Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Wie schnell sich eine Lage verschärfen kann, haben wir erst vor wenigen Tagen erlebt, nachdem am 3. November führen de kurdische Oppositionspolitiker in der Türkei verhaftet wur den. Bereits in der Nacht vom 4. auf den 5. November ver sammelten sich in zahlreichen Städten unseres Landes Men schen, um dagegen zu protestieren. Hier in Stuttgart waren es rund 2 000, die friedlich ihre Meinung äußerten. Es war trotz dem hoch emotionalisiert, und ich bin unseren Sicherheits kräften dankbar, dass sie die Lage zu jeder Zeit im Griff hat ten.

Die aufgeheizte Stimmung nutzen aber auch zunehmend An hänger aus dem politisch extremistischen Lager, vorwiegend aus der linksextremen Szene. Sie machen sich die Situation zunutze, um ihrem Drang nach Randale und Aufruhr nachzu geben oder weil sie bei der einen oder anderen Gruppe Über schneidungen mit ihrem kruden extremistischen Gedanken gut erkennen wollen. Auch hier werden wir besonders acht sam sein, und ich bin dankbar für den tatkräftigen Einsatz un serer Polizei und die aufmerksame Beobachtung durch unser Landesamt für Verfassungsschutz.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der AfD, der SPD und der FDP/DVP)

Wir werden weiter offene Ohren und offene Augen haben. Al le sollen wissen: Wir haben euch im Blick.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend fest stellen, dass es uns – damit meine ich nicht nur die Landesre gierung, sondern die gesamte Gesellschaft in unserem Land – bislang gelungen ist, das friedliche Zusammenleben auch der Anhängerschaft der unterschiedlichen türkischen Grup pierungen zu bewahren. Mir scheint, dass trotz der Aufregung allen klar ist, wie viel wir hier zu verlieren haben, wenn der Streit bei uns eskaliert. Auf diese Vernunft und Besonnenheit hoffe ich und setze auch darauf. Im Zweifel werden wir sie aber auch konsequent durchsetzen.

Gleichzeitig vertraue ich auf unsere Polizei und auf unsere Si cherheitsbehörden, dass sie ihrer Aufgabe gerecht werden und jegliche Gewalt entschieden unterbinden.

Noch einmal: Es gilt der Grundsatz „Wehret den Anfängen!“. Schließlich liegt es auch an uns, liebe Kolleginnen und Kol legen, den Politikern, den Entscheidungsträgern in unserem Land, unabhängig von der Türkeidebatte ein Klima des Zu sammenhalts und der Gemeinsamkeit zu pflegen. Lassen Sie uns in diesem Sinn auch ein Beispiel geben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der AfD und der SPD – Zuruf: Bravo!)

In der zweiten Runde erteile ich das Wort für die AfD-Fraktion Herrn Abg. Sänze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Kößler, wie infantil ist denn das? Sie sagten,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Na, na, na!)

diese besorgniserregenden Ereignisse gebe es nicht auf unse ren baden-württembergischen Straßen. Die fünfte Kolonne ist doch schon vor Ort in Form von DITIB.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Und vielleicht an Sie: Wir lehnen natürlich nicht die Presse ab. Die ist selbstverständlich bei unserem Parteitag zugelas sen. Das ist übrigens kein Delegiertenparteitag, sondern ein Parteitag der Mitglieder.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Zu glauben, Herr Binder, dass die Freiheit Europas nur am Kundus verteidigt wird und wir uns im Vorhof Europas nicht aktiv einmischen, und das auch noch dem Gedanken des „Business as usual“ zu unterwerfen, das ist schon ziemlich amoralisch.

(Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD)

Das zeigt mir auf, dass Sie den moralischen Impetus nicht ge pachtet haben.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Im Übrigen gilt dieser Schutz natürlich auch unseren Mitbür gern türkischer Herkunft. Auch sie sind diesen Ereignissen unterworfen; sie werden unter Umständen unter Druck gesetzt und gehen in eine Richtung, die von uns nicht akzeptiert wer den kann. Deshalb danke ich Herrn Strobl, der das geklärt hat, für seine Worte, dass solche Tendenzen keine Achtung und keinen Respekt verdienen und dass wir sie ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Deshalb nochmals mein Hinweis: Die Türkei war in der Ver gangenheit ein Partner. In der Zwischenzeit entwickelt sie sich analog unserer eigenen historischen Erfahrungen. Ich danke auch Herrn Aden, dass er noch einmal darauf hingewiesen hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Herrn Abg. Lede Abal.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Da men und Herren! Die Konflikte in der Türkei spielen natür lich eine Rolle für uns hier. Ich greife das noch einmal auf. Ich bin aber überzeugt, dass wir alle tagtäglich erleben, was es heißt und welchen Vorzug es hat, in einer starken und sta bilen Demokratie zu leben. Ich bin auch überzeugt, dass das auch die Menschen mit türkischen Wurzeln hier so erleben.

Deshalb werden wir es auch nicht zulassen – weder von au ßen noch von innen –, dass türkische Konflikte hier ausgetra gen werden oder dass Menschen mit türkischen Wurzeln hier

bedrängt werden. Das haben wir in der Vergangenheit unter bunden, und das werden wir auch in Zukunft unterbinden, wenn diese Aktivitäten über die Mittel der friedlichen und de mokratischen Meinungsäußerung hinausgehen.

Dazu passt auch ins Bild, dass es gestern eine groß angelegte Polizeiaktion in sechs Bundesländern gab – auch in BadenWürttemberg; der Schwerpunkt lag allerdings woanders –; denn dabei ging es auch um diese Frage – nicht nur, aber eben auch. Deshalb muss die Botschaft lauten, dass diese Ansage und diese Haltung auch weiter gelten.

Ich möchte aber doch noch einmal ein Wort zum Redner der FDP/DVP sagen.

(Abg. Anton Baron AfD: Herr Aden heißt er!)

Herr Aden. – Es beim Thema Türkei so darzustellen, als wä ren der Bundesregierung jetzt die Hände gebunden, weil Frau Merkel Flüchtlinge ins Land gelassen hat, ist schon eine ziem lich schräge Auffassung. Diese teilen wir nicht. Ganz im Ge genteil: Wir erwarten von der europäischen Ebene und auch von der Bundesregierung eine klare Haltung in dieser Frage, eine klare Aussage in dieser Frage. Das hinter einem solchen Ding zu verstecken ist etwas, was wir absolut nicht nachvoll ziehen können.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Wir erwarten deshalb auch die Ansage aus Europa – auch un terstützt von der Bundesregierung –, dass die Beitrittsverhand lungen eingefroren werden – dass der Dialog nicht abreißt, aber dass die Beitragsverhandlungen unter diesen Vorausset zungen – –

(Zurufe)

Das ist unsere Haltung. Ihre können Sie ja, wenn Sie noch Redezeit haben, gern noch einmal ausführen.

Unsere Haltung ist, dass die Beitrittsverhandlungen einzufrie ren sind.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Die müssen doch weiterreden! Das geht doch gar nicht!)

Natürlich! Unter diesen Voraussetzungen kann in dieser Form kein Beitritt stattfinden. Das ist doch offensichtlich.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf: Man muss doch miteinander reden!)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Mack.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Uns beschäftigt doch heute hauptsächlich die Frage: Wie gehen wir mit der Türkei um, mit einem Land, das die Bürger- und Menschenrechte mit Füßen tritt? Die Tür kei hat die UN-Resolution der Bürger- und Menschenrechte von 1948 unterschrieben. Sie ist Mitglied des Europarats, und sie hat sich den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg unterworfen.

Messen wir doch das, was die Türkei macht, anhand dieser Verträge. Wir müssen feststellen, dass die UNO gestern for derte, einen Richter des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag freizulassen. Der Gerichtspräsident darf diesen Richter in der Haft in der Türkei nicht einmal besuchen.

Kollegen von uns, gewählte Abgeordnete, sitzen dort im Ge fängnis – ohne Urteil – und dergleichen mehr. Journalisten werden verhaftet, Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, der Ver waltung werden verhaftet. 50 000 sind aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden.

Wenn wir all diese Vorgänge sehen, müssen wir sie benennen und sagen, was in der Türkei los ist. Das, was die Türkei im Moment vollzieht, ist nicht nur ein politischer Rückschritt, sondern das ist ein zivilisatorischer Rückschritt. Das müssen wir auf die Tagesordnung bringen, und das müssen wir an prangern.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der AfD und der SPD sowie Abgeordneten der FDP/DVP)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Gern. Ich will nur den Gedan ken zu Ende führen.

Einen Satz, bitte.