Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Wir sehen also: Baden-Württemberg steht im Vergleich gut da, aber es gibt natürlich noch ganz schön Luft nach oben. Deswegen haben wir es uns zum Ziel gesetzt, Baden-Würt temberg zur dynamischsten Gründerregion in Europa zu ma chen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Das schaffen wir! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Nein, „Wir schaffen das!“, hat er gesagt!)

Wir wissen ja alle, dass gerade der IT-Sektor sehr schnell und innovativ ist. Wir müssen aufpassen, dass neue Entwicklun gen nicht an uns vorbeigehen, sondern dass sie zu Wertschöp fungen auf unseren eigenen Märkten beitragen. Die Wirt schaftsministerin hat schon einige gute Ideen entwickelt, um eine neue Konzeption zur Gründerförderung herbeizuführen.

Für die CDU-Landtagsfraktion will ich ganz deutlich sagen: Wir sind der Meinung, dass wir hier ein Konzept aus einem Guss brauchen. Wir erwarten wirklich, dass das Wissen schaftsministerium und das Wirtschaftsministerium hier Hand in Hand arbeiten, dass sie sich gut miteinander abstimmen und die verschiedenen Maßnahmen miteinander vernetzen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ein wichtiges Kriterium für eine Unternehmensgründung, aber noch viel wichtiger bei einem jungen, hochinnovativen Start-up ist – das wissen wir alle – das Kapital. Daher begrü ße ich es ausdrücklich, dass der bisherige Wagniskapitalfonds, den wir schon hatten, zu einem Innovationsfonds BadenWürttemberg weiterentwickelt werden soll.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ein weiteres zentrales Anliegen vieler Gründerinnen und Gründer – das gibt auch der Start-up-Monitor her – ist der Ab bau von Verwaltungslasten. Sie wünschen sich schnelle, un bürokratische Verfahren. Es ist daher ganz im Sinne der Grün der, dass sich die Landesregierung dem Abbau von Bürokra tie verschrieben hat und einen Normenkontrollrat einrichten will.

Was die Gründer natürlich besonders brauchen – gerade die jungen Start-ups –, ist eine passende digitale Infrastruktur. Es handelt sich ja häufig gerade um Geschäftsmodelle, die auf Digitalisierung basieren. Sie brauchen dann wirklich ein leis tungsfähiges, ein schnelles Netz. Unsere Digitalisierungsof fensive, für die unser Innenminister verantwortlich zeichnet, ist hier genau die richtige Antwort.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Wir müssen uns aber auch klarmachen: Der Schritt in die Selbstständigkeit ist eine große Herausforderung und durch aus mit persönlichen Risiken verbunden. Nur wenige Men schen wollen sich dieser Aufgabe wirklich stellen. Laut der Studentenstudie 2016 von Ernst & Young wollen 32 % der Studierenden nach ihrem Abschluss im öffentlichen Dienst ar beiten. Da zeigt sich also ein ganz hohes Sicherheitsbedürf nis. Außerdem ist zu berücksichtigen: Gerade dann, wenn die Wirtschaft floriert und wenn viele Branchen händeringend nach gutem Personal suchen, sehen die gut ausgebildeten

Fachkräfte nicht unbedingt die Notwendigkeit, das Risiko ein zugehen, sich selbstständig zu machen.

Aber wo, wenn nicht in Baden-Württemberg, kann und soll man sich selbstständig machen? Baden-Württemberg ist das Land der Tüftler und Denker. Wir haben einen starken Mittel stand, und wir haben weltweit erfolgreiche Konzerne. Wir ha ben hier die große Chance, die Digitalisierung mit dem indus triellen Know-how zu verbinden. Bei uns gibt es noch einen starken industriellen Sektor. Wenn dieser digital verknüpft, erweitert und unterstützt wird, kann er wahre Wunder voll bringen. Das müssen wir uns vor Augen führen: In Deutsch land werden noch 30 % des Bruttoinlandsprodukts in der In dustrie erwirtschaftet; in den USA, in Frankreich und in Eng land sind es glatt zehn Prozentpunkte weniger. Das ist für uns wirklich eine große Chance.

Ich will ganz deutlich sagen: Wir müssen dabei das Rad nicht gänzlich neu erfinden. Baden-Württemberg hat schon immer versucht, geeignete Rahmenbedingungen für Unternehmens gründungen zu setzen. Das Bemühen, Wirtschaft und Wissen schaft zusammenzubringen, hat bei uns eine lange Tradition.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Nehmen wir z. B. die Wissenschaftsstadt Ulm. Wir haben von der CDU-Fraktion aus dort kürzlich einen Besuch gemacht. Die Idee, Ulm zur Wissenschaftsstadt aufzubauen, geht auf Lothar Späth zurück,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Ja!)

hat also auch eine lange Tradition. Wir sehen heute: In Ulm funktioniert die Zusammenarbeit, die Verzahnung zwischen Hochschulen, Unternehmen und Stadt – die Stadt spielt dabei auch eine große Rolle – ganz hervorragend.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Zuruf: Dank Ivo Gönner!)

Es zeigt sich dort, dass Forschungseinrichtungen und Hoch schulen wirklich der Ausgangspunkt für die Gründung von Start-ups sein können. Aber Voraussetzung dafür ist natürlich gerade an den Hochschulen eine Kultur, die Studierende zur Unternehmensgründung ermutigt. Unternehmerisches Den ken muss also noch stärker in den Hochschulen selbst veran kert werden. Dazu gehört nach unserer Ansicht, dass das Leit bild der unternehmerischen Hochschule wieder stärker in den Hochschulen verankert wird. Denn Eigenverantwortung ist ja der Kern für Selbstständigkeit. Das muss schon im Selbstver ständnis der Hochschule eine Rolle spielen und stilbildend wirken, meine Damen und Herren.

Die Regierung hat im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass sie einen besonderen Schwerpunkt auf die Gründerkultur an den Hochschulen legen will. Das soll auch schon bei den Lehrplänen an den Schulen beginnen und mit Förderprogram men flankiert werden. Aber auch dafür können wir an Vorhan denes anknüpfen. Ich nehme an, die Ministerin geht nachher beispielsweise auf das Förderprogramm „Junge Innovatoren“ ein, aber auch hier möchte ich darauf hinweisen: Das gibt es seit 1995.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Wir haben in Baden-Württemberg natürlich kein Silicon Val ley. Das wird ja jetzt überall als das ganz große Vorbild ange sehen. Heerscharen von Politikern und Wirtschaftsvertretern pilgern derzeit dorthin. Ich persönlich muss sagen: Ich bin da von überzeugt, dass wir Silicon Valley nicht 1 : 1 nach Deutschland und Baden-Württemberg übertragen können. Wir können uns natürlich einiges davon abschauen und Impulse übernehmen, aber wir haben doch in unserem Land eine ganz andere Kultur, eine historisch gewachsene Kultur, die sich sehr stark von der in Amerika unterscheidet.

Allein schon die Hochschullandschaft ist anders. Wir haben schwerpunktmäßig öffentliche Hochschulen und nicht priva te, die Risikobereitschaft ist in unserer Gesellschaft anders ausgeprägt, unternehmerische Aktivitäten von Professoren sind bei uns in dieser Form überhaupt nicht üblich. Wir haben ein völlig anderes Verhältnis zum Geld. Das zeigt sich dann auch in der Bereitschaft, Geld in hoch riskante Vorhaben zu investieren. Wir haben einen strengeren Datenschutz, wir ha ben einen strengeren Arbeitnehmerschutz, wir haben Anfor derungen an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und wir haben auch die Vorstellung, dass Studierende einen Abschluss machen sollen. Selbst dann, wenn sie eine noch so tolle Idee haben, sollten sie ihren Abschluss machen und ein klares Be rufsbild aufweisen können. Das sind also schon ziemlich gro ße Unterschiede, die verhindern, dass wir das einfach kopie ren.

Aber wir haben ja trotzdem viele innovative Unternehmen und Start-ups bei uns in Baden-Württemberg, und ich bin davon überzeugt: Wir haben hochwertige Start-ups. Sie haben es ja schon gesagt, Herr Salomon: Nicht jedes Start-up fliegt so hoch, wie man es vielleicht erwartet. Insofern müssen wir auch unsere Mentalität etwas ändern. Dazu gehört auch, dass wir eine Kultur des Scheiterns entwickeln,

(Zurufe von der SPD)

dass wir Professoren vielleicht anders betrachten und vieles mehr.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Hoch erfolgreich! – Der Rednerin wird das Ende ihrer Redezeit angezeigt.)

Wenn ich bitte noch einen kleinen Moment Redezeit bekom me. – Ich möchte noch zwei Beispiele nennen. Bei mir im Wahlkreis, in Renningen, haben wir jetzt den Forschungscam pus von Bosch. Dort wird beispielsweise Austausch mit Künstlern gepflegt, dort gibt es eine Kooperation mit der Aka demie Schloss Solitude. Wir schauen also ganz weit über den Tellerrand hinaus. Wir wissen: Wir brauchen Kreativität, da mit wir Innovationen auf den Weg bringen, und ich finde, da zu brauchen wir nicht einmal so sehr Förderprogramme und Fördermittel.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, bitte kom men Sie zum Schluss.

Wir brauchen vielmehr die von mir ansatzweise beschriebene neue Innovationskultur. Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Meuthen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, geschätzte Kollegen Abgeordnete, meine Damen und Herren! Die Unternehmer sind das Herz einer jeden Volkswirtschaft. Sie pumpen das Blut in die Adern des volkswirtschaftlichen Blutkreislaufs. Hört dieses unternehmerische Herz auf zu schlagen, dann ist es schon bald auch um die Wirtschaft und die Gesellschaft im Ganzen schlecht bestellt.

Findige Unternehmer orientieren sich an den Bedürfnissen der Menschen. Sie versuchen, die Interessen und Wünsche der Menschen ausfindig zu machen, um sie anschließend zu be friedigen. Das tun sie in aller Regel aus eigennützigen Moti ven heraus, aber das ist unerheblich. Denn sie erreichen ihre eigennützigen Ziele nach Adam Smith nur dann, wenn sie an deren Menschen dienen. Das tun sie als Innovateure und als schöpferische Zerstörer allemal. Innovationen bringen also Fortschritt. Sie treiben das Wirtschaftswachstum an, schaffen Arbeitsplätze, erhöhen Wohlstand. Kurzum: Unternehmer sind es, die unser aller Leben optimieren.

(Beifall des Abg. Stefan Herre AfD)

Ja, das darf sein.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Da sitzen ein paar Unternehmer, die klatschen, weil sie wis sen, wovon ich rede. Das weiß ja nicht jeder.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

Umso wichtiger ist es, ein Umfeld zu schaffen, das unterneh merische Initiative gedeihen lässt, das eine Gründermentali tät entfacht. Darüber sind wir uns hier, glaube ich, auch alle einig. Dies geht zum einen über Bildung, hier vor allem auf universitärer und auf Ausbildungsebene, zum anderen über ei nen entsprechenden ordnungspolitischen Rahmen, der richti ge Anreize zur Gründung setzt. Beides muss indes zusammen gedacht werden.

Denn was bringen uns die ganzen High Potentials, die topqua lifiziert, hoch motiviert und voller neuer Ideen von den Uni versitäten kommen, wenn ihnen anschließend bei ihren Grün dungsvorhaben Steine in den Weg gelegt werden? Anderer seits: Was bringen einem gründer- und unternehmerfreundli che Rahmenbedingungen, wenn man eine total praxisferne Ausbildung hat?

Der regelrechte Praxisschock vieler Universitätsabgänger ist gut dokumentiert. Ich kenne das; ich komme ja aus der Öko nomie. Hoch qualifiziert, aber inkompetent und unfähig, ihr Wissen zur Anwendung zu bringen – dieses Dilemma vieler Nominalakademiker beschrieb schon vor Jahren der Arbeits marktökonom Erich Staudt. Das heißt, viele Studenten müs sen nach ihrem Studium erst einmal eine ganze Menge Geld in Seminare investieren, um überhaupt Marktreife zu erlan gen. Schade, dass derlei nicht schon im Studium passiert.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Bildung sollte sich volkswirtschaftlich zumindest ansatzwei se rentieren, auch wenn viele der sozialromantischen Bil

dungstechnokraten das gar nicht so gern hören. Schätzungen zufolge fehlen in unserem Land rund 100 000 Fachleute in den MINT-Fächern – also Mathematik, Informatik, Naturwis senschaften und Technik –, Fachleute, die sich sofort wunder bar in die produktivsten Sektoren des Arbeitsmarkts integrie ren lassen würden oder mit ihren Fähigkeiten als Gründer ei ne enorme Innovationskraft entfalten könnten.

Bei aller Sympathie für die Schöngeiststudien und ohne den Theaterwissenschaftlern und Kunsthistorikern allzu nahe tre ten zu wollen: Wir brauchen kein wachsendes Akademiker prekariat. Wir brauchen vermehrt Leute, die, sagen wir ein mal, die neue S-Klasse aufs Reißbrett zaubern können oder die, noch besser, etwas wirklich Neues entwickeln.

(Beifall bei der AfD)

Das tun von den Jungakademikern zu wenige, was sich dann – Sie haben das ja angesprochen, Frau Kollegin – auch in den Karriereplanungen manifestiert.