Frau Präsidentin, sehr ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Änderung des Schul gesetzes soll – ich zitiere –
... die offene Kommunikation insbesondere im Unterricht zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern si chergestellt werden.
Der erste Punkt ist die Kommunikation. Egal, welchem schul politischen Leitbild man folgt, die Notwendigkeit offener Kommunikation dürfte außer Frage stehen. Auch kann ich mir nicht vorstellen, wie guter Unterricht gelingen soll, wenn Leh rerinnen und Lehrer nicht nur die mimischen Signale der Schülerinnen nicht aufnehmen können, sondern diese nicht einmal von Angesicht zu Angesicht kennen.
Wie wichtig nonverbale Kommunikation ist, zeigen uns die Rückmeldungen aus digitalen Unterrichtsformaten an Schu len wie Hochschulen. Es fehle das Gefühl für die Gruppe und die Gruppendynamik, es leide das Gespür für die Frage, ob eine Botschaft bei allen durchdringt.
Es gibt aber auch normative Gründe. Man könnte versucht sein, es sich leicht zu machen und auch die Verhüllung bei Ju gendlichen mit einem Achselzucken unter allgemeiner Hand lungsfreiheit abzubuchen. Nur: Steht hinter dem Verhüllen der eigenen Person ein liberales Verständnis von Selbstentfaltung?
Ist es eine Mode? Heute Punk, morgen Gothic, übermorgen Burka? Doch wohl eher nicht. Und in Wirklichkeit betrifft es nicht die Schülerinnen und Schüler, sondern konkret Schüle rinnen. Wenn wir es ernst meinen mit der Verhinderung von Parallelgesellschaften, dann müssen wir, der Staat, auch eine klare Position beziehen.
In den Stellungnahmen der Verbände sehen wir erfreulicher weise eine weitgehende Einigkeit in diesem Punkt. Allein der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informations freiheit bemüht sich – mit mäßigem Erfolg –, einen diskussi onswürdigen Einwand zu formulieren. Und auch die abwei chende Stellungnahme der GEW etwa moniert lediglich, es sei in Baden-Württemberg ja noch kein einschlägiger Fall be kannt.
Nun könnte man mit Montesquieu sagen, wo es nicht notwen dig sei, ein Gesetz zu erlassen, da sei es notwendig, kein Ge setz zu erlassen. Allerdings sind wir hier an einem anderen Punkt. Dieser Gesetzentwurf versucht nicht, aus einem über schießenden Betroffenheitsgefühl heraus Probleme zu lösen, die gar nicht existieren. Nein, dieser Gesetzentwurf setzt ein klares Zeichen für eine offene Gesellschaft. In einer pluralis tischen Demokratie gibt es kontroverse und nicht kontrover se Bereiche. Für unsere Mehrheitsgesellschaft postuliert die ser Entwurf nur Selbstverständliches. Doch Begriffe wie „Plu
ralismus“ und „Mehrheitsgesellschaft“ sagen es schon: Es gibt natürlich auch andere, die diese Meinung nicht teilen.
Der Gesetzentwurf trifft Vorsorge, damit Schulleitungen und Lehrkräfte rechtssicher agieren können. Im Übrigen verhin dert er auch Normenkollisionen, z. B. mit der Corona-Verord nung.
Die Logik des Gesetzentwurfs zeigt auch, dass wir die Reli gionsfreiheit ernst nehmen. Wenn Verhüllungen mit religiö sen Begründungen versehen werden, ist es nur recht und bil lig, dass der Gesetzgeber klar sagt, wie er einen möglichen Eingriff bewertet – gerade weil eine religiös begründete Ver hüllung etwas anderes ist als das Tragen einer Sonnenbrille.
Machen wir uns nichts vor: Gesichtsschleier à la Nikab oder Burka sind nicht einfach ein Kleidungsstück. Sie nehmen im Unterschied etwa zum Kopftuch – das stellt der Gesetzent wurf fest – den Frauen ihr Gesicht. Sie sind deshalb nicht re ligiöses Symbol, sondern ein Mittel der Unterdrückung von Frauen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir, die CDU-Frak tion, begrüßen den Gesetzentwurf und freuen uns auf die Be ratungen im Ausschuss.
Vielen herzlichen Dank. – Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Auch ich erlau be mir einen persönlichen Einstieg. Ich als Berufsschullehrer kann mir in der Tat nicht vorstellen, im Unterricht vor Schü lerinnen und Schülern zu stehen, deren Gesichter komplett verhüllt sind. Mir geht es dabei weniger um persönliche Be findlichkeiten als vielmehr um professionelle Arbeitsbedin gungen. Es geht mir konkret um die Wahrnehmung von Auf merksamkeit im Unterricht, auch was das Verständnis von ver mittelten Inhalten angeht.
Der Gesichtsausdruck ist für mich auch ein Medium der Rück meldung und – ich glaube, für jede Lehrkraft – Grundlage von pädagogischen Reaktionen. Die Augen z. B. geben Hinweise auf Aufmerksamkeit, Verständnis, Akzeptanz, offene Frage stellungen. Jeder, der schon einmal längere Zeit den Job einer Lehrkraft gemacht hat, weiß, wovon ich rede.
Es ist auch richtig: Die aufklärerische Tradition unserer Ge sellschaft spricht gegen das Zulassen einer Verhüllung im Un terricht.
Rein inhaltlich kann man dem Anliegen also folgen. Ich er laube mir aber schon den Hinweis, dass das Anliegen glaub würdiger gewesen wäre, wenn es auch einen Vorstoß zur Stär kung der Mädchen- und Frauenarbeit gegeben hätte. Denn auch darum geht es an dieser Stelle.
Bei der Konzipierung dieser Rede habe ich mich schon ge fragt: Was ist denn der Handlungsbedarf? Die Frau Kultusmi nisterin hat die Frage, die ich im Redekonzept hatte, selbst be antwortet: Es gibt aktuell keinen Fall. Da habe ich mich schon fragen müssen, wie die Priorisierung in Ihrem Haus aussieht: Verordnungen für den Unterricht unter Pandemiebedingun gen werden Freitagabend für Montag herausgegeben, die di gitale Ausstattung ist noch lange nicht da, wo sie sein sollte. Datenschutzfragestellungen – z. B. unter welchen Vorausset zungen sich Schülerinnen und Schüler in Quarantäne live dem Unterricht zuschalten können – werden nicht gelöst.
Vor 15 Minuten hat mich per WhatsApp noch folgende Frage erreicht: „Herr Fulst-Blei, wissen Sie, ob es dienstliche Mail adressen und Endgeräte geben wird?“ Auch dazu haben wir keine Information. Das ist im Grunde das Alltagshandeln, bei dem wir von Ihnen eine Antwort erwarten.
Aber das Verhüllungsverbot wird in Gesetzesform gebracht. Es gibt zwar keinen Fall, aber es ist mit Blick auf die Stamm tische prima.
Aber falls Sie sich über Ihre schlechten Umfragewerte zur Leistung als Schulministerin wundern: Diese liegen auch an dieser falsch priorisierten bevorzugten Befassung mit solchen Vorschlägen. Ich muss Ihnen sagen: Eigentlich hätten Sie noch viel Besseres zu tun.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! Wel ches Ziel hat dieser Gesetzentwurf? Er hat zum Ziel, die Ge sichtsverhüllung im Unterricht zu verhindern, da nur so Kom munikation, Kontakt und die Feststellung der Person möglich ist. Wenn das Gesicht verhüllt ist, kann man auch den Cousin für eine bessere Note zur Klassenarbeit schicken. Das hier ist also ein richtiger und sinnvoller Ansatz.
Es ist schön, dass wir heute in der ersten Lesung darüber dis kutieren dürfen. Denn wir, die Alternative für Deutschland, haben in diesem Landtag im Sommer 2016
diesen Gesetzentwurf in ähnlicher Form – er nannte sich „Ge setz über das Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentli chen Raum Baden-Württemberg“ – schon eingebracht.
Die Tendenz ist klar. Genau das brauchen wir heute: ein Ver bot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum und na türlich auch ein Verbot des sogenannten Kopftuchs für Reprä sentantinnen – es betrifft ja nur die Damen – unseres Staates.
Die Schulen sind schon längst ein Ort der Auseinandersetzung zwischen dem Islamismus und den Werten der westlichen Na tionen geworden, ohne dass vielleicht Sie, dass Teile von uns, dass wir selbst es bemerkt hätten.