Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

Verfassungsrechtliche Bedenken sind bei einem solchen Ge setz zurückzuweisen.

(Lachen des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: „Was interessiert mich die Verfassung?“)

Sie alle kennen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Danach beeinträchtigt es keinesfalls Menschen in ihrer Reli gionsfreiheit, wenn man ihnen untersagt, ihr Gesicht zu ver hüllen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wir wünschen uns mehr als ein CDU-„Burkaverbot light“, welches nur Symbolcharakter hat. Wir wollen deutlich ma chen, dass es von uns keine Toleranz für jene gibt, die eine Gesellschaftsordnung propagieren, die unseren Werten wider spricht.

Wir wollen heute von Stuttgart aus ein Signal an die Bevöl kerung in ganz Deutschland richten mit der Aussage: Bis hier her und nicht weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Schluss mit der Toleranz, wenn es um unsere fundamentalen Grundrechte und unsere Gesellschaftsordnung geht.

Sehr geehrter Herr Professor Reinhart – er ist leider nicht hier –,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Er hört zu!)

ersparen Sie uns doch bitte Ihre Vorwürfe, dass wir auf Ihre Themen aufspringen würden. – Ich habe innerhalb der AfD bereits ein Burkaverbot gefordert, da wusste er wahrschein lich noch gar nicht, wie man Burka schreibt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Oh Gott! – Weitere Zurufe von den Grünen und der CDU – Unruhe)

Denn ich habe genau diese Entwicklung vorausgesehen. Au ßerdem können Sie sich eines merken: Sie müssen schnell sein, wenn Sie sich auf AfD-Terrain begeben, denn wir wol len nicht nur reden, wir wollen handeln.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Hein rich Fiechtner AfD: Bravo!)

Ich bitte nun vor allem die weiblichen Abgeordneten, sich ih re Entscheidung sehr gut zu überlegen. Vielleicht sollten Sie sich dazu einmal eine Burka überziehen, um zu fühlen, wie man sich fühlt. Ich habe es getan. Aber auch an die Väter hier im Saal richte ich die Frage: Könnten Sie sich für Ihre Töch ter ein Leben unter der Burka vorstellen?

Zum Schluss geht mein Appell an Sie alle: Denken Sie bitte daran: Das hier ist unser Land, und hier gelten unsere Regeln.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Es gibt kein „uns“ mit Ihnen! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ein „uns“ mit Ihnen gibt es nicht!)

Wer hierherkommt, hat sich daran zu halten und sich unseren Verhaltensnormen anzupassen – und nicht umgekehrt.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Bewahren wir uns alle zusammen das freiheitlich-demokrati sche Deutschland, das wir, denke ich, alle gleichermaßen lie ben und auf das wir stolz sein können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich Herrn Abg. Maier das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn eines ganz klar sagen: Wer Männer und Frauen in allen Aspekten als gleichwertig und gleichberechtigt betrach tet, der kann nicht gutheißen, wenn Frauen gezwungen wer den, sich bis zur Unkenntlichkeit zu verschleiern.

(Beifall bei der AfD und Abgeordneten der Grünen)

Von Ihnen brauche ich keinen Applaus.

(Zuruf von der AfD)

Aber nur weil wir gegen die Burka als Symbol sind, sind wir noch lange nicht für dieses Verbot. Denn Frauen per Gesetz zu einer vermeintlich emanzipierteren Kleidung zu zwingen, wie es hier durch ein Verschleierungsverbot im öffentlichen Raum gefordert wird, widerspricht dem Grundsatz der Selbst bestimmung der Frau genauso.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der AfD)

Die AfD beruft sich in ihrer Begründung für dieses Gesetz auch noch auf die Werteordnung unseres freien, offenen und demokratischen Landes. Ich sage Ihnen: Wer mit Liberalität für eine staatliche Kleiderordnung argumentiert, hat das Prin zip der Liberalität nicht verstanden.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Die AfD schreibt von „freier und gleichrangiger Begegnung, die wir in unserem Land wollen“. Ja, die wollen wir auch. Aber das geht nicht, wenn man gleichzeitig eine ganz be stimmte Gruppe entmündigt. Das widerspricht jedem Grund satz der Fairness und Gleichbehandlung

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Wer entmündigt denn bitte hier? – Abg. Anton Baron AfD: Entmündigt?)

und damit auch Ihrer eigenen Antragsbegründung.

(Beifall bei den Grünen)

Aber es geht ja wie so oft eh nicht um die Sache, sondern da rum, Ängste zu schüren und Antistimmungen zu schaffen. Mit ihrem Antrag agitiert die AfD gegen Minderheiten und setzt so den gesellschaftlichen Frieden aufs Spiel.

Denn genau das zeigt der Blick nach Frankreich. Nach fünf Jahren Burkaverbot ist ein Trend weg von der Vollverschlei erung nicht zu beobachten. Beide Zahlen, die der Burka- und Nikabträgerinnen wie auch die der gesetzlich Belangten, sind seit Jahren weitgehend konstant. Das haben Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ ergeben.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Schlimm genug!)

Eine bereits 2011 veröffentlichte Studie der Open Society Foundations mit 32 Burka- und Nikabträgerinnen in Frank reich bestätigt die Sinnlosigkeit eines grundsätzlichen Verbots weiter.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Die durchgeführte Studie beschreibt entwürdigende Erlebnis se der Teilnehmerinnen nach dem Inkrafttreten des Verbots in Frankreich. Fast alle Studienteilnehmerinnen berichten von sexistischen und rassistischen Beleidigungen, wenn sie in der Öffentlichkeit unterwegs waren.

(Abg. Anton Baron AfD: Fragen Sie doch das Volk!)

Einige erlebten gar körperliche Angriffe, z. B. das Herunter reißen der Schleier durch Passanten.

Die häufige Konsequenz daraus: Jene Frauen, die vom Gesetz betroffen sind, meiden öffentliche Einrichtungen und Plätze, um den Anfeindungen aus dem Weg zu gehen. Die Möglich keiten zur Ausübung eines Berufs oder einer ehrenamtlichen Tätigkeit sind dadurch enorm eingeschränkt, und eine schnel le Integration wird praktisch unmöglich.

(Lachen bei der AfD – Abg. Rüdiger Klos AfD: Und mit Burka geht das?)

Wir sehen, hinter diesem Gesetzentwurf verbirgt sich eine Ver schlechterung der Situation für Betroffene und eine Verbesse rung für niemanden, mehr Diskriminierung, mehr Unterdrü ckung von Frauen und eine tiefe Spaltung der Gesellschaft.

(Zuruf von der AfD: Ach, Quatsch!)

Aber selbst wenn man ein Burkaverbot ganz grundsätzlich gut finden würde, selbst dann wäre Ihr Antrag nicht geeignet für eine Zustimmung, sondern das ist nur ein Antrag für beson ders schlichte Gemüter, die offensichtlich keinen Bock darauf haben, sich in komplizierte Sachverhalte einzuarbeiten.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Da sind wir bei Ihnen rich tig!)