Über verlängerte Schulferien ist schon fast genug gesagt wor den. Es geht nicht um die zwei Tage, es geht um Glaubwür digkeit und Verlässlichkeit unserer Kultuspolitik. Die Reakti on auf den Vorstoß von Frau Eisenmann war bei den meisten Schulen klar: „In den letzten Monaten ist genug Unterricht ausgefallen“ – ich habe es schon erwähnt –, und das Betreu ungsproblem steht auch vor der Tür. Es scheint offensichtlich so zu sein, dass auch an dieser Stelle, Herr Ministerpräsident, eine politische Entscheidung der Hintergrund ist.
Wenn ich die Vor- und Nachteile dieser Regelung abwäge – das Argument mit der sogenannten Vorquarantäne, sechs Ta ge, in denen sich die Menschen nicht mit anderen Menschen in Kontakt begeben –, dann geht es mir genauso, wie es der Kollege Dr. Rülke vorhin ausgeführt hat: Ich halte diese An nahme für unrealistisch. Wir können den Appell an die Men schen richten. Aber ich würde Ihnen raten: Schauen Sie sich in den Tagen vor Weihnachten einmal an, wie es in unseren Innenstädten aussieht. Deshalb glaube ich, dass diese Maß nahme relativ wenig Sinn macht. Sie verursacht mehr Prob leme, als sie zur Lösung beiträgt.
Wie ich bereits eingangs ausgeführt habe, ist es offensichtlich nicht vorgesehen, dass sich der Landtag ernsthaft in die aktu ellen Maßnahmen einbringt. Deshalb verlegt man die Sitzung eigens auf den Tag nach den Beschlüssen. Darüber kann man sich ärgern, was ich auch tue. Dagegen kann man sich aber auch wehren, indem man z. B. denen guten Rat anbietet, die ihn gar nicht haben wollen. Wir wollen das heute tun. Wir le gen heute als SPD-Fraktion, wie auch die anderen Fraktionen, einen Entschließungsantrag vor, nach dem einige aus unserer Sicht dringende Vorkehrungen getroffen werden sollen, und das so rechtzeitig wie irgend möglich.
Abschnitt I unseres Entschließungsantrags betrifft die Land tagswahl im kommenden März. Die muss nämlich auch vor bereitet werden. Man kann sich schon dumm stellen und sa gen, man könne nicht einmal in den Januar blicken. Aber man kann doch mit einem Minimum an Vorhersage und Verstand einsehen, dass es sinnvoll ist, Vorsorge dafür zu treffen, dass die Pandemie im kommenden März eben noch nicht vorbei und vergessen sein wird.
Was spricht eigentlich dagegen, in Baden-Württemberg – wie übrigens auch in anderen Bundesländern – ausnahmsweise und nur wegen der aktuellen Situation bei der kommenden Landtagswahl die Briefwahlunterlagen nicht nur auf Antrag, sondern generell an alle Wahlberechtigten zu verschicken? Wer an der Urne wählen will, kann das ja dennoch tun. Unser Entschließungsantrag fordert die Vorlage eines Gesetzent wurfs mit diesem Ziel. Ich bitte Sie hier um Ihre Unterstüt zung. Briefwähler sind nicht die schlechtesten Menschen; das
Weiter fordern wir, wie es auch im Beschluss der Ministerprä sidenten steht, die Ermöglichung von Unterricht im Wechsel betrieb für alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse 8. Die Schulen sind in der Lage, in diesem Modus zu arbeiten, und sie sollen zumindest die Möglichkeit bekommen, aufgrund des örtlichen Infektionsgeschehens zu reagieren. Im Wechsel betrieb können die Abstände in den Klassenzimmern besser eingehalten werden, und auch der Schülerverkehr würde deut lich entlastet. Es ist letztlich egal, ob sich ein Schüler in der Schule ansteckt oder auf dem Weg in die Schule, oder ob er sich außerhalb der Schule ansteckt und die Infektion in die Schule trägt.
Für den Unterricht in den Klassen 1 bis 7 fordern wir, zusätz lich geeignete Räumlichkeiten zu nutzen, um den Schulen ei ne räumliche Entspannung und Entzerrung des Unterrichts zu ermöglichen. Wir fordern weiter ein Schulbudget für die An schaffung und den Einsatz von geeigneten Luftfilteranlagen in schlecht zu belüftenden Klassenräumen, und zwar nicht im Sinne von „Entweder Digitalisierung oder Lüftung“, sondern zusätzlich zu den Mitteln, die an den Schulen dringend für die Digitalisierung benötigt werden.
Wir fordern natürlich, die Wirtschaftshilfen für die von den Schließungen betroffenen Betriebe, insbesondere im Gastge werbe, für Kunst- und Kulturschaffende, Soloselbstständige und alle durch die Schließung und Einschränkung in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohten Bereiche zu verlängern und, falls nötig, auszudehnen.
Die Auszahlung der Hilfen muss so schnell wie möglich er folgen. In den Bereichen, in denen die Bundesmittel nicht aus reichen, muss das Land Baden-Württemberg auch mit Lan desmitteln zur Stelle sein und aufstocken. Wenn wir hier nicht handeln, riskieren wir Pleitewellen, und wir riskieren es, dass unser Land kulturell eine Wüstenlandschaft wird. Auch hier bitte ich um Ihre Unterstützung.
Schließlich fordern wir die Landesregierung auf, endlich ei nen Fahrplan durch diesen Pandemiewinter vorzulegen. Es geht nicht darum, in die Zukunft schauen zu können, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es geht darum, dass eine Landesregierung in der Lage sein muss, in verschiedenen Sze narien zu denken und die verschiedenen möglichen Infekti onsverläufe mit den daraus zu ziehenden politischen Schluss folgerungen zu verbinden.
Wann und unter welchen Umständen können denn Gastrono miebetriebe wieder geöffnet werden? Das fragen uns Men schen, die wissen wollen: Wie haben wir eine Chance, unse rer Tätigkeit nachzugehen? Wie können wir an den Schulen in den nächsten drei bis vier Monaten funktionierenden Un terricht gewährleisten? Wie können wir Unterstützung für Schülerinnen und Schüler anbieten, die, gerade wenn sie im Wechselbetrieb sind, besonderer Unterstützung bedürfen? Da zu brauchen wir Antworten dieser Landesregierung.
Wir brauchen vor allem Antworten auf die Frage, wie wir den Menschen in diesem Land in den nächsten drei bis vier Mo naten – bis wir vielleicht wieder im Frühling sind und der Impfstoff tatsächlich auch wirkt – eine Perspektive geben kön nen. Es wird nicht reichen, zu sagen: „Dann warten wir mal bis zum 20. Dezember, und dann schauen wir mal, was pas siert.“ Die Menschen in diesem Land haben es verdient, von dieser Landesregierung eine Strategie, einen Plan zu erhalten. Dazu fordern wir Sie auf.
(Zurufe, u. a.: Die AfD möchte auch noch! – Die AfD! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: Muss nicht sein! – Abg. Andreas Stoch SPD: Das wäre nicht nötig gewesen!)
Herr Abg. Baron zuerst, ja, und dann Herr Abg. Dr. Fiecht ner, Herr Abg. Dr. Gedeon. Danach spricht noch einmal der Herr Ministerpräsident.
Frau Präsidentin, meine sehr verehr ten Damen und Herren Abgeordneten! Im Archiv des Deut schen Bundestags haben wir folgenden Eintrag aus dem Jahr 1968 gefunden – im Jahr 1968 hat der Bundestag Notstands gesetze beschlossen; ich zitiere –:
Mit den geplanten Notstandsgesetzen hatten CDU/CSU und SPD einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.... Stu denten, Intellektuelle, die Gewerkschaften... waren da gegen. Sie fürchteten, dass die Grundgesetzänderung die noch relativ junge deutsche Demokratie gefährden wür de, und verwiesen auf die Erfahrungen mit Artikel 48 der Weimarer Verfassung, der den Weg zur „Machtergrei fung“ Hitlers geebnet hatte.
Der damalige Außenminister Willy Brandt forderte im Parla ment, der Notstandsfall dürfe nicht die Stunde der Exekutive einläuten, sondern müsse die Stunde der Bewahrung des Par laments und des mündigen Bürgers sein, meine Damen und Herren.
Aus der gleichen Motivationslage heraus haben sich in der vergangenen Woche Zehntausende Bürger vor dem Reichs tagsgebäude versammelt: um gegen die willkürlichen Verfas sungsbrüche im neuen Infektionsschutzgesetz zu protestieren. Wie damals gingen Tausende Menschen auf die Straßen, um für ihre Grundrechte zu kämpfen. Meine Damen und Herren, womit die Demonstranten nicht rechnen konnten,
war sicherlich der Wille des Berliner Innensenators Andreas Geisel, die Demonstration mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterbinden.
Er scheute sich nicht davor, den Einsatz von Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken zu genehmigen.
Die Bilder von dem Polizeieinsatz gegen die Demonstranten liefen stundenlang in den TV-Kanälen. Der neutrale Betrach ter dieser Szenen konnte keinen Unterschied zu den brutalen Vorgehensweisen der Milizen in Minsk
Meine Damen und Herren, wir, die AfD, konnten uns eben falls nicht vorstellen, dass friedlich demonstrierende Men schen, die Sorgen haben und unser Grundgesetz verteidigen, zu Opfern von Staatsgewalt werden. Das von der Bundesre gierung im Eiltempo von vier Stunden verabschiedete Dritte Infektionsschutzgesetz ist aus Sicht der AfD nichts anderes als ein Bevölkerungsentmündigungsgesetz.
Herr Kollege Baron, danke für das Zulassen der Zwischenfrage. – Habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass Sie deutsche Polizisten mit den Kräf ten des Diktators Lukaschenko verglichen haben? Vergleichen Sie das Vorgehen miteinander?
Schauen Sie sich einmal die Bilder aus Weißrussland an. Da werden Leute in Autos gezerrt, weggefahren und sonst wohin gebracht. Haben Sie so etwas in Deutschland gesehen? Das frage ich Sie.
(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Das ist der Fall! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Na türlich nicht! – Weitere Zurufe – Unruhe)
Herr Karrais, vielen Dank für die Frage. Sie wissen selbst – wie alle anderen hier –: Wir stehen felsenfest hinter unserer Polizei.
(Lachen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das sieht die Polizei aber anders, Herr Kollege! – Weite re Zurufe)