Zunächst kommen Sie nicht darum herum, sich hier ein paar Zahlen anzuhören. Aber es sind durchaus spannende Zahlen.
Den Petitionsausschuss haben bis jetzt am baldigen Ende des Landtags der 16. Wahlperiode 5 040 Petitionen erreicht. Das ist der Stand vom 15. November, ist also ca. einen halben Mo nat her. Hinzuzurechnen ist ein Überhang von 508 Petitionen aus der vorangegangenen Wahlperiode. Auf die verbleiben den fünf Monate des Landtags der 16. Wahlperiode hochge rechnet, gehe ich von insgesamt 5 500 Petitionen aus.
Im Vergleich zur vorangegangenen Wahlperiode sind das knapp 700 Petitionen weniger, was einen Rückgang von ca. 11 % be deutet. Wir erreichen damit den Stand, den wir schon einmal in der 14. Wahlperiode des Landtags hatten.
Knapp 20 % der Eingaben waren ganz oder teilweise erfolg reich, führten zu Empfehlungen an die Regierung oder wur den durch Auskunftserteilung erledigt. Ca. 47 % der Einga ben konnte nicht abgeholfen werden. Das war in der Regel
Die restlichen Petitionen wurden an zuständige Behörden und Institutionen weitergeleitet, waren unzulässig, sind noch of fen oder haben sich anderweitig erledigt.
An der Spitze rangieren jetzt mit etwas Abstand die Bausa chen, gefolgt von ausländerrechtlichen Angelegenheiten und vom Verkehrswesen. Die Palette war wieder einmal relativ bunt. Sie reichte von der sachgerechten Entsorgung von Grab lichtern auf Friedhöfen, die Sorge um die Brutablage von Weinbergschnecken durch Grünarbeiten im Mauervorfeld ei ner Justizvollzugsanstalt bis hin zu dem Vorschlag, es Häft lingen zu ermöglichen, ihre Strafe durch gemeinnützige Ar beit in Form von „Standreinigen“ zu verkürzen. Dabei ist zu sagen, dass es bei uns in Baden-Württemberg keine nennens werten Strände gibt und es auch nicht „Standreinigen“ heißen muss, sondern – wenn überhaupt – natürlich „Strandreinigen“.
(Abg. Jürgen Keck FDP/DVP: Am Bodensee hat es Strände! – Gegenruf des Abg. Martin Hahn GRÜNE: Strände ohne Ende!)
Werfen Sie einen Blick in die schriftlichen Anlagen, die Sie zu diesem mündlichen Bericht bekommen können (Anlage), dann finden Sie neben der Statistik auch interessante Fälle be schrieben, die die Arbeit des Petitionsausschusses für die Bür gerinnen und Bürger in besonderer Weise veranschaulichen.
Das Petitionswesen spiegelt in besonderer Weise die Proble me von Bürgerinnen und Bürgern wider. So ist es kein Wun der, dass sich auch die Coronakrise in der Arbeit des Petiti onsausschusses wiederfindet. Wir haben dazu relativ viele Pe titionen bekommen. Das Gesundheitswesen und das Schul wesen sind im Blick auf Corona in die Top Ten aufgerückt.
Die erste Petition mit Coronabezug erreichte den Petitions ausschuss am 12. März 2020 um 18:54 Uhr. Es war eine On linepetition.
Dazu gleich an dieser Stelle schnell gesagt: 1 232 der 5 040 Petitionen sind über unser Formular für Onlinepetitionen ein gegangen.
Die Einsenderin dieser ersten Coronapetition reichte diese Eingabe im Namen vieler besorgter Schülerinnen und Schü ler ein, die sich wegen des Coronavirus Sorgen um ihre Ge sundheit machten, und forderte deshalb, Schulen, Kitas und Universitäten schließen zu lassen, bis sich die Ausbreitung des Virus gelegt habe.
Bis heute folgten knapp 200 weitere Petitionen mit Corona bezug in alle Richtungen. Den einen gingen die Maßnahmen zu weit, den anderen waren die Maßnahmen nicht umfang reich genug.
Erwähnt seien die Petitionen von Schülerinnen und Schülern sowie Studentinnen und Studenten, die die Pandemie in Prü fungsvorbereitungen erwischt hatte. Ich nenne hier beispiel haft die Abiturprüfungen. Hierzu hat sich der Petitionsaus schuss in seiner Sitzung am 30. April und in einer zusätzli chen Sitzung am 20. Mai über die von der Regierung vorge sehenen Maßnahmen unterrichten lassen.
Gezeigt hat sich anhand mancher Coronapetitionen auch, wie groß in der aktuellen Lage das Bedürfnis der Bevölkerung ist, Zahlen und statistische Daten zu hinterfragen und auch zu ver stehen. Es wird ersichtlich, dass wichtige Informationen nicht immer alle Menschen erreichen. Medienberichte haben oft ei ne größere Reichweite als Publikationen und Informationsan gebote von Fachseite wie z. B. des Ministeriums oder des RKI. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sind deshalb wichtig, um die Fachinformationen gezielt so aufzuarbeiten, dass sie von einer breiten Öffentlichkeit verstanden werden.
Besonders gefordert im Hinblick auf die Coronapetitionen wa ren das Sozialministerium und das Kultusministerium, die ne ben der Bewältigung der Krise – das muss man einfach ein mal so sagen – noch mit der Erarbeitung zahlreicher Petiti onsstellungnahmen befasst waren. Dass dies zu einer hohen Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betroffe nen Ministerien geführt hat, ist nachvollziehbar. Dafür kann man auch dankbar sein. An dieser Stelle deshalb allen Mitar beiterinnen und Mitarbeitern – nicht nur dieser beiden Häu ser, sondern aller Ministerien – meinen Dank für die Stellung nahmen.
Bei aller Belastung möchte ich aber auch sagen, dass es sich beim Petitionsrecht um ein hohes Gut handelt, ein Grundrecht aller Bürgerinnen und Bürger, die sich gerade auch in schwie rigen Zeiten mit Bitten und Beschwerden an das Parlament und die zuständigen Stellen wenden können.
Gefreut habe ich mich – über solche Petitionen freue ich mich immer – über Petitionen von Kindern und Jugendlichen. Er reicht haben den Petitionsausschuss im Berichtszeitraum Ein gaben von Schülerinnen und Schülern u. a. zum Bienenschutz, zum Schutz des Wassers und zur Müllbeseitigung. Besonders erfreulich und ermutigend finde ich dabei, dass diese jungen Schülerinnen und Schüler nicht nur einfach gegen etwas sind, sondern sich auch Gedanken machen, wie diese Probleme zu lösen sind, und Lösungen gleich mit einreichen – sei es Müll sünder einen Tag lang zum Einsammeln von Müll zu verdon nern oder sogenannte Müllfeiertage einzuführen.
Die drei zwölfjährigen Freundinnen, die diese Petition gestellt haben, meine Damen und Herren, haben bereits verstanden, dass Demokratie von der Einbringung von Vorschlägen und Ideen lebt und nicht von wilder Propaganda.
Sie haben auch verstanden, wie die demokratischen Abläufe sind, und sich gleich an die richtige Stelle gewandt, nicht ir gendwohin im Internet – dazu komme ich später noch kurz –, sondern direkt an die Vertretung des Souveräns, das Parla ment.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das sind immer be liebte Sätze: „Ich komme später nochmals darauf zu rück!“ – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: Das sagst du auch oft! – Gegenruf des Abg. Tho mas Blenke CDU: Und er macht es auch! – Verein zelt Heiterkeit)
Wie schön. Da freue ich mich. – Auch wenn manche Ideen nicht hier und nicht jetzt sofort umgesetzt werden können, möchte ich diesen Kindern und Jugendlichen doch sagen, sich nicht entmutigen zu lassen, sich weiterhin Gedanken um die Zukunft der Welt, in der sie leben, zu machen und sich vor al lem auch einzubringen.
Corona war in den vergangenen Monaten auch eine Heraus forderung für unsere Ortstermine und Bürgersprechstunden.
Insbesondere die Ortstermine sind ein wichtiges Instrument des Petitionsausschusses, bieten sie uns doch die Möglichkeit, vor Ort Sachverhalte zu klären und Lösungsvorschläge zu er arbeiten. 80 Ortstermine hat der Petitionsausschuss in der lau fenden Wahlperiode bisher durchgeführt. Das ist eine erfreu liche Steigerung gegenüber den 58 Ortsterminen in der letz ten Wahlperiode.
Auch von seinem Recht auf Anhörungen von Regierungsver tretern hat der Petitionsausschuss verstärkt Gebrauch gemacht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien können ein Lied darüber singen. Sie werden regelmäßig eingeladen. Ich möchte betonen, dass jetzt, während der Coronakrise, auch unser Ausschuss mittlerweile hybrid tagt. Abgeordnete kön nen von zu Hause aus dabei sein. Aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien müssen vor Ort sein. Darum brauchen wir auch immer einen großen Raum.
Es gab 533 Anhörungen von Regierungsvertreterinnen und Regierungsvertretern gegenüber 489 in der letzten Periode. Auch hat der Ausschuss mehr Aktenvorlagen durch die Be hörden beschlossen.
Verbesserungspotenzial besteht hingegen noch immer bei der Möglichkeit, den Petenten im Ausschuss anzuhören – das kommt sehr selten vor –, und bei der Dauer des Petitionsver fahrens. Über sechs Monate dauert ein Petitionsverfahren im Durchschnitt, bis die Petentin oder der Petent über die Einga be Bescheid bekommt. Das ist eine recht lange Zeit, vor al lem, wenn man es als ein für sich selbst doch sehr dringliches Problem sieht.
Dem Petitionsausschuss des nächsten, 17. Landtags von Ba den-Württemberg möchte ich selbst ans Herz legen, über die Möglichkeit einer verstärkten Beteiligung und Einbindung der Petenten im Petitionsverfahren nachzudenken – das wird oft beklagt –
Ich sprach eingangs von einem Rückgang der Zahl der Peti tionen. Dies korrespondiert mit der Zunahme der Zahl der Ein gaben bei der Bürgerbeauftragten. Wir hören nach diesem Ta gesordnungspunkt ja noch den Bericht der Bürgerbeauftrag ten, Frau Bea Böhlen, auf den ich sehr gespannt bin. Heute liegt Ihnen ja auch ein schriftlicher Bericht vor. Frau Böhlen war bis Oktober vergangenen Jahres Vorsitzende des Petiti
onsausschusses. Für ihr langjähriges Engagement in diesem Petitionsausschuss möchte ich hier noch mal ein herzliches Dankeschön an sie sagen.
Ausscheiden wird nun auch der langjährige stellvertretende Vorsitzende des Petitionsausschusses, unser geschätzter Kol lege Norbert Beck. Auch an ihn ein herzliches Dankeschön.
Meine Damen und Herren, heute erreichen wir mit dieser De batte ja die Öffentlichkeit. Darum möchte ich die Gelegenheit nutzen, hier noch einmal darauf aufmerksam zu machen, dass wir das Original sind – wir hier, der Petitionsausschuss. Ich meine dies im Verhältnis zu den privaten Petitionsplattformen „openPetition“ oder „Avaaz“, die Sie alle kennen und über die die Medien auch immer mehr berichten. Eine private Petiti onsplattform ist eine private Petitionsplattform und löst kei ne Prüfung durch das Parlament aus. Ich bitte Sie auch wirk lich, all Ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die zu Ihnen in die Sprechstunden kommen, immer wieder zu sagen, dass sie, wenn sie wollen, dass sich der Souverän mit dem Thema befasst, eine Eingabe beim Petitionsausschuss machen soll ten. Wir können gar nicht genug für die Erhöhung des Be kanntheitsgrads dieses wichtigen parlamentarischen Petitions ausschusses werben. Denn noch einmal: Wir sind das Origi nal!
Darüber hinaus kann man sich an die Bürgerbeauftragten der Länder wenden – dort, wo es solche gibt; es gibt in Deutsch land einige, und es gibt auch eine europäische Bürgerbeauf tragte. Darauf können Sie gern verweisen.
Zum Schluss möchte ich Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, für Ihr großes Engagement und die gute Zusammenarbeit – die für einen Ausschuss schon außer gewöhnlich ist – danken. Ich möchte mich an dieser Stelle auch ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und im Besonderen beim Leiter des Petitionsbüros für diese unendliche Arbeit, die sie tun, bedanken. Ohne sie würde es nicht funktionieren.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. – Zum Schluss möchte ich noch einmal kurz erwähnen, dass es im Petitions ausschuss Sinn macht, mehr Arbeit zu haben statt weniger Ar beit. In diesem Sinn freue ich mich auf die verbleibenden, letz ten zwei Sitzungen.