Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

(Zurufe)

getroffene Hunde bellen, auch in den letzten Reihen –, über das unterhalten, was, glaube ich, gerade zu Beginn der Regie rungszeit sehr wichtig ist, nämlich über das Verhältnis der Partner dieses neuen – manche sagen: so innovativen – Re gierungsbündnisses.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Bravo!)

Aber ich glaube, viel interessanter ist es, darüber zu sprechen, wie das Verhältnis dieser Partner der Regierung zur Macht aussieht, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD, der AfD und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Wir dürfen nochmals kurz zurückblenden auf die Zeit vor der Sommerpause, als in der Presse plötzlich auftauchte, dass of fensichtlich der 138-seitige Koalitionsvertrag nicht die ganze Wahrheit ist von dem, was sich die Regierungspartner von Grünen und CDU für dieses Land vorstellen. Viele von uns, die den Koalitionsvertrag gelesen haben, haben sich gefragt: Was wollen die Koalitionspartner in den kommenden fünf Jah ren eigentlich gemeinsam erreichen – außer Worthülsen wie „Digitalisierungsoffensive“ zu produzieren?

Wir hatten deutlich mehr Erkenntnisse, als dann irgendwann ein Geheimpapier auftauchte, in dem die eigentlichen Projek te benannt waren, nämlich 43 Maßnahmen mit einem Gesamt kostenaufwand von 2 Milliarden €.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, wenn Sie mit den Menschen in diesem Land anständig umgehen würden, wür den Sie diese Projekte im Koalitionsvertrag festschreiben und die Öffentlichkeit nicht darüber täuschen, dass Sie diese Pro jekte vorhaben.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Ich habe bereits damals deutlich gemacht, dass ich es für hoch problematisch halte, wenn ein kleiner Kreis von Personen – neun an der Zahl – quasi ein Drehbuch für die Regierungszeit schreibt und dieses Drehbuch den Parlamentariern letztlich Stück für Stück – auch im Rahmen von Haushaltsberatungen – vorlegt.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das ist nicht nur eine Miss achtung der eigenen Partei, die über diesen Koalitionsvertrag zu befinden hat, das ist nicht nur eine Missachtung der Öffent lichkeit, sondern das ist auch eine Missachtung des Parlaments und insbesondere der Parlamentarier der Regierungsfraktio nen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Aber das war noch nicht alles. Wir waren gerade in der par lamentarischen Sommerpause, als plötzlich die weiteren Ne benabsprachen auftauchten. Meine sehr geehrten Damen und

Herren, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, dadurch wur de manches noch viel klarer.

Was versucht diese Landesregierung? Die Landesregierung versucht auf der einen Seite, Mehrausgaben im Umfang von 2 Milliarden € zu generieren und sich möglicherweise als in novativer Veränderer dieses Landes darzustellen. Auf der an deren Seite sieht es die Landesregierung oder zumindest ein kleiner Teil der Landesregierung gleichzeitig als notwendig an, bereits im Vorhinein Einsparbeiträge zu definieren, und zwar als Ergebnis von Verhandlungen mit den Partnern – mit denen man doch angeblich ergebnisoffen diskutieren will.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich darf an eine Tatsache erinnern: Obwohl die Nebenabreden über diese Einsparungen – die sogenannte Giftliste – inzwischen in den Medien sind, ist diese Liste bis heute nicht aufgetaucht.

Wir alle wundern uns deswegen auch nicht, wenn in der Fol ge von den Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungs fraktionen verschiedene Versuche unternommen wurden, die se Giftliste kleinzureden. So war z. B. die Rede davon, dass es sich dabei nur um einen „Instrumentenkasten“ handle.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Andere haben gesagt – ich zitiere Herrn Kollegen Reinhart; Sie müssen aber gut aufpassen, damit Sie dem folgen kön nen –:

(Abg. Thomas Blenke CDU: Wir können Ihnen fol gen!)

Es ist natürlich ein Beitrag zum politischen Konfliktma nagement und damit auch ein Beitrag zu einer Kultur de mokratischer Kompromissfähigkeit.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lieber Herr Kollege Reinhart, ich habe noch nie gehört, dass jemand die Täuschung der Öffentlichkeit so schön umschreibt.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Die Hoheit haben die Parlamentarier!)

Nein, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das, was in dieser Giftliste steht, ist nicht im Konjunktiv formuliert. Das, was in dieser Giftliste steht, ist nichts, was vielleicht getan wird, falls Konsolidierungsbedarf besteht. In der Liste steht nämlich – so die Presseberichterstattung –, dass der Grunderwerbsteu ersatz um 1,5 Prozentpunkte erhöht wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Erhöhung um 1,5 Prozentpunkte ist wohl ein gemeinsames Kind von CDU und Grünen; denn angeblich haben die Grünen gefordert, den Grunderwerbsteuersatz um einen Prozentpunkt zu erhöhen. Dann hat die CDU kurzerhand gesagt: „Wenn wir uns schon Ärger ans Bein binden, dann erhöhen wir zumindest um 1,5 Prozentpunkte.“ – Das nenne ich konsequente Politik, liebe CDU.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Aber, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir wollen mit der Mutmaßung über das, was Sie vereinbart haben, aufhören. Wie wir alle wissen, ist die Giftliste nur von ganz wenigen Menschen unterzeichnet worden, nämlich von vier Personen: vom Ministerpräsidenten – der heute leider nicht hier ist –, von den damaligen Fraktionsvorsitzenden Edith Sitzmann und Guido Wolf und als vierter Unterzeichner vom jetzigen Innen minister, Herrn Strobl.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Der ist ja heute da!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie vier können sich jetzt einmal ganz tief in die Augen blicken und fragen, wie das Papier in die Öffentlichkeit drang – ein Ausdruck tiefen Vertrauens; da bin ich ganz sicher. Es ist jedoch Anspruch die ses Parlaments, es ist Anspruch der Öffentlichkeit, und es ist vor allem Anspruch der Partner, mit denen Sie Einsparungen formulieren wollen, dass Sie dieses Papier veröffentlichen. Legen Sie die Giftliste endlich auf den Tisch. Die Öffentlich keit hat ein Recht darauf, zu wissen, was Sie vereinbart ha ben.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der AfD)

Wir hören immer hilflose Rechtfertigungsversuche, warum es einer solchen Giftliste bedurfte: um spätere Streitereien ums Geld zu vermeiden, um die Konfliktfelder kleinzuhalten, zur Stabilisierung der fragilen Koalition. Manche sagen sogar: zum Aufbau von Vertrauen.

Wir nehmen erstaunt zur Kenntnis, dass man bisher nicht re giert, sich aber vielfach Briefe schreibt. Die Grünen schrei ben interessierte Briefe an den Innenminister zur gemeinsa men Übung von Polizei und Bundeswehr. Der Innenminister stoppt Baumaßnahmen im Zuge der Polizeireform, und die Grünen sind, so z. B. der Parlamentarische Geschäftsführer, völlig überrascht. Zur Windkraft verschicken Herr Minister Untersteller und Herr Minister Hauk Schreiben mit unter schiedlichen Abständen von Windrädern zur Wohnbebauung.

(Zuruf von der SPD: Das ist das Schlimme!)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Ihr Anspruch, eine Regie rung zu stellen, die von Vertrauen geprägt ist – mithilfe von Nebenabsprachen –, darf als zutiefst gescheitert betrachtet werden.

(Zuruf des Abg. Tobias Wald CDU)

Legen Sie diese Nebenabreden offen – darauf hat die Öffent lichkeit einen Anspruch –, und kehren Sie zu einer demokra tischen Kultur in diesem Land Baden-Württemberg zurück!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Ein Hoch auf die SPD! Ausnahmsweise etwas Gutes!)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Schwarz das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Zu den Nebenabsprachen zum Koa litionsvertrag ist im Grunde schon alles gesagt.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Mutige Aussage! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP: Das würde Ihnen so passen! – Lachen bei der FDP/DVP)

Applaus bei der SPD. Sie stimmen mir, Herr Kollege, also zu und konstatieren genauso wie ich: Die Debatte wäre nicht nötig gewesen. Es ist kalter Kaffee, der von der SPD aufge wärmt wird. Aber ich sage Ihnen: Auch aufgewärmt schmeckt kalter Kaffee nicht, Herr Kollege Stoch.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Bravo! – Abg. Reinhold Gall SPD: Ihnen nicht!)

Wir haben den Koalitionsvertrag mit der Maßgabe beschlos sen, Politik für unser Land zu machen, die dieses Land jeden Tag ein bisschen besser macht und jeden Tag einen Schritt nach vorn bringt.

(Abg. Sascha Binder SPD: Wo?)

In diesen Nebenabsprachen sind Konkretisierungen des Koa litionsvertrags enthalten – nicht mehr und auch nicht weniger. Es geht darum, wie wir die innere Sicherheit in unserem Land ausbauen. Es geht darum, wie wir für eine leistungsfähige Ver kehrsinfrastruktur einstehen,

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

für eine gesunde Natur, für starke Familien und für Investiti onen in die Digitalisierung.

(Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Und für die Landwirtschaft!)