Protokoll der Sitzung vom 10.02.2017

Sie eröffnet damit, dass wir in global unsicheren Zeiten leben, natürlich nicht ohne Seitenhieb auf die Gefahren des Populis mus. Eine Randbemerkung sei erlaubt: Eine gewisse Selbst reflexion wäre manchmal förderlich.

(Heiterkeit des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Aber kommen wir zur Aussage, dass wir in global unsicheren Zeiten leben. In der Tat leben wir in unsicheren Zeiten. Den ken wir an die Digitalisierung, an den Umbau der Individual mobilität aufgrund neuer Antriebstechnologien oder an zuneh mend zu erwartende protektionistische Maßnahmen, die schon derzeit in China en vogue sind und in den USA zu erwarten sind. Aber vor allem denken wir an die Wanderbewegung von Millionen von Menschen von Süden nach Norden. Heißt dies doch gerade für Baden-Württemberg konkret, gigantische He rausforderungen zu bewältigen, die nach Meinung der AfD im Haushaltsansatz der Landesregierung gar keinen oder nur marginalen Niederschlag finden.

Denken wir an die Digitalisierung, die hier häufig bemüht wird, und die Tatsache, dass wir unsere Netze jetzt mit 49 Mbit/s aufrüsten, und denken wir daran, dass manche In dustrieländer mit 300 Mbit/s unterwegs sind. Ich sage Ihnen: Da unterhält sich ein Steinzeitmensch mit einem Neuzeitmen schen. Da haben wir also viel zu tun.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Ist der Landesregierung bewusst, dass durch die Digitalisie rung ungefähr 4,4 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland ver loren gehen können? Experten gehen zwar grundsätzlich nicht davon aus, dass die Technik ganze Berufe ersetzen wird, aber eine Berufsgruppe, in der schon heute mehr als 70 % aller Tä tigkeiten von Computern übernommen werden, muss sich in Zukunft warm anziehen.

Das durchschnittliche Substitutionspotenzial ist im Berufs segment der Fertigungsberufe mit mehr als 70 % am höchs ten. Im Segment fertigungstechnischer Berufe lassen sich fast 65 % der Tätigkeiten automatisieren. In allen anderen Berufs segmenten liegt das gewichtete durchschnittliche Substituti onspotenzial zwar unter 50 %; dennoch wird es zu einem ge waltigen Umbau der Industrien gerade in Baden-Württemberg führen.

In den einzelnen Berufen innerhalb der Segmente können die Werte ganz anders aussehen. So lassen sich beispielsweise in den Chemie- und den Kunststoffberufen 89,8 % der Tätigkei ten von Menschen erledigen. Während sich ein Musiklehrer heute noch gar nicht und der Postbote allenfalls teilweise vom Computer bzw. von der Drohne ersetzen lassen, können 83,3 % der Arbeiten eines Helfers in der Chemie und der Phar matechnik problemlos durch Roboter erledigt werden. Das sind Gefahren, die auf uns zukommen und denen wir gewahr werden müssen.

Schauen wir einmal auf die Position der Landesbeamten und -angestellten. Glauben Sie, dass die Digitalisierung an denen vorbeigeht? Ich glaube es nicht. Finden wir im Haushalt auch nur einen Hinweis außer k.w. – künftig wegfallend –, nur ei ne Position, die dieser Entwicklung Rechnung trägt? Nein, es wird sogar eine Kostenmehrung eingeplant, wenn auch Stel len eingespart werden.

Schauen wir uns die Integrationsaufwendungen im Landes haushalt an. Da werden locker Milliarden für die Integration von illegalen Einwanderern ausgegeben, wohl wissend, dass sie keine berufliche Perspektive in Deutschland und schon gar nicht in einem Hochtechnologieland wie Baden-Württemberg haben werden.

(Beifall bei der AfD)

Ich werde Sie jetzt ein bisschen langweilen. Denn zukünftig sind Berufe betroffen wie Bäcker, Konditoren, Bank- und Ver sicherungskaufleute, Bauberufe, Berufe der Körperpflege, Bü ro- und Hilfsdienste, Chemie- und Kunststoffberufe, Fahr zeug- und Flugzeugbau, Wartungsberufe, feintechnische Be rufe, Fleischer, Gesundheitsberufe, Getränke- und Genussmit telhersteller, Groß- und Einzelhandelskaufleute, Hausmeister, Hotel- und Gastronomie, Hauswirtschaft usw. Wenn Sie so wollen, ist es eine Tour d’Horizon durch alle Sparten und Be rufe, die von der Digitalisierung betroffen werden.

(Abg. Tobias Wald CDU: Deshalb haben wir einen Technologiebeauftragten eingesetzt! – Gegenruf des Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Der wird es dann ja lö sen! – Gegenruf des Abg. Tobias Wald CDU: Ge meinsam mit dem Wirtschaftsministerium! Richtig, Herr Kollege!)

Last, but not least wird es auch die Verwaltungsberufe und die Beamten erwischen. Anstatt den sogenannten Flüchtlingen klarzumachen, dass sie nie oder kaum eine langfristige Pers

pektive in Deutschland finden werden, schaffen die Regie rungsparteien Positionen, die vorgaukeln sollen, dass wir die Lage in den Griff bekommen. Das Enabling dieser Menschen für die Rückkehr wäre der richtige Weg, und keine Integra tionsbemühungen. So werden Haushaltspositionen in Höhe von mehreren Milliarden Euro quer über alle Ressorts verteilt.

Kommen wir zum zweiten Prestigeobjekt der Landesregie rung, der Elektromobilität und deren Auswirkungen für Ba den-Württemberg. Der Einsatz neuer Komponenten in Elek trofahrzeugen bewirkt spürbare Veränderungen in der Wert schöpfungskette: Batterien, Elektromotoren und die komple xe Steuerelektronik bis hin zum Karosseriebau erfordern neu es Know-how. Zetsche hat uns ja schon mal vorgewarnt. Er denkt über Werke im Ausland nach, er denkt an den Abbau von Arbeitsplätzen.

Technologien, die in Verbrennungsmotoren zum Einsatz kom men, wie z. B. die Herstellung mechanischer Antriebskompo nenten, werden langsam, aber stetig an Bedeutung verlieren.

Eine rechtzeitige Orientierung bis hin zur Produktion von neu en Komponenten sichert den Technologievorsprung und so mit Arbeitsplätze. Die Einführung von Elektromobilität erfor dert eine zukunftsorientierte Planung der Ressourcen und ein umfangreiches Rohstoffmanagement. Wenn ich in den Haus halt schaue, muss ich feststellen: Fehlanzeige in dieser Steu erungsrichtung.

Qualifizierung der Mitarbeiter: Der Bedarf in den Bereichen Mechanik und Metallverarbeitung wird tendenziell sinken, während vor allem in den Bereichen der Mikroelektronik und der Herstellung von Kunststoffen neuer Bedarf entstehen wird. Auch in Forschung und Entwicklung wird sich dieser Trend fortsetzen.

Merken Sie etwas? Wir finden zwar im Landeshaushalt Indi zien, wie der Umbau der Ausbildungsstränge oder die Entlas tung des Mittelstands stattfinden sollen, aber ich frage Sie: Reicht dies angesichts dieser Entwicklung?

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Finden wir deutliche Hinweise für die Entlastung des Mittel stands? Wenn Sie sich die Position „Kapitalsteuer“ anschau en, werden Sie feststellen, dass diese mehrheitlich vom Mit telstand getragen wird, weil sich die international aufgestell ten Unternehmungen durch ihre Bilanzgestaltung dieser Steu er entziehen können.

Schauen wir uns das Kapitel 1201 – Steuern – etwas genauer an. Beachten Sie bitte die Position mit 13,056 Milliarden €. Zwar verbessert sich die Einnahmesituation gegenüber 2014 ff. deutlich. Aber was sagen uns die Zahlen? Woraus resultiert der Zuwachs dieser Position? Etwa aus der Tragfähigkeit der Beschäftigungsverhältnisse?

Wenn Sie an die E-Mobilität denken, die die Zukunft domi nieren wird, erkennen Sie, dass uns dies schwer auf die Füße fallen wird. Auch in Baden-Württemberg sind viele Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen. Es herrscht zwar nahezu Vollbeschäftigung, und es fällt kräftig Lohnsteuer an. Aber ist dieser Steuerstrom nachhaltig, um die Haushalte der Zukunft zu sichern?

(Zuruf von der AfD: Wohl nicht!)

Ich wage dies zu bezweifeln.

Betrachten wir die Position Umsatzsteuer. Mit 11,5 Milliar den € generieren wir durch die Umsatzsteuer und die Einfuhr umsatzsteuer etwa ein Drittel des Gesamtsteueraufkommens. 2007 wurde die Umsatzsteuer unter Täuschung des Wählers im Wahlkampf auf 19 % erhöht.

(Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD: Ja, das war eine Nummer!)

Was aber tun wir, wenn sich die Steuer nun nicht weiter auf blähen lässt? Was tun wir, wenn dies im Hinblick auf die Steu ertragfähigkeit mancher Bevölkerungsschichten nicht mehr zumutbar ist?

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Christina Baum AfD: Ja!)

Wenn Sie diese Herausforderung unter dem Aspekt der An forderungen an die Industrie und der sich verändernden Ar beitswelt neu bewerten, werden Sie zu dem Schluss kommen, dass wir schnellstens umallokieren und viel Geld und Entlas tung für den Mittelstand in unserem Land bereitstellen müs sen. Denn der Mittelstand prägt Baden-Württemberg und ist die Stütze unseres Haushalts.

(Beifall bei der AfD)

Um die Zukunft und das Überleben der Wirtschaft und des Mittelstands in Baden-Württemberg sicherzustellen, geben wir den Menschen lieber eine Zukunftsperspektive und sagen wir, dass wir die Herausforderungen anpacken, anstatt hier weiterhin unsere ideologischen Modelle zu pflegen.

Erinnern wir uns an den Eingangstitel „Solide haushalten, Zu kunft sichern, Zusammenarbeit stärken“. Wir, das Parlament, die verantwortlichen Politiker, sollten die Herausforderung annehmen. Dazu gehört aber auch, lieb gewonnene ideologi sche Haushaltspositionen loszulassen und alles in den Umbau der Wirtschaft in unserem Land zu stecken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Hofelich.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Jetzt kommt Subs tanz!)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Gern ergreife auch ich die Gelegenheit, zu Beginn der heuti gen Haushaltsberatungen für die sozialdemokratische Frakti on allen Danke schön zu sagen, die hierzu beigetragen haben: dem Herrn Ausschussvorsitzenden Stickelberger, den Kolle ginnen und Kollegen des Ausschusses, der uns unterstützen den Landtagsverwaltung wie auch der Ministerialverwaltung. Sie alle haben es uns leichter gemacht, den Haushalt zu bera ten. Dafür danke ich. Ich danke auch denen, die die Grundla gen dafür im Land Baden-Württemberg schaffen mit der Wert schöpfung, die tagtäglich in unserem Land geschieht. Der Kol lege Rösler hat es – etwas pauschal – angesprochen mit den Menschen und den Unternehmern. Ich erlaube mir herauszu

heben: Ich danke den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für den Wohlstand, der in Baden-Württemberg geschaffen wird.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜ NE: Die habe ich auch genannt!)

In der Tat können wir auf vier Jahren ohne Neuverschuldung – hier sind Sie mit dem Zählen nicht ganz mitgekommen – in der vergangenen Legislaturperiode aufbauen. Nun beraten wir einen Haushalt, der darauf aufbauen kann. Herr Rülke wird ebenfalls nicht müde, auf das hinzuweisen, was in der Vergan genheit aufgebaut worden ist,

(Abg. Anton Baron AfD: 40 % mehr Einnahmen!)

damit nun eine weitere Nullneuverschuldung möglich ist – die von Anfang an perspektivisch auch immer möglich war. Wir freuen uns, dass wir dazu beitragen können. Dies ist ein Haus halt, der zeigt, dass Baden-Württemberg Zukunft hat.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Markus Rös ler GRÜNE)

Aber Sie werden nicht darum herumkommen, dass der Ver treter der Opposition einiges ansprechen wird, was sich mit diesem Haushalt sehr bedenklich weiterentwickelt.

Wir beenden mit dem heutigen Tag und mit der noch folgen den dritten Lesung die erste Phase grün-schwarzer Finanzpo litik, welche mit parteispitzeninternen Geheimabsprachen be gann und nun mit Anträgen endet, die man kurz vor der Ple nardebatte von den Regierungsfraktionen vorgelegt bekommt.

Dass kurz vor den Plenardebatten ohne Vorberatung noch An träge eingereicht werden – oft mit millionenschweren Ver pflichtungsermächtigungen, die in die Jahre 2018, 2019, 2020 reichen, Jahre, die die Frau Finanzministerin als schwierig für den Haushalt ansieht –, dass üblicherweise fraktionsübergrei fend und konsensual gefasste Beantragungen aus diesem Haus, z. B. zum Datenschutz, zu einem hinausgezögerten Ko alitionssolo werden, dass ein haushaltrelevantes Sicherheits paket – das sicher konsensträchtig wäre – ohne Vorberatung publikumswirksam kurz vor die Plenarberatung gezogen wird – alles unter Umgehung des dafür zuständigen Finanzaus schusses –, dass wir – wir sind ja nicht weinerlich – Anträge, die mit Koalitionsanträgen identisch sind, im Ausschuss ab haken können, dass wir Informationen, die beantragt worden sind, etwa zum Stand der Rücklagen, erst kurz vor der Plenar sitzung erhalten, das alles geht nicht!

Mit der Beratung des Haushaltes 2017 wurde die durch das Königsrecht des Parlaments definierte Grenze zwischen Re gierung und Parlament – das Königsrecht des Haushalts – ein spürbares Stück verrückt. Dafür trägt Grün-Schwarz die Ver antwortung. Das geht nicht. Wir fordern Sie auf, zu einer an deren Praxis zurückzukehren.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Die offenbar notorische Fingerhakelei und Profilierungssucht von Grün-Schwarz ist kein Grund für ein solches unsere Rech te verletzendes Gebaren, meine Damen und Herren.