Protokoll der Sitzung vom 02.12.2020

Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger nehmen nach dem Rechts pflegegesetz auch bestimmte richterliche Aufgaben wahr, da runter auch solche mit Leitungsfunktion. Sie übernehmen z. B. die Leitung von Versteigerungsterminen oder Gläubigerver sammlungen im Insolvenzrecht. Es ist daher nur konsequent, wenn auch Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger eine Robe tragen, wo Richterinnen und Richter dies auch tun würden. Damit werten wir zugleich die verantwortungsvolle Tätigkeit der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger auf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das waren nur die drei we sentlichen Ziele des Gesetzentwurfs. Die weiteren Änderun gen sind auf den ersten Blick vielleicht nicht so eingängig;

gleichwohl sind sie notwendig. Ich hoffe daher auf Ihre Un terstützung in den weiteren Beratungen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Her ren, das Präsidium hat für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Nun darf ich das Wort Herrn Kollegen Filius für die Fraktion GRÜNE geben.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir in erster Lesung über das Gesetz zur Änderung des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes und weiterer Gesetze. Ich möchte dieses Gesamtkonvolut einen „bunten Strauß“ nennen. In der Rechtspflege, im Justizvollzugsrecht, in der juristischen Aus- und Fortbildung und in vielen weiteren Bereichen schlägt die Landesregierung Modernisierungen und Anpassungen vor.

Wir begrüßen dies außerordentlich, da es eine wichtige, grö ßere Reform und viele kleine Änderungen beinhaltet und da durch viele wichtige Fragen neu geregelt werden. Auch die rege Teilnahme am Anhörungsverfahren sowie die zahlreichen Stellungnahmen zum Gesetzentwurf zeigen uns, dass es ein sehr großes Interesse an diesem Gesetz gab.

Zwei Punkte hat der Herr Justizminister bereits aufgegriffen, auf die ich ebenfalls noch einmal näher eingehen möchte. Nicht zuletzt hat der Staufener Missbrauchsfall gezeigt, dass die Fortbildungsverpflichtung der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Gesetz konkretisiert werden soll. So hat auch die Kommission Kin derschutz in ihrem Abschlussbericht die Empfehlung gege ben, die Fortbildungsverpflichtung stärker auf die konkreten Dienstposten zu beziehen. Dies wird jetzt mit diesem Gesetz entwurf umgesetzt. Das ist ein großer Fortschritt.

(Beifall)

Wir sind zudem sehr glücklich, dass parallel auch der Bund tätig wird und das notwendige weitere Mosaiksteinchen er gänzt. Gemäß dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt wird zukünftig noch bes ser sichergestellt, dass Familienrichterinnen und Familienrich ter die Fähigkeit zur Kommunikation mit Kindern mitbringen und damit zum Gelingen einer Kindesanhörung beitragen.

In der Anhörung und in den vorangegangenen Gesprächen ha ben wir wahrgenommen, dass die Konkretisierung der Fort bildungspflicht auf große Bedenken in der Richterschaft stößt. Ich möchte aber sagen: Wir haben größtes Vertrauen in die Richterschaft und halten die richterliche Unabhängigkeit sehr hoch. Eine Einschränkung dieser richterlichen Unabhängig keit kommt nicht infrage.

Ich denke, mit der jetzt vorliegenden Änderung und der er gänzenden Regelung im Bundesgesetz ist es uns gelungen, die richterliche Unabhängigkeit voll zu wahren, aber auch die Kompetenz gerade bei den Familiengerichten zu stärken. An dieser Stelle möchte ich allen Beteiligten für ihre Mitwirkung danken.

(Beifall)

Zukünftig wird es aber auch sehr wichtig sein, dass nun auch die entsprechenden Fortbildungsmöglichkeiten angeboten wer den. Dafür werden wir uns ebenfalls einsetzen.

Ein zweiter Punkt, der auch zu größeren – ich sage einmal – Wallungen bei der einen Seite geführt hat, ist die Festschrei bung des § 35 b, Ratschreiberinnen und Ratschreiber einzu setzen. Das ist keineswegs eine neue Möglichkeit oder Erfin dung. Vielmehr war es den Kommunen bereits seit nahezu 70 Jahren erlaubt, dieses Instrument für Beglaubigungen vorzu sehen. Mit der Notariatsreform zum 1. Januar 2018 wurde die se Position allerdings an eine Grundbucheinsichtsstelle ge knüpft. Von etwa 1 100 Kommunen haben derzeit ca. 800 Kommunen eine solche Position besetzt.

Gründe für eine Ratschreiberstelle – das wurde von Herrn Mi nister Wolf ja auch erwähnt – gibt es genügend. Bürgerinnen und Bürger sparen sich in Zeiten des Klimawandels lange An fahrtswege und finden eine leistungsfähige Verwaltung vor Ort durch die Ratschreiber mit der Möglichkeit zur Beglaubi gung von Dokumenten.

Die Bedenken der Notarvereine und Notarkammern nehmen wir ernst. Wir haben die Argumente auch ernsthaft geprüft und abgewogen. Im Ergebnis sind wir jedoch überzeugt, dass die Befürchtungen der Notarinnen und Notare nicht eintreten wer den. Sollten wir jedoch im weiteren Vollzug des Gesetzes fest stellen, dass noch entsprechend nachjustiert werden müsste, dann werden wir das selbstverständlich auch tun. Denn wir sind gerade in Coronazeiten mehr denn je auf eine gut funk tionierende und leistungsfähige Justiz – in diesen Bereich be ziehe ich jetzt auch die Ratschreiber mit ein – angewiesen.

Bei vielen weiteren Punkten werden wir uns sicherlich alle ei nig sein. Die Robentragungsmöglichkeit für die Rechtspfle gerinnen und Rechtspfleger wurde erwähnt. Es geht aber auch um weitere Punkte wie die Gebührenerhebung, die Erteilung von Grundbuchauszügen usw. Es sind sehr viele Dinge dabei. Es wird auch mit aufgenommen, dass bei Insassen der JVAs Post der Bürgerbeauftragten nicht mehr geöffnet werden darf. Das sind alles wichtige Punkte. Es sind kleine Punkte, die den noch eine große Bedeutung haben.

Dieses Gesetz ist für die Statuierung der Fortbildung in der Justiz und für den Bürokratieabbau, insbesondere aber auch für die Bürgerinnen und Bürger und für die Vereine eine wich tige Erleichterung. Wir werden den Gesetzentwurf weiter po sitiv begleiten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Nun erhält Herr Kollege von Eyb das Wort. – Aber es muss noch einmal kurz über das Redepult gewischt werden, bevor Sie sprechen können.

(Das Redepult wird desinfiziert.)

Herr Kollege von Eyb, Sie haben das Wort, und wir schenken Ihnen unser Ohr.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sowohl der Minister als auch der Kollege Filius sind schon darauf eingegangen, welch vielfältige Fragen in dem Gesetzentwurf angesprochen wer

den. So geht es u. a. um die Entschädigung von Personen, die Zeugen eines Nottestaments werden. Aber das ist, glaube ich, nicht so relevant. Deswegen möchte ich nicht näher darauf eingehen, sondern mich auf zwei Punkte konzentrieren, und zwar zum einen auf die Normierung einer Fortbildungsver pflichtung für Richterinnen und Richter und zum anderen auf die vorgesehene Möglichkeit für jede Gemeinde in BadenWürttemberg, einen oder mehrere Ratschreiber zu benennen.

Die Aufdeckung des verabscheuungswürdigen und schreck lichen Missbrauchsfalls in Staufen hat zur Einrichtung einer Kinderschutzkommission geführt. Im Abschlussbericht die ser Kommission wurde die Empfehlung ausgesprochen, die Richterinnen und Richter für die besonderen Belange des Kin derschutzes zu sensibilisieren und fortzubilden. Der Minister ist darauf eingegangen: Das ist nicht so ganz einfach. Die For derung nimmt das Justizministerium auf, wofür wir sehr dank bar sind, und sieht nunmehr die Verpflichtung der Richterin nen und Richter vor, sich für ihren konkret ausgeübten Dienst posten fortzubilden.

Diese Neuregelung birgt – dies möchte ich ganz ausdrücklich betonen – kein Misstrauen gegenüber unseren Richterinnen und Richtern.

(Beifall)

Diese bilden sich bereits heute stetig und nachhaltig fort. Dies belegen die Zahlen, die uns das Justizministerium regelmäßig zur Verfügung stellt.

Fortbildung ist aber nicht gleich Fortbildung. Deshalb ist es wichtig, deutlich zu machen, dass sich auch die eine oder an dere besuchte Fortbildung der Richterinnen und Richter auf die konkret ausgeübte Tätigkeit beziehen muss.

Als zweiten wichtigen Punkt dieses Gesetzentwurfs erachte ich die neu geschaffene Möglichkeit für jede Gemeinde in BadenWürttemberg, für ihren Bereich einen oder mehrere Ratschrei ber zu benennen. Im Vorfeld haben vor allem Notare und Rechtspfleger gegen diese Öffnung Bedenken angemeldet. Trotz dieser angemeldeten Bedenken halte ich das Vorhaben für richtig und für wichtig.

Der Normenkontrollrat, den es in Baden-Württemberg ja noch gar nicht so lange gibt, hat uns ausdrücklich dazu aufgefor dert, die Tätigkeit der Ratschreiber in Baden-Württemberg auszubauen, um dadurch niederschwellig den Vereinen und ehrenamtlich Engagierten in ihrer jeweiligen Gemeinde einen Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Gemeinden in Baden-Württemberg die sem Anliegen, dem wir nunmehr die gesetzliche Grundlage bereiten, auch tatsächlich nachkommen.

Wichtig ist die Feststellung, dass die Beurkundungszuständig keit der Ratschreiber nicht erweitert wird. Dieser Punkt scheint in der bisherigen Diskussion unterzugehen. Wir schaffen le diglich die Voraussetzung dafür, dass – losgelöst von einer Grundbucheinsichtsstelle – jede Gemeinde für ihren Bereich eine Person oder mehrere Personen benennen darf, um ein fachste Beurkundungen von Unterschriften und Abschriften durchzuführen.

Es trifft zu, dass Ratschreiber nicht verpflichtet sind, am elek tronischen Rechtsverkehr mit den Registergerichten teilzu

nehmen. Aber auch dieser Umstand ist unserer Rechtsordnung nicht unbekannt. Auch wenn Rechtsanwältinnen und Rechts anwälte verpflichtet sind, gegenüber den Gerichten virtuell in Erscheinung zu treten, bleibt es Naturparteien unbenommen, auch weiterhin in Papierform ihre Begehren gegenüber dem Amtsgericht geltend zu machen. Unsere Rechtsordnung trägt damit auch der Wirklichkeit Rechnung: Nicht alle Teile unse rer Bevölkerung sind gleich weit in Sachen Digitalisierung. Das dürfen wir nicht vergessen.

Sowohl bei der Neuregelung einer Fortbildungsverpflichtung der Richterinnen und Richter als auch bei der Öffnung der Ratschreibertätigkeit für alle Gemeinden schaffen wir wich tige Impulse, und wir sind zuversichtlich, dass dies wohlwol lend angenommen und fruchtbringend eingesetzt wird. Soll te es anders kommen, können wir noch immer eine Korrektur vornehmen. Aber in dieser Sekunde sind wir davon überzeugt, dass diese Maßnahmen richtig sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Herr Abg. Dr. Weirauch, Sie haben noch einmal das Wort für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Innerhalb weniger Wo chen befassen wir uns gerade zum zweiten Mal mit dem Lan desrichter- und -staatsanwaltsgesetz. Anlass der heutigen Be ratung ist jedoch nicht die Coronapandemie oder der Umgang mit den Auswirkungen der Coronapandemie, es sind vielmehr grundlegendere Themen. Der Minister hat es schon erwähnt. Im Wesentlichen geht es auch um Fragen der Amtstracht, wir haben hier im Gesetzentwurf die Thematik „Ratschreiber in Kommunen“ stehen, aber auch Änderungen im Landesjustiz kostengesetz sowie in den Justizvollzugsgesetzbüchern. Es handelt sich also im Wesentlichen um ein Artikelgesetz.

Im Hinblick auf die Redezeit möchte ich mich heute – es wur de auch schon angesprochen – auf die Diskussion im Vorfeld des Gesetzentwurfs hinsichtlich der Fortbildungspflicht für Richterinnen und Richter konzentrieren, und zwar auch des halb, weil es – Sie hatten es ja auch so formuliert – ein Span nungsfeld gibt zwischen der richterlichen Unabhängigkeit und dieser Fortbildungspflicht. Das muss man auf jeden Fall heu te thematisieren, weil wir natürlich auch begründen müssen, wieso wir im Endeffekt diesem Gesetzentwurf zustimmen. Wir glauben, dass die Abwägung dem Justizministerium oder Ihnen, Herr Minister, an dieser Stelle gut gelungen ist. Des wegen können wir da zustimmen.

Am Anfang war es so, dass es offenbar noch einmal einen Ge setzentwurf im Vorfeld gab, der dann in der Anhörung nega tiv bewertet wurde. Dann wurde meines Wissens noch einmal nachgearbeitet. So, wie es jetzt ist, kann man es aus unserer Sicht rechtssicher und auch verhältnismäßig umsetzen.

Es ist natürlich schon so – Herr von Eyb hat es gesagt –: Es war dieser grausame Missbrauchsfall in Staufen, der uns alle erschüttert hat und der dann auch in die Gründung der Kin derschutzkommission mündete. Die Conclusio aus dieser Kin derschutzkommission war eben auch, dass man die interdis ziplinäre Fortbildung und Qualifizierung als herausgehobene Möglichkeit sieht, um die Handlungssicherheit, die Art und

Weise des Umgangs mit diesen Fällen auch im Vorfeld, in der Prävention zu erhöhen.

Alle, die die juristische Ausbildung durchlaufen haben, wis sen natürlich, dass das Familienverfahrensrecht und das Fa milienrecht jetzt nicht unbedingt der Schwerpunkt bei den Ers ten und Zweiten Staatsexamina sind. Gerade wenn man als junger Richter oder junge Richterin in ein familienrechtliches Dezernat kommt, ist es nicht so einfach, die Komplexität im Familienrecht tatsächlich im Alltag einer Richterin, eines Richters entsprechend zu meistern.

Deswegen sehen wir, die SPD, es auch so, dass eine Konkre tisierung der Fortbildungspflicht gerade bei den Auswirkun gen, die ein kindschaftsrechtliches Verfahren langfristig auf das Leben des Kindes und seiner Familienangehörigen haben kann, eine richtige und notwendige Maßnahme ist. Wir brau chen hier eine hohe Wachsamkeit und Sensibilität, insbeson dere für die Kinder, die gefährdet sind oder bereits Opfer se xualisierter Gewalt wurden.

Wir sehen dieses Mehr aber nicht nur als Verpflichtung für Richterinnen und Richter, sondern wir sagen auch: Eines muss klar sein: Der Staat oder auch das Ministerium muss auf der Gegenseite natürlich den Richterinnen und Richtern entspre chende Qualifizierungsangebote unterbreiten; der Staat muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Richterinnen und Richter dies sowohl fachlich als auch zeitlich und finanziell stemmen können. Es darf nicht sein, dass es offenbar Berei che gibt, in denen es keine ausreichenden Angebote gibt, um dieser Pflicht im Prinzip nachzukommen.

Deswegen sind wir auch der Meinung, dass man das nicht auf die Familiengerichtsbarkeit beschränken sollte, sondern ge nerell in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, in der Fachgerichts barkeit entsprechend fortführen müsste und eine Fortbildungs pflicht konstituieren sollte. Damit ermöglicht man es jungen Richterinnen und Richtern, über den Tellerrand hinauszu schauen und sich auf einem anderen Fachgebiet entsprechend fortbilden zu lassen, zumal es in den Verfahren oft Über schneidungen gibt.