Meine Damen und Herren, wir setzen nun in Baden-Württem berg die Beschlüsse der Länderchefs und der Kanzlerin unter Hochdruck um. Gestern hat der Ministerrat grünes Licht ge geben. Die Corona-Verordnung wird nun entsprechend ver ändert, im Umlaufverfahren beschlossen und am Wochenen de notverkündet. Am Montag treten dann die Beschränkun gen in Kraft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist sehr bewusst, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern und manchen Unternehmen mit den beschlossenen Maßnahmen viel abverlangen. Aber wir haben diese Maßnahmen nicht leichtfertig beschlossen, sondern weil sie notwendig sind. Wir entscheiden auf der Ba sis von Fakten, nicht auf der Basis von Emotionen.
Die Tatsache ist eben: Das Virus lebt von Kontakten. Deshalb muss jetzt unser oberstes Ziel lauten, persönliche Kontakte um 75 % zu reduzieren. Das ist kein Wert, den wir Politiker uns ausgedacht haben, sondern das ist die Zielvorgabe, die uns die renommiertesten Experten mitgegeben haben:
Wenn uns das gelingt – das wird uns nur gelingen, wenn die ganze Bevölkerung mitmacht –, dann haben wir die Chance, in diesem Monat die Welle zu brechen
(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Emil Sänze AfD: So, wie Sie das Klima abschalten wol len!)
Klar ist: Es geht nicht ohne Zumutungen. Wir müssen auf Din ge verzichten, die wir gern tun. Denn das Problem ist ganz einfach: Das Virus fühlt sich besonders wohl und breitet sich besonders schnell dort aus, wo auch wir uns wohlfühlen, wo wir gesellig sind, wo wir in geschlossenen Räumen zusam menkommen. Deswegen müssen wir diese geselligen Kon takte jetzt konsequent einschränken, auch wenn uns als sozi alen Wesen das logischerweise schwerfällt. Denn nur so kön nen wir die zweite Infektionswelle brechen
und das Infektionsgeschehen wieder auf ein Niveau drücken, das uns die Nachverfolgung der Infektionsketten ermöglicht.
Denn das ist das zweite Standbein: Bei der Eindämmung ei ner Pandemie sind einerseits die Kontakte zu verringern, an dererseits sind die Kontakte nachzuverfolgen,
Ich denke also, niemand wünscht sich solche Maßnahmen – ich am allerwenigsten. Aber es ist letztlich wie mit bitterer Medizin: Man nimmt sie nicht gern ein, muss das aber tun, um gesund zu werden. Es hilft nichts, wenn wir den Menschen vorgaukeln, dass wir so weitermachen können wie bisher. Wir erkennen: Trotz unseres entschiedenen Eingreifens hat sich die Lage nicht verbessert. Die Maßnahmen reichen nicht aus, um die Pandemie unter Kontrolle zu halten. Wir müssen jetzt handeln.
Wir waren nicht klüger als andere, wir waren schneller. Das hat uns bislang in eine doch einigermaßen ordentliche Lage gebracht.
Wir müssen also jetzt handeln. Wer sagt, es gehe mit milde ren Maßnahmen, der verschweigt die Konsequenzen, nämlich dass wir schon in wenigen Wochen nicht mehr alle Erkrank ten angemessen versorgen könnten,
dass wir viele zusätzliche Tote zu beklagen hätten und dass zudem am Ende die wirtschaftlichen Einbußen deutlich grö ßer wären, als sie es durch das sind, was wir jetzt tun.
Ich denke, dass das Recht auf Leben und körperliche Unver sehrtheit uns ein solches Handeln verbietet. Deshalb ist es, glaube ich, unsere Pflicht, zusammenzustehen und diejenigen zu schützen, die besonders gefährdet sind.
Ich will noch einmal sagen, meine Damen und Herren: Natür lich kann man den Sinn einzelner Maßnahmen hinterfragen und sagen, diese oder jene betroffenen Bereiche seien ja gar keine Infektionsherde.
Aber die Infektionslage ist inzwischen so schwerwiegend und das Virus verbreitet sich so diffus, dass wir laut RKI bei drei von vier Ansteckungen gar nicht mehr genau nachvollziehen können, wo diese entstanden sind. Das bedeutet, wir können jetzt eben nicht mehr genau sagen, was derzeit die Hauptin fektionstreiber sind.
Das hat zur Folge, dass wir uns nicht mehr allein auf Hygie nekonzepte stützen können. So ausgeklügelt diese auch sein mögen; sie entfalten bei einem exponentiellen Anstieg einfach nicht mehr die Kraft, die notwendig ist, um die Infektionswel le zu brechen.
Wir müssen jetzt wieder „vor die Lage“ kommen. Deshalb le gen wir heute dieses Gesamtpaket vor, mit dem wir erstens die Kontakte schnell und massiv reduzieren, zweitens die Schulen und Kitas grundsätzlich offen halten und drittens er möglichen, dass viele Menschen weiter ihrer Arbeit nachge hen können. Wir konzentrieren uns also auf die Kernbereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Das geht nicht ohne Härten, und viele empfinden das auch als unge recht. Aber in einer solch schweren Situation muss das Ge samtinteresse ganz vorn stehen – auch wenn das für viele schmerzhaft ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie meinen Vorschlag für eine Sondersitzung aufgegrif fen haben,
damit wir die Beschlüsse vom Mittwoch hier im Landtag dis kutieren können. Denn diese Beschlüsse greifen tief in das Le ben der Menschen ein. Es sind schmerzhafte Beschlüsse, und diese müssen wir im Landtag diskutieren.
Ich bin aber auch den Regierungsfraktionen für ihren Ent schließungsantrag außerordentlich dankbar; das möchte ich wirklich mit großem Respekt betonen. Denn durch einen Be schluss des Landtags bekommen diese Maßnahmen eine zu sätzliche wichtige Legitimation, und die ist, glaube ich, sehr hilfreich, damit die Menschen das, was wir vorgeben, befol gen.
Ich bin auch froh, dass wir in Baden-Württemberg bei der Ein beziehung des Parlaments in die Pandemiebekämpfung deut lich weiter sind als andere Länder. Wir haben ja bereits im Sommer mit der Verabschiedung des Gesetzes über den Er lass infektionsschützender Maßnahmen eine frühzeitige Ein beziehung des Landtags bei dem Erlass von Coronaverord nungen sichergestellt. Baden-Württemberg ist da Vorreiter. In sofern kann ich auch verstehen, dass es im Bund jetzt eine ähnliche Debatte um eine stärkere Einbindung des Parlaments in der Coronapolitik gibt.
Wichtig ist mir aber die Handlungsfähigkeit der Exekutive. Die notwendige schnelle Handlungsfähigkeit muss erhalten bleiben. Ich denke, jeder sieht, dass wir hier unglaublich schnell reagieren müssen. Wir können uns Verzögerungen bei der Bekämpfung dieser Pandemie nicht leisten. Aber es ist wichtig, dass das Parlament in dieser schweren Krise jeder zeit eingebunden wird – und auch die Bürgerinnen und Bür ger. Gehört werden gilt auch in schwierigen Zeiten. Deshalb öffnen wir ganz bewusst ein Bürgerforum zu Corona, das auf langfristige Resonanz angelegt ist. Unsere Staatsrätin wird mit Zufallsbürgern so einen Resonanzraum schaffen,
um auch dort die Punkte zu besprechen, die die Menschen be wegen. Die vorbereitende Onlinebeteiligung dazu haben wir in dieser Woche gestartet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als politisch Verantwortli che können wir noch so harte Maßnahmen gegen die Pande mie beschließen – eine Wirkung entfalten diese nur, wenn sich möglichst alle Bürgerinnen und Bürger auch an diese Be schränkungen halten. Entscheidend ist jetzt wirklich, dass al le mitmachen und alle vermeidbaren Kontakte auch tatsäch lich vermeiden, und das möglichst nicht erst ab dem kommen den Montag, wenn die Maßnahmen in Kraft treten, sondern jetzt und vor allem auch am kommenden Wochenende. Es kommt auf jeden Tag an.
Auch wenn es uns Ende November hoffentlich gelungen sein wird, die Zahl der Infektionen deutlich zu senken, ist die Pan demie noch lange nicht vorbei.
Auch dann müssen wir alle die Abstands- und Hygieneregeln einhalten. Sonst besteht die Gefahr, dass wir im Februar oder März nächsten Jahres erneut einen starken Anstieg der Infek tionszahlen bekommen.
Deshalb bitte ich Sie eindringlich, liebe Kolleginnen und Kol legen – ich schließe auch jene ein, die nicht jede Beschrän kung gutheißen –: Erklären Sie den Menschen die Brisanz der aktuellen Situation.
Werben Sie dafür, dass die Leute ihre Kontakte auf das Aller notwendigste beschränken. Denn es ist unsere gemeinsame Verantwortung, Schaden vom Land und seinen Bürgerinnen und Bürgern abzuwenden.