Ich finde es auch bemerkenswert, dass der Ministerpräsident, wenn er gefragt wird, ob das zusätzliche Ferien seien oder ob das nachgeholt werde, antwortet, das habe er sich noch nicht überlegt.
Das ist mir zu wenig. Man sollte sich schon die Frage stellen, ob man diesen Unterricht dann nicht nachholen sollte. Ich glaube, dass in diesem Jahr schon genügend Unterricht aus gefallen ist.
Auch beim Wechselunterricht oder Hybridunterricht blickt niemand mehr durch, wofür diese Regierung eigentlich steht.
Da heißt es: Wechselunterricht – ja, möglicherweise. Dann heißt es: Wechselunterricht – nein. Jetzt heißt es, wenn ich das richtig verstanden habe, Herr Ministerpräsident: Wechselun terricht ab einer Inzidenzzahl von 200. Aber offensichtlich ist diese Koalition auch hier alles andere als einig.
Das Ganze ist auch nicht zu Ende gedacht, meine Damen und Herren. Denn wer Wechselunterricht will, muss sich natürlich auch die Frage stellen: Was bedeutet das für die Betreuung der Kinder? Was bedeutet das für die Eltern, die möglicherweise
arbeiten sollen? Das ist ja auch der Grund dafür, Herr Minis terpräsident, warum Sie davon sprachen, dass dies in der Schulpolitik eine politische Entscheidung sei. Ich nehme an, das ist so zu verstehen, dass Sie der Meinung sind: Aus Infek tionsgesichtspunkten hätte man anders entscheiden müssen.
Aber eine politische Entscheidung muss ein Parlament oder eine Regierung immer treffen, weil Sie abwägen müssen. Die se Abwägung führt eben dazu, dass man sich auch die Frage stellen muss, welche Auswirkungen ein solcher Wechselun terricht hat. Hat er die Auswirkung, dass die Kinderbetreuung noch gewährleistet werden kann? Hat er die Auswirkung, dass die Eltern arbeiten können? Vor allem: Bleibt die Bildungs gerechtigkeit gewährleistet?
Denn eines haben wir doch erlebt, als wir im Sommer den Schul-Lockdown hatten: dass genau diejenigen Kinder in un serer Gesellschaft zu den Bildungsverlierern wurden, die di gital abgehängt waren, die beispielsweise in Regionen wohn ten, wo es zwar einen Schwarzwaldhof gibt, Herr Minister Strobl, aber dieser Schwarzwaldhof noch lange nicht ans Breitband angeschlossen wurde.
Kinder, die keine leistungsfähigen digitalen Endgeräte hatten, oder Kinder, bei denen die Lehrerinnen und Lehrer eben nicht dafür gesorgt haben, dass das digitale Angebot vorhanden ge wesen ist, das waren die Bildungsverlierer, und das sind auch die Verlierer beim Wechselunterricht. Deshalb muss man sich sehr gut überlegen, ob man diesen Wechselunterricht für gut befindet – insbesondere nach dem Ergebnis der Studien, die Sie sich von den vier Universitätskliniken haben erstellen las sen.
Für die FDP ist klar: Wir wollen diesen Wechselunterricht nicht. Wir wollen, dass Schulunterricht stattfindet, und wir wollen auch eine Betreuungsgarantie, meine Damen und Her ren.
Im Übrigen ist es doch naiv, zu glauben, wenn die Schule am 18. Dezember schließt, dann gehen die Kinder sechs Tage lang in Quarantäne, damit Oma und Opa an Heiligabend nicht an gesteckt werden. Das verkünden Sie zwar, aber es ist bar je den Realismus, zu glauben, zusätzliche Ferientage, die man den Kindern gibt, verbringen sie dann in Quarantäne. Das glauben Sie doch selbst nicht, meine Damen und Herren.
Deshalb ist es besser, in Richtung FFP2-Masken zu gehen. Das haben Sie gesagt; dafür bin ich dankbar. Das ist der rich tige Weg. Aber, Frau Ministerin, wir würden uns auch wün schen, dass Sie etwas aufgeschlossener gegenüber Raumluft reinigern wären.
Das sind nämlich die beiden Methoden, mit denen man Un terrichtsausfall und Wechselunterricht vermeiden kann. Bes ser FFP2-Masken und Raumluftreiniger als Wechselunterricht und Ferienverlängerung, meine Damen und Herren.
Herr Strobl, wenn Sie Glück haben und vielleicht über die Zweitauszählung in den Landtag gewählt werden, dann sind Sie auch zu Zwischenrufen berechtigt. Im Moment sind Sie das nicht. Bitte merken Sie sich das.
Zum Einzelhandel: Der Einzelhandel ist ja schon gebeutelt genug. Aber auch da haben Sie aus verlorenen Prozessen nicht gelernt. Das betrifft beispielsweise das Urteil, mit dem Ihnen die 800-m2-Regelung um die Ohren geflogen ist. Für die 800-m2-Regelung ist die Landesbauordnung der Ausgangs punkt. Herr Ministerpräsident, Sie haben damals hier erläu tert, dass offenbar die Landesbauordnung ein Instrument zur Pandemiebekämpfung sei. Anschließend haben die Gerichte gesagt, dass dem nicht so ist. Und jetzt kommen Sie wieder mit der Landesbauordnung und einer 800-m2-Regelung.
Es ist doch ersichtlich: Wenn Sie Geschäfte mit über 800 m2 anders behandeln als Geschäfte mit unter 800 m2, dann ver stoßen Sie gegen den Gleichheitsgrundsatz. Ihre Replik auf die Zwischenfrage des Kollegen Schweickert, ob dann das Personal mit eingerechnet wird oder nicht – „Das haben wir uns noch nicht überlegt“ –, zeigt doch, dass das Ganze wie der nicht zu Ende gedacht ist. Eine solche Politik ist nicht zu Ende gedacht.
Wenn Sie jetzt gleichzeitig noch der Bevölkerung erklären, sie solle in der Woche vor Weihnachten in Quarantäne gehen, dann führt dies zu einer Verödung der Innenstädte, während bei Amazon die Sektkorken knallen. Das kann man doch nicht wollen, meine Damen und Herren. Das ist die falsche Politik.
Lokale zu schließen mit der Begründung, damit lasse sich dann ein schönes Weihnachtfest feiern, ist nicht zulässig.
Das ist verfassungsrechtlich problematisch, meine Damen und Herren, und es ist offensichtlich reiner politischer Opportu nismus, weil Sie und die anderen Ministerpräsidenten wahr scheinlich gedacht haben: „Wenn Weihnachten nicht so rich tig funktioniert, dann gibt es den Volkszorn, und den wollen wir vermeiden; deshalb machen wir eine Politik, die sich in der Infektionsbekämpfung ausschließlich an Weihnachten aus richtet.“ Das ist verfassungsrechtlich problematisch, und es ist auch, was die Pandemiebekämpfung anlangt, nicht nach vollziehbar.
Es sind auch durchaus positive Einzelmaßnahmen in Ihrem Beschluss enthalten – ich habe schon einige genannt, Stich wort FFP2-Masken. Ich glaube auch, dass die Reduktion der Quarantänezeit von 14 auf zehn Tage, so wie beschrieben, richtig ist. Natürlich ist es nach diesen Beschlüssen auch not wendig, die sogenannten Novemberhilfen zu verlängern. Aber, wie gesagt, diese Novemberhilfen fließen ja gar nicht. Ich hof fe, dass die Novemberhilfen dann wenigstens im Dezember
und die notwendigen Dezemberhilfen dann im Januar fließen. Aber vielleicht taufen Sie sie dann gleich Januarhilfen – in der Hoffnung, dass dann die Gastronomie, der Sport und die Kul tur vielleicht wieder öffnen können.
Was fehlt, ist eine langfristige Strategie. Sie haben keinen Plan zum Umgang mit dieser Pandemie, sondern stochern im Ne bel. Es kommt dann ein Teil-Lockdown nach dem anderen, der Wellenbrecher-Lockdown heißt. Es gibt Papiere über Pa piere, die zunächst in der Öffentlichkeit bekannt werden, dann stundenlang diskutiert werden. Aber nirgendwo gibt es einen klaren Kurs.
Nur zu einem, Herr Ministerpräsident, kann man Sie beglück wünschen, nämlich zur Nibelungentreue der Regierungsfrak tionen. Am gestrigen Abend, als die Ministerpräsidentenkon ferenz noch lief und noch gar nicht klar war, was eigentlich beschlossen wird, haben die beiden Regierungsfraktionen – Herr Kollege Schwarz und Herr Kollege Reinhart – schon ei nen Entschließungsantrag eingereicht.
2. dass die Vereinbarung der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten von Bund und Ländern vom 25. No vember 2020 einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu ei ner deutschlandweit einheitlichen Eindämmung der Pan demie nach einheitlichen Maßstäben darstellt;
Das haben Sie schon gewusst und beantragt, als die Minister präsidenten mit der Kanzlerin noch tagten. Meine Damen und Herren, so machen Parlamentarier sich zum willenlosen Ins trumentarium von Regierenden. Das ist das Problem in die sem Haus.
Zu dieser Politik gibt es Alternativen. Unser Entschließungs antrag – Sie können und werden ihn wahrscheinlich ablehnen – ist eine Alternative,
um von der Eindämmungs- zur Protektionsstrategie zu kom men und ein Ampelsystem zu etablieren, das nicht nur auf die Zahl der positiven Tests, sondern auf die Zahl der Tests ins gesamt rekurriert, auf tatsächlich symptomatisch Erkrankte und auch auf die Klinikkapazitäten.
Wir haben schon damals gesagt und sagen es wieder – ich ha be es schon gelobt, Sie gehen da durchaus einen Schritt auf uns zu –: Den verstärkten Einsatz von FFP2-Masken – eben nicht bloße Alltagsmasken – empfehlen wir auch für den Be reich der Schülerbeförderung. Denn es ist schon einigerma ßen grotesk, wenn manche Politiker vorschlagen, man solle Kinder morgens in überfüllten Bussen zur Schule transportie ren, anschließend zu Dreißigst in Klassenzimmern sitzen las sen, und nachmittags dürfen sie sich mit nur noch einem Freund treffen, um die Pandemie zu bekämpfen. Solche Vor schläge entbehren jeglicher Logik.
Deshalb ist es notwendig, FFP2-Masken statt Alltagsmasken auch in der Schülerbeförderung einzusetzen.
Schnelltests stärker als bisher für vulnerable Gruppen einset zen – da hat der Sozialminister im Sommer viel zu wenig ge macht. Die Novemberhilfen habe ich schon erwähnt. Es ist auch notwendig, den Blick neben dem Schaustellergewerbe, das Sie erwähnt haben, verstärkt auf die Soloselbstständigen zu legen, die in dieser Pandemie vielfach leiden. Sie leiden mittelbar, weil eben bestimmte Branchen, die vielleicht auch die Novemberhilfen erhalten – im Dezember oder Januar –, von den Soloselbstständigen mit bedient werden und denen dann das Geschäft wegbricht.
In diesem Zusammenhang ist die 80-%-Regelung deutlich zu hoch angesetzt. Auch darüber sollte man noch einmal nach denken.