Um es noch deutlicher zu machen: Im Vergleich mit dem Jahr 2009 befinden wir uns heute nicht nur in einer anderen Welt, sondern in ganz anderen Universen. Medienpolitisch gespro chen geht es auch dahin: Wir haben in diesem Jahr den Rund funkstaatsvertrag durch den Medienstaatsvertrag ersetzt und sind vom Rundfunkbegriff zum Medienbegriff gekommen. Heute werden Filme und andere Bewegtbildformate ganz an ders produziert und ganz anders gestaltet als früher. Wir ha ben große Streamingportale und ganz große Plattformen. Wir haben Influencer, von denen im Jahr 2009 in diesem Fall noch niemand so gesprochen hat.
Ich glaube, es ist noch einmal deutlich zu machen – damit es klar ist –: Wir haben neue Herausforderungen an den öffentlichrechtlichen Rundfunk, und der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich ihnen stellen.
Allerdings hat sich noch nicht alles dermaßen verändert, son dern – ich finde es wichtig, das gerade in der Coronapande mie noch einmal zu sagen – die Bedeutung des öffentlichrechtlichen Rundfunks – vielleicht mag das eine Binse sein – war noch nie so hoch wie zu dieser Zeit. Der öffentlich-recht liche Rundfunk gibt den Menschen Halt und Orientierung, in formiert sie objektiv, kann auch einmal den Faktencheck aus halten, weil sich die Menschen dort tatsächlich an den Infor mationen orientieren und recherchieren. Auch die Bundes kanzlerin hat in ihren Reden mittlerweile entdeckt, dass es da auch aufstrebende Youtuber und Influencerinnen gibt, wie sie gesagt hat – wie Mai Thi Nguyen-Kim, die meines Erachtens für einen modernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk steht.
Es ist unsere Aufgabe, es ist meines Erachtens unsere Pflicht, das zu stärken, was im öffentlich-rechtlichen Rundfunk steckt, nämlich die Informationen der Bevölkerung als wesentlicher Baustein unserer Demokratie. Deshalb bitte ich Sie um Zu stimmung zu dem Gesetz. Ich bitte auch andere Landtage um Zustimmung.
Ein paar Landesparlamente haben schon gestern zugestimmt: das Abgeordnetenhaus von Berlin und der Landtag des Saar landes. Wir alle schauen jetzt nach Sachsen-Anhalt. Ich ap pelliere auch an die Kolleginnen und Kollegen in SachsenAnhalt, dem Gesetz, dem Staatsvertrag zuzustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Salomon hat das Thema „Medienstaatsvertrag und Rundfunkstaatsvertrag“ bereits erläutert. Es ist mir aber schon wichtig, auf diesen Mei
Dennoch ist es wichtig, die Debatten über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags weiterhin zu nutzen, um uns auch inhalt lich mit den Fragen auseinanderzusetzen: Warum gibt es die Erhöhung? Ist sie gerechtfertigt? Und in diesem Zug debat tiert man selbstverständlich auch immer über den Rundfunk selbst. Ich glaube, das ist auch gut so; denn wenn nicht bei der Bitte um mehr Geld darüber diskutiert wird, ob ein öffentlichrechtliches System gut ist, so wie es ist, wann sonst sollen wir das machen?
Ich möchte mich der Bitte von Herrn Salomon in Richtung Sachsen-Anhalt ausdrücklich anschließen. Der öffentlichrechtliche Rundfunk in Deutschland ist definitiv das teuerste System der freien Welt, aber es ist auch das beste der freien Welt. Es ist vor allem auch das kontrollierteste in der freien Welt.
Der KEF-Bericht umfasst 412 Seiten. Wen es interessiert, wie die Summe genau zustande kommt: 3 Milliarden € waren für die Beitragsperiode 2021 bis 2024 angemeldet. Aus diesen 3 Milliarden € sind 1,5 Milliarden € geworden, und diese 1,5 Milliarden € ergeben auf der Basis von fünf Jahren eine mo natliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent. Diese Erhöhung ist genau berechnet, und wir halten sie für ange messen und maßvoll.
Trotzdem: Wenn man diesen Bericht liest, entdeckt man auch Ansatzpunkte, über die man reden muss. Drei davon möchte ich benennen.
Erstens: Wenn aus jahrelangen internen Reinigungsprozessen und aus einer langen Diskussion darüber, wo Einsparungen möglich wären, nur eine Bereitschaft zur besseren technischen Zusammenarbeit folgt, aber keine Diskussion über Intendan zen, die für sich selbst, aus den eigenen Mitteln nicht wirk lich lebensfähig sind, dann ist das schlicht und einfach zu we nig.
Zweitens: Nicht nur die Sender müssen sich fragen, ob Auf trag und Struktur passen. Das ist eine Aufgabe für die Politik. Denn Auftrag und Struktur sind eine Aufgabe der Politik. Wenn die Politik sagt: „Das ist mir zu teuer“, dann muss die Politik auch sagen, was sie nicht mehr möchte. Das kann man eben nicht an die Intendanzen abgeben.
Drittens: Der rasante Übergang vom linearen ins On-DemandFernsehen ist eine große Chance, Kosten auf Dauer zu sen ken. Das haben wir auch in dieser Pandemie gesehen. Und der SWR spielt hier im Bereich der Mediatheken eine sehr, sehr wichtige Rolle. Diesen Übergang sollten wir aus purem ba den-württembergischen Eigennutz heraus deswegen nicht schwächen, sondern wir sollten ihn stärken.
Aber abgesehen von unserer Debatte hier und von den Debat ten über das System insgesamt treibt mich medienpolitisch, ehrlich gesagt, eine ganz andere Frage als die Erhöhung viel mehr um: Was nützt das beste duale System aus privaten und öffentlich-rechtlichen Medien, wenn andere, unkontrollierba re, unheimlich große und mächtige und vor allem nicht in Deutschland beheimatete Konzerne wie Google und Facebook heutzutage mehr Meinung machen als alle Tageszeitungen,
Kollege Salomon hat es angesprochen: Es gibt mit „funk“ jetzt auch ein junges Angebot. Aber dieses junge Angebot wird ge nau eine Million Mal auf der eigenen Plattform geklickt – und 398 Millionen Mal auf Youtube. Das ist schlicht und einfach ein Problem. Medienpolitik muss deswegen raus aus der Fo kussierung auf die immer selben Fragen und hin zu einer ak tiveren, gesetzgeberischen und auch kontrollierenderen Rol le.
Wir lassen es wegen fehlender europäischer und deutscher Re geln zu, dass Facebook seine Algorithmen nicht offenlegt, dass journalistische Angebote zwar gern von den Intermediären be nutzt werden – sie leben sogar davon –, aber die Wertschöp fung hat immer nur einen Haufen, und der liegt eben nicht bei den Verlagen, er liegt nicht im öffentlich-rechtlichen Rund funk, sondern er liegt letztlich bei den Intermediärangeboten, die dadurch immer größer und größer werden und zu Mons tern heranwachsen, die wir irgendwann nicht mehr kontrol lieren können.
Das Beispiel Jens Spahn zeigt ja gerade, dass die Alternative fehlt. Wenn er erfolgreich kommunizieren will, hat er nur die se eine Möglichkeit. Und das ist nicht ihm anzulasten, son dern da müssen wir Medienpolitiker uns fragen, was wir an dieser Stelle falsch gemacht haben.
So wird es leider nicht mehr lange gut gehen. Unsere Medi envielfalt lebt von vielfältigen Angeboten. Aber wenn die Ver lage und die privaten Radiosender erst einmal zu reinen Sa telliten von Facebook und Co. degradiert worden sind, ist es zu spät; dann rettet uns auch das öffentlich-rechtliche System nicht mehr.
Deswegen habe ich eine Bitte: Lassen Sie uns am öffentlichrechtlichen Rundfunk reiben. Lassen Sie uns aber die viel drängendere Aufgabe, den Erhalt unserer vielfältigen Mei nungslandschaft, nicht im Schatten dieser Debatte vergessen.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Es geht um den Staatsvertrag, um die Er höhung des Rundfunkbeitrags. Wenn man die vielen glühen den Verfechter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf der Straße, in der Fußgängerzone, im Verein oder in der Kirche trifft, stellt man fest, dass ihr Vertrauen in den öffentlich-recht lichen Rundfunk ziemlich groß ist. Man hat dann immer ein bisschen das Gefühl, dass auch die größten Befürworter des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks immer versucht sind, ei ne Verteidigungs- und Abwehrhaltung einzunehmen.
Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, die heutige De batte ist Anlass, zu sagen: Wir sind froh darüber, dass wir in Deutschland diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, dass wir mit dem Südwestrundfunk eine Landessendeanstalt
haben, die nicht nur ihre Hausaufgaben gemacht hat – was Fu sionen angeht –, sondern die auch eine gute journalistische Qualität bietet – Inhalte, über die wir uns vielleicht manch mal ärgern; aber über einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss man sich ärgern können. Nur das ist wirklich freier Jour nalismus, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist es wert, dass wir ihn gut finanzieren, damit er seine Hausaufgaben machen kann, sich den Herausforderungen der Zukunft stellen kann. Herr Kollege Haser und Herr Kollege Salomon haben diese Her ausforderungen genannt: Wie kommt öffentlich-rechtlicher Rundfunk in dieser Medienlandschaft, in der der Journalis mus mittlerweile ganz andere Wege geht, überhaupt noch vor?
Ich teile grundsätzlich die Auffassung des Kollegen Haser, dass wir dringend darüber diskutieren müssen, warum jedes Lokalradio mehr Qualitätsmerkmale erfüllen muss als Beiträ ge auf Google, Facebook oder Instagram. Genau darüber müs sen wir diskutieren. Es geht nicht um die Kontrolle von Me dien, sondern um eine Qualitätssicherung der Medienbeiträ ge. Darüber müssen wir in der nächsten Legislaturperiode si cherlich intensiv diskutieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ja, wir müssen auch darüber diskutieren, was wir vom öffent lich-rechtlichen Rundfunk erwarten. Wir können über den Staatsvertrag mehr regeln, als die Sendeanstalten selbst regeln können; es geht hier um Standorte, um Aufgaben. Darüber müssen wir in der nächsten Legislaturperiode reden, nachdem diese Legislaturperiode eher arm an Mediendebatten und Im pulsen war. Deswegen sollten wir nicht nur über die Höhe der Rundfunkbeiträge reden, sondern auch über Aufgaben und Struktur der Medien. Wir sind bereit, offen darüber zu disku tieren.
Uns ist wichtig: Auch wenn es in der Medienpolitik viele an dere Themen gibt, wollen wir hier im Parlament weiterhin über die Höhe des Rundfunkbeitrags diskutieren und beschlie ßen.
Allen Landesregierungen, die meinen, wir könnten die Höhe der Rundfunkbeiträge automatisch an die Entwicklung der Le benshaltungskosten anpassen, ohne dass das Parlament betei ligt wird, erteilen wir eine Absage. So funktioniert demokra tischer öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht, liebe Kollegin nen und Kollegen.
Deshalb ist natürlich auch die KEF – über sie kann man sich auch ärgern, und manchmal kann man auch nicht wirklich da hinterblicken, warum sie zu welchem Ergebnis kommt – ein wichtiges Mittel, damit wir weiterhin entscheiden können. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2007 macht klare Vor gaben, worüber wir beim Rundfunkbeitrag entscheiden kön nen. Da spielt die KEF eine wichtige Rolle, damit wir das Ganze weiterhin im Bereich des Parlaments belassen.
In diesem Sinn herzlichen Dank an die Landesregierung, dass sie den Staatsvertrag unterzeichnet hat. Den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion sei gesagt – Herr Haser hat es ja schon gemacht –: Vielleicht hilft es, den Kollegen in SachsenAnhalt noch ein bisschen Unterstützung zu geben, damit dort
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die größ te nicht kommerzielle Medienanstalt der Welt braucht mehr Geld, viel mehr Geld – 1,9 Milliarden € mehr Geld, wie man auf Seite 35 des Berichts der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten nachlesen kann.
Aber keine Angst, werte Kollegen Abgeordnete: Wir sprechen hier im Landtag nicht über eine Kapitalerhöhung an der Bör se, wir sprechen auch nicht über die Ausgabe einer neuen An leihe, sondern wir sprechen einfach nur über eine Steuererhö hung, die notwendig ist, um den Kapitalbedarf von ARD und ZDF zu decken, und die wir hier sicherlich in gewohnter Ma nier einfach durchwinken werden.
Die fälschlich als „Rundfunkgebühr“ bezeichnete Steuer soll bekanntlich zum 1. Januar 2021 erhöht werden. Nahezu 10 Milliarden € beträgt dann die Jahresrundfunksteuer. Rund 10 Milliarden € beträgt das Jahresbudget der öffentlich-recht lichen Medienanstalten. Nur, um das einordnen zu können: 40 Staaten auf der Welt haben ein Bruttoinlandsprodukt, das ge ringer ist als das Jahresbudget der ARD.
Die Bürger sollen dafür eine Grundversorgung bekommen. Doch was bedeutet diese Grundversorgung? Bei der ARD als größter Rundfunkanstalt bedeutet das 110 Standorte; insge samt bedeutet das über 20 Fernsehsender, über 70 Radiosen der und insgesamt 44 000 Personalstellen – sogenannte Voll zeitäquivalente –, da natürlich sehr viel outgesourct wird.
Jetzt wissen wir alle, dass die AfD den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner jetzigen Form reformieren und zum Teil abschaffen will. Aber die AfD steht dabei keineswegs allein da.