getäuscht und hinter das Licht geführt worden durch eine inszenierte Präsentation eines Koalitionsvertrags, der in Wahrheit nur ein Torso war und dessen Kernbestand teile den kritischen Blicken der Öffentlichkeit am liebsten ent zogen worden wären,
(Abg. Nicole Razavi CDU: Wie war das mit der frei en Rede? – Gegenruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das ist freie Rede! – Gegenruf der Abg. Nicole Razavi CDU: Ach so! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Frei von Ideen!)
jedenfalls wenn es nach dem Willen von Herrn Kretschmann und Herrn Strobl gegangen wäre. Es wurde zum anderen aber auch der Landtag hintergangen. Ihre eigenen Abgeordneten
und Parteifreunde mussten durch die Presse von diesen gehei men Nebenabsprachen erfahren, die Maßnahmen zur Haus haltskonsolidierung mit weitreichenden Folgen vor allem für die Kommunen und die Landesbediensteten vorsehen. Diese Doppelmoral ist beschämend und wird insbesondere Ihnen, Herr Ministerpräsident – gute Besserung von hier aus –, in der Öffentlichkeit schwer auf die Füße fallen.
Ihre eigenen Mandatsträger müssen sich verschaukelt vorkom men. Da werden mit einer unglaublichen Dreistigkeit detail lierte Absprachen zu Haushaltsposten am Parlament vorbei getroffen, die dann scheibchenweise ans Licht der Öffentlich keit gelangen. Und dann wird dreist
(Der Redner blättert in seinem Manuskript. – Lachen der Abg. Andreas Schwarz GRÜNE und Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP)
ohne die die Demokratie angeblich nicht funktionsfähig sei. – Vielen Dank für den Hinweis. – Diese Impertinenz ist von der andernorts gepflegten Doktrin der gelenkten Demokratie auch nicht mehr allzu weit entfernt.
Das Haushaltsrecht jedenfalls obliegt – daran muss ich Sie er innern – noch immer als Königsrecht dem Parlament. Die überaus wichtige Kontrollaufgabe gegenüber der Regierung obliegt in freiheitlichen Verfassungsstaaten westlicher Prove nienz noch immer den Abgeordneten. Das heißt, die Legisla tive und die Regierung müssen getreu dem ehernen Grund satz der Gewaltenteilung handeln. Es ist detailliert offenzule gen, welche Ausgaben die Regierung vorhat bzw. mit gehei men Papieren plant vorzuhaben. Jede dieser Ausgaben muss im Haushaltsplan vom Parlament bewilligt werden – ich je denfalls gehe davon aus.