Protokoll der Sitzung vom 26.10.2016

Der Kollege Weinmann hat gesagt, die Bewährungshilfe sol le aus rein ideologischen Gründen aus der freien Trägerschaft gelöst werden. Das ist natürlich mitnichten der Fall. Das zu grunde liegende Gesetz wurde, wie bekannt, vom Bundesver waltungsgericht zerrissen, und zwar in einer Art und Weise, wie es selten der Fall ist. Dieser Tatsache mussten wir uns stel len.

Völlig ausgeblendet wird bei diesem Thema auch immer die Tatsache, dass nach zehn Jahren jeweils eine neue Ausschrei bung notwendig würde. Es wäre keinesfalls sicher gewesen, dass es dann wieder an NEUSTART geht; hier hätten durch aus auch andere Träger zum Zuge kommen können. Denn die geschaffenen Strukturen stehen, und die Organisationen hät ten dann auch entsprechend genutzt werden können.

Es ist gefordert worden, das Gesetzesvorhaben zu stoppen. Das werden wir nicht tun; vielmehr ist die heutige Verabschie dung der Schlussstein, um damit Rechtssicherheit für die Be schäftigten zu schaffen und unter Einbindung der ehrenamt lichen Strukturen die qualitativ hochwertige Bewährungshil fe in Baden-Württemberg fortzuführen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Bernhard Lasot ta CDU: Das Gesetz setzt nicht nur einen Schluss stein, sondern auch einen Neustart!)

Für die CDU-Fraktion er teile ich das Wort der Kollegin Gentges.

Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem zur Abstim mung stehenden Gesetzentwurf werden die Aufgaben der Be währungs- und Gerichtshilfe auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württem berg, übertragen. Wir sind uns alle einig, dass Bewährungs- und Gerichtshilfe wie auch Täter-Opfer-Ausgleich neben den originären strafrechtlichen Sanktionen sinnvolle und wichti ge Instrumente der Strafrechtspflege sind. Außerdem sollen nach unserer gemeinsamen Auffassung die bewährten Struk turen und Qualitätsstandards bewahrt und fortentwickelt wer den.

Zur Debatte steht heute allein noch der Änderungsantrag der SPD, der Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg die Dienstherrnfähigkeit im Hinblick auf die zu übernehmen den Beamten zu verleihen. Die CDU-Fraktion lehnt diesen Änderungsantrag ab. Wir halten die Dienstherrneigenschaft für nicht erforderlich, weil ausscheidende Beamte weiter durch Angestellte ersetzt werden sollen, wie dies schon unter der bisherigen freien Trägerschaft der Fall war. Regelungen, die nicht notwendig sind, sollten besser unterbleiben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Emil Sänze AfD)

Im Übrigen könnte die Verleihung der Dienstherrnfähigkeit auch den negativen Effekt haben, dass im Bereich der Bewäh rungs- und Gerichtshilfe in Zukunft Neuverbeamtungen ge fordert würden. Auch das ist nicht in unserem Sinn.

Deshalb bitte ich Sie, der Beschlussempfehlung des Ständi gen Ausschusses zu folgen und den Änderungsantrag abzu lehnen.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Für die AfD-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Dr. Balzer.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kollegen, meine Damen und Herren! Vorab: Als Abge ordneter der Alternative für Deutschland sehe ich meine Auf gabe nicht darin, nur daran mitzuwirken, bestehende Struktu ren weiter zu verwalten. Selbstverständlich beteiligen wir uns konstruktiv an sinnvollen Weiterentwicklungen.

(Zuruf von den Grünen)

Genau. – Gerade hier bei der Sozialarbeit in der Justiz ist meines Wissens allerdings nach den Inhalten, nach dem Geist des Gesetzes zu fragen. Daher möchte ich den möglicherwei se ganz anders, vielleicht ironisch gemeinten Einwurf des Kol legen Binder – – Leider ist er nicht da.

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Ach, da hinten sitzt er. Wunderbar. Danke.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Er steht!)

Also: Ich möchte diesen Einwurf des Kollegen Binder zurück weisen, ich hätte nicht zum Thema gesprochen. Denn selbi gen Einwurf könnte er auch heute wieder bringen. Meines Er achtens reicht es nicht aus, nur nach den Haaren in der Sup pe zu suchen. Schwächen und Mängel wurden bei den Anhö

rungen offengelegt. Darauf habe ich bereits in der ersten Le sung hingewiesen. Bei der SPD – es ist ja schon eine sehr al te Partei – mag es ja schon etwas revolutionär erscheinen,

(Zuruf der Abg. Sabine Wölfle SPD)

aber ich möchte auch bei diesem Gesetzentwurf nach den po litischen Zielen und Inhalten fragen. Da Sie, Herr Kollege Binder, und auch andere den Gesetzentwurf und die Unterla gen dazu gelesen haben, wissen Sie ja, dass die Regelungstie fe sehr wohl bemängelt wird. Sie belassen es jedoch lieber da bei, sich der Argumentation der Landesregierung anzuschlie ßen, da es sich ja nur um eine organisationsrechtliche Institu tionalisierung handelt.

Meine Damen und Herren, wenn Vorgänge und Institutionen Vorbehalte beim Wähler, beim Bürger hervorrufen, dann soll ten wir uns schon fragen, ob wir einfach weitergehen, verwal ten, oder ob wir uns überlegen, ob den Bedenken Gehör ver schafft und Rechnung getragen werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Der Herr Ministerpräsident – leider ist er nicht mehr da – spricht ja gern – das unterstütze ich ausdrücklich – von der Politik des Gehörtwerdens.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Das sagt er bloß so!)

Ah, das sagt er bloß so. Also gut. – Möglicherweise sind ge rade hier Reformen, also neue Denkansätze erforderlich. Im Bereich der Ahndung von Straftaten besteht ein immenser Vor behalt seitens der Bevölkerung gegenüber dem Staat. Hier spielt die Bewährungs- und Gerichtshilfe natürlich eine gro ße Rolle. Man empfindet es jedenfalls so, dass der Staat die Straftäter nur noch verwaltet und nicht mehr bestraft, und sehr häufig wird das Gerechtigkeitsempfinden des Volkes ignoriert.

(Beifall bei der AfD)

Aktuelle Beispiele brauche ich hier, glaube ich, nicht zu zitie ren. Die können wir jeden Tag in der Zeitung lesen.

Mit dem reinen Resozialisierungsansatz mag man sicherlich positive Präzedenzfälle schaffen, aber tatsächlich ist der Re spekt vor der Polizei und der Justiz in den letzten Jahren im mer mehr verloren gegangen – siehe meine Kleine Anfrage mit der Überschrift „Ursachen von ‚Randale‘ im Gericht“. In der Drucksache hat die Landesregierung das sogar bestätigt.

Ein Resozialisierungsansatz verhindert hoffentlich, dass eini ge Straffällige zu Wiederholungstätern werden. Aber eine Jus tiz, die nicht mehr durchgreifen kann, senkt auch die Hemm schwelle, eine Straftat zu begehen.

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: So ist es!)

Es bringt nichts, meine Damen und Herren, wenn wir Wieder holungstaten verhindern, sich aber auf der anderen Seite man cher leichtfertig zur Straftat – ich nenne hier besonders den Wohnungseinbruch – hinreißen lässt.

Daher mögen Sie mit der Vorlage zur Rückverstaatlichung der Sozialarbeit der Justiz zufrieden sein. Aber wir möchten gern anregen, sich über diesen kleinen Aspekt hinaus mit den Zie

len der Justiz im Strafvollzug auseinanderzusetzen, bevor wir immerhin 2,6 Millionen € ausgeben, die für die Rückverstaat lichung anfallen sollen.

Auf Seite 11 der Vorlage – im Begründungsteil – ist auch ei niges zum Thema Qualität vermerkt. Wie viele Rückfälle sind denn durch die bisherige Betreuung – damals unter NEU START – konkret verhindert worden?

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Das wäre sehr in teressant!)

Gerichtshelfer sollen im Sinne der Überwachung von Straftä tern tätig sein. Die Strafe muss sich ausschließlich danach richten, welche Tat begangen worden ist, und darf sich nicht danach richten, welcher soziale Hintergrund vorliegt.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Hein rich Fiechtner AfD: Ja!)

Im Rahmen von Eigentumsdelikten mag bei der Bewährungs hilfe der wirtschaftliche Hintergrund irgendwo noch eine Re levanz haben. Doch Gewaltstraftaten und Sexualstraftaten müssen ohne Rücksicht auf Alter, Herkunft und sozialen Sta tus hart bestraft werden.

(Beifall bei der AfD)

Hier gibt es keine Ausreden. Erhebungen, soziale Profile, er stellt durch die Gerichtshelfer, sind eigentlich – das Wort „ei gentlich“ kann man ja, wie man weiß, streichen – überflüssig.

Wenn das ganze Programm der Bewährungs- und Gerichts hilfe möglicherweise überarbeitet werden soll, brauchen wir jetzt nicht Bestehendes einfach nur durchzuwinken.

Bei der Einrichtung der BGBW handelt es sich nicht nur in haltlich um ein relevantes Thema. Im Haushaltsplan steht die schlanke Summe von 24 Millionen €, welche der Bewäh rungs- und Gerichtshilfe zugerechnet werden. Die Bevölke rung hat also durchaus ein Recht darauf, dass man sich über den Nutzen und die Effektivität der derzeitigen Ausrichtung und Zielsetzung Gedanken macht.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, schauen Sie einmal auf das Display vor Ihnen.

Oh! Zwei Sekunden noch.

Zwei Sekunden.

Die Landesstiftung Opferschutz wird übrigens mit 400 000 € im Jahr bezuschusst. In diesem Zusammenhang ist ein deutliches Missverhältnis zwischen dem Opferschutz und den Leistungen für die Täter erkennbar.