Protokoll der Sitzung vom 04.11.2020

Herr Abg. Dr. Podeswa, Sie haben das Wort für die AfD.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die AfDFraktion steht der Grundsteuer kritisch gegenüber. Herr Kol lege Wald hat es ja schon ausgeführt: Die Grundsteuer ist ei ne Substanzsteuer, die ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhoben wird und damit den Grundsätzen der Gerechtigkeit widerspricht. Sie trifft auch Bürger mit nied rigem oder gar keinem Einkommen. Das Prinzip der verfas sungsrechtlich gesicherten Steuerfreiheit des Existenzmini mums wird durch die Grundsteuer verletzt.

Da die politischen Rahmenbedingungen auf Bundesebene ei ne Abschaffung der Grundsteuer derzeit ausschließen, setzt sich die AfD-Fraktion dafür ein, dass zumindest bei der lan desrechtlichen Ausgestaltung des Grundsteuergesetzes der

wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Grundeigentümer Rech nung getragen wird.

Die Gelegenheit, mit dem neuen Grundsteuergesetz eine ge rechte Besteuerung zu bewirken, hat die grün-schwarze Lan desregierung gründlich ins Gegenteil verkehrt.

(Beifall)

Das grün-schwarze Landesgrundsteuergesetz ersetzt die alten Ungleichbehandlungen durch neue soziale Ungerechtigkei ten. Bemessungsgrundlage der Grundsteuer soll zukünftig ein zig der Bodenwert des Grundstücks sein. Gerade in Städten mit enorm gestiegenen Grundstückspreisen – gerade in Ba den-Württemberg haben wir davon ja sehr viele, beispielswei se Stuttgart, Freiburg, Konstanz und andere – sehen die Woh nungs- und Häusleeigentümer enormen Grundsteuersteige rungen entgegen.

Auch – Herr Kollege Hofelich hatte es ausgeführt – die im Rahmen der Altersvorsorge bereits vor vielen Jahrzehnten er worbenen und zu eigenen Wohnzwecken bebauten Grundstü cke sollen auf der Basis aktueller Bodenwerte besteuert wer den. Das muss geradezu zu einer Vielfalt von sozialen Härte fällen führen. Wer vor vielen Jahren, ja vor Jahrzehnten sein Häuschen auch als Altersvorsorge erworben hat, soll nun zu lasten grüner Klientel mehr Steuern zahlen.

Und die CDU schaut dieser Grüne-Klientel-Politik wieder ein mal ungerührt zu.

(Abg. Anton Baron AfD: Wie immer!)

Statt sich entschieden für mehr Steuergerechtigkeit zum Wohl der Bürger von Baden-Württemberg einzusetzen, lässt die CDU dem grünen Umverteilungswahnsinn wieder einmal Tür und Tor offen. Wohnungen werden zulasten der ach so klima schädlichen Einfamilienhäuser entlastet. Der Bund der Steuer zahler hat seine verfassungsrechtlichen Bedenken dazu schon überaus deutlich geäußert. Schon heute ist absehbar, dass mit dem Erlass der ersten neuen Grundsteuerbescheide auch die Musterklagen erhoben werden.

Nun höre ich vielfältig Ihr Entgegenhalten, dass die Grund steueränderung aufkommensneutral gestaltet werden solle. Al so, das ist eine ganz, ganz plumpe Wählertäuschung. Denn zum einen wäre es die erste Steuerreform, die aufkommens neutral ausgeführt wird – sie gehört allein daher ins Reich der Märchen –, und zum anderen geht es bei Ihrer Grundsteuer reform hauptsächlich um Umverteilung, um Umverteilung von CO2 verschwendenden Familien mit Kindern in ihren Ein familienhäusern – also dem Feindbild der Grünen –, die mit höheren Steuern belastet werden sollen, hin zu den vorbildli chen Bewohnern von Mikrowohnungen, am besten fahrrad fahrenden Singles, der grünen Kernklientel.

(Vereinzelt Beifall)

Die AfD wird das noch nicht verhindern können; erstaunlich ist allerdings, dass die CDU das noch nicht einmal versucht hat.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Ja!)

Die AfD-Fraktion hat einen Änderungsantrag eingebracht, der wenigstens diejenigen von der Zahlung der Grundsteuer be

freien soll, die armutsgefährdet sind. Armutsgefährdet sind nach Feststellung des Statistischen Landesamts Baden-Würt temberg Personen, die weniger als 60 % des Medianeinkom mens der Gesamtbevölkerung haben. 2019 waren davon schon 15,6 % der Bürger Baden-Württembergs betroffen.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Hört, hört!)

Sie haben richtig gehört: 15,6 % der Bürger in Baden-Würt temberg sind armutsgefährdet. Diese Zahl stammt von 2019. Das war also nicht durch Corona verursacht, sondern durch Ihre Politik.

(Beifall)

Wer über kein auskömmliches Einkommen verfügt, soll nicht durch steigende Besteuerung sein Wohneigentum verlieren. Darauf zielt der Änderungsantrag der AfD-Fraktion ab. Wir sind gespannt, wie sich die SPD als selbst ernannte Hüterin der sozialen Gerechtigkeit dazu positionieren wird.

(Beifall – Zurufe, u. a. Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich bin gespannt, wie die US-Wahlen ausgehen, aber doch nicht darauf! – Vereinzelt Heiterkeit)

Nun hat Herr Abg. Brau er das Wort für die FDP/DVP.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Kunst, Steuern einzunehmen, besteht darin, die Gans zu rupfen, ohne dass sie schreit.

(Zuruf: Ja!)

Das sage nicht ich, sondern der Herzog von Sully. Er hat die se Fiskalweisheit Ende des 16. Jahrhunderts als Finanzminis ter von Heinrich III. geäußert. Weit davon entfernt, ein Libe raler zu sein, hat er als Etatist und als Kind seiner Zeit offen bar die Grundsteuerpläne der grün-schwarzen Landesregie rung vorausgesehen.

Ihre Kunst, die Grundsteuer neu zu ordnen, Frau Sitzmann, hat einen sehr profanen Ursprung. Ihre Kunst ist der schlich ten Notwendigkeit geschuldet, ein Urteil des Verfassungsge richts umzusetzen. Sie haben sich bei der Umsetzung für ei nen Weg entschieden, den wir nur teilweise gutheißen kön nen.

Die Grundfläche als Ausgangspunkt der Neubewertung zu nehmen wird der Sache nicht gerecht. Die Sache würde es nämlich erfordern, die Gebäudefläche in die Betrachtung ein zubeziehen. Die Gebäudefläche ist es nämlich, die den we sentlichen Grund für die Erhebung dieser Steuer darstellt. Es geht darum, die Grundsteuer als Abgabe für Leistungen aus zugestalten, die dem Grundbesitz zugutekommen. Professor Kirchhof hat dies in seinem Gutachten zur Grundsteuer aus drücklich betont.

Das weitaus größere Problem ist aber der Umstand, dass Sie über Gutachterausschüsse Bodenrichtwerte ermitteln lassen wollen. Dies hat zwei Konsequenzen: Zum einen birgt dies erhebliches Konfliktpotenzial in der rechtlichen Bewertung, zum anderen ist dies Ihr Einstieg in die Vermögensteuer. Die

Bodenrichtwerte, welche von Gutachterausschüssen ermittelt werden, sind einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich – so die ständige Rechtsprechung des Bun desfinanzhofs.

Frau Ministerin, Sie haben zwar in der letzten Ausschusssit zung versucht, diesen Vorwurf zu entkräften, bzw. Ihre Fach leute haben die gegenteilige Auffassung vertreten. Überzeugt hat mich das nicht. Aber ich hoffe, dass ich mich irre; denn ansonsten steht dem Land eine Klagewelle bevor.

Der Kritikpunkt an Ihrem Modell, der für mich viel schwerer wiegt, ist der Einstieg in die Vermögensteuer – und das mit der CDU an Ihrer Seite.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Ja!)

Wir Freien Demokraten warnen in diesem Zusammenhang immer vor Rot-Rot-Grün im Bund als Horrorszenario. Da wä re die Vermögensteuer sicher ausgemachte Sache. Die Grüne Jugend forderte ja vor Kurzem eine Erbschaftsteuer in Höhe von 100 %.

(Vereinzelt Lachen)

Die Linke kommt dann wahrscheinlich mit 120 % um die Ecke.

(Vereinzelt Lachen)

Dass aber die Christdemokraten in Baden-Württemberg die sen Dammbruch ohne Not begehen, hätten sich Späth, Teufel und Oettinger wohl allesamt nicht träumen lassen.

(Zuruf)

Warum spreche ich davon, dass dieser Einstieg in die Vermö gensteuer ohne Not geschieht? Ohne Not geschieht dieser Ein griff in das Eigentum, weil das Verfassungsgericht zwar von einer Neubewertung spricht, aber nicht explizit fordert, dass an die Stelle der veralteten Einheitswerte neue Größen treten müssen, die den tatsächlichen Wert des Grundstücks wider spiegeln.

Wenn ich meinen Grund und Boden verpachte, sind die Pacht einnahmen steuerbar. Wenn ich auf meinen Grund und Boden zusätzlich eine Substanzsteuer entrichten muss, stellt dies ei nen unzulässigen Eingriff in das Eigentum dar.

(Beifall)

Doppelbesteuerung – das ist in diesem Fall gegeben – ist in diesem Land zu Recht verboten. Sie merken, ich schreie zwar nicht wie die eingangs erwähnte Gans, ich spreche nur laut. Haus & Grund schreit auch noch nicht, sondern weist immer wieder auf die Ungerechtigkeit und Eigentumsfeindlichkeit Ihres Bodenwertmodells hin. Allerdings werden Sie den Auf schrei aller Haus- und Wohnungseigentümer sowie aller Mie ter, die die Grundsteuer genauso zahlen, mit Sicherheit laut und deutlich hören.

Die Kunst, die Gans zu rupfen, ohne dass sie schreit, beherr schen Sie also nicht, Frau Sitzmann.

Der von mir erwähnte Herzog von Sully hatte aber auch noch einen weiteren Vorzug. Er rupfte nicht nur sehr vorsichtig, er

wirtschaftete auch verantwortungsvoll mit dem Geld. 1597 an die Spitze der französischen Finanzen gestellt, tilgte er eine Staatsschuld von 200 Millionen Livre, erwarb den größten Teil der verkauften Domänen zurück, hob zahlreiche überflüs sige Ämter auf – also arbeitete nicht mit 500 zusätzlichen Fi nanzbeamten –, ordnete und vereinfachte das Steuerwesen, baute Straßen und begünstigte den Ackerbau.

(Zuruf: Sehr gut!)

Wenn Sie das alles im Gegenzug hinbekommen würden, lie ße sich über das Bodenwertmodell reden. So allerdings nicht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)