Auch beim Thema Wohnen zeigt sich, dass diese Landesre gierung eben keine gemeinsame Idee für die nächsten vier Jah re anzubieten hat. Die Wohnraum-Allianz, die in Fortsetzung dessen, was Nils Schmid als Wirtschaftsminister eingerichtet hat, weitergeführt wurde, hat durch viele Experten gute Vor schläge hervorgebracht. Aber wenn es jetzt um die politische Umsetzung dieser Ergebnisse geht, wenn es jetzt darum geht, die wichtigen Anregungen von Experten aufzunehmen, dann stellen wir fest, dass zwischen Grünen und CDU eben keine Schnittmenge vorhanden ist. Da haben wir z. B. dann ein Pro blem, wenn Vorschläge zur Veränderung der Landesbauord
nung vorgebracht werden, die von grüner Seite blockiert wer den. Wir brauchen jetzt schnell und unbürokratisch Wohnraum für die vielen Menschen in Baden-Württemberg, die diesen Wohnraum für ihre Familien dringend benötigen, liebe Kol leginnen und Kollegen.
Die Folgen der jetzigen Situation sind dramatisch. Wir haben bereits seit Jahren die Situation – diese verstärkt sich derzeit noch –, dass viele Menschen mit normalen Einkünften, ins besondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit durch schnittlichem Einkommen, sich in einer Stadt keine Wohnung mehr leisten können. Damit entstehen Prozesse, durch die die Gesellschaft auseinanderdriftet. Es entsteht Gentrifizierung. Es kommt dazu, dass manche Stadtteile für manche Men schen, vor allem für Familien, nicht mehr bezahlbar sind.
Wenn eine Polizistin, seit Jahren im gehobenen Dienst, mit Ehemann und zwei Kindern keine Vierzimmerwohnung in Stuttgart mehr mieten kann, weil sie es sich nicht mehr leis ten kann, dann ist das eine Entwicklung, die unsere Gesell schaft auseinandertreibt. Wir müssen diesen Menschen ermög lichen, in den Städten zu leben. Wir müssen ermöglichen, dass die Gesellschaft an dieser Stelle zusammenhält.
Eine Frau wie die erwähnte Stuttgarter Polizistin verbringt un gefähr zwei Wochen pro Jahr von ihrer Lebenszeit damit, zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen, anstatt bei ihrer Familie sein zu können oder sinnvolle ehrenamtliche Arbeit machen zu können. Wir brauchen mehr Wohnungen und mehr Mittel, da mit Menschen wieder bezahlbaren Wohnraum in Baden-Würt temberg finden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir können da glaubhaft auf das aufsetzen, was bereits in den vergangenen fünf Jahren geleistet wurde. Im Jahr 2010 – das ist das Erbe von Schwarz-Gelb gewesen – wurden 48 Millio nen € für die Wohnraumförderung zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2016 waren es bereits 205 Millionen €, und der Bund gibt uns im Land Baden-Württemberg die Möglichkeit, diese Mit tel erheblich weiter aufzustocken, nämlich durch weitere 65 Millionen €. Was aber macht das Land? Die Mittel werden zwar von 205 Millionen auf 250 Millionen € erhöht, aber der vom Bund zusätzlich bereitgestellte Betrag von 65 Millio nen € findet sich eben nicht in diesem Haushaltstitel wieder. Hier vermissen wir beim Land den Ehrgeiz. Wir wollen beim Land den Ehrgeiz wecken, zukünftig wieder vorn zu stehen. Das Land muss allen Menschen wieder eine Perspektive ge ben, indem es für bezahlbaren Wohnraum sorgt.
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die ser Landeshaushalt aus unserer Sicht ein Haushalt, der zwar die bereits vorhandenen Entwicklungslinien fortschreibt, der zwar in bestimmten Bereichen wie z. B. im Sanierungsbereich das, was bereits unter Grün-Rot getan wurde, fortschreibt. Aber an wichtigen Stellen, nämlich dort, wo es um den ge sellschaftlichen Zusammenhalt geht, wo es um die Qualifizie rung von Menschen für die Zukunft geht, wo es um Integra tion und Wohnen geht, da fehlen Maßnahmen, die für die Menschen in Baden-Württemberg von besonderer Bedeutung sind.
Wichtig sind dabei insbesondere auch Themen, die die inne re Sicherheit betreffen. Wir brauchen in Baden-Württemberg einen starken, einen handlungsfähigen Staat. Die SPD hat in den letzten fünf Jahren Regierungszeit an vielen Stellen mit ihrem Koalitionspartner und teilweise auch unter erheblichen Anstrengungen zur Überzeugung ihres Koalitionspartners
Maßnahmen für die Sicherheit in Baden-Württemberg ge schaffen. Wenn wir den Gesinnungswandel der Grünen, z. B. im Bereich des Verfassungsschutzes, betrachten,
müssen wir sagen: Lieber spät als nie. Wir brauchen in Ba den-Württemberg einen handlungsfähigen Staat, der den Men schen die Sicherheit gibt, mit ihren Familien sicher leben zu können.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Steuermehreinnahmen der letzten Jahre sind mehr als beachtlich. Wir hatten in jedem Jahr gerade auch im Bundesvergleich exorbitante Steigerun gen, die auch über dem Zuwachs des realen Bruttoinlandspro dukts lagen.
Herr Kollege Reinhart, Sie haben vorhin gesagt: „Wir schwim men nicht im Geld.“ Ich stimme Ihnen zu: Sie sind im Geld schon fast ertrunken
bei der Entwicklung, die wir in den letzten Jahren bei den Steuereinnahmen in Baden-Württemberg hatten.
Nehmen wir nur einmal die Entwicklung seit 2013: 33 Milli arden € an Steuereinnahmen im Jahr 2013, und für 2017 sind um die 36 Milliarden € prognostiziert. Das wird – warten wir einmal die nächsten Steuerschätzungen ab – aufgrund der ak tuellen wirtschaftlichen Entwicklungen möglicherweise noch übertroffen.
Parallel dazu ist das Haushaltsvolumen exorbitant gestiegen. Der letzte schwarz-gelbe Landeshaushalt aus dem Jahr 2010 lag bei etwa 33 Milliarden €. Wir sind jetzt mittlerweile bei rund 48 Milliarden € angekommen. Das zeigt, dass wir so wohl eine expansive Steigerung der Steuereinnahmen als auch eine noch expansivere Steigerung der Ausgaben haben. Inso fern ist es eben nicht glaubwürdig – egal, ob der Finanzminis ter nun Nils Schmid hieß oder Edith Sitzmann heißt –, wenn hier von Haushaltskonsolidierung gesprochen wird. Es gab in den letzten Jahren keine Haushaltskonsolidierung. Man hat zwar so getan, aber der Realität entspricht das nicht.
Im Gegenteil: Die Möglichkeiten, die die Steuereinnahmen geschaffen haben, haben schon seit Jahren im Grunde zwin
gend nahegelegt, in den Schuldenabbau einzutreten, so wie andere Bundesländer das tun, zum Teil Bundesländer, die wirt schaftlich deutlich schwächer aufgestellt sind als Baden-Würt temberg. Aber nach dem Eichhörnchenprinzip haben beide Fi nanzminister – sowohl der rote Finanzminister wie jetzt auch die grüne Finanzministerin – angefangen, Rücklagen zu schaf fen, um gewappnet zu sein für die Zeit, wenn denn endlich die Schuldenbremse greift, sodass man sich ohne Konsolidierung, ohne Einsparungen weiter auf die Schulter klopfen und so tun kann, als würde man sorgsam haushalten.
Ich habe es ja in der vorangegangenen Runde schon gesagt: Die SPD hat sich natürlich ein Stück weit ins Knie geschos sen. Man hat kräftig gesammelt, hat im Haushalt versteckt, um für schwierigere Zeiten gewappnet zu sein. Jetzt ist es dumm gelaufen:
Der Schatz geht an Frau Sitzmann über. Die macht diese Po litik natürlich genauso weiter, und nach außen hin wird schein heilig von Konsolidierung gesprochen. Das hat weder mit Haushaltsklarheit noch mit Haushaltswahrheit zu tun, sondern das ist Haushaltsscheinheiligkeit, meine Damen und Herren, und zwar in höchstem Maß.
In einer solchen Situation wird dann noch die aktuelle Lan deshaushaltsordnung umgangen. Sie hätten nun wirklich die Gelegenheit, in den Schuldenabbau einzutreten. Sie hätten nun wirklich die Gelegenheit, zumindest in minimaler Art und Weise Schulden abzubauen, wie die Landeshaushaltsordnung das auch vorsieht. Stattdessen erfinden Sie Buchhaltungs tricks, erfinden den Begriff der impliziten Verschuldung, um im ersten Ansatz 300 Millionen € an Schuldentilgung zu um gehen – bei Rücklagen von über 3 Milliarden €. Nachdem sich die Einnahmesituation jetzt nochmals verbessert hat, müssten Sie 411 Millionen € an Schulden tilgen. Sie könnten jedoch deutlich mehr. Der Vorschlag meiner Fraktion, unser Ände rungsantrag, 500 Millionen € an Schulden zu tilgen, ist im mer noch ein bescheidener Antrag. Aber nicht einmal das wol len Sie, sondern Sie wollen sich mit Tricks über die Zeit hin überretten, bis dann im Jahr 2020 die Schuldenbremse greift.
Ich darf in diesem Zusammenhang nur die „Stuttgarter Zei tung“ vom 2. Februar zitieren. Da wird zu Recht festgestellt, dass Sie die implizite Verschuldung zum heutigen Zeitpunkt, also mit diesem Haushalt, Anfang 2017 geltend machen, aber Frau Sitzmann das Ganze erst zum 1. Januar 2018 ausweisen will. Also wenn das nicht unseriös ist, meine Damen und Her ren, dann weiß ich nicht mehr, wie ein Finanzminister noch agieren muss, um als unseriös geziehen zu werden.
Weisen Sie es in Ihrem Haushalt wenigstens zeitnah aus, wenn Sie schon zu solchen Buchhaltungstricks greifen.
In diesem Zusammenhang ist auch völlig unverständlich, dass Sie die jungen Beamten im Land Baden-Württemberg immer weiter hinhalten. Die CDU hat im Wahlkampf versprochen: „Wenn wir an die Regierung kommen, dann fällt die abge
senkte Eingangsbesoldung.“ Das wurde landauf, landab über all versprochen. Aus gutem Grund: Der öffentliche Dienst des Landes muss konkurrenzfähig bleiben. Wir brauchen die jun gen Menschen, die Qualität, die auf dem Arbeitsmarkt vor handen ist, für den Staatsdienst. Das geht aber nur dann, wenn man den öffentlichen Dienst auch für Berufseinsteiger wei terhin attraktiv gestaltet.
Deshalb war das Versprechen richtig. Es ist auch in jeder Hin sicht finanzierbar; das sieht man, wenn man sich die gewalti gen Einnahmen des Landes Baden-Württemberg anschaut.
Dann kommen Sie mit der etwas heimtückischen Argumen tation – auch gegenüber dem Beamtenbund –, dass Sie sagen: „Das machen wir bis 2022.“ Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. 2022 sind wir nach der nächsten Landtagswahl schon in der nächsten Legislaturperiode. Dann erzählen Sie, irgend wann steigen Sie ein. Ja, wann steigen Sie denn ein? Wann, wenn nicht in einer solchen Haushaltssituation wie der heuti gen, meine Damen und Herren? Ich kann nur sagen: Wenn Sie heute nicht in die Absenkung der Eingangsbesoldung einstei gen, dann wird der Sankt-Nimmerleins-Tag der Tag des Ein stiegs in den Ausstieg sein, meine Damen und Herren.
Es gibt aber ein paar nette Dinge, wofür man dann Geld aus gibt, beispielsweise 200 000 € für Fahnen. Da steht man ja in einer ganz guten Tradition. Der heutige EU-Kommissar Oet tinger hatte einmal den Vorschlag gemacht, man solle bei un soliden Staaten die Fahnen in Brüssel auf Halbmast setzen. Das war ein netter Vorschlag; er kam vielleicht nicht überall in Europa gut an. Aber wenn Sie sich den Vorschlag zu eigen machen würden, dann könnten Sie immerhin bei den Fahnen masten einsparen. Denn dann könnte man nämlich überall im Land Baden-Württemberg nur einen halben Fahnenmast auf stellen;
denn Ihre Fahne müsste bei der Art und Weise, wie Sie wirt schaften, immer auf Halbmast stehen, meine Damen und Her ren.
In der Schulpolitik, meine Damen und Herren, hat die CDU im Grunde auch alle Wahlversprechen gebrochen. Im Wahl kampf haben Sie erklärt: „Mit uns wird es keine neuen Ge meinschaftsschulen geben.“ So weit sind wir, die FDP/DVP, nie gegangen. Wir haben gesagt: „Wir hätten gern Wettbe werb. Wir hätten gern ein vielschichtiges und differenziertes Schulsystem.“
Im Übrigen ist dies das Erfolgsrezept der Vergangenheit. Seit wir bildungspolitisch andere Wege gehen, lassen wir – das zeigt die IQB-Studie – in der Qualität nach. Die Gemein schaftsschule kann durchaus Bestandteil dieses vielgliedrigen und differenzierten Schulsystems sein, aber eben mit einer fai ren Ausstattung und nicht mit dieser Privilegierung, die Sie, die CDU, über die Jahre beklagt haben.
Aber was hat sich geändert? Nichts hat sich geändert. Mit Ih nen gibt es weitere Gemeinschaftsschulen, mit Ihnen bleibt die Privilegierung der Gemeinschaftsschulen bestehen, es gibt sogar Oberstufen an den Gemeinschaftsschulen, obwohl die Nachfrage allzu kümmerlich ist. 8,4 % der Schülerinnen und Schüler mit Gymnasialempfehlung entscheiden sich für die Gemeinschaftsschule. Das zeigt eben, dass trotz der Privile gierung dieses Schultypus die Eltern und die Kinder in die sem Land der Gemeinschaftsschule nach wie vor misstrauen. Das ist die Realität.
Vor diesem Hintergrund ist es doch nachgerade grotesk, wenn Sie weiter Oberstufen an Gemeinschaftsschulen zulassen und damit dem beruflichen Bildungswesen Konkurrenz machen, meine Damen und Herren. Hören Sie auf mit diesem Unsinn.