Wir haben hier im Parlament erlebt, wie der Minister wort reich erklärt hat, dass er 24 Stunden am Tag telefoniert hat, um Masken und Schutzausrüstungen für Krankenhäuser und Pflegeheime zu erhalten. Der Präsident des Landkreistags Jo achim Walter sagte mir: „Im Ergebnis haben die Landkreise selbst die Aufgabe in die Hand genommen und 95 % der Schutzausrüstung selbst organisiert.“ Wozu braucht es dann noch eine Landesregierung, liebe Kolleginnen, liebe Kolle gen?
Krisenmanagement bedeutet eben, dass besondere Umstände auch besonderes Handeln benötigen – anderes Handeln als üblich, in anderer Entschlossenheit und mit anderer Gangart.
Im Frühjahr wurden wir von der Pandemie kalt erwischt. Das ging allen so, überall. Ausgerechnet Minister Lucha ging es offensichtlich anders. Er sagte, man sei bestens gewappnet, man werde besonnen und entschlossen reagieren. Und dann? Dann ging das Stolpern los. Man schloss erst einmal Einrich tungen für Menschen mit Behinderungen. Später schloss man mal schnell Zahnarztpraxen, um sie gleich danach wieder zu öffnen. So besonnen ging es zu.
Und die Entschlossenheit? Es gab keine Abordnungen von Personal in großem Stil, schon gar nicht über die Grenzen der Ministerien hinweg. Wenn Grüne und CDU einander miss trauen, weil im Innenministerium ein CDU-Minister sitzt und im Sozialministerium ein grüner Minister, dann ist das kein verantwortlicher Umgang mit der Krise. Es gab keine Rege lungen, an die sich alle Gesundheitsämter halten konnten, kei ne Schaltzentralen, die diesen Namen verdient hätten.
Statt die Zügel in die Hand zu nehmen oder sie in die Hände von jemandem zu legen, der das kann, staunt sich der Minis ter mit großen Kinderaugen von Monat zu Monat durch die Krise. Wie ein Kind hofft er, dass schon alles von allein bes ser wird. Den ganzen Sommer, Herr Minister, haben Sie ver schlafen. Als die lange angedrohte zweite Welle losging, war das Land erneut so überrascht, dass die eigenen Stufenpläne innerhalb weniger Wochen Makulatur waren. Inzidenzwerte von 35 und dann von 50 – was tun wir, wenn die Werte über 150 liegen? Daran hatte der Minister nicht gedacht. Er staun te einfach weiter.
Wenn in dieser Woche gefragt wurde, wie es denn im Dezem ber weitergehen soll, dann hörte man, es gebe leider keine Strategie und keine Pläne, das sei nicht machbar. Minister Lucha wird wieder staunen und wieder stolpern.
Die Gesundheitsämter vor Ort werden alleingelassen. Wenn Sie mir nachher mit der Bundeswehr kommen, dann sage ich Ihnen schon jetzt: Wenn das Land nicht mehr kann, als nicht zu verhindern, dass der Bund hilft, ist das wahrlich kein Grund für Eigenlob.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich habe es bereits bei der Debatte hier vor zwei Wochen gesagt: Als 2015 Zigtausende von Geflüchteten in dieses Land kamen, war das eine gewal tige Herausforderung für die öffentliche Hand. Damals hat Ba den-Württemberg gehandelt – über Ressortgrenzen hinweg mit klaren, einheitlichen Prozessen, mit schnellen Lösungen, um die Kommunen nicht alleinzulassen und vor Ort schnell zu helfen. Es gab eine Krisenkommunikation, die diesen Na men verdient hat. Es gab eine Krisenkompensation mit Clus terbildung und neuen Zuständigkeiten, und es gab eine Kri senbeseitigung. Der öffentlichen Hand wurde so ermöglicht, wieder Herrin der Lage zu werden.
Was würde das heute bedeuten? Es würde bedeuten, dass es in Stuttgart nicht so wichtig ist, ob ein Stab für Minister Strobl arbeitet oder für Minister Lucha. Vielmehr ist wichtig, wel cher Stab welche Aufgabe am besten lösen kann und welche Ressourcen welches Haus genau dafür einsetzt.
Nur als Erinnerung: Formal wäre 2015 das Integrationsminis terium zuständig gewesen. Aber damals hat man wegen und in der Krise andere Prioritäten gesetzt.
Es würde auch bedeuten, dass man jetzt für jedes Gesundheits amt klare Prozesse definiert. Was tun wir bei einem Ausbruch in einem Verein? Was tun wir bei einem Ausbruch in einer Schule? Das würde auch eine Kommunikation bedeuten, die alle Regelungen klipp und klar und einheitlich verständlich macht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn die Deutsche Polizeigewerkschaft beklagt, dass die Kommunikation der Re geln nicht funktioniert, dass Polizistinnen und Polizisten nicht einmal wissen, welche Regeln sie anzuwenden haben, dann sind Sie mit Ihrer Krisenkommunikation und Ihrem Krisen management komplett gescheitert, Herr Kollege Lucha.
Im ganzen Land schüttelt man darüber den Kopf, dass nicht einmal klar ist, wie groß eine private Versammlung sein darf. Zehn Personen? Aber wenn es zwei größere Familien sind, gehen vielleicht auch mehr? Oder genügen zwei größere Hausstände? Oder sind es immer nur zehn, egal, welchen Ver wandtschaftsgrad sie haben? Sie finden momentan in der On linekommunikation dieser Landesregierung alle drei Aussa gen zur gleichen Zeit.
So schaffen wir es, dass Behörden draußen im Land oft auch keine klaren Aussagen treffen können. So schaffen wir es, dass unerfreuliche und unpopuläre Einschränkungen noch schwe rer zu vermitteln sind.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, auch ohne große Hoffnung auf Verständnis sage ich es noch einmal: Wenn es um die Be kämpfung der Pandemie geht, haben die SPD und diese Lan desregierung dasselbe Ziel. Was aber im ganzen Land kriti
siert wird und was auch wir kritisieren: Dieses Ziel müssen wir deutlich entschlossener, beherzter und vor allem profes sioneller angehen.
Ein Minister muss nicht nur wissen, wohin er will, er muss dort auch hinkommen. Wenn Sie es über diesen Berg schaf fen wollen, Herr Kollege Lucha, ist es nicht genug, zu lenken. Sie müssen auch aufs Gas gehen, in den richtigen Gang schal ten und endlich die Handbremse lösen. Ich hoffe, dass Sie das endlich verstehen und dass wir in den nächsten Monaten in dieser Landesregierung ein Krisenmanagement haben wer den, das diesen Namen auch verdient.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst vielleicht in Ihre Richtung, Herr Stoch: Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Ich kann Ihnen die Hoffnung, dass ich Verständnis hätte für die heutige Debatte, die Sie angeregt haben, jetzt aber nicht erfüllen.
Ich habe mich natürlich gefreut über eine Debatte zum Kri senmanagement, denn diese Debatte gibt uns die Möglichkeit, darzustellen, wie diese Regierung die Krise gehandhabt hat. Ich glaube, dass das gut gelungen ist. Das können wir in die ser Debatte auch darstellen.
Sie haben immer wieder von Kopfschütteln gesprochen. Kopf schütteln können Sie auch bei mir sehen, denn ich bin schon der Meinung, dass Herr Minister Lucha und die Mitarbeite rinnen und Mitarbeiter im Ministerium in den letzten Mona ten vor allem mit einer besonnenen und guten Krisenpolitik auf die durchaus fordernde Gesundheitslage reagiert haben.
Seien wir doch einmal ehrlich: Dem Minister und der ganzen Regierung – Herrn Minister Lucha aber im Besonderen – kommt bei der Bewältigung der Pandemie eine außerordent lich bedeutende und koordinierende Rolle zu. Ihm obliegt es, Strategien, Konzepte und Verordnungen zu entwickeln, die die soziale und gesundheitliche Infrastruktur nicht nur auf rechterhalten, sondern diese auch auf die Auswirkungen der Pandemie vorbereiten. Das tun wir, und das ist auch gelun gen. Dies ist aufgrund der sich schnell verändernden Dyna mik der Pandemie durchaus eine Mammutaufgabe – das wis sen wir alle –, die es zu meistern gilt.
Die Gestaltung der richtigen Strategie ist äußerst schwierig, ganz klar, gerade weil es eben keine zementierten Wahrheiten gibt, die den Verlauf der Pandemie vorhersagen können. Das ist ein sich bewegendes System. Dies erfordert Lernfähigkeit, und diese Lernfähigkeit haben wir bewiesen und besitzen sie auch. Wir können durchaus zu Recht behaupten, dass wir bis her gut durch die Pandemie gekommen sind – ja, schon.
dem unermüdlichen Einsatz von medizinischem und pflege rischem Fachpersonal sowie der täglich gelebten Solidarität vieler Bürgerinnen und Bürger, welche sich mit Verständnis und Einsicht an die Verordnungen halten. Das ist wirklich ge lebte Solidarität: Abstandsregeln beachten, unnötige Kontak te vermeiden, Mund- und Nasenbedeckung tragen und somit sich und andere Menschen schützen.
Gut, nachdem ich Ihre Rede jetzt gehört habe, ist meine Ver wunderung darüber, was Sie kritisieren, nicht geringer gewor den, aber ich kann verstehen, in welche Richtung Sie gehen wollen. Ganz klar: In diesen Wintermonaten, die jetzt auf uns zukommen, werden wir wirklich noch mit Hochdruck an Bau stellen arbeiten müssen, um da besser klarzukommen. Insbe sondere die besorgniserregenden Entwicklungen, die expo nentiell ansteigenden Infektionszahlen der letzten Wochen und die steigenden Zahlen der Krankenhauseinweisungen und In tensivbettenbelegung bedürfen einer besonderen Aufmerk samkeit und auch einer besonderen Kraftanstrengung, damit die Kapazitäten des Gesundheitssystems eben nicht überstra paziert werden.
Wir müssen – es ist mir wirklich wichtig, das zu betonen – aber doch auch sehen, woher wir kommen und wo wir nun stehen. Fakt ist, dass wir seit Februar dieses Jahres mit einer gesundheitlichen Krisensituation konfrontiert sind, wie wir alle sie noch nicht erlebt haben.
Am 5. Februar gab es die erste Aktuelle Debatte zu Corona. Ich erinnere mich, weil ich selbst dazu gesprochen habe. Wie Sie sehen, hatten wir schon damals immer wieder Kritik ge hört: „Was soll das? Corona ist nicht wichtig, das ist nicht re levant.“ Damals gab es zehn Infizierte in ganz Deutschland. Wir haben das schon damals aufgenommen, und wir hatten den weisen Vorausblick dafür.
Solange es keine flächendeckenden Impfungen gibt, die einen gesellschaftlichen Infektionsschutz garantieren können, blei ben der Landesregierung bei der Bewältigung der Pandemie zwei Möglichkeiten: zum einen, das wirtschaftliche und ge sellschaftliche Leben durch Verordnungen so zu gestalten, dass das Virus es möglichst schwer hat, sich auszubreiten, und zum anderen, die Gesundheitsversorgung in Baden-Württem berg so zu stärken und auszubauen, dass Infektionsketten schnell identifiziert werden können und es ausreichende und gute Behandlungsmöglichkeiten für infizierte Bürgerinnen und Bürger gibt.
Die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Coronaverordnun gen haben wir ja schon in der letzten Woche und auch heute Morgen diskutiert. Darum will ich wirklich nicht mehr darauf eingehen.
Ich möchte aber gern den zweiten Aspekt – die Stärkung des Gesundheitswesens – aufgreifen. So hätte ich die Debatte jetzt auch verstanden, dass der Minister hauptsächlich dafür zu ständig ist und auch in diesem Sinn in Ihrer Kritik ist. Auch da hätte ich das nicht verstanden.
Der erste Punkt: Die Landesregierung hat früh Verantwortung bei der zusätzlichen Beschaffung von Schutzmaterialien über nommen, um gerade auch in gesundheitsrelevanten Einrich tungen das Infektionsgeschehen unterbinden zu können. Ja,
es hat sich als schwierig erwiesen, aber wir haben das ge macht. Sie wissen selbst: Wir haben immer wieder darüber berichtet, wie schwierig es war, aus dem Ausland – nachdem auch China weggebrochen war – gutes Material zu bekom men.
Zu Beginn der ersten Coronawelle gab es wirklich erhebliche Engpässe, da haben Sie recht. Aber das hat sich gelöst. Es ist nur dem unerbittlichen Einsatz der Landesregierung zu ver danken, dass sich das Problem gelöst hat.
Zweitens: Die Landesregierung hat in enger Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern enorme Kraftanstrengungen unter nommen, um diese auf mögliche Infektionswellen vorzube reiten. Das heißt auch, dass die notwendigen Kapazitäten an Intensivkrankenbetten und Beatmungsgeräten aufgestockt wurden. So wurden z. B. bereits in einer frühen Phase ange messene Versorgungsmodelle etabliert, etwa Kooperations verträge mit Rehakliniken als Back-up für die Akutkranken häuser. Auch heute haben wir eine Notfallreserve von knapp 1 600 Intensivbetten, welche flexibel eingesetzt werden kön nen.
Natürlich ist uns bewusst, dass die Hauptlast in Bezug auf die Corona-Infektionen von den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten getragen wird. Aber dennoch brauchen wir die Kran kenhäuser, um auch die Schwerkranken zu versorgen. Genau darum hat das Land Gelder in dreistelliger Millionenhöhe in die Hand genommen, um Kliniken in diesem Land zu unter stützen, um auch die coronabedingten investiven Mehrkosten der Krankenhäuser auszugleichen. Sie erinnern sich noch an die Zahl: Für jedes Bett, das nicht belegt ist, gab es eine be stimmte Summe.
Nun zum dritten Punkt: Die Landesregierung stärkt langfris tig die Gesundheitsinfrastruktur durch den Aufbau des öffent lichen Gesundheitsdienstes. Es werden über 200 Stellen im plementiert. Anstatt immer und immer wieder das Klein-Klein der Vorgehensweise in Ausschüssen abzufragen, sollten Sie lieber mal mit Vorschlägen kommen, wie man da schneller zu Potte kommt. Dazu habe ich von Ihrer Seite im Ausschuss nie etwas gehört,