Basis unseres Wohlstands ist natürlich auch eine leistungsfä hige Verkehrsinfrastruktur. Wir haben deshalb in unserer Re gierungszeit mit dafür gesorgt, dass die Mittel für den Stra ßenerhalt – Verkehrsminister Hermann wird das bestätigen – deutlich erhöht worden sind. Wir haben dies noch zu Opposi tionszeiten zum Thema gemacht und die Erhaltungsmittel auch bei Landesstraßen auf 120 Millionen € erhöht – Minis ter Hermann erinnert sich –, denn unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung wurden lediglich 40 Millionen € in die Sanierung gesteckt.
Herr Kollege Meuthen, Sie haben vorhin das Thema Sanie rungsstau angesprochen. Er ist durch eine Verdreifachung der Sanierungsmittel allein im Straßenbereich in der Tat bereits ab 2011 angegangen worden. Aber in diesem Bereich war ei ne solche Hypothek aufgelaufen, dass wir heute immer noch einen erheblichen Stau haben.
Um Baden-Württemberg zum Mobilitätsland zu machen bzw. Mobilität für alle zu gewährleisten, muss jetzt nach unserer Auffassung eine Investitionsoffensive für den ÖPNV folgen. Denn wer mit offenen Augen durch unser Land – vor allem durch unsere Städte – fährt, wird feststellen, dass wir es im mer häufiger mit chaotischen Verkehrsverhältnissen und über lasteten Straßen zu tun haben.
Die Oberbürgermeister einiger größerer Städte haben sich des halb mit einem Brief an Sie, Herr Ministerpräsident, gewandt, weil sie dringend mehr Landesunterstützung für den ÖPNV
brauchen. Aber auch hier ist der Haushaltsentwurf – trotz al ler Reden hier im Parlament – eine einzige Enttäuschung.
Wir, die SPD-Fraktion, werden hier einen deutlichen Akzent setzen – das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern schuldig –, damit der Verkehr besser läuft, als dies derzeit der Fall ist.
Wenn wir dann irgendwann womöglich über Fahrverbote dis kutieren müssen, darf Mobilität nicht zur neuen sozialen Fra ge werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen da für sorgen, dass alle Menschen in Baden-Württemberg – un abhängig von ihren Einkommensverhältnissen – mobil blei ben, und es darf nicht eine Frage des Geldes sein, ob sich je mand ein neues schadstoffarmes Auto leisten kann.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Emil Sänze AfD – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Glocke des Präsidenten)
Herr Kollege Zimmer mann, wenn Sie schon auf meinem Abgeordnetenplatz sitzen, dann benehmen Sie sich auch entsprechend.
(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich war 16 Jahre auf den hinte ren Rängen!)
Herr Präsident, ich hätte es nicht schöner sagen können. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind auch deshalb mit dem Auto zur Arbeit unterwegs, weil sie sich das Wohnen in unseren Städten nicht mehr leisten können. Aus Stuttgart ziehen so viele Familien mit Kindern fort wie seit 20 Jahren nicht mehr – häufig eben deswegen, weil sie sich auch bei ordentlichem Einkommen eine Wohnung in der Stadt nicht mehr leisten können.
Frau Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut – sie ist jetzt leider gerade nicht da – verantwortet ja die Wohnungspolitik im Land. Sie hat eine Initiative von Nils Schmid fortgesetzt und die Gespräche in der Wohnraum-Allianz fortgeführt. Das fanden wir zunächst richtig und gut. Wir fanden es auch gut, dass Sie zusätzliche Mittel für den sozialen Wohnungsbau an gekündigt hatten. Wir waren aber vielleicht ein bisschen na iv. Wir dachten, Sie sprechen von Landesmitteln. In Wirklich keit reichen Sie nicht einmal die vollen zusätzlichen Mittel des Bundes weiter, die Bundesministerin Barbara Hendricks lockergemacht hat.
Der eigentliche Hammer ist aber, dass Sie die Wohnraum-Al lianz binnen kürzester Frist an die Wand gefahren haben. Wel chen Sinn machen denn Gespräche mit Experten, wenn Sie deren Meinung bei dem wichtigen Thema der mittelbaren Be legung von Sozialmietwohnungen einfach ignorieren?
Mit 7 : 2 Stimmen haben sich die Experten in der WohnraumAllianz gegen das Infragestellen der mittelbaren Belegung ausgesprochen. Und was machen Sie? Sie stellen die mittel bare Belegung infrage, mit der Städte und kommunale Woh nungsunternehmen eine gute soziale Mischung in Stadtquar tieren sicherstellen können.
Sie konterkarieren damit den sozialen Mietwohnungsbau und sorgen dafür, dass die Wohnungsbaugenossenschaften, die endlich wieder mitmachen, die endlich investieren, aus der sozialen Mietwohnraumförderung aussteigen. Der Stuttgarter Oberbürgermeister sieht sogar sein Bündnis für Wohnen in frage gestellt. Die „Stuttgarter Nachrichten“ schreiben: „Mi nisterium torpediert Wohnbaupläne“.
Das, was Sie ansonsten vorschlagen, hat Ihr grüner Koaliti onspartner gleich ganz abgelehnt. Deswegen zitiere ich den „Mannheimer Morgen“, der Teilnehmer einer Sitzung mit den Worten zitiert: „Eine unsägliche Sitzung der Wohnraum-Alli anz“. So werden Sie, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, mehr bezahlbaren Wohnraum in Baden-Württemberg nicht schaffen.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Mir ist es, gerade in der Vorbereitung dieser Haushaltsrede, natürlich auch darum gegangen, Dinge zu loben, die gut gemacht wurden. Ich habe allerdings wenig Nennenswertes bzw. Neues entdeckt.
Diese sogenannte Komplementärkoalition, von der der Minis terpräsident gern spricht, wird durch ein offensichtlich immer stärker werdendes Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirk lichkeit charakterisiert. Man könnte es, wenn man Absicht un terstellt, als einen Fall von Doppelmoral bezeichnen, „Regie ren ist eine Stilfrage“ zu plakatieren, jedoch Rekordspenden von Finanzinvestoren zu kassieren, Transparenz und Zivilge sellschaft zu versprechen, jedoch Nebenabsprachen vorzuneh men und rigoroses grün-schwarzes Postengeschachere zu be treiben, Weltoffenheit, Wissenschaft und Innovation in den höchsten Tönen zu loben, jedoch die Ausländermaut an den Hochschulen einzuführen, den Föderalismus hoch zu loben, jedoch die Städte und Gemeinden im Land abzukassieren, Ver antwortung für die Zukunft zu beanspruchen, jedoch gleich zeitig die Schuldenbremse auszuhöhlen und abzuschaffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer in diesem Haus halt trickst, tarnt und täuscht, wer an der völlig falschen Stel le spart, nämlich in der Bildung und bei den Kommunen, der macht mit seinem ersten Haushalt für das Land Baden-Würt temberg einiges falsch. Dieses Land, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat eine bessere Politik verdient als die von Grünen und CDU.
Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie auch mich zu Be ginn kurz darauf zu sprechen kommen, was dieser Tage pas siert ist und was uns alle bewegt. Ich glaube, wir alle sind über die Ereignisse in Berlin gleichermaßen entsetzt. Der Landtag von Baden-Württemberg hat das heute in würdiger Form in Erinnerung gerufen.
Ich glaube, es ist notwendig, dass alle Demokraten im Schul terschluss daran arbeiten, unsere offene und freie Gesellschaft
zu erhalten und gleichzeitig den Bedrohungen, die auf diese Gesellschaft zukommen, wirksam zu begegnen.
Das schließt durchaus ein, dass man politische Entscheidun gen kritisieren darf. Ich habe das oft genug auch gegenüber der Politik der Bundeskanzlerin getan. Aber was nicht geht, Herr Meuthen, ist,
ein Urteil zu sprechen, zu erklären, es sei ein Flüchtling ge wesen, und in erkennbarer Weise den Versuch zu unterneh men, daraus politisches Kapital zu schlagen. Das ist wider wärtig.
(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Noch nie ge tan, Herr Rülke! Noch nie!)
Jetzt behaupten Sie plötzlich wieder, Sie hätten das nie ge tan. Herr Räpple hat wahrscheinlich auch nicht das Bild der Kanzlerin mit blutigen Händen auf Facebook gepostet. Herr Meuthen, das ist typisch für Sie.
(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Mit keinem Wort habe ich das getan! Sie reden dummes Zeug! – Gegenruf der Abg. Sabine Wölfle SPD: Genau das habt ihr gemacht! Das ist widerlich!)
Nun zum Haushalt der grün-schwarzen Landesregierung. Herr Kollege Reinhart, ich darf Sie zitieren. Sie sagten: Die Fehler werden in guten Zeiten gemacht.
Dieser Haushalt ist ein Beleg dafür, dass die Fehler in guten Zeiten gemacht werden. Denn es gibt Fehlentwicklungen. Die Chance zur Schuldentilgung wird im Grunde genommen ver semmelt, die Landeshaushaltsordnung wird geändert, um noch unsolider wirtschaften zu können, und dergleichen mehr.
Vermutlich deshalb haben Sie aus den „Buddenbrooks“ von Thomas Mann zitiert. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie den Untertitel, den Thomas Mann diesem Roman gegeben hat, im Hinblick auf den Landeshaushalt und diese Landesregierung im Sinn hatten.
Thomas Mann hat nämlich seinen Roman „Buddenbrooks“ mit dem Untertitel „Verfall einer Familie“ versehen.
Es geht Generation für Generation abwärts in dieser Familie. Der Letzte ist Hanno Buddenbrook, der dann im Elften Teil des Romans sagt – ich zitiere –: