Protokoll der Sitzung vom 14.12.2016

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Warum?)

Der Interimsvorstand des AOK-Bundesverbands, Frank Micha lak, sagte vor Kurzem, die jetzt auch diskutierte Möglichkeit, wonach weiterhin Behandlungsscheine an Flüchtlinge ausge geben werden sollen, sei angesichts der aktuellen E-HealthGesetzgebung ein Rückfall in die Steinzeit. Er betont sogar, dass wir es hier mit einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu tun haben und die AOK diese Herausforderung gern an nehmen möchte. Alle wollen sie die Gesundheitskarte, nur die Landesregierung nicht.

(Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Was steckt dahinter? Kommen wir noch mal zurück zur Aus sage des Innenministers Strobl, der die Karte ja als Anreizin strument für Schlepper sieht.

(Abg. Felix Schreiner CDU: Guter Mann!)

Vielleicht wusste er, als er das gesagt hat, nicht so ganz ge nau, um was es da geht.

(Zuruf von der CDU: Doch, das wusste er!)

Ich erkläre es gern: Flüchtlinge erhalten bei uns nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur eine akute Notfallversor gung nach § 27 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Es ging nie darum, die Leistungserweiterung anzustreben. Wer schon einmal in einer Flüchtlingsunterkunft war – ich gehe davon aus, die meisten von uns gehen da auch regelmäßig hin –, kennt die Beispiele von Akutfällen, z. B. eine Schwangere, die Samstagnacht Wehen bekommt.

(Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Diese kann nicht erst zu einer Behörde gehen und sich einen Schein holen. Die Ärzte behandeln sie natürlich, müssen aber im Nachhinein schauen, dass sie dann diesen Behandlungs schein bekommen.

(Zuruf von der AfD)

Das sind Erfahrungen. Vielleicht gehen Sie auch einmal zu den Menschen. Dann hören Sie einmal, was die Realität ist.

Liebe grüne Kollegen, Sie sind eingeknickt vor Ihrem Koali tionspartner

(Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

und sollten sich vielleicht einmal die Protokolle der 15. Le gislaturperiode anschauen. Das müsste Ihnen eigentlich fast schon peinlich sein.

Ich erinnere an einen Antrag der Fraktion GRÜNE zum The ma „Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen in Baden-Würt temberg“, den wir im Januar 2016 im Sozialausschuss behan delt haben. In der Begründung steht folgender Satz:

Ein Ziel des Flüchtlingsgipfels ist es, Flüchtlingen mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen und bestehende Dis kriminierung abzubauen. Dies soll durch die Einführung einer Gesundheitskarte... möglich werden.

(Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Eine Entlastung der unteren Aufnahmebehörden durch ei ne vereinheitlichte, effektive und bürokratiereduzierte Ab rechnung... könnte gegebenenfalls Kapazitäten auf kom munaler Ebene für andere Aufgaben im Bereich der Auf nahme und Versorgung von Flüchtlingen freimachen.

Unterschrieben von Sitzmann, Lucha und Lede Abal.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Abg. Felix Schreiner CDU: Das war nichts!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort dem Kollegen Lede Abal.

(Staatssekretärin Bärbl Mielich: Der ist ja gerade schon zitiert worden! – Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Jetzt bin ich aber gespannt!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen! Wir Grünen halten die Gesundheitskarte auch für Flücht linge für richtig, auch im Sinne der Effektivität, und wir hät ten uns auch ihre Einführung gewünscht. Deshalb haben wir ja auf Bundesebene in der Vergangenheit massiv darauf ge drängt. Die Kollegin Wölfle hat das richtig beschrieben. Im Oktober 2015 wurde die Änderung beschlossen, die das er möglicht hat.

Was ich an Ihren Ausführungen, Frau Wölfle, nicht verstan den habe, war, dass Sie einerseits eine massive Verbesserung durch die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte er warten, während Sie andererseits ausführlich beschrieben ha ben, dass der Leistungsumfang der Karte beschränkt worden ist. Die grundsätzlichen Probleme, die es bei der Gesundheits versorgung von Flüchtlingen gibt, sind eben nicht behoben, weil der Leistungsumfang seit einer bundesgesetzlichen Re gelung, die im Wesentlichen auf Drängen der Bundesregie rung zustande gekommen ist, ganz klar definiert ist. Daran än dert sich auch mit der Einführung einer Gesundheitskarte überhaupt nichts.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Das passt aber nicht zu Ih ren Aussagen!)

Doch, natürlich passt es zu den Aussagen.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Nein!)

Was sich verbessert, ist das Zusammenspiel zwischen Behör den. Es gibt eine klare Kontrolle durch das Gesundheitswe sen, durch qualifiziertes Personal. Übrigens ist das auch kei ne landesweit korrekte Darstellung, die Sie hier gemacht ha ben. Denn die sogenannte Zettelwirtschaft gibt es nur in eini gen Kreisen, aber nicht in allen. Es gibt auch andere Model le hier in Baden-Württemberg. Man kann auch auf der kom munalen Ebene durchaus anregen, sich solche Modelle anzu schauen.

Die Gesundheitskarte ist aus meiner Sicht noch wichtig. Sie ist deshalb noch wichtig, weil sie einen großen Teil der Flücht linge, die in unserem Land sind, betrifft; das sind die Perso nen, die noch im laufenden Verfahren sind. Für die Personen, deren Verfahren abgeschlossen sind, gibt es ja andere Rege lungen. Um die geht es in dieser Frage nicht, sondern es geht um die Personen in der vorläufigen Unterbringung.

Angedacht ist eine Umwandlung des Unterbringungsmodells von einem dreistufigen Modell – also Erstaufnahme, vorläu fige Unterbringung, Anschlussunterbringung – in ein zweistu figes Modell, bei dem Flüchtlinge in der Erstaufnahme ver bleiben sollen, bis eine Entscheidung über deren Verbleib, über deren Aufenthaltsstatus getroffen ist, und eine Weiterlei tung in die Landkreise oder dann entsprechend in die Städte und Gemeinden erst dann erfolgt, wenn eine klare Entschei dung getroffen ist und eine Bleibeperspektive besteht. Dann ist aber die sozialrechtliche Versorgung und damit auch die medizinische Versorgung und die versicherungsrechtliche Si tuation dieser Personen geklärt. Deshalb ist es ein Problem, das aus meiner Sicht Gott sei Dank abnimmt.

Sie haben recht: Das Zeitfenster für die Einführung der Ge sundheitskarte war leider im letzten Herbst. Wenn man sich die Zuständigkeiten in der damaligen Landesregierung an

schaut, dann würde ich mir an Ihrer Stelle schon einmal vor nehmen, etwas weniger laut darüber zu sprechen,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Da niel Rottmann AfD – Zuruf der Abg. Sabine Wölfle SPD)

welche Ministerien es waren, die es mit der Einführung einer Gesundheitskarte nicht besonders eilig hatten.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Das habe ich ausreichend erklärt!)

Das haben Sie nicht ausreichend erklärt.

(Zuruf der Abg. Sabine Wölfle SPD)

Abgesehen davon, dass Sie ein paar Zeitpunkte genannt ha ben, könnten Sie auch benennen, wie die Diskussionen da mals gelaufen sind.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Ja!)

Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass wir bereits An fang letzten Jahres, also Anfang 2015, Gespräche mit der AOK darüber geführt haben.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Ja!)

Man hätte also in der Vorbereitung gar nicht mal bis Herbst warten müssen. Die AOK stand damals in den Startlöchern und hätte in kürzester Zeit ein Modell gemacht.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Ja!)

Im gleichen Zeitraum übrigens, in diesem Zeitfenster zwi schen der bundesgesetzlichen Änderung und der Landtags wahl in Baden-Württemberg, hat ein anderes Bundesland ein Modell eingeführt. Das haben Sie an dieser Stelle verschwie gen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Beate Böhlen GRÜ NE: Genau!)

Ich bin aber ganz bei Ihnen, dass wir es gern gehabt hätten. Wir hätten es auch gern eingeführt.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Wir!)

Heute sind wir aber in der Situation, dass es in der CDU eine klare andere Haltung gibt. Das ist mehrfach besprochen wor den. Da hat die CDU ihre Haltung auch nicht verändert.

(Abg. Felix Schreiner CDU: So ist es!)