Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Es ist gerade einmal zwei Jah re her, als wir alle hier in diesem Saal Opfer einer Cyberatta cke wurden. Persönliche Daten von uns waren veröffentlicht, wurden alphabetisch sortiert, in Listen gesammelt. Es war für viele von uns sicher ein ganz beklemmendes Gefühl, auf ei ner solchen Liste zu stehen. Aber vor allem hat das uns allen gezeigt, wie verletzbar man mit persönlichen Daten online ist.
Die Internetkriminalität ist in den letzten Jahren bei uns in Ba den-Württemberg und in Deutschland extrem stark gewach sen. Unsere Landesbehörden müssen jeden Tag mehrere Hun dert Angriffe im Internet abwehren – mehrere Hundert jeden Tag.
Klar ist: Je digitaler unsere Gesellschaft und je digitaler un ser Staat werden, umso mehr müssen wir im gleichen Zuge auch unsere digitalen Abwehrkräfte stärken. Genau das tun wir jetzt. Wir rüsten uns gegen diese neuen digitalen Angrif fe. Wir ordnen die Strukturen neu und machen sie fit für die ses und das nächste Jahrzehnt. Wir schaffen eine neue Cyber sicherheitsstruktur für Baden-Württemberg, für das ganze Land.
Ihr Herzstück bildet die neue Cybersicherheitsagentur. Sie ist Anlaufstelle für Kommunen, für Bürgerinnen und Bürger, für die Wirtschaft und für die Wissenschaft.
Dabei ist uns wichtig, zu sagen, dass wir schon jetzt sehr gut aufgestellt sind, was die Bekämpfung von Cyberkriminalität angeht, etwa beim Landeskriminalamt. Dieses Gute entwi ckeln wir jetzt fort, machen es noch besser – eben auch in Be reichen, die über die rein polizeiliche Arbeit hinausgehen.
Die zentrale Koordinierungs- und Meldestelle wird helfen, Angriffsmuster zu erkennen, sie besser kennenzulernen und – vor allem auch – sie abzuwehren.
Jetzt war ja einiges an Kritik an der neuen Cybersicherheits agentur zu lesen. Manchmal hat man ein bisschen den Ein druck: Das ist wie bei einer Motte, die sich eigentlich am Mond orientieren möchte, stattdessen aber bis zur Erschöp fung doch immer nur um die Straßenlaterne herumbrummt.
Dieses neue Gesetz bedeutet viel mehr als nur die Errichtung einer Landesoberbehörde. Dieses Gesetz etabliert ein neues Denken, eine neue Herangehensweise. Wir bekämpfen digi tale Kriminalität nicht mehr nur in historisch gewachsenen, sondern in zeitgemäßen Strukturen.
Wir denken Cybersicherheit in ihrer ganzen Breite und stel len uns so optimal für die digitale Zukunft auf.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Über die Erkenntnis, dass die Sicherheits agentur des Landes vor neuen Herausforderungen steht und die Digitalisierung da ein wesentlicher Faktor ist, brauchen wir, glaube ich, nicht zu streiten. Darüber sind wir uns einig. Deshalb spare ich mir diesbezüglich weitere Ausführungen. Die Antwort des Innenministers und der Landesregierung auf diese Herausforderung springt sehr kurz, weil wir bereits eta blierte Strukturen haben, die den Innenminister anscheinend wenig interessieren.
Kollege Hagel, ich weiß jetzt nicht, wen Sie als „Motte“ be zeichnen. Sie haben den Vergleich mit der Motte und dem Licht gebraucht.
Es wird daher angeregt, auf eine neue Landesoberbehör de zu verzichten und die mit diesem Gesetz erhofften Mehrwerte beim Landeskriminalamt zu konzentrieren.... Es sei weitaus effektiver, die Koordination unter den bis herigen Akteuren zu verbessern und zu bündeln.
Der Anwaltsverband ist deswegen skeptisch, ob eine kla re Aufgabentrennung zu den Zuständigkeitsbereichen an derer Einrichtungen, etwa dem LfV, der BITBW oder dem BSI, gelingen kann.
Oder meinten Sie mit „Motte“ den Bund Deutscher Kriminal beamter? Dieser sagt gemäß der Drucksache 16/9490 genau so eindeutig:
Durch die Einrichtung der Cybersicherheitsagentur ent stehe eine Landesoberbehörde mit einer erstaunlichen personellen Ausstattung in der Anfangsphase. So seien 83 Neu-Stellen im Haushalt 2020/21 veranschlagt....
Der Landesverband habe große Bedenken, dass die künf tigen Schnittstellen der Cybersicherheitsagentur zur be stehenden Struktur der Akteure, namentlich auch der Po lizei Baden-Württemberg, nicht ausreichend beschrieben und berücksichtigt worden seien.
Sie schaffen mit diesem Gesetz ein Sicherheitsrisiko. Alle, die in diesem Land etwas von Sicherheit verstehen, haben sich in dieser Anhörung geäußert – von Ihnen wohl als „Motte“ be zeichnet. Böse Zungen behaupten ja, dass ehemalige Abge ordnete und ehemalige Nachwuchshoffnungen der CDU gern den Mond vor sich sehen und als neue Behördenleiter noch rechtzeitig vor der Landtagswahl in die Behörde einziehen. An diesen Spekulationen will ich mich nicht beteiligten.
Aber es könnte ein Grund dafür sein, warum man dem Land tag einen so unausgereiften Gesetzentwurf vorlegt und damit ein Sicherheitsrisiko in diesem Bereich schafft.
Frau Präsidentin, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Es ist gerade mal sieben Jahre her, dass das Internet für Kanzlerin Angela Merkel noch Neuland war. Inzwischen hat sich auch bis in die Spitze der Bundesre gierung die Erkenntnis durchgesetzt, dass der digitale Wandel in der Gesellschaft und in der Wirtschaft nicht nur einen Me gatrend darstellt, sondern sich auf derselben Innovationsstu fe ansiedelt wie im 19. Jahrhundert die Dampfmaschine oder auch die Eisenbahn.
Auch wenn Deutschland in Sachen Digitalisierung im Ver gleich mit anderen Ländern noch deutlichen Nachholbedarf hat – denken Sie, meine lieben Damen und Herren von der Landesregierung, an den Breitbandausbau und den Mobilfunk –, so basieren auch bei uns inzwischen wesentliche Teile der Infrastruktur auf dem digitalen Netz.
Dies zieht schon fast zwangsläufig Kriminelle jeder Art an. Ein Einbruch in öffentliche Systeme oder das Lahmlegen von Infrastrukturen durch Terroristen oder Kriminelle kann inzwi schen wesentliche Teile des öffentlichen Lebens und ganze Teile lebenswichtiger Funktionen lahmlegen. Daher ist Cy bersicherheit zunehmend eine zentrale Aufgabe des Staates. Erfreulicherweise liegt Deutschland nach dem Europäischen Index für Cybersicherheit von VPNoverview auf Platz 1.
Doch auch hier gibt es erheblich Luft nach oben, vor allem wenn man bedenkt, dass die Onlinekriminellen immer weiter
aufrüsten. Wir begrüßen daher grundsätzlich den vorliegen den Gesetzentwurf der Landesregierung. Die geplanten Maß nahmen bündeln bereits vorhandene Strukturen und fügen sich in die Cyberstrategie des Bundes ein.
Die Kommentierung des Gesetzentwurfs im Beteiligungspor tal des Landes hat jedoch noch einige bedenkenswerte Aspek te aufgeworfen. So sollte die geplante Cybersicherheitsagen tur in Baden-Württemberg nicht dem Innenministerium un terstehen, sondern den Status einer unabhängigen Landesbe hörde erhalten. Nur als unabhängige Landesbehörde kann die se Agentur auch solche Behörden wirkungsvoll kontrollieren, die dem Innenministerium selbst unterstellt sind.
Auch scheint die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten der neuen Cybersicherheitsagentur zu ande ren Behörden des Landes und des Bundes nicht klar definiert zu sein. Es muss den betroffenen Behörden und Unternehmen klar ersichtlich sein, welchen alleinigen Ansprechpartner die se jeweils haben. Die AfD-Fraktion begrüßt daher grundsätz lich den Gesetzentwurf, unterstützt aber einige in der Kom mentierung vorgeschlagene Präzisierungen, die noch zu dis kutieren sind.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die zunehmende Zahl von Cybervorfällen in Baden-Württemberg und in Deutsch land muss uns natürlich Sorge bereiten. Dies erfordert von ei ner guten Politik, zu handeln. Das hat der Herr Minister dar gestellt. Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen.
Allerdings ist zwar klar, dass wir ein entschlossenes Handeln brauchen, um der zunehmenden Bedrohung und der damit ein hergehenden Lage Herr zu werden. Darum würden wir eigent lich der Einrichtung einer Cybersicherheitsagentur sehr gern zustimmen. Wir können das bei diesem vorliegenden Entwurf beim besten Willen leider nicht.
Warum können wir das nicht? Wir können das nicht, weil es bei diesem Gesetzentwurf, der auf dem Tisch liegt, so viele offene Fragen gibt, so viele Kritikpunkte, so viele Schwächen bei der Aufgabenabgrenzung – z. B. wie man mit der geschaf fenen Cyberwehr umgeht, wie man mit dem Problem umgeht, dass es zu Doppel- und Mehrfachstrukturen kommen kann, wenn es hier keine saubere Abgrenzung gibt – und vieles Wei tere mehr. Das alles macht es für uns schwierig, einem sol chen Gesetzentwurf zuzustimmen.
Bei uns lässt vor allem die Alarmglocken schrillen, dass alle drei Gewerkschaften der Polizei in einem der wenigen Fälle einhellig gegen diesen Gesetzentwurf Stimmung machen und sagen: „Wenn wir das so machen, dann kommt nichts Gutes dabei heraus.“ Daher müssen wir dringend aufpassen, dass wir in diesem Haus ein solches Gesetz nicht beschließen.