Protokoll der Sitzung vom 30.11.2016

So hat es Jan Fleischhauer im SPIEGEL beschrieben.

(Zurufe von der AfD)

Hier wird das Deutungsmuster Ihrer eigenen Sprache, Ihrer eigenen Version der Wahrheit gesendet, ganz ungestört von Gegenrede oder Nachfragen. Da werden Fotomontagen ver breitet, die die Bundeskanzlerin und den Bundespräsidenten auf der Anklagebank der Nürnberger Prozesse zeigen. Da wer

den öffentlich-rechtliche Medien als „zwangsfinanziertes Pro pagandafernsehen“ bezeichnet und attackiert.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Ich empfehle allen, sich das mal anzuschauen. So sieht dann die Gegenöffentlichkeit aus. Das ist eine Parallelgesellschaft, nämlich Ihre Parallelgesellschaft.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP – Abg. Winfried Mack CDU: Sehr gut!)

Dieser Umgang mit Kritik und Öffentlichkeit hat mittlerwei le Methode. Sie teilen die Welt in Freund und Feind, in Ein geweihte und Ausgegrenzte, wir hier drinnen, ihr da draußen. Das bestimmt das Denken, und das prägt auch Ihre Sprache. Es ist nämlich die Sprache des Populismus, wie er zurzeit die liberale Demokratie weltweit herausfordert. Das ist wahr.

(Abg. Anton Baron AfD: Und der Herr Strobl?)

Wenn Sie sich – wie gestern geschehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen – mit großem Pathos besorgt um die Pressefrei heit geäußert haben,

(Zuruf von den Grünen: Ja, ja!)

dann ist das auch in diesem Fall eigentlich nur postfaktisch zu nennen. Ich empfehle die Lektüre des heutigen Artikels in der „Stuttgarter Zeitung“ unter dem Aspekt „Neuer Hüter der Pressefreiheit“. Andere sagen, da werde der Bock zum Gärt ner gemacht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Ja! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD meldet sich.)

Ja, der Ausschluss der Presse gerade durch eine Partei, wie Sie es gemacht haben, ist eigentlich ein Widersinn. Denn auch Parteien selbst genießen doch den ausdrücklichen Schutz un serer Freiheitsordnung. Auch durch sie, nämlich durch die Par teien, findet demokratische Willensbildung statt. Ich empfeh le den Blick in den Artikel 20 des Grundgesetzes.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Sagen Sie das mal Herrn Maas! – Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Dr. Reinhart, gestat ten Sie eine Zwischenfrage?

Am Ende der Rede, bit te.

Auch sie gestalten ebenso wie die Presse die öffentliche Mei nung, und in den Augen des Grundgesetzes teilen sich die de mokratisch konkurrierenden Parteien und die unabhängigen Medien diesen Verfassungsauftrag. Sie alle sind Partner im demokratischen Prozess, und sie stehen alle gemeinsam in der Verantwortung, sich der kritischen Debatte in der informier ten Öffentlichkeit zu stellen. Das dürfen wir nie aufs Spiel set zen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

60 % der Aussagen auch von Donald Trump im US-Wahl kampf waren nach Untersuchungen nachweislich falsch.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Und bei Merkel?)

Doch wenn die Wahrheit plötzlich verwischt und zur politi schen Verfügungsmasse wird,

(Zurufe von der AfD)

dann wird es auch für die Demokratie gefährlich. Denn De mokratie lebt vom freien Streit der Meinungen. Diese Freiheit muss gelebt, sie muss auch verteidigt werden, und der Aus schluss der kritischen Öffentlichkeit – Herr Meuthen, ich ver mute, Sie werden dann gar nicht sprechen, denn Sie hatten ja eine andere Meinung;

(Lachen des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

das müssen Sie ja zugeben –

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Das nennt man auch Pluralismus! – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiecht ner AfD)

beim Kehler Parteitag – ja, Herr Fiechtner – ist ein Bruch der freiheitlichen politischen Kultur auch in Baden-Württemberg. Es ist eine Abkehr vom offen ausgetragenen politischen Wett bewerb und eine bewusste Demonstration gegen den Pluralis mus.

Es geht hier nicht um das Zufallsergebnis eines aus dem Ru der gelaufenen Parteitagsbeschlusses, von Satzungen, Finan zen oder sonst etwas. Hier sind Prinzipien berührt, die unse re Freiheitsordnung tragen und die Voraussetzung für jede auf geklärte politische Debatte sind.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD – Abg. Da niel Rottmann AfD schüttelt den Kopf.)

Die unbedingte Gültigkeit dieser Prinzipien ist übrigens auch ein Stück Lehre aus der Preisgabe der Weimarer Demokratie an Verführer und Demagogen. Diese Prinzipien sind deshalb für uns nicht verfügbar, sie sind auch nicht verhandelbar,

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Sie sind sich wohl auch für nichts zu schade!)

sie verpflichten jeden, der sich in dieser Freiheitsordnung be wegt, zumal dann, wenn er sich um Parlamentsmandate be wirbt.

Wenn wir sehen, dass es um die Liste zur Bundestagswahl ging, dann ist festzustellen: Das ist eine mehr als öffentliche Angelegenheit. Sie streben mit dieser Liste ja nach öffentli chem Einfluss, Sie wollen in den Bundestag.

(Zuruf von der AfD: Da kommen wir auch hin!)

Aber Sie wollen die Öffentlichkeit nicht zusehen lassen, wie Sie dieses Streben organisieren.

(Zuruf von der AfD)

Ja, ja. Sie bezeichnen alle Parteien hier als Kartellparteien – das ist Ihr Begriff –,

(Abg. Anton Baron AfD: Das ist richtig! – Abg. Ni cole Razavi CDU: Als Blockparteien!)

und dabei sind Sie es, die sich wie ein Kartell verhalten, näm lich als ein Kartell der Desinformation, der Manipulation und auch der Ressentiments.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Herr Meuthen, lesen Sie es einmal beim Verfassungsrichter im Ruhestand Di Fabio, kürzlich im „Handelsblatt“ erschie nen, nach. Er sagte zu diesem Populismus, auch zu Parteien in Europa und zu Ihrer Partei:

Sie schüren Ressentiments und wollen in Netzforen, dass sich Wut eruptiv entlädt gegen alles – gegen die globali sierte Wirtschaft, gegen Europa und die offene Marktwirt schaft, gegen die offene liberale Demokratie und für Na tionalismus. Aber eine Politik der Abschottung könnte für uns dramatische Folgen haben.

So Di Fabio.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Genau das ist der Kern, um den es geht, worüber wir hier spre chen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD)

Damit, meine Damen und Herren, zeigt sich: Sie sind an po litischer Gestaltung nicht interessiert. Sie wollen kein gesell schaftliches Problem lösen, sondern Sie schaden mit Ihrem Handeln, auch mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit. Wir da gegen führen den offenen und fairen Wettbewerb und den Dis kurs. Wir stellen uns den Zumutungen der Freiheit, wir rin gen um das überzeugendste Argument, wir arbeiten an politi schen Lösungen für die Menschen in Deutschland und auch in Baden-Württemberg.

Herr Kollege Dr. Reinhart, kommen Sie bitte zum Schluss.

Zum Schluss: Das Frei heitsrecht, auch die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit, ist für uns ein wichtiger Eckpfeiler unserer freiheitlich-demo kratischen Verfassung und des Rechtsstaats, dessen Grund werte und Grundlagen wir auch mit der heutigen Debatte best möglich schützen und auch in Zukunft verteidigen werden.

Herzlichen Dank.