Das Stopfen von schwarzen Löchern als Schuldentilgung zu deklarieren ist grotesk, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.
Lassen Sie mich neben der Konsolidierungslücke, der Lücke im Haushalt, der Frage der Einsparung zu einem weiteren Täu schungsmanöver kommen, nämlich den Geheimabsprachen von Grünen und CDU. Weil Ihre Politinszenierung ja glaub würdig sein soll, erklären Sie gleich zu Beginn in Ihrer Koa litionsvereinbarung machtvoll:
Das klingt ambitioniert. Am gleichen Tag aber, an dem Sie öf fentlich auf einer Pressekonferenz Ihren Koalitionsvertrag prä sentieren, unterschreiben Sie, Herr Ministerpräsident, und ein paar wenige Auserwählte eine geheime Zusatzvereinbarung, in der es im ersten Satz ausdrücklich heißt – ich zitiere wört lich –:
Es wird in der Nebenabrede eine Liste mit vom Haushalts vorbehalt ausgenommenen Mehrbedarfen beigefügt.
Dann werden in der Folge strukturelle Mehrausgaben von 754 Millionen € aufgelistet. Zusammen mit den strukturellen Mehr ausgaben aus dem Dritten Nachtrag macht dies dann schlap pe 800 Millionen €. Frau Ministerin Sitzmann, wie passt denn das mit einem angeblichen strukturellen Defizit von 2,8 Mil liarden € zusammen?
Wenn die Lage so dramatisch ist, wie Sie behaupten, wie kön nen Sie sich dann Mehrausgaben in dieser Höhe genehmigen?
Vielleicht passt es aber doch irgendwie zusammen. Denn in Wahrheit wissen Sie ja, dass die strukturelle Deckungslücke in dem Maß, wie Sie es behaupten, nicht existiert und längst geschlossen ist. Sie brauchen aber zusätzliches Geld, um Ih re strukturellen Mehrausgaben, die Sie sich ja in die Hand ver sprochen haben, überhaupt erst mal finanzieren zu können.
Wo holen Sie sich das Geld dafür her? Sie holen es sich aus dem Bildungsbereich, und Sie holen es sich bei den Kommu nen, und da wird auch die Öffentlichkeit getäuscht.
Sie reden bei den Kommunen von 200 Millionen €. Es sind aber tatsächlich – das sieht man beim Blick in den Haushalt und auf die komplizierte Systematik im Finanzausgleich zwi schen Land und Kommunen – 321 Millionen €, die Sie dort kürzen.
Der Entwurf des neuen Finanzausgleichsgesetzes liegt jetzt auch vor. Das heißt, man kann es schwarz auf weiß nachle sen. Er steht heute auch auf der Tagesordnung. Lesen Sie es nach. Die Kürzungen zulasten der Kommunen über die soge nannte Vorwegentnahme sollen nach dem Willen von Grünen und CDU mit 861 Millionen € einen Rekordwert erreichen, einen Wert, der um exakt 321 Millionen € über dem Niveau des Jahres 2016 liegt. 321 Millionen €, das sind fast 30 € pro Einwohner.
Herr Kollege Reinhart, wenn Sie hier ernsthaft behaupten, die Kommunen würden von der Landesregierung gestärkt,
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Lächerlich! – Gegen ruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU – Weitere Zurufe von der SPD)
Nehmen wir uns den nächsten Betrag vor, den Sie auch ge nannt haben. Frau Finanzministerin, Sie behaupten, die Kom munen bekämen vom Land 160 Millionen € jährlich für die Integrationsarbeit vor Ort. Auch das ist falsch. 70 Millionen € gibt es in der Tat – vom Sozialministerium auf Antrag. Diese 70 Millionen € stammen aber nicht vom Land; sie stammen vielmehr vom Bund.
Der Bund gibt dem Land jedoch nicht nur 70 Millionen €, son dern sogar 200 Millionen €. Deswegen frage ich Sie: Wollen Sie ernsthaft vor die Menschen treten und sagen, es sei eine Leistung dieser Landesregierung, die Kommunen bei der In tegration zu unterstützen?
Woher kommen die verbliebenen 90 Millionen € der verkün deten 160 Millionen €? Auch die kommen nicht vom Land. Die kommen von den Kommunen selbst. Sie werden aus der allgemeinen Finanzausgleichsmasse der Kommunen entnom men, um sie dann nach der Flüchtlingszahl zu verteilen und nicht nach der Finanzkraft. Es handelt sich daher nur um ei
ne andere Verteilung kommunalen Geldes, nicht um zusätzli che Mittel vom Land. Auch hier wurde zulasten von Städten, Gemeinden und Landkreisen getrickst, getarnt, getäuscht, lie be Kolleginnen und Kollegen.
Wenn wir von den Städten, den Gemeinden und den Land kreisen im Land sprechen, dann spreche ich von dem, was un ser Land im Kern ausmacht. Baden-Württemberg ist wie kaum ein anderes Bundesland seit Jahrhunderten von selbstbewuss ten, starken Städten und Gemeinden geprägt. Viele von ihnen waren früher einmal Freie Reichsstädte mit einer Bürger schaft, die Verantwortung für ihr Gemeinwesen übernimmt.
Heute sind wir stolz auf die Flächenstärke von Baden-Würt temberg, die Sie aber mit dieser Politik riskieren. Auch in den kleineren Gemeinden wird sozialer Zusammenhalt gelebt. Wir alle wissen es: Wenn es um die Lösung der großen Aufgaben unserer Zeit geht, wenn es um das Organisieren des Zusam menhalts von Gesellschaft geht, dann sind heute – gerade heu te – unsere Städte und Gemeinden und unsere Landkreise ge fordert.
Herr Ministerpräsident, auf Bundesebene verstehen Sie sich als Verfechter der föderalen Staatsordnung. Sie wettern gegen goldene Zügel und wollten noch nicht einmal Geld des Bun des für marode Schulgebäude annehmen. Aber, Herr Minis terpräsident: Im Verhältnis zum Bund die goldenen Zügel zu kritisieren, aber im Land, im Verhältnis zu den Städten und Gemeinden, diese goldenen Zügel immer stärker anzuziehen und gleichzeitig die Finanzierungsbasis der Kommunen zu schwächen, das passt hinten und vorn nicht zusammen, und das passt auch nicht zu einem Land wie Baden-Württemberg.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie der Abg. Dr. Jörg Meuthen und Anton Baron AfD)
Sie betrachten die Gemeinden ja auch nicht wirklich als Ge sprächspartner auf Augenhöhe. Sie sagen ihnen: „Gekürzt wird auf jeden Fall. Ihr dürft jetzt nur noch mitreden, wie ge kürzt wird.“
Ihr Blick auf die Kommunen ist aus meiner Sicht auch ein Zerrbild sondergleichen. Sie haben z. B. noch nicht verstan den, dass die Kommunen zwar, was die Einnahmen angeht, gut dastehen, aber dafür ein veritables Ausgabenproblem ha ben. Die Ausgaben galoppieren ihnen nämlich davon.
Wenn Sie die Finanzierungssalden von Land und Kommunen vergleichen, blenden Sie dabei völlig aus, dass die kommuna len Haushalte von den Regierungspräsidien genehmigt wer den müssen. Die politischen Rahmenbedingungen sind also zwischen dem Land und den Kommunen überhaupt nicht ver gleichbar. Zumindest die Grünen in dieser Landesregierung sind meilenweit von der kommunalen Wirklichkeit entfernt.
Deshalb ist es kein Zufall, dass der Freiburger Oberbürger meister über die Arbeit dieser Landesregierung im Verhältnis zu den Kommunen entsetzt ist.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Falsch! Er hat uns gelobt!)
Und nur, weil ja hier im Haus auch öfter Geschichtsklitterung betrieben wird: Wir, die SPD, haben in der Vergangenheit – in den letzten fünf Jahren – als Regierungspartei, als Kommu nalpartei die Leistungen des Landes an die Kommunen um 70 % ausgeweitet. Die Vorwegentnahme wurde kontinuierlich abgebaut: Von 708 Millionen € im Jahr 2011 sank sie auf 540 Millionen € im Jahr 2016.
Was macht die grün-schwarze Landesregierung? Sie verlässt diesen kommunalfreundlichen Kurs der vergangenen Jahre. Jetzt wird die Vorwegentnahme in einem Schritt auf 861 Mil lionen € erhöht. Grün-Schwarz finanziert damit die Mehraus gaben mit Kürzungen bei Städten, Gemeinden und Landkrei sen. Das ist der völlig falsche Weg für Baden-Württemberg; er ist eine Belastung für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.
Deswegen möchte ich Ihnen ein paar Beispiele nennen, war um die Kommunen heute eine besondere Unterstützung brau chen. Ihr kommunalfeindlicher Kurs ist falsch,
Ihr kommunalfeindlicher Kurs ist auch deswegen falsch, weil der soziale Zusammenhalt genau in Städten und Gemeinden entsteht oder eben nicht entsteht.