Es gibt gute Gründe für ein Quorum – um auch das an dieser Stelle zu sagen –, unabhängig von der Höhe, die immer dis kussionswürdig ist. Ein Quorum sichert die Funktionsfähig keit und Durchführbarkeit von Wahlen und hat seine Wurzel daher auch im Demokratieprinzip, auch wenn das an anderer Stelle oft anders gesehen wird. Ich finde jedoch, wer sich an so wichtigen Wahlen wie der Landtagswahl beteiligt, sollte auch eine gewisse Legitimation durch Unterstützung aus der Bürgerschaft beibringen. Das ist, finde ich, nichts Unanstän diges, sondern das halte ich für richtig.
Allerdings verstehen wir natürlich nur zu gut, dass in Pande miezeiten die Höhe des Quorums neu bewertet werden muss te. Das kann man gut nachvollziehen.
Auch wir Grünen waren vor nicht allzu langer Zeit einmal ei ne kleine Partei. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich ganz in den Anfängen auch einmal solche Unterschriften ge sammelt habe; das ist keine Selbstverständlichkeit. Spätestens mit den seit dem 1. November geltenden Beschränkungen auch im öffentlichen Raum musste klar sein, dass das Unter schriftensammeln eben unter erschwerten Bedingungen statt findet. Deshalb erging das Urteil aus unserer Sicht folgerich tig.
Das Gesetz bezieht sich aber ausdrücklich nur auf die pande miegeprägte Landtagswahl am 14. März 2021. Es nimmt kei ne generelle dauerhafte Senkung dieses Quorums vor.
Zum Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, liegen die Stellungnahmen der kommunalen Landesverbände vor. Auf fällig ist, dass sich diese in erster Linie zu einem Thema äu ßern, das der Gesetzentwurf gar nicht aufgreift. Ich finde aber, dass man, da Gott und die Welt derzeit darüber reden, ein paar Sätze darüber verlieren muss. Die kommunale Familie appel liert dringend an den Landtag, mit diesem Gesetzentwurf gleichzeitig die Erleichterung der Briefwahl durch die Zusen dung der Briefwahlunterlagen von Amts wegen zu regeln. Heute hat sich der VdK, der größte Sozialverband mit 245 000 Mitgliedern in Baden-Württemberg, diesem Wunsch ange schlossen. Es ist kein Geheimnis, dass dieser Appell einem Vorschlag meiner Fraktion entspricht. Das ist ja auch öffent lich diskutiert worden. Damit muss man nicht hinter dem Berg halten.
Wir wären heute also durchaus in der Lage gewesen, einen Gesetzentwurf zu beraten, der beide Themen – Quorum und Briefwahl – geklärt hätte. Durchschlagende verfassungsrecht liche Bedenken gegen die Vereinfachung der Briefwahl kön nen wir nicht erkennen. Es gibt Bundesländer, die sogar viel weiter gehen. Beispielsweise hat Rheinland-Pfalz ein Gesetz gemacht, das die Rechtsgrundlagen für eine ausschließliche Briefwahl schafft.
Das machen wir nicht. Bei uns bleibt es selbstverständlich nach wie vor möglich, trotz des Empfangs von Briefwahlun terlagen am Wahlsonntag ins Wahllokal zu gehen
und wie bisher klassisch zu wählen. Wer aus Vorsorgegrün den Briefwahl beantragt, soll nicht daran gehindert werden, persönlich an der Wahl teilzunehmen. Denn wir brauchen am 14. März – das liegt im Interesse aller – auch eine möglichst hohe Wahlbeteiligung, meine Damen und Herren.
Diesem Ziel diente der Vorschlag. Das klappt jetzt heute lei der nicht, aber vielleicht ist langer Atem angesagt. Ich bin noch nicht bereit, die Hoffnung aufzugeben. Wir haben am 2. Dezember und im weiteren Verlauf des Dezembers noch Plenarsitzungen; vielleicht können wir durch Gespräche bis dahin noch einen Fortschritt erzielen. Heute geht es zunächst um die Senkung des Quorums. Wir haben einen interfraktio nellen Gesetzentwurf vorliegen. Wir stimmen diesem selbst verständlich zu; so haben wir es besprochen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht in der Tat um die Än derung des Landtagswahlgesetzes aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg, die sich ins besondere auf die Quoren für die kleinen Parteien bezieht. Es handelt sich, wie wir betonen wollen, um eine einmalige Ver änderung für die Landtagswahl im Jahr 2021. Für diese Land tagswahl haben wir uns dazu entschlossen, das Unterstüt zungsquorum auf die Hälfte der in der bisherigen Regelung vorgegebenen Unterschriftenzahl abzusenken. Das ist eine schnelle Entscheidung und auch ein schnell vorgelegter Ge setzentwurf. Es gebietet, glaube ich, die Entscheidung des Ver fassungsgerichtshofs, dass wir hier schnell und konsequent handeln und die Gesetzesänderung vornehmen.
Ich möchte aber doch darauf hinweisen, dass es sich um eine Gesetzesänderung handelt, die infolge der derzeitigen Coro napandemie notwendig ist. Das ändert nichts daran, dass die Unterstützungsquoren in der bisherigen Fassung in Normal zeiten absolut verfassungskonform sind. Das hat der Verfas sungsgerichtshof auch so gesagt. Das geht in der augenblick lichen Diskussion ein bisschen unter. Ich möchte diesen As pekt deswegen ausdrücklich hervorheben.
Unterstützungsquoren – das wurde bereits gesagt – sind ver fassungsrechtlich unbedenklich; sie sind notwendig. Die Chancengleichheit der Parteien ist das eine, aber die Ernsthaf tigkeit von Wahlvorschlägen und die Vermeidung von Stim menzersplitterung sind das andere. Letztlich dient ein Unter schriftenquorum genau dieser Ernsthaftigkeit eines Wahlvor schlags.
Summa summarum: Über die hier bereits angesprochenen Themen können wir uns aus unserer Sicht an anderer Stelle noch einmal ausgiebig unterhalten. Im Augenblick geht es um das Landtagswahlgesetz im Hinblick auf die Unterstützungs quoren. Wir unterstützen den vorliegenden Gesetzentwurf; wir halten ihn für richtig und wichtig. Aber, wie gesagt, er geht nur auf die Sondersituation zurück, die wir mit der Corona pandemie derzeit zu bewältigen haben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kol leginnen und Kollegen! In unserem Land, bei uns in BadenWürttemberg gibt es unterschiedliche Hürden, um bei Wah len antreten bzw. ein Mandat erringen zu können. Die Hür den, um beispielsweise als Bürgermeister oder als Gemeinde rat, als Bürgermeisterin oder Gemeinderätin ins Rathaus ein zuziehen, sind relativ niedrig. Auf Landes- und auf Bundes ebene sind sie ein bisschen höher. Aber diese gesetzlichen Hürden sind jedenfalls nicht unüberwindbar.
Ich finde – das will ich an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen –, diese Hürden müssen verfassungskonform sein. Und diejenigen Hürden, die wir vorgesehen haben, sind verfas sungskonform.
Wir halten sie aus unterschiedlichen Gründen auch deshalb für sinnvoll, weil man Hürden nicht nur als Hindernis betrach ten sollte. Vielmehr gilt es beispielsweise, sie auch in positi vem Sinn zu meistern. Und letztlich sind Hürden auch etwas, was es zu schaffen gilt. Der Gesetzgeber hat sich also schon etwas dabei gedacht – aus unterschiedlicher Sichtweise.
Gegenwärtig sind 150 Unterstützungsunterschriften erforder lich. Damit wären in meinem Wahlkreis mit etwa 160 000 Wahlberechtigten die Unterschriften von 0,09 % der Wahlbe rechtigten erforderlich. Da kann man jetzt der Meinung sein: Diese Hürde ist zu hoch. Man kann auch der Meinung sein: Sie ist zu niedrig. Aber letztlich kommt es hier nicht auf Mei nungen an, sondern, wie schon gesagt, darauf, ob diese Hür den verfassungskonform sind. Und die jetzigen Hürden im Gesetz sind verfassungskonform. Sie gewährleisten Chancen gleichheit, wie es unsere Verfassung fordert.
Der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg ist in einem Urteil am 9. November zu der Auffassung gekommen, dass die Sondersituation der Pandemieentwicklung, die sich ver ändernden Rahmenbedingungen und die anderen Lebensum stände, die damit einhergehen, es erfordern, für die kommen de Landtagswahl eine gesetzliche Änderung vorzunehmen, die Hürden zurückzunehmen, um die Chancengleichheit wie der zu gewährleisten. Dem kommen wir unverzüglich nach. Gestern wurde ein interfraktioneller Gesetzentwurf einge bracht, der heute in zweiter Lesung verabschiedet wird, um auch unter diesen besonderen Bedingungen Chancengleich heit zu gewährleisten. Deshalb machen wir uns dies auch zu eigen und hat der Gesetzentwurf auch unsere Zustimmung.
Ich erlaube mir zum Schluss aber auch die Anmerkung: Wenn es richtig ist, dass die Wahl im kommenden Jahr unter Son derbedingungen stattfindet, dann ist es auch richtig, dass wir die anderen Themen, die damit zusammenhängen, betrachten und entsprechend handeln. Das Stichwort Briefwahl wurde schon genannt. Wir sind durchaus der Auffassung, dass zum Schutz vieler Wählerinnen und Wähler – gerade der älteren Wählerinnen und Wähler – die Briefwahl erleichtert werden muss.
Die Argumentation, die Sie, meine Damen und Herren von der CDU, dagegen vorgebracht haben, ist nicht stichhaltig. Sie selbst haben dieses Verfahren bei Oberbürgermeisterinnen- und Oberbürgermeisterwahlen möglich gemacht. Es ist gera
dezu logisch, dass diese Regelung auch für die anstehende Landtagswahl gelten sollte. Wir jedenfalls werden ein entspre chendes parlamentarisches Verfahren in Gang setzen. Wenn Sie uns dabei unterstützten, wären wir Ihnen dankbar.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Dass die Landesre gierung von diesem Urteil überrascht war, ist wirklich erhei ternd. Wie so oft muss das Regierungshandeln bzw. in diesem Fall ein Nichthandeln gerichtlich korrigiert werden.
Ist Ihnen das nicht allmählich peinlich? Das Urteil zeigt Ihre Realitätsferne und Ihre vielfach undemokratische Einstellung.
Wieso zeigt es Ihre Realitätsferne, Herr Sckerl? Sie kennen die Situation zu großen Teilen nicht und haben sich damit auch nicht ernsthaft auseinandergesetzt.
Meine Partei musste das vor der Landtagswahl 2016 hinge gen am eigenen Leib erfahren. Ich habe selbst viele der Un terschriften, die damals für uns als Neulinge nötig waren, ge sammelt. Das ist ohnehin nicht immer leicht. Aber vor dem Hintergrund der Coronapandemie ist der Gedanke, dass Par teivertreter von Haus zu Haus ziehen, ziemlich unrealistisch. Ihnen fehlt also die Fähigkeit, sich in die Mitglieder einer klei nen Partei hineinzuversetzen,
und zwar nicht nur, weil Sie im Gegensatz zu uns diese Er fahrung nie gemacht haben, nein, sondern auch, weil Sie die se Parteien nicht als gleichwertige politische Konkurrenten anerkennen. Souveräner wäre es, politische Konkurrenz als Bereicherung für den Diskurs zu begrüßen. Wir von der AfD tun das, bei allen politischen Differenzen z. B. zur ÖDP oder zur Piratenpartei.
Die Bürger entscheiden ohnehin an der Wahlurne darüber, Herr Born, wer in den Landtag geschickt wird.
Oder geht es Ihnen darum, dass die genannten Parteien, wie auch die neue Partei Klimaliste, Ihnen von den Grünen Stim men wegnehmen könnten? Zwei oder drei Sitze kann das in der Summe leicht kosten, möglicherweise sogar den ersten Platz. Das gilt es natürlich um jeden Preis abzuwenden, nicht wahr, Herr Sckerl?
Daher legen Sie nun eine unausgegorene Mindestlösung vor. 75 Unterschriften sollen gesammelt werden müssen, womit Sie dem Gerichtsurteil gerade so Genüge tun. Diesen Vor
Wir haben daher mit einem Änderungsantrag einen verbesser ten Vorschlag eingebracht: 50 Unterschriften sind in diesen Zeiten deutlich einfacher zu sammeln. Diese Lösung wäre souveräner.
Den ohnehin kleinen Mitbewerbern, die ebenso zur Demokra tie gehören wie wir, möglichst viele Steine in den Weg zu le gen ist einfach kein guter Stil.
Hinzu kommt, dass wegen Ihrer Verschleppung bei der Än derung des Landtagswahlrechts den kleinen Parteien nur noch gut 60 Tage für die Unterschriftensammlung bleiben. Zeigen Sie endlich Selbstbewusstsein, und entscheiden Sie sich für einen fairen Wettbewerb!
Zum Schluss noch ein Punkt, der Ihnen besonders zu denken geben sollte: Sie haben die überzogenen Coronaverordnun gen zu verantworten. Sie sind der Meinung, dass jedes noch so kleine Risiko, dass jeder unnötige Kontakt vermieden wer den sollte.