Protokoll der Sitzung vom 14.12.2020

(Beifall)

Es geht dann eben nicht darum, was für die Politik leicht zu verordnen ist, sondern darum, was tatsächlich hilft. Es geht nicht darum, ob die Schulen pauschal auf oder pauschal ge schlossen sind, sondern es geht um den meisten Unterricht mit dem geringsten Risiko. Das finden Sie nur auf einem Mittel weg.

Dass alles so schnell gehen muss, dass alles so unerwartet kam und so neu ist, das mag im Frühjahr 2020 gestimmt haben. Aber jetzt, im Winter 2020/2021, im Frühjahr 2021 kann das kein Argument mehr sein. Wir wissen, dass das Virus nicht über Nacht verschwindet, nicht in drei und nicht in vier Wo chen. Wir sollten endlich damit aufhören, immer und immer wieder so zu tun, als müssten wir nicht weiter als auf die nächsten zwei bis drei Wochen blicken.

Vielleicht begreift die Landesregierung langsam, dass es nicht falsch war, dass wir eine Strategie für die zweite Welle gefor dert haben. Vielleicht begreift sie dann auch, dass wir jetzt dringend anmahnen, nicht wieder nur bis zum 10. Januar zu planen. „Jetzt machen wir einen harten Lockdown, und dann gucken wir weiter“ – nein, bitte nicht schon wieder! Bitte end lich Strategien, die bis ins Frühjahr reichen und die die Infek tionslagen mit Maßnahmen verbinden!

Wir alle wissen nicht, wie sich die aktuell beschlossenen Maß nahmen auf die Infektionszahlen auswirken werden, aber wir müssen den Menschen eine Perspektive geben, auf die sie zu arbeiten können: Was passiert, wenn wir eine bestimmte In zidenz unterschreiten? Aber auch: Was passiert, wenn wir be stimmte Infektionssituationen mit noch steigenden Zahlen er leben? Wo sind hier die Antworten der Landesregierung, auf die die Menschen in diesem Land warten, meine sehr geehr ten Damen und Herren? Das sind die Fragen, die Sie beant worten müssen.

(Beifall)

Wir haben in den letzten Wochen vieles von dem gefordert, was jetzt beschlossen wird, aber wir fordern Sie jetzt mit un serem heutigen Entschließungsantrag ganz konkret auf, für das neue Jahr eine Strategie, einen Plan vorzustellen und zu erarbeiten, mit dem wir den Menschen in Baden-Württemberg sagen können, wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht. Das brauchen die Menschen im Land: eine Pers pektive und einen Plan – aber bitte nicht in der Art dieses

merkwürdigen Stufenplans aus dem September, der so welt fremd optimistisch war, dass er im Herbst binnen 14 Tagen Makulatur wurde.

Die Einschränkungen, die nun kommen und nötig sind, sind hart. Sie werden aber noch härter, wenn sie nicht verlässlich sind, nicht absehbar, wenn sie willkürlich wirken.

Und noch eine Konsequenz ist nötig: Harte Einschränkungen, wie sie jetzt nötig sind, brauchen eine solide gesetzgeberische Grundlage. Auch da hat diese Landesregierung in all den lan gen Monaten der Pandemie wenig dazugelernt. Da werden Ausgangsbeschränkungen – eine wirklich weitgehende Maß nahme, was die Grundrechte der Menschen angeht – im Ka binett beschlossen, als habe diese Regierung alle ihre Staats rechtler in den Urlaub geschickt. Derart weitreichende Maß nahmen am Parlament vorbei zu beschließen ist nicht akzep tabel, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall)

Eine letzte Konsequenz spreche ich hier noch zum Schluss an, weil sie vor allem Sache des Bundes ist und dort maßgeblich bei den Ministern Olaf Scholz und Hubertus Heil in guten Händen ist.

(Lachen)

Wenn wir als Allgemeinheit weitere Wochen und Monate Zig tausende Menschen an der Ausübung ihres Berufs hindern und hindern müssen, dann müssen wir als Allgemeinheit diesen Menschen auch weiter Hilfe zukommen lassen, damit diese Menschen ihre Arbeit nicht verlieren und ihre Existenzen nicht zerstört werden.

(Zuruf)

Wer jammert, das könne nicht ewig gehen, hat Volkswirtschaft nicht verstanden. Wenn wir jetzt nicht helfen, wird die Rech nung am Ende noch viel höher. Es geht um Existenzen, es geht um Firmen, um Arbeitsplätze, um den gesamten Kulturbetrieb in unserem Land. Sollte es Lücken geben, dann kann auch das Land hier einspringen.

Ich will das einmal in eine mathematische Gleichung gießen:

(Zuruf)

Wissenschaftliche Erkenntnis plus gesunder Menschenver stand

(Zurufe)

plus finanzielle Hilfen für Betroffene plus eine verantwor tungsgeleitete Abstimmung zwischen Regierung und Parla ment ist gleich erfolgreiche Krisenbewältigung.

Das, was wir bei Ihnen erleben, ist: Wissenschaftliche Er kenntnis minus ständiger Streit zwischen Grünen und CDU minus falsche Zuständigkeiten innerhalb der Regierung mi nus Wahlkampfgetöse und Profilierungssucht minus Wissen schaftskritik à la Eisenmann, das ergibt erfolglose Krisenbe wältigung, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall – Unruhe)

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich bin kein Panikma cher. Jeder kann sehen, dass uns das Virus noch viele Mona te beschäftigen wird. Es wird nicht im Januar verschwinden und auch nicht, wenn die Impfungen beginnen. Aber wir wer den es eines Tages abhaken können. Bis dahin braucht dieses Land nicht nur schmerzhafte Einschnitte wie jetzt, sondern vor allem auch mutige Entscheidungen und kluge Strategien über den Tag hinaus. Nicht weniger als das ist es, was wir von dieser Landesregierung erwarten.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Schwarz.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich bei Ihnen, Herr Ministerpräsident, bedanken – –

(Lachen – Zurufe, u. a.: Sehr gut! – Unruhe)

Moment, Herr Abg. Schwarz, warten Sie bitte einmal. – Meine Damen und Herren, ich fin de es einfach unerträglich,

(Zurufe, u. a.: Das stimmt! – Ich auch!)

dass man hier im Parlament alle paar Minuten um Ruhe bit ten muss.

(Zurufe, u. a.: Wir auch!)

Nein. Das geht jetzt an die gesamte AfD-Fraktion. Ich fin de, es gebietet der Anstand, dass man dem Redner zuhört. Sie können ja einer völlig anderen Meinung sein, aber Zuhören gehört einfach dazu. Danke.

(Beifall)

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich bei Ihnen, Herr Ministerpräsident, bedanken, dass Sie das Land beherzt, besonnen und entschlossen durch diese Krise führen.

(Beifall – Zuruf)

Sie orientieren sich am Kompass der Vernunft. So gelingt es trotz aller Unwägbarkeiten, die es in dieser Krise gibt, beharr lich auf einem klaren Kurs zu steuern. Das erzeugt Verläss lichkeit, das schafft Vertrauen. Denn Vertrauen brauchen wir in diesen Tagen. Das gibt auch Mut und Zuversicht.

Deswegen gehen die Vorwürfe des Kollegen Stoch ins Leere. Böller und Glühwein haben wir weder versprochen noch zu gesagt.

(Zuruf: Das ist ja nicht wahr!)

Aber was wir zugesagt haben, Herr Kollege Stoch, ist, dass wir für die Weihnachtstage angemessene Regelungen finden, dass wir auch an die Familien denken, die getrennt voneinan der leben, dass wir an Patchworkfamilien denken,

(Zuruf)

die nicht in einem Hausstand zusammenleben.

(Zuruf)

Diese angemessenen Regelungen, diesen Kurs der Verhältnis mäßigkeit, den praktizieren wir jeden Tag. Darauf bin ich stolz, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall)

Ich danke dafür, dass die Landesregierung großen Wert dar auf legt, das Parlament umgehend zu informieren. Das ge schieht in der heutigen Sitzung. Das ist auch in Gesprächen mit den Fraktionsvorsitzenden am Wochenende geschehen. Ich halte das für sehr wichtig.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Ihren Vorwurf, es sei am Parlament vorbei gehandelt worden, den weise ich zurück. Denn wir haben gemeinsam, BadenWürttemberg als eines der ersten Bundesländer, ein LandesPandemiegesetz auf den Weg gebracht. Wir werden es in die ser Woche nochmals nachschärfen. Mit Sondersitzungen und mit Entschließungsanträgen untermauert das Parlament, dass es hinter den Maßnahmen der Regierung steht. Sie und die SPD mögen zwar nicht mitgestimmt haben, aber der Landtag hat mit seiner Mehrheit die Maßnahmen der Regierung im mer gebilligt. Es ist ganz wichtig, das festzustellen, Herr Kol lege Stoch.

(Beifall)

Der Ministerpräsident hat die Lage in seiner Rede sehr ein drücklich dargestellt. Dem schließe ich mich an. Wir haben im November von einer „Seitwärtsbewegung“ gesprochen. Die damals ergriffenen Maßnahmen haben das weitere Wachs tum angehalten, aber sie waren nicht ausreichend, um das Vi rus zu stoppen. In den letzten Tagen zeigt sich, dass wir er neut einen exponentiellen Anstieg der Infiziertenzahlen erle ben, der sich in einer Exponentialfunktion abbildet. Das klingt nüchtern, aber dahinter stecken Schicksale. In den letzten Wo chen gab es in Deutschland mehr als 3 000 Tote durch das Co ronavirus.