Protokoll der Sitzung vom 26.10.2016

Wir plädieren dafür, dass wir uns intensiv mit dem Thema be fassen und das Ganze an den zuständigen Ausschuss zurück verweisen. Dazu werden wir auch entsprechende Anträge ein bringen.

Ich bedanke mich für die Gewährung der Überzeit und fürs Zuhören.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich dem Kollegen Binder das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, Herr Kollege Filius: In Bezug auf die Forderung von ver.di in der Anhörung zu diesem Gesetz entwurf der Landesregierung habe ich darauf hingewiesen – nicht inhaltlich, sondern im Stil –, dass ver.di sagt, wissen schaftlich fundiert seien 55 die richtige Größe. In der Stellung nahme der Landesregierung zu dieser Anhörung von ver.di ist gesagt worden, dass völlig unbekannt sei, woher diese Zahl komme. Diese Zahl kam aus dem Evaluationsbericht des Jus tizministeriums. Mit diesem Bezug habe ich dies angespro chen. Ich habe mir diese Forderung nicht zu eigen gemacht – aus den von Ihnen vorhin genannten Gründen.

Zu den beiden Änderungsanträgen, die wir im Ständigen Aus schuss eingebracht haben: Der eine betrifft die Vertretung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der neuen Anstalt des öf fentlichen Rechts. Da hat eines geholfen: dass ich in der De batte einen Tag zuvor gesagt habe, man solle noch einmal da rüber schlafen und sich gut überlegen, ob nicht die eine oder andere gute Idee der SPD-Fraktion aufgenommen wird. Das hat das Justizministerium gemacht und zugesichert, dass den Personalvertretungen ein Sitz im Verwaltungsrat zur Verfü gung gestellt wird – eine kluge Entscheidung. Insofern haben wir die betreffende Antragsziffer dann auch als erledigt be trachtet und zurückgezogen. Deshalb sage ich auch den Kol leginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen herzlichen Dank, dass Sie diesem sehr guten Vorschlag der SPD-Frakti on nachgekommen sind.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Den anderen Antrag, den wir eingebracht haben, den Antrag zur Dienstherrnfähigkeit, haben die Regierungsfraktionen ab gelehnt – wie ich finde, nicht aus gutem Grund. Die Befürch tung, die Sie, Frau Kollegin Gentges, vorhin geäußert haben, dass, wenn Neuverbeamtungen in der Bewährungshilfe mög lich wären, die Erwartungshaltung da wäre, von dieser Mög lichkeit Gebrauch zu machen, halte ich für kein gutes Gegen argument, vor allem in der Abwägung dazu, dass wir einheit liche Personalvertretungen haben – nicht nur den Hauptper sonalrat und den Personalrat; vielmehr haben wir eine einheit liche Personalvertretung in dieser Anstalt, wie es im Übrigen auch in anderen Anstalten des öffentlichen Rechts des Landes Baden-Württemberg der Fall ist. Sie sind hier diesem guten Vorschlag nicht gefolgt. Vielleicht kann man das aber zu ge gebener Zeit noch ändern.

Insgesamt werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen, weil er eine Fortentwicklung der Bewährungshilfe bedeutet, wir dieses Experiment der Privatisierung nicht mehr weiterverfol gen und trotzdem auf die gute Arbeit der Bewährungshelfe rinnen und Bewährungshelfer in den letzten Jahren aufbauen können und damit die Bewährungshilfe auf ein festes staatli ches Fundament setzen. Deshalb wird die SPD-Fraktion die sem Gesetzentwurf zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort dem Kollegen Weinmann.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Trotz wohlfeiler Worte der durchaus staatsgläubigen Fraktionen der Grünen und der SPD –

(Beifall der Abg. Dr. Heinrich Fiechtner und Anton Baron AfD)

zu denen ich im Übrigen mit dem heutigen Tag auch die CDU hinzuzählen muss – bleibt es dabei, dass der heutige Tag ein schlechter Tag für die Bewährungshilfe und für das ehrenamt liche Engagement in Baden-Württemberg ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Quatsch!)

Obgleich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, in Zeiten der Opposition, insbesondere auch im Wahlkampf, die Wiederverstaatlichung noch als millionenschweren Feh ler gegeißelt haben, versetzen Sie heute zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen von Grünen und SPD der Bewäh rungshilfe in der gemeinnützigen Trägerschaft der NEUSTART gGmbH den Todesstoß.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Das ist der grüne Schimmel!)

Staatsgläubigkeit und ideologische Verbohrtheit – mit Verlaub – siegen über den gesunden Menschenverstand.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Wie eine unabhängige Expertenkommission im Jahr 2014 in der Evaluation des Non-Profit-Unternehmens dokumentiert hat, ist bzw. – wenn ich die Wortmeldungen anschaue – war die Bewährungshilfe in den Händen der gemeinnützigen NEUSTART gGmbH eine Erfolgsgeschichte sondergleichen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die fachlich strukturierte Qualität der Bewährungshilfe konn te deutlich gesteigert werden. Die Effizienz, die Synergien, auch durch die bilaterale Kooperation zwischen Baden-Würt temberg und Österreich, beeindrucken. Überdies engagierten sich über 600 Bürgerinnen und Bürger auf ehrenamtlicher Ba sis in der Betreuung Straffälliger.

All diese Erfolge, Herr Kollege Filius, werden nunmehr oh ne rechtlichen Grund infrage gestellt. Ich sage jetzt bewusst „rechtlichen Grund“. Sie haben von dem Verwaltungsgerichts urteil gesprochen. Sie haben von einem Verriss gesprochen. Ich frage mich: Haben Sie das Urteil gelesen?

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Nicht nur ein mal, Herr Kollege!)

Denn in diesem Urteil steht explizit, dass die freie Träger schaft überhaupt nicht infrage gestellt wurde. Auch die Zehn jahresklausel, die Sie als Argument angeführt haben, ist in der Tat anderweitig regelbar – in Form einer unbefristeten Lösung mit einer Kündigungsmöglichkeit, die auch europarechtskon

form gewesen wäre. In der Tat setzt sich das Urteil mit dem Direktionsrecht auseinander. Dies wäre aber einfacher zu re geln gewesen.

Insoweit bleibt allein fraglich, ob die durch NEUSTART ge schaffene Qualität und das ehrenamtliche Engagement der Be währungshilfe erhalten werden können. Es ist – bei aller Ab lehnung der Verstaatlichung – der Bewährungshilfe, den Be troffenen und insbesondere dem Land Baden-Württemberg zu wünschen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Wolf.

Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heu te erneut und in letzter Runde das Gesetz über die Sozialar beit der Justiz. Ich bin dankbar für die intensive Diskussion auch im Vorfeld. Manches konnten wir in der Tat aufgreifen. Manche gute Idee war schon in der Mache, ist aber auch nicht dadurch schlechter geworden, dass die SPD sie noch für be sonders gut befunden hat. – Ich will Sie ausdrücklich mit ein beziehen. Ich glaube, es ist gut, dass wir uns in Fragen der Mitwirkung und Mitbestimmung auch über Fraktionsgrenzen hinweg verständigen, und will deshalb ausdrücklich die gute Zusammenarbeit im Vorfeld würdigen.

Was nicht richtiger wird, auch wenn man es hier endlos wie derholt, ist, dass durch diesen Rechtsakt die Mitwirkung der Ehrenamtlichen in der Bewährungshilfe schlechter würde. Das ist nicht richtig. Wir wollen die Mitarbeit der Ehrenamtlichen in der Bewährungshilfe auch weiterhin stärken – auch und ge rade mit diesem Gesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der AfD, der SPD und der FDP/DVP)

Herr Dr. Balzer, mir ist einfach daran gelegen, Ihnen noch ei nen Tipp zu geben, in aller Kollegialität. Im Laufe der Zeit – das kann ich Ihnen aus einer gewissen Erfahrung heraus sa gen, die mich von Ihnen, da ich schon länger hier bin, unter scheidet – kommt hier jedes Thema irgendwann einmal zur Sprache. Der besonders gute Abgeordnete zeichnet sich da durch aus, dass er seine Argumente immer genau zu dem The ma bringt, um das es am jeweiligen Tag geht. Das wäre eine gute Form der Diskussion über Gesetze.

Genannte Punkte wie der Opferschutz und viele andere haben ihre Berechtigung. Aber wenn Sie jeden Punkt, den das Jus tizministerium hier zur Diskussion stellt, dazu nutzen, z. B. kritisch über die Fragen des Justizvollzugs zu diskutieren, dann müssen Sie sich darüber im Klaren sein:

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Sind Sie jetzt die Gouvernante?)

Damit stellen Sie auch die gute Arbeit derer infrage, die das täglich tun.

(Abg. Anton Baron AfD: Stimmt doch gar nicht!)

Deshalb will ich an dieser Stelle die Mitarbeiterinnen und Mit arbeiter im Justizvollzug, die herausragende Arbeit leisten – auch wenn sie hier und da vielleicht mal Fehler machen –, die Unterstützung verdienen, in besonderer Weise würdigen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Ich will natürlich auch den bisherigen freien Träger NEU START in besonderer Weise würdigen.

Lieber Kollege Binder, man kann über die Dienstherrnfähig keit bzw. -eigenschaft natürlich lange diskutieren. Das haben wir auch gemacht. Man kann bei dieser Frage auch gar nicht sagen: „Nur wir haben recht“ oder: „Nur Sie haben recht.“ Man kann beide Wege beschreiten. Aber für mich war ein As pekt, um diesen Weg jetzt so zu gehen, der, nicht noch mehr Verunsicherung mit Blick auf die Qualität der Arbeit der Pri vaten bei NEUSTART zu schaffen. Das war für mich ein Mo tiv.

Ich höre aus Ihrem Anliegen ein bisschen das versteckte Miss trauen in Bezug auf die Arbeit derer heraus, die das bislang privat ausgeübt haben.

(Abg. Sascha Binder SPD: Nein! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Überhaupt nicht!)

Ich werfe es Ihnen nicht vor. Aber man könnte schon auf diese Idee kommen. – Lassen Sie uns deswegen erst einmal diesen Weg gehen und prüfen, wie sich das bewährt, und las sen Sie uns vor allem das Maximale tun, um die Mitarbeite rinnen und Mitarbeiter in der Bewährungshilfe zu motivieren.

Die geschaffenen Strukturen, liebe Kolleginnen und Kolle gen, werden weitergeführt. Die Standorte werden beibehal ten. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können ihre wich tige Tätigkeit fortsetzen. Der Betreuungsprozess wird – das ist aus Sicht der Sozialarbeit sehr wichtig – nahtlos fortge setzt. Das eingeführte Qualitätsmanagement, eines der Haupt anliegen, wird weiterhin gewährleistet. Die mit den Koopera tionspartnern abgeschlossenen Vereinbarungen werden wei tergeführt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entscheidung, die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf getroffen wird, ermöglicht aber nicht nur die Fortführung dieser wesentlichen Aufgabe. Für die Zukunft schaffen wir auch die Möglichkeit, dass die Bewährungs- und Gerichtshilfe selbstverwaltet wird und die vorhandenen fachlichen Konzepte kontinuierlich weiterent wickelt und ausgebaut werden.

Ich will noch einen Aspekt ansprechen, der natürlich auch für Planungssicherheit sorgt. Ein Vorteil der Organisation in staat licher Trägerschaft – da werden Sie mir sicher alle zustimmen – ist, dass in Zukunft keine Phase der Unsicherheit bei zukünf tigen Ausschreibungen entsteht. Denn es ist kein Naturgesetz, dass in der Zukunft immer wieder der jetzige Träger zum Zu ge gekommen wäre.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: So soll es doch auch sein! Es ist die freie Marktwirtschaft!)