Entschuldigung, Herr Abg. Frey, auch für eine Kurzintervention braucht man die Zustim mung des Redners. Deshalb bin ich nicht darauf eingegangen.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Auch von unserer Seite vorab ein Dan keschön für den umfassenden Bericht und, Frau Böhlen, für Ihre engagierte Arbeit mit Ihrem Team. Ich denke, niemand – auch wir nicht – wird Ihnen absprechen, dass Sie Ihre Arbeit mit großem Engagement und sehr viel Leidenschaft erledi gen. Bürgeranliegen, Ombudsräte und andere Formate um Po litik und Verwaltungshandeln auf der einen Seite und Bürger interessen auf der anderen Seite gut in Einklang zu bringen ist Ihnen ein Herzensanliegen; das haben Sie in der Vergangen heit bewiesen. Da sind Sie glaubwürdig; das stellen wir über haupt nicht in Abrede, und es wird auch in diesem Bericht deutlich.
Kollege Blenke hat bereits darauf hingewiesen, dass der grö ßere Teil der Arbeit bei Ihrem Vorgänger lag, aber dass auch
Sie den Bericht geprägt haben. Ich nehme an, Herr Kollege, Sie haben mit „Prägung“ auch die vielen Bilder in der ge druckten Version gemeint. Dies ist uns auch aufgefallen. Es sind dreimal so viele Bilder wie in der Drucksache. – Aber das ist nicht das Thema.
Ich melde Zweifel an, dass das Konstrukt einer Bürgerbeauf tragten in der vorliegenden Form ein passgenaues Angebot ist, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen, die mit dieser Stelle – insbesondere vonseiten der Grünen – verbunden wa ren. Kollege Sckerl, das ist dann auch kein Gezänk, sondern gut begründete Kritik, denke ich. Wir wundern uns auch, dass aus den Reihen der CDU nur sehr wenige Fragezeichen hin ter diese Stelle und den damit verbundenen Haushaltsposten von immerhin 340 000 € gesetzt werden.
Die meisten Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern kommen uns allen doch sehr vertraut vor, liebe Kolleginnen und Kol legen. Jeder Abgeordnete und jede Abgeordnete hat die vor nehme Pflicht, Bürgerbeauftragter im Wahlkreis und fachpo litisch auch im ganzen Land zu sein.
Es sind aber nicht nur die Themen und Eingaben, die sich nur unwesentlich von dem unterscheiden, was uns Abgeordneten in unserem Tagesgeschäft begegnet. Auch die Handlungsop tionen der Bürgerbeauftragten sind ähnlich begrenzt wie bei einem ganz normalen Abgeordneten: Sie rufen an, Sie fragen nach, z. B. beim Jobcenter, beim Sozialdienst, bei der Ver kehrsbehörde oder bei der Ingenieurkammer. Sie vermitteln zwischen Konfliktparteien, indem Sie zum Gespräch bitten, oder Sie verweisen an den zuständigen Abgeordneten im Wahl kreis. Mehr können Sie letztlich auch nicht tun, weil Ihnen keine weiter gehenden Eingriffsrechte und Befugnisse zuge standen sind – ganz im Gegensatz zum Petitionsausschuss, der nach Artikel 35 a unserer Landesverfassung bestellt ist und gesetzlich verankerte Durchgriffs- und Weisungsrechte und viel weiter gehende Handlungsoptionen als die Bürger beauftragte hat.
Diese Kritik ist nicht neu und wurde von mir bereits im letz ten Jahr vorgetragen. Aber wie Sie nun, Frau Böhlen, dieser Kritik begegnen, finde ich, mit Verlaub, schon unterirdisch. Sie versuchen, Ihre Daseinsberechtigung, Ihre Arbeit zu un termauern, indem Sie die Arbeit des Petitionsausschusses schlechtreden; ich sage es mal so. Das steht jemandem, der acht Jahre selbst Vorsitzende des Petitionsausschusses war, nicht gut zu Gesicht.
Wenn der Petitionsausschuss tatsächlich so arbeitet, wie Sie behaupten – die vorherige Aussprache hat eigentlich das Ge genteil bewiesen –, nämlich dass es – einige Zitate aus dem Bericht – „langwierige Prozesse“, „Mangel an Effizienz“, „le diglich 1:1-Übernahme der Stellungnahmen der Landesregie rung oder nachgeordneter Behörden“ gibt, dann muss der Pe titionsausschuss seine Arbeitsweise überdenken, anstatt von Ihnen infrage gestellt zu werden. Dabei hatten Sie acht Jahre Zeit, die Arbeit des Petitionsausschusses in die richtigen Bah nen zu lenken.
Gelinde gesagt, schon anmaßend finde ich Ihre Idee, die Sie uns auf Seite 20 Ihres Berichts unter der Überschrift „Poten
zial zum Geldsparen“ zumuten. Kurz zusammengefasst steht dort nämlich: Wenn zusätzlich zu den drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Bürgerbeauftragten noch mehr Stel len geschaffen würden, könnte der Petitionsausschuss seine zeitaufwendige und teure Arbeit zurückfahren.
Liebe Frau Böhlen, Ihr Versuch, das Verhältnis von Bürger beauftragter und Petitionsausschuss zu klären, scheitert aus meiner Sicht kläglich. Aber Sie haben ein Jahr Zeit, um im nächsten Bericht diesen Teil deutlich zu verbessern.
Frau Präsidentin, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Lassen Sie uns in die Historie gehen: Warum hören wir uns heute überhaupt diesen Bericht an? Am Donnerstag, dem 17. Dezember 2015, befasste sich der Land tag in der 15. Legislaturperiode zum ersten Mal mit dem Ge setzentwurf der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der SPD – Gesetz über die Bürgerbeauftragte oder den Bürgerbeauf tragten des Landes Baden-Württemberg –, Drucksache 15/7862.
Liest man sich das Protokoll durch, fällt auf, dass die häufigs ten Vermerke „Unruhe“, „Anhaltende Unruhe“ und „Glocke der Präsidentin“ sowie die Forderung nach Ordnungsrufen bis hin zum Vorwurf, das sei justiziabel, waren.
Der Abgeordnete Hauk nannte den Entwurf eine – Zitat – „lin ke Machenschaft“. Der Bürgerbeauftragte sei das – Zitat – „in stitutionalisierte Misstrauen“ gegenüber der Polizei. Die Grü nen hätten ein – Zitat – „gestörtes Verhältnis zur Freiheit in Deutschland“, das Verhältnis zu den Sicherheitsorganen sei ungeklärt. Der Entwurf zeichne sich durch ein – Zitat – „tief gründiges Misstrauen gegenüber jedem Abgeordneten – der nämlich der wahre Volksvertreter ist –“ aus.
Liebe CDU, das ist wirklich lustig. Mit dieser Truppe regie ren Sie seit fast fünf Jahren. Das Ausmaß an Selbstüberwin dung – oder muss ich von Selbstverleugnung reden? – mag man sich ja kaum vorstellen. Arme, bedauernswerte Kollegen von der CDU!
Die Debatte war hoch emotional, und keine Seite hat der an deren etwas geschenkt, was man schon daran erkennen kann, dass die Glocke der Präsidentin im Dauereinsatz war – bei 20 habe ich aufgehört zu zählen. Und Sie erzählen der Bevölke rung das Märchen, durch die AfD sei der Ton rauer geworden. Die Altparteien haben sich hier gestritten wie die Kesselfli cker! Das ist die Wahrheit.
Wir haben bei der letzten Debatte zum Bürgerbeauftragten so fort den Finger in die Wunde gelegt und haben die horrenden Kosten aufgelistet, die durch diesen rein ideologisch motivier ten Versorgungsposten entstanden sind. Der Haushaltsansatz 2016 betrug 323 000 €. 2021 schießt der Ansatz schon hoch auf 409 400 €. Die Bürgerbeauftragte wird im Jahr 2021 über 10 000 € im Monat an Dienstbezügen erhalten. Im Jahr 2020 waren es in der Summe noch 118 000 €.
Die Zahl der behandelten Fälle lag bei 471 im Jahr 2018 und 583 im Jahr 2019. Dies ergibt Kosten in Höhe von 717 € pro Fall im Jahr 2018 und Kosten in Höhe von 580 € pro Fall im Jahr 2019.
Meine Damen und Herren, das sind Zahlen aus Absurdistan. Das hat mit angemessenen Kosten nichts mehr zu tun. Wir brauchen keinen 144. Abgeordneten. Sie haben neue Bürokra tie geschaffen, verursachen einen permanenten Aufwuchs bei Kosten und Personal. Dabei lautet gerade in diesen Zeiten das Gebot der Stunde strikte Kostenkontrolle – also genau das Ge genteil von dem, was Sie machen.
Dass Sie noch nicht einmal die Kraft haben, die Abschaffung des Bürgerbeauftragten zu fordern – angesichts dessen, was Sie im Jahr 2015 vom Stapel gelassen haben –, zeigt, wo Sie wirklich stehen.
(Beifall – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja, ja! – Abg. Reinhold Gall SPD: Sie sind doch der einzige Kostenfaktor! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Vor allem die eigene Fraktion schützt die Gelder der Bürger, gell?)
Die AfD steht zu ihren eigenen Aussagen und Forderungen. Sie nicht! Sie sind nicht in der Lage, Ihre Fehler zu korrigie ren. Sie schaffen keine Kostenstellen ab.
Sie stellen sich Fehlentscheidungen nicht entgegen. Sie be klagen die – Zitat – „undurchsichtige und komplexe Bürokra tie, die den Bürger alleinlasse“. Daher brauche es den Bürger beauftragten. Das ist ja hochinteressant. Wer hat denn den jet zigen Zustand hier in Deutschland und in Baden-Württemberg