Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

(Beifall)

Deswegen ist es schon noch einmal wichtig, dass wir in den nächsten Jahren auch auf die Aufgabenträger einwirken. Denn wir wollen die mittelständischen Busstrukturen in unserem Land nicht verlieren.

Die Herausforderungen sind gigantisch, und wir können nur darauf achten, dass die Mittel auch vernünftig eingesetzt wer den. Deswegen fordern wir da auch einen Realismus ein, der nach der Landtagswahl und nach der Bundestagswahl zwangs läufig Einzug hält. Deswegen ist uns das wichtig. Denn die mittelständischen Strukturen, die dann mal nicht mehr da sind – Sie müssen ja nur lesen, wie die Situation bei den Busun ternehmen in unserem Land im Moment aussieht –, können wir nicht mehr zurückholen. Deswegen sagen wir: Wir müs sen da mehr tun – auch für die mittelständischen Busunter nehmen in unserem Land –, wenn wir die Qualität im ÖPNV erhalten wollen.

Die FDP/DVP-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustim men.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Herr Minister Hermann, Sie haben wieder das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist mir viel Zeit zum Reden geschenkt.

Wir reden jetzt über einen Gesetzentwurf mit dem komplizier ten Namen „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Pla nung, Organisation und Gestaltung des öffentlichen Personen nahverkehrs und des Finanzausgleichsgesetzes“. Käme das Gesetz aus Berlin, würde es in Anlehnung an ein Beispiel aus dem Bereich des Sozialministeriums wahrscheinlich „Guter ÖPNV“-Gesetz heißen.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Aber worum geht es? Es geht um die Qualität des öffentlichen Verkehrs. Weil sich alle Rednerinnen und Redner nicht nur auf das Gesetz selbst, sondern auch auf einige Punkte bezo gen haben, die darum herum in der Diskussion, im Gespräch sind, möchte ich zunächst darauf eingehen.

Dass wir jetzt ein solches Bündnis für den Mittelstand ge macht haben, Herr Haußmann, war ja im Koalitionsvertrag vereinbart – von Kommunen wie von Unternehmen gefordert. Wir haben anderthalb Jahre lang verhandelt, damit wir diesen Text zusammenbekommen. Am Ende haben wir ihn in dieser Woche gemeinsam unterzeichnet – mit den Vertretern des Städtetags, Frau Heute-Bluhm, des Landkreistags, Herrn von Komorowski, und des Mittelstands, dem WBO-Vorsitzenden Sedelmeier. Das haben alle unterschrieben, und Herr Sedel meier, ein Vertreter des Mittelstands und kein Grüner, hat aus

drücklich gesagt: „Ich möchte den Minister und das Ministe rium loben, dass sie diesen Pakt zustande bekommen haben. Wir sind voll und ganz zufrieden, weil unsere Interessen da mit zu Papier gebracht und festgestellt worden sind.“

Jetzt sage ich auch, warum das wichtig ist. Wir empfehlen den Landkreisen und den Städten, mittelstandsfreundliche Aus schreibungszeiten zu machen, mittelstandsfreundliche Modu le zu schaffen, also Netze oder Linienbündel, die kleine Un ternehmen auch tatsächlich anbieten können. Man sollte bei den Laufzeiten darauf achten, dass auch eine Dynamisierung der Kosten berücksichtigt wird. Das haben wir, das Ministe rium, ganz zum Schluss noch vorgeschlagen. Damit soll es auch sein Bewenden haben. Darin steht natürlich noch viel mehr.

Aber alle haben gesagt: „Das gibt es in der ganzen Republik nicht, das ist einmalig. In anderen Ländern werden sie uns um diesen Pakt beneiden.“ Sie dagegen sagen gerade: „Ich habe aber Sorgen, und der Mittelstand ist nicht berücksichtigt.“ Lie ber Herr Haußmann, ich hätte nicht gedacht, dass ich eines Tages einmal einem FDP-Mann erklären muss, dass zur Markt wirtschaft auch Wettbewerb gehört und sich im Wettbewerb jeder anstrengen muss. Es ist aber entscheidend, dass man gu te Regeln trifft, und das ist bei diesem Pakt für den Mittelstand der Fall. Er setzt die richtigen Regeln.

(Beifall)

Ich will noch etwas Zweites ansprechen: Natürlich ist der ÖPNV gerade in einer schwierigen Situation, weil die Einnah men jetzt fast das ganze Jahr über kontinuierlich weggebro chen sind. Es ist auch nicht in Sicht, dass sie jetzt wieder rich tig hochgehen.

Man muss sich, glaube ich, darauf einstellen, dass wir min destens in diesem Jahr und auch Anfang nächsten Jahres noch deutlich weniger Fahrgäste und damit deutlich weniger Ein nahmen haben. Deswegen war es gut, dass wir, die Koalition, rechtzeitig beschlossen haben: Wir machen einen Rettungs schirm. Wir haben dies in der Weise geschafft, dass wir sagen: Wir legen über 450 Millionen € auf den Tisch, um der Bran che zu helfen. Damit haben wir erreicht, dass der Bund eine Kofinanzierung in gleicher Höhe machte. Das hat der Bran che wirklich geholfen. Ich bin froh, dass wir das rechtzeitig geschafft haben.

Aber ich sage gleich dazu: Ich sehe nicht, dass das im Januar zu Ende ist. Wir haben eine Lösung bis zum Ende dieses Jah res gefunden. Ich sage gleich: Wir müssen dafür sorgen, dass der ÖPNV auch noch Anfang nächsten Jahres sicher ist, und wir müssen aus meiner Sicht die Mittel, die wir haben, auch bis ins nächste Jahr ziehen können. Wir werden vermutlich nicht alles in diesem Jahr brauchen, aber wir werden sie im nächsten Jahr noch brauchen. Deswegen bitte ich schon jetzt um Unterstützung, dass wir den Rettungsschirm weiterführen, damit wir auch im Frühjahr noch einen guten ÖPNV haben und mittelständische Unternehmen nicht Konkurs anmelden müssen. Sie wissen, sie haben einen Job, und wir werden sie weiterhin brauchen.

(Beifall)

Zum Thema „Reaktivierung von Bahnstrecken“: Da scheint mir die FDP allein und einsam zu sein. Ich kann mit großer

Freude sagen: Kein Projekt der letzten Jahre hat so viel posi tive Resonanz im ganzen Land gefunden. Alle waren begeis tert und haben gesagt: „Es ist toll, dass es eine Chance gibt, dass sich die finanziellen Bedingungen des Bundes und des Landes verbessern.“ Wir wollen das prüfen.

Ich habe aber auch dazugesagt – Herr Haußmann, das wissen Sie genau –, dass nicht jede Strecke, die ein Potenzial hat, auch gleich gebaut wird. Vielmehr kommt dann eben die Machbarkeitsstudie. Dann wird eine Wirtschaftlichkeitsrech nung kommen, und dann kommt genau die Frage: Gibt es auf Dauer genügend Fahrgäste, damit sich das Ganze lohnt? Oder sind es so wenige, dass sie mit dem Bus fahren müssen? Die se Prüfung machen wir.

Aber es ist doch toll, dass die Regionen jetzt begeistert sind und sagen: „Wir wollen unsere Bahnstrecken reaktivieren, weil wir der Meinung sind, wir brauchen mehr und bessere Schienenangebote im Land.“ Da sollten Sie nicht danebenste hen, sondern eher mitmachen.

(Beifall)

Herr Rivoir hat der Politik für den ÖPNV und dem Gesetz entwurf im Grundsatz zugestimmt. Aber Sie haben auch deut liche Kritik geäußert. Ich danke Ihnen für diese Kritik. Ich will Ihnen aber eines sagen: Wenn man die Vision hat, dass 1 Milliarde € zur Verfügung steht, ist man kein Visionär, son dern dann hat man eine Vision. Das ist ein Unterschied.

Sie wissen ganz genau, dass wir in der letzten Legislaturperi ode keine grüne Finanzministerin hatten, sondern mit Nils Schmid einen Sozialdemokraten.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Das waren finanziell ganz andere Zeiten! Jetzt schwimmen Sie ja im Geld!)

Er war genauso bhäb wie die jetzige Finanzministerin. Das scheint offenbar das Merkmal eines Finanzministers, einer Fi nanzministerin zu sein. Das ist auch seine bzw. ihre Aufgabe. Natürlich stellt sich auch die Aufgabe, abzuwägen und zu fra gen: „Was können wir uns leisten?“ Natürlich hätte ich mir mehr als 50 Millionen € gewünscht, keine Frage. Aber Sie müssen wissen: Die Mittel waren an eine Kofinanzierung auf kommunaler Ebene geknüpft. Sie hat gesagt: „Nur so viel ma chen wir mit.“ Denn das hat ja auch dort immer etwas bedeu tet.

Wir alle müssen wissen, dass wir, wenn wir das ambitionier te Ziel, das ÖPNV-Angebot zu verdoppeln, verfolgen – ich höre, dass das Konsens ist –, in den kommenden Jahren mehr tun müssen. Das wird uns auch mehr kosten. Es wird vielleicht nicht 1 Milliarde € kosten. Aber wir müssen deutlich mehr tun, damit mehr Angebote unterbreitet werden, damit eine bes sere Qualität angeboten wird, damit die Fahrgäste den ÖPNV nutzen. Das Angebot sollte auch im ländlichen Raum gut ver taktet sein. Es sollte ein Grundtakt bestehen und kein Glücks fall sein, wenn ein Bus vorbeikommt. Wir brauchen auch im ländlichen Raum einen zuverlässigen Fahrplan.

(Beifall)

Jetzt noch kurz zum Gesetzentwurf. Elke Zimmer hat alles wunderbar präzise dargestellt. Deswegen will ich nur noch einmal sagen: Uns war wichtig, dass wir die Mittel – 50 Mil

lionen € zusätzlich, verbunden mit einer Änderung der Ver teilung – so verteilen, dass niemand auf der Strecke bleibt.

Zur Erinnerung: Früher haben einige Regionen nur ein Drit tel oder ein Viertel dessen bekommen, was andere Regionen bekommen haben. Weil es starre Regeln der Mittelverteilung gab, konnten sie kein besseres Angebot unterbreiten.

Jetzt haben wir das Problem, dass wir die Mittel – die jetzt er höht werden – so verteilen müssen, dass es keinen Verlierer gibt. Natürlich will niemand Mittel abgeben und meinen alle, alle Mittel zu brauchen. Deswegen haben wir einen langen Übergangszeitraum und verwenden den Mittelaufwuchs da zu, die Mittel insgesamt gerechter zu verteilen, damit letztlich niemand auf der Strecke bleibt.

Deswegen haben die Verhandlungen so lange gedauert. Aber jetzt haben wir eine Regelung gefunden. Ich bin sehr froh, dass wir eine Lösung gefunden haben, wie man kleinere bzw. ländliche Räume mit städtischen vergleichen kann. Es gibt fünf Raumkategorien: Großstädte mit Stadtbahnen, hochver dichtete Räume, Verdichtungsraum mit Randzone, ländlicher Raum verdichtet und ländlicher Raum können jeweils Mittel aus einem Topf abrufen. Unter diese Kategorien fallen jeweils sechs, acht, elf, neun und elf Städte und Gemeinden. Diese teilen sich die Mittel aus dem entsprechenden Topf.

Entscheidend war für uns, dass wir die Mittel nicht einfach verteilen, sondern dass diejenigen, die aktiv sind, die einen guten ÖPNV anbieten, die Chance erhalten, mehr Mittel zu bekommen. Neue Anbieter sollen ebenfalls eine Chance ha ben.

Es ist wichtig, dass dieser Verteilungsschlüssel einen Anreiz bietet. Das haben wir, glaube ich, gemacht. Es ist ein faires System, sodass nicht Sigmaringen mit Stuttgart um Mittel konkurrieren muss, sondern ländliche Räume mit ländlichen Räumen konkurrieren usw.

Wichtig ist auch, dass wir die Verbundförderung neu regeln. Auch hier haben wir pauschal 50 Millionen € für bestehende Verbünde bereitgestellt. Neuen Verbünden würden wir zusätz liche Mittel bereitstellen. Es gibt also einen Anreiz.

Einige Verbünde machen sich entsprechende Gedanken, ge rade diejenigen, die besonders klein sind, die sich schwertun, ein gutes Angebot zu unterbreiten. Das ist auch gut so. Wir können es aber nicht erzwingen; wir wollen es auch nicht er zwingen. Verbünde sind sozusagen von unten gebaut; sie müs sen auch von unten verändert werden. Wir können dabei hel fen. Wir können helfen, dass es größere Einheiten gibt, die der Mobilität der Zeit angemessen sind.

Im Ausschuss gab es noch die Kritik, dass manche Details im Gesetz nicht geregelt seien. Dazu will ich nur pauschal sagen: Das ist so; in Gesetzen regelt man nicht alles und jedes De tail. Dafür gibt es eine Rechtsverordnung, die das Gesetz so zusagen unterfüttert. Darin werden die Details, die angespro chen worden sind, geregelt.

Ich glaube, alles in allem: Es ist ein gutes Gesetz.

Wie sagt man immer, wenn eine neue Straße eröffnet wird? Heute ist ein guter Tag.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor.

Dann kommen wir in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 16/8973. Ab stimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Aus schusses für Verkehr, Drucksache 16/9195. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Ich rufe auf

Artikel 1

mit den Nummern 1 bis 9. Sind Sie damit einverstanden, dass ich über Artikel 1 insgesamt abstimmen lasse? – Das ist der Fall. Wer Artikel 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzei chen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Da mit ist Artikel 1 mehrheitlich zugestimmt.

Ich rufe auf

Artikel 2