Protokoll der Sitzung vom 21.12.2016

Meine Kollegen!

Das ist mir klar. – Sozialer Zusam menhalt entsteht beispielsweise dann, wenn in meinem Wahl kreis in Heidenheim eine alte Arbeitersiedlung saniert wird und die Mieten nach der Modernisierung deshalb noch bezahl bar sind, weil Stadt, Land und der Bund Gelder investieren. Er entsteht dann, wenn die Stadt Mannheim Kulturprojekte für gelingende soziale Integration von Migranten bereitstellt, oder eben dann, wenn sich die Gemeinden wieder Schulsozi alarbeiter leisten können.

Deswegen setzen wir, die Sozialdemokraten, uns für starke Städte und Gemeinden ein. Deswegen ist es auch so wichtig, dass die SPD in Berlin 5 Milliarden € für die Kommunen durchgesetzt hat; denn von diesem Paket profitieren die Städ te, Gemeinden und Landkreise in Baden-Württemberg ab 2018 mit rund 600 Millionen €. Sie, meine Damen und Her

ren von der CDU und den Grünen, konterkarieren diese Poli tik, indem Sie den Kommunen einen großen Teil dieser Ent lastung wieder wegnehmen. Das ist der falsche Weg. Wir soll ten gerade jetzt die Städte und Gemeinden in unserem Land stärken und nicht schwächen.

(Beifall bei der SPD)

Was die politischen Schwerpunkte angeht, macht es eben doch einen Unterschied, ob die SPD regiert oder nicht. Bei den Kommunen ist der Unterschied sehr genau zu benennen. Wir haben die Vorwegentnahme um 90 Millionen € reduziert, CDU und Grüne erhöhen sie um 321 Millionen €. Das macht genau 400 Millionen € Unterschied.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Falsch gerechnet!)

Auch in der Bildungspolitik macht es einen großen Unter schied, ob die SPD regiert oder ob sie nicht regiert. Denn das Damoklesschwert des massiven Stellenabbaus hängt ja über dem Schulbereich. Spätestens seit der Verkündung des Strei chens von 11 600 Lehrerstellen in der letzten Legislaturperi ode kennen wir diese Diskussion zur Genüge. Die SPD konn te hier in den vergangenen Jahren das Schlimmste verhindern.

(Vereinzelt Lachen bei den Grünen – Abg. Daniel An dreas Lede Abal GRÜNE: Die 11 000 habt ihr nicht mitgerechnet!)

Ihnen, Frau Eisenmann, ist das leider im Vorfeld der Haus haltsberatungen nicht mehr gelungen. 1 074 Lehrerstellen werden zum nächsten Schuljahr gestrichen. Liebe Kollegin nen, liebe Kollegen und vor allem Herr Kollege Schwarz, wenn Sie 700 Stellen mehr reingeben, gleichzeitig aber 1 074 Stellen rausnehmen – ganz unabhängig von der Frage, wie die Stellen verwendet werden –, und dann von der Stärkung von Bildung sprechen, ist das gelebter Zynismus im Landtag von Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gabriele Reich- Gutjahr und Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Denn was passiert denn, wenn – angeblich – die zusätzlichen Fördermöglichkeiten z. B. an der Realschule durch Erhöhung der Poolstunden verbessert werden, aber gleichzeitig die Grund versorgung mit Unterricht nicht mehr gewährleistet ist? Wenn im nächsten Schuljahr bei sogar leicht steigenden Schülerzah len zu befürchten ist, dass die Grundschulen in eine starke Un terversorgung fallen werden, dann kommt es nämlich tatsäch lich auf den Anfang an. Aber, liebe Kolleginnen und Kolle gen, ich glaube, man sollte etwas anderes meinen, wenn man diese Politik von Grünen und CDU sieht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Unterrichtsausfall wird wieder zunehmen. Wie Sie mit weniger Lehrern bei mehr Schülern die Qualität im Unterricht steigern wollen bei gleichzeitigem Ausbau von weiteren Ganz tagsschulen, bei erfolgreicher Umsetzung der Inklusion und bei dem Anspruch, besser individuell fördern zu wollen, das müssen Sie mir dann in einer ruhigen Stunde einmal erklären. Sie werden jedenfalls mit dieser Rechenkunst die Schulen in Baden-Württemberg nicht besser machen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang, weil es Kollege Reinhart vorhin auch wieder angesprochen hat, möchte ich schon noch einen Satz zur mittelfristigen Finanzplanung sagen. Frau Kollegin Eisenmann, auch Sie haben in Ihrer Rede hier im Landtag be reits einmal die mittelfristige Finanzplanung bemüht. Um es Ihnen vielleicht einfacher zu machen, darf ich ein Bild aus dem Fußball – das ist ja sehr populär – verwenden. Manche kennen vielleicht den Satz des legendären Trainers von RotWeiß Oberhausen, Adi Preißler:

(Zurufe von der SPD: Ah! – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Ja! Das ist gut!)

Grau is alle Theorie – entscheidend is auf’m Platz.

Der Platz, Frau Eisenmann, sind die Haushaltsberatungen. Da entscheidet es sich nämlich, was für die Bildung getan wird und was nicht. Die mittelfristige Finanzplanung ist in den Worten von Adi Preißler zunächst einmal die graue Theorie. Hier werden z. B. nur Investitionen berücksichtigt, die im letz ten Nachtragsetat bereits beschlossen wurden, und das trifft für vieles nicht zu.

Deshalb, Frau Ministerin: Entscheidend ist „auf’m Platz“, und auf diesem Platz haben Sie leider nichts erreicht. Lassen Sie es mich so sagen: Als Sie eingewechselt wurden, stand es 2 : 0 für das Bildungsteam gegen den Ministerpräsidenten bzw. die Finanzministerin. Die von Ihnen so gefeierten zusätzlichen Stellen – wir haben es vorhin wieder gehört: 320 Stellen zum Ausbau der Stundentafel an den Grundschulen für Mathema tik und Deutsch – waren Entscheidungen der Vorgängerregie rung.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ja!)

Die von Ihnen so gefeierten zusätzlichen Stunden fürs Gym nasium – 111 Deputate – waren eine Entscheidung der Vor gängerregierung. Das heißt, wenn wir so wollen: Sie sind mit einem 2 : 0 auf den Platz gegangen.

So, und jetzt kommen Sie auf den Platz. Die Haushaltsgesprä che laufen, und Sie kassieren ein Tor nach dem anderen. Ins gesamt 1 074 Stellen werden im Kultusetat gestrichen, um ei ne Deckungslücke zu schließen, die es – wir haben es vorhin gehört – gar nicht gibt. Es steht nur noch 2 : 1.

Von den 320 neuen Stellen für die Grundschulen, die Sie of fensichtlich begrüßen und die schon längst beschlossen wur den, wird die Hälfte wieder gestrichen, und die andere Hälf te müssen Sie durch Umschichtung aus anderen Bereichen Ih res Etats finanzieren.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: 2 : 2!)

Ausgleich der Finanzer! Es steht 2 : 2.

(Zuruf: Genau!)

In der letzten Woche haben wir erfahren – jetzt kommen wir wieder zu Ihren großen Überschriften vom Digitalisierungs land Baden-Württemberg –, dass von der Informatikoffensi ve, die der Ministerpräsident noch im November letzten Jah res verkündet hat, fast nichts mehr übrig bleibt: nur noch 60 Deputate. Informatik wird nur an den Gymnasien eingeführt. Die entsprechenden Arbeitsgruppen im Landesinstitut für

Schulentwicklung für die anderen Schularten werden kurzer hand abgeschafft.

Wer so mit der Zukunft des Landes Baden-Württemberg um geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, der geht unverantwort lich mit diesem Land um.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Falsch!)

Wir brauchen gute Bildung. Wir brauchen Bildung für Digi talisierung in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das heißt, das Spiel ist fast aus, und es steht jetzt 2 : 3. Die Finanzer liegen vorn. Es geht in die Nachspielzeit, die noch bis zur dritten Lesung geht, meine Damen und Herren.

(Zurufe der Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU und Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Ich kann Ihnen deswegen nur empfehlen: Stimmen Sie den Änderungsanträgen der Bildungsmannschaft der SPD zu! Ba den-Württemberg bleibt nur dann stark, wenn wir für Bildung an der richtigen Stelle mehr und nicht weniger investieren.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es macht eben auch für das weltoffene Wissenschaftsland Baden-Württemberg ei nen Unterschied, ob die SPD regiert oder nicht. CDU und Grü ne wollen nämlich Geld von ausländischen Studierenden kas sieren, so eine Art Ausländermaut an den Hochschulen.

(Zurufe von der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Grünen-Frakti on, vielleicht könnten Sie mir einmal in einer ruhigen Minu te erklären, wie die Ausländermaut an den Hochschulen zu Ih ren Bekenntnissen für ein weltoffenes Baden-Württemberg passen soll.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Machen wir!)

Wir Sozialdemokraten verstehen unser Land als weltoffenes Bundesland, das gerade davon lebt, dass Menschen aus ande ren Ländern hierherkommen, hier lernen, an unseren Hoch schulen studieren, hier bleiben, um zusätzlich zur Wirtschafts kraft des Landes beizutragen, oder in ihre Heimatländer zu rückkehren und dort wichtige Ansprechpartner für unsere Wirtschaft sind. Wie das mit Ihren Konzepten einer Studien gebühr für ausländische Studierende in Einklang gebracht werden soll, liebe Kolleginnen und Kollegen, bleibt mir beim besten Willen verschlossen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Uns auch! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Deswegen liegt die Zukunft unseres Landes – damit möchte ich das Thema Bildung abschließen – in den besten Bildungs chancen, die wir allen Kindern, Jugendlichen, aber auch den Erwachsenen in Kitas, Schulen und Hochschulen, aber auch in der dualen Ausbildung bieten können.

Aber Baden-Württemberg ist aus unserer Sicht gerade des halb ein starkes Land, weil hoch motivierte und bestens aus gebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer d a s Ka pital unserer Wirtschaft sind. Diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – Sie können es sich gern noch einmal anschau en – sind in Ihrer Rede, Frau Sitzmann, nicht vorgekommen. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Das ist auch kein Wunder. Denn Sie haben nichts Besseres zu tun, als ausgerechnet jetzt, da z. B. die Automobilindustrie in einer Umbruchphase steckt, die sich gewaschen hat, das Recht auf Weiterbildung infrage zu stellen. Was für eine Fehlein schätzung, und was für eine Ignoranz gegenüber den Gewerk schaften, gegenüber vielen Betriebsräten und gegenüber allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in unserem Land! Wir brauchen doch gerade mehr Weiterbildung und nicht weniger Weiterbildung in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD)

Denn eines steht doch fest: Mit künstlicher Intelligenz allein werden wir Baden-Württemberg nicht in eine gute Zukunft führen. Wir brauchen und wir wollen auch noch Menschen, die im realen Wirtschaftsleben ihr Bestes geben und die letzt lich auch Profiteure dieser Entwicklung sein müssen. Deswe gen müssen diese Menschen bestens ausgebildet sein, und da für haben sie auch die besten Chancen auf Weiterbildung ver dient. Die Gestaltung der Arbeitswelt, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss ein Topthema dieser Landesregierung sein. Nur: Grüne und CDU haben das überhaupt noch nicht erkannt.

(Beifall bei der SPD)

Basis unseres Wohlstands ist natürlich auch eine leistungsfä hige Verkehrsinfrastruktur. Wir haben deshalb in unserer Re gierungszeit mit dafür gesorgt, dass die Mittel für den Stra ßenerhalt – Verkehrsminister Hermann wird das bestätigen – deutlich erhöht worden sind. Wir haben dies noch zu Opposi tionszeiten zum Thema gemacht und die Erhaltungsmittel auch bei Landesstraßen auf 120 Millionen € erhöht – Minis ter Hermann erinnert sich –, denn unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung wurden lediglich 40 Millionen € in die Sanierung gesteckt.