Protokoll der Sitzung vom 14.12.2020

Der Ministerpräsident hat die Lage in seiner Rede sehr ein drücklich dargestellt. Dem schließe ich mich an. Wir haben im November von einer „Seitwärtsbewegung“ gesprochen. Die damals ergriffenen Maßnahmen haben das weitere Wachs tum angehalten, aber sie waren nicht ausreichend, um das Vi rus zu stoppen. In den letzten Tagen zeigt sich, dass wir er neut einen exponentiellen Anstieg der Infiziertenzahlen erle ben, der sich in einer Exponentialfunktion abbildet. Das klingt nüchtern, aber dahinter stecken Schicksale. In den letzten Wo chen gab es in Deutschland mehr als 3 000 Tote durch das Co ronavirus.

(Zuruf: Aha!)

Das sind historische Dimensionen.

(Zurufe)

Die Kliniken schlagen Alarm; viele Intensivbetten sind be legt; das Pflegepersonal ist Tag und Nacht im Einsatz – all das macht es notwendig, zu diesen harten Maßnahmen zu greifen.

In dieser dramatischen Lage haben wir das Richtige getan: Wir haben die Schnellbremsung eingeleitet. Aber was heißt Schnellbremsung? Der Zug kommt eben nicht unmittelbar zum Stehen. Ja, leider wird in den nächsten Tagen noch mit einer Steigerung der Fallzahlen zu rechnen sein.

Doch für uns in der grünen Landtagsfraktion ist klar: Jetzt kommt es auf jeden Tag an. Deswegen war es richtig, Herr Ministerpräsident, dass Sie sich gestern mit der Kanzlerin und Ihren Kolleginnen und Kollegen getroffen haben. Und es war richtig, dass Baden-Württemberg am Freitag weiter gehende Beschränkungen erlassen hat. Denn jeder Tag zählt, liebe Kol

leginnen und Kollegen. Deswegen nochmals vielen Dank da für, Herr Ministerpräsident, dass Sie so rechtzeitig und sehr entschlossen gehandelt haben.

(Beifall)

Herr Kollege Stoch, Sie haben Weihnachten angesprochen. Ich will es Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen: Diese Lan desregierung, vorneweg der Ministerpräsident, hat sehr früh zeitig nach der Ministerpräsidentenkonferenz gesagt: Diese Regelung geht zu weit. Diese Regierung hat die Weihnachts tage auf das klassische Weihnachtsfest eingeschränkt. Es war sehr wichtig, dass wir das gemacht haben; das war ein wich tiger Beitrag, um das Virus zu stoppen. An dieser Aufgabe müssen wir jetzt gemeinsam weiterarbeiten. Jetzt geht es um den Schutz der Gesundheit und um den Schutz der Bevölke rung. Darum geht es jetzt. Alle sind aufgerufen, ihren Beitrag dazu zu leisten – auch in diesem Haus, wenn ich in diese Ecke blicke.

(Zuruf)

Herr Stoch, Sie haben die Kommunen und die Rechtsverord nungen angesprochen. Dazu möchte ich den Präsidenten des Städtetags zitieren, Ihren Genossen Peter Kurz, den ich sehr schätze. Er hat nämlich am Freitag, 11. Dezember, gesagt – ich zitiere –:

Die Städte halten eine Verschärfung der Coronabestim mungen für unumgänglich und sprechen sich einmütig für einen harten Lockdown von zwei bis drei Wochen aus.

(Zurufe)

Jetzt kommt der entscheidende Satz:

Angesichts der fortschreitenden Infektionsdynamik hal ten wir landesweite Regelungen für notwendig.

Das heißt, die Präsidenten der kommunalen Landesverbände haben sich am Freitag hinter diese Linie der Landesregierung gestellt und haben es mit unterstützt, dass das Land BadenWürttemberg am Freitag vorangeschritten ist.

(Beifall – Zurufe)

Damit wird deutlich: Diese Verantwortungsgemeinschaft aus Land und Kommunen funktioniert.

(Zurufe – Unruhe)

Meine Damen und Herren, wir ziehen die Notbremse, um das Virus zu stoppen. Das machen wir mit Entschlossenheit. Nur so können die Maßnahmen wirken. Wir handeln besonnen, begründet und auch wohlüberlegt. Die Einschränkungen, über die wir heute reden, sind eben kein Aktionismus. Ja, sie grei fen in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger unmittelbar ein, aber sie sind erforderlich, geeignet und angemessen. Die Maß nahmen, die wir jetzt ergreifen, sind wirkungsvoll, um die Ge sundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Sie sind hart, aber in dieser Lage auch verhältnismäßig.

Ich erinnere mich noch, wie es im Frühjahr war. Damals gab es in anderen Regionen Europas, z. B. in Frankreich, Italien und Spanien, Ausgangssperren. Hinter diese Ausgangssper ren würde ich tatsächlich ein Fragezeichen setzen, weil ich

nicht weiß, ob sie verhältnismäßig sind. In dieser Situation sind wir hier aber nicht.

Umso wichtiger ist es, dass die jetzt vorgeschriebenen Kon taktbeschränkungen eingehalten werden. Die Lage ist ernst. Sie wird viele hart treffen. Jetzt ist noch mehr Solidarität ge fragt. Für meine Fraktion ist daher klar: Nur gemeinsam kön nen wir diese schwere Krise meistern. Wir können sie nur meistern mit Solidarität, mit Empathie und mit dem Wissen, dass jede Kontaktaufnahme eine Ansteckung bedeuten kann.

Daher möchte ich an dieser Stelle noch einmal all denjenigen meinen Dank aussprechen, die eben genau diese Solidarität leben: den Bürgerinnen und Bürgern, die die Maßnahmen um setzen, den Pflegekräften, den Ärztinnen und Ärzten in den Kliniken und in den Teststationen – und bald auch in den Impfstationen –, den Lehrerinnen und Lehrern, den Erziehe rinnen und Erziehern, die Kindertagesstätten und Schulen of fen gehalten haben, unseren Polizeibeamtinnen und Polizei beamten, den Wissenschaftlern, die an einem Impfstoff arbei ten, und natürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Verwaltungen, die diese Konzepte erstellen. Ihnen al len gebührt mein herzlicher Dank. Vielen Dank für die Unter stützung.

(Beifall)

Im Kern geht es um fünf Maßnahmen, die jetzt anstehen. Der Herr Ministerpräsident hat sie angesprochen: Kontakte redu zieren, die weiter gehende Schließung der Schulen und der Geschäfte ab Mittwoch, die Hotspot-Strategie, um wieder auf eine Inzidenz von unter 50 zu kommen, und den Appell, im Homeoffice zu arbeiten und nicht notwendige Reisen zu ver meiden.

Dazu will ich noch zwei wichtige Anmerkungen machen: Ich schließe mich diesem Appell an, Herr Ministerpräsident. Ja, ich richte den dringenden Appell an Unternehmerinnen und Unternehmer, Homeoffice und mobiles Arbeiten für die Ar beitnehmerinnen und Arbeitnehmer auszubauen. Wir können das staatlicherseits kaum regeln. Aber Homeoffice und mobi les Arbeiten sind ein wichtiges Instrument, um die Zahl der Kontakte zu reduzieren. Deswegen wünsche ich mir, dass möglichst viele Unternehmen in Baden-Württemberg auf Home office setzen und für die nächsten Tage das mobile Arbeiten ausbauen.

(Vereinzelt Beifall)

Das gilt im Übrigen auch für Weihnachten und Silvester. Wir werden in diesem Jahr keine rauschenden Feste zum Jahres wechsel feiern. Weihnachten wird im kleinsten Familienkreis stattfinden, aber selbstverständlich mit großer Herzlichkeit. Weihnachten und Silvester sind für viele Menschen besonde re Tage. Dass wir diese Tage in diesem Jahr nur eingeschränkt feiern können, ist außergewöhnlich, aber leider notwendig. Dafür bitte ich die Bürgerinnen und Bürger um Verständnis.

Die jetzt im Raum stehenden Maßnahmen sind notwendig, um das Virus zu stoppen. Sie sind erforderlich und auch ge eignet dafür, und sie sind im Vergleich mit den Maßnahmen anderer Staaten auch verhältnismäßig.

Aber ich sage es ganz offen: Das sind schon harte Maßnah men. Und daran freut sich sicher kein Ministerpräsident; da

ran freut sich auch kein Fraktionsvorsitzender, wenn er hier solche Maßnahmen verkündet. Aber es sind die richtigen Maßnahmen. Deswegen, Herr Ministerpräsident, haben Sie, hat die Regierung hier die Unterstützung meiner Fraktion.

(Zurufe)

Das Virus wird uns auch im Jahr 2021 fordern. Es ist daher notwendig, jetzt zu klären, was das für den Januar, den Feb ruar und den März bedeutet. Ich bin froh, Herr Minister Lucha, dass Sie hierzu schon eine Impfstrategie vorgelegt haben. Ba den-Württemberg ist gut vorbereitet, um die Impfungen in die Fläche zu bringen, sobald der Impfstoff bei uns ankommt. Wir begrüßen es, dass bereits ab Januar mit der Ausgabe des Impf stoffs begonnen werden kann.

Uns in der grünen Landtagsfraktion sind die Kinder und Ju gendlichen wichtig, uns sind die Familien wichtig. Die vor gezogenen Weihnachtsferien sind zunächst einmal eine ganz klare Entscheidung, und sie geben allen Planungssicherheit.

Sie werden durch die Notbetreuung abgefedert. Uns ist sehr wichtig, dass die Notbetreuung genutzt werden kann – etwa von Alleinerziehenden, von Menschen in systemrelevanten Berufen. Uns ist darüber hinaus wichtig, dass die Notbetreu ung von den Kindern genutzt werden kann, denen es zu Hau se nicht gut geht, weil die Verhältnisse dort für sie vielleicht schwierig sind.

Wir wünschen uns auch, dass die Lehrerinnen und Lehrer, Er zieherinnen und Erzieher ein Augenmerk auf die Kinder ha ben. Und wenn Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher für bestimmte Kinder die Notbetreuung empfehlen, dann sollten wir uns großzügig zeigen und die Notbetreuung flexibel handhaben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall)

Wichtig ist jetzt, zu klären, wie es nach dem 10. Januar wei tergeht. Es gibt ja keinen Schalter, mit dem man die Schulen einfach ein- und ausschalten könnte. Wir müssen daher klä ren, wie es Mitte Januar weitergehen soll, wie es im Januar, im Februar und im März weitergehen wird. Eltern, Lehrerin nen und Lehrer, die Schulen und gerade die Kinder müssen wissen, worauf sie sich einstellen können.

Wenn wir uns in den Schulen umhören, stellen wir fest: Vie le Schulen haben inzwischen gute Konzepte für den digitalen Unterricht geschaffen. Sie haben sich darauf vorbereitet, dass sie Klassen insgesamt oder teilweise digital beschulen kön nen. Auch die technische Infrastruktur hat sich verbessert. Wir stellen ja Gelder für die Lehrerdienstgeräte zur Verfügung.

Deswegen ist es mir wichtig, dass wir den Schulen jetzt den Rücken stärken. Die Schulen benötigen eine sichere Möglich keit, digitalen Unterricht anzubieten, in Wechselmodelle zu gehen. Gerade beim Fernunterricht wollen wir den Schulen jetzt die notwendige Sicherheit geben.

(Beifall)

Und dort, wo es keinen Fernunterricht gibt, geht es darum, die Lüftungen der Räume zu verbessern, für bessere, vielleicht auch für größere Klassenräume zu sorgen, rasch FFP2-Mas ken an Lehrerinnen und Lehrer auszugeben.

(Zuruf: Auch an Grundschulen!)

In meinen Augen gilt das insbesondere für die Grundschulen und die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszent ren. Wir schlagen vor, möglichst schnell einen runden Tisch einzuberufen, an dem alle am Schulleben Beteiligten Platz ha ben

(Zuruf)

und bei dem darüber gesprochen wird, wie der Schulunter richt im zweiten Halbjahr aussehen kann. Denn für uns ist klar: Die Schulen brauchen Planungssicherheit. Bildungser folg und Bildungsgerechtigkeit schreiben wir ganz groß.

(Beifall – Zurufe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Krise trifft Kunst, Kul tur, den Messebau, Gastronomie und Tourismus – und jetzt auch noch den Einzelhandel, und das mitten im umsatzstärks ten Monat des Jahres. Es ist für mich vollkommen klar, dass wir hier handeln müssen. Wir brauchen schnelle und unbüro kratische Hilfen für Unternehmen und Selbstständige. Die Programme des Bundes klingen gut. Wir begrüßen und unter stützen sie. Ich höre jedoch immer wieder Klagen darüber, wie lange diese Programme in der Umsetzung dauern. Die Unternehmen brauchen jetzt Beistand, damit sie über den Winter kommen, und es braucht eine gute Lösung für Solo selbstständige – und diese kann nicht „Hartz IV“ lauten.

(Beifall)