Protokoll der Sitzung vom 22.03.2017

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Manuel Hagel CDU und Klaus Dürr AfD)

Zur Begründung des An trags Drucksache 16/997 erteile ich Herrn Abg. Kleinböck für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen, liebe Kollegen! Der Blick auf die 2016 gestellten An träge zum Schulbauförderungsprogramm zeigt den großen Sa nierungs- und Modernisierungsstau an den Schulen in BadenWürttemberg und den daraus resultierenden Finanzbedarf der Kommunen.

Auf das Mantra der Privilegierung der Gemeinschaftsschulen, lieber Kollege Kern, werde ich an dieser Stelle

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Nur wenn es nicht zutrifft! Das trifft ja zu!)

nicht mehr eingehen müssen. Darüber haben wir hier schon oft genug diskutiert.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, viele Schulbauten entsprechen heute in der Tat nicht mehr den Ansprüchen moderner Päda gogik. Die Umsetzung zukunftweisender Konzepte wie Inklu sion und Ganztag bedürfen einer entsprechenden baulichen Infrastruktur. Das gilt auch für die Maßgaben, individualisier tes Lernen zu ermöglichen oder die Leitperspektive Medien bildung aus dem neuen Bildungsplan umzusetzen. All das ver langt an zahlreichen Standorten nach räumlichen und techni schen Veränderungen.

Die Vorgängerregierung hat ja – auch das hat der Kollege schon kurz angesprochen – mit der 2015 in Kraft getretenen Verwaltungsvorschrift Schulbauförderung die Fördermöglich keiten im Bereich des Umbaus bestehender Schulgebäude deutlich verbessert. Aber, wie gesagt, das war eben nur der erste Schritt, und jetzt ist es an der Zeit, dass die nächsten Schritte folgen.

Im Mittelpunkt der Diskussion steht für uns, die SPD, die Qualität von Bildung. Ich denke, wenn es die Landesregie rung mit der Qualitätsoffensive Bildung, die angekündigt ist, ernst meint, dann kann sie die Kommunen mit dieser Mam mutaufgabe nicht alleinlassen. Es ist in der Tat richtig, dass der aktuelle Investitionsstau – geschätzt zwischen 3 Milliar

den € und 4 Milliarden € – für die Schulen in Baden-Würt temberg zeigt, dass das Land hier gegebenenfalls auch in Ko operation mit dem Bund aktiv werden muss.

Aus der Affäre ziehen kann sich die Landesregierung schon allein deshalb nicht, weil sie den finanziellen Spielraum der Kommunen durch die Erhöhung der Vorwegentnahme enorm beschnitten hat. Der Preis der Konsolidierung des Landes haushalts 2017 wird wie bei der Streichung von über 1 000 Lehrerstellen von den Schülerinnen und Schülern bezahlt. Ich denke, das muss man einfach immer wieder sagen.

(Beifall bei der SPD)

Bislang umfasst die Schulbauförderung nur Neubauten, Er weiterungen und Umbauten mit Grundrissänderung. Wir for dern die Landesregierung auf, zu prüfen, ob diese Fördertat bestände noch bedarfsgerecht sind oder ob sie um einen Tat bestand der Modernisierung ergänzt werden müssen. Deshalb auch unser Antrag.

Der grüne OB von Freiburg hat auf der „didacta“ treffend for muliert: „Trotz Unterhaltsmaßnahmen hat eine Schule eben nur eine begrenzte Lebensdauer.“ In der Schulbauförderungs richtlinie ist ja die Rede von 25 Jahren Mindestlebensdauer. Der Vergleich mit der begrenzten Lebensdauer eines Daim lers, den Herr Salomon in dieser Rede gezogen hat, der trotz regelmäßiger Inspektion irgendwann halt einfach „fertig“ ist, sollte, glaube ich, hier auch die Skeptiker und die Landesre gierung überzeugen, dass jetzt etwas getan werden muss.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Meine Damen und Herren, viele Schulen sind deutlich älter als 25 Jahre. Wir haben in meiner Heimatstadt mit großem Kraftaufwand ein Gymnasium nach 45 Jahren für 12 Millio nen € modernisiert und saniert – mit einem überschaubaren Landeszuschuss von knapp 700 000 €, obwohl wir während dieser Nutzungsdauer mit neuen Fenstern und sonstigen Maß nahmen einige Hunderttausend Euro für den Erhalt investiert hatten.

Wenn wir über diese neuen Tatbestände nachdenken, dann müssen wir natürlich auch eine Einzelfallprüfung zulassen. In meinem Wahlkreis z. B. gibt es eine Schule, die auf einer Alt last steht – irgendein Benzol und Gerbstoffe oder so etwas –, bei der eine Sanierung nicht nachhaltig wäre. Es wäre ein Schildbürgerstreich, diese Schule zu sanieren. Deshalb muss ein Neubau an anderer Stelle hier auch bezuschusst werden können. Das ist also eine Maßnahme, bei der ich sage: Auch hier muss diese neue Verwaltungsvorschrift etwas mehr Fle xibilität bringen.

Dass sich Ministerpräsident Kretschmann vehement gegen die Hilfe vom Bund sträubt, ist für mich grotesk. Der Föderalis mus ist nicht in Gefahr, weil der Bund Geld für die Sanierung von Schulen gibt. Hier wurde ein dringender Bedarf erkannt und ein entsprechendes Paket geschnürt. Die SPD-Bundes tagsfraktion hat dabei die Initiative ergriffen. Dafür muss man hier schon einmal einen Dank aussprechen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, auch frühere Sonderprogramme des Bundes haben die Bildungshoheit der Länder nicht beschnit

ten. Ich erinnere an das SIP, das Sonderinvestitionsprogramm des Bundes unter Gerhard Schröder, über das 2003/2004 4 Mil liarden € für den Ausbau von Ganztagsschulen bereitgestellt wurden. Die damalige Landesregierung war zunächst sehr skeptisch und hat das auch belächelt, aber der große Run auf diese Projekte, auf diese 500 Millionen € des Bundes, hat dann schon gezeigt, dass es richtig war, dieses SIP aufzulegen.

Meine Damen und Herren, die Ankündigungen aus dem Bund, im Rahmen eines Schulbaumodernisierungsprogramms und des Digitalpakts Gelder zur Verfügung zu stellen, macht un sere Forderung nach landeseigenen Maßnahmen nicht obso let. Es muss eine dauerhafte Lösung gefunden werden, um die Schulen zu anregenden Lernorten zu machen, statt sie ver kommen zu lassen. Warum? Frau Ministerin, Sie erinnern sich an Ihre Zeit als Schulbürgermeisterin von Stuttgart: „Wenn man sich in seiner Umgebung wohlfühlt, lernt man ganz an ders.“

Zunächst einmal vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

In der Aussprache erteile ich für die Fraktion GRÜNE das Wort Herrn Kollegen Wal ter.

Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Es ist die Aufgabe der Landesre gierung, Baden-Württemberg fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Logischerweise spielt die Bildung dabei eine zentra le Rolle. Daher ist es auch logisch, dass die Schulgebäude in klusive der Infrastruktur auf den neuesten Stand gebracht wer den müssen: energetisch, pädagogisch usw. Insbesondere die immer weitere Teile unserer Arbeitswelt und unserer Lebens weise verändernde Digitalisierung bedarf enormer Kraftan strengungen. Wir alle wissen, Herr Kollege: Diese enorme Kraftanstrengung ist nicht von heute auf morgen möglich.

Aber die Landesregierung hat längst reagiert und gehandelt. Seit dem 1. Januar 2015 ist die Verwaltungsvorschrift Schul bauförderung in Kraft. Damit wurden die Fördermöglichkei ten für den Umbau bestehender Gebäude verbessert. Aber ge rade den Antragstellern von der SPD erzähle ich da ja nichts Neues.

Ende des vergangenen Jahres hat das Finanzministerium ge meinsam mit den kommunalen Landesverbänden einen Sa nierungsfonds aufgelegt. Davon werden immerhin 80 % für Schulbausanierungsmaßnahmen verwendet. Im ersten Jahr be finden sich für unsere Schulen ca. 32 Millionen € im Topf. Herr Kollege Dr. Kern, ich glaube, im Einzelplan 12 werden Sie es finden. Schauen Sie noch einmal hinein. Die Summen werden dann in den nächsten Jahren stark ansteigen, und zwar von fast 59 Millionen € im nächsten Jahr auf ca. 92 Millio nen € im Jahr 2019.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Brigit te Lösch GRÜNE: Gut! – Zuruf des Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU)

Diese Summen werden angesichts der vom Städtetag prog nostizierten 3 Millionen € nicht alle Probleme sofort lösen.

(Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Milliarden! – Zuruf der Abg. Sabine Wölfle SPD)

Milliarden. Sorry. Ja, klar, Milliarden. Bei 3 Millionen hät ten wir es ja schon gelöst, Kollege Stoch; dann müssten wir gar nicht mehr diskutieren.

Erstens ist völlig klar, dass das Programm über viele Jahre aufgelegt werden muss, und zweitens ist auch klar – in Ihrer Kommune wurde schon darauf hingewiesen –: Die Kommu nen als Schulträger sind in dieser Frage natürlich genauso ge fordert wie das Land.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Wenn man nun, Herr Kollege, die Pressemitteilung des Städ tetags vom 25. Januar dieses Jahres liest, erkennt man, dass dieser Fonds auch vonseiten der Kommunen als ein starkes und positives Signal anerkannt wird. Ich zitiere:

Eine dritte Quelle eröffnet das Land nach zähen Finanz verhandlungen mit den kommunalen Landesverbänden selbst, indem es einen Sanierungsfonds schafft, der nach dem Willen des Städtetags für Schulbaumodernisierungs maßnahmen verwendet werden soll. Etwa 40 Millionen € sind 2017 dafür zu erwarten. Ein vergleichsweise beschei dener Anfang also, aber ein sehr guter und nach unserer Überzeugung auch bahnbrechender. Chapeau!

So weit der Städtetag. Dieses Zitat zeigt, dass manches, was hier an Kritik geäußert wird, schlichtweg übertrieben ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Denn wenn selbst der Verhandlungspartner zufrieden und be geistert ist, kann das Ergebnis nicht so schlecht gewesen sein.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Da gibt es auch an dere Stimmen! – Abg. Andreas Stoch SPD: Begeis tert? 320 Millionen den Kommunen weggenommen, 40 Millionen gegeben!)

Darüber hinaus stehen den Schulträgern mit der kommunalen Investitionspauschale nicht zweckgebundene Finanzierungs mittel zur Verfügung. Allein im Jahr 2015, Kollege Stoch, wurden dadurch 760 Millionen € bereitgestellt. Für finanziell schwache Kommunen steht zudem der Ausgleichstock des Landes zusätzlich zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Trotz allem werden enorme Summen in die Hand genommen, und das ist ein gu ter erster Schritt.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Bekanntermaßen verteilt der Bund 3,5 Milliarden € für Sanie rung, Umbau und Erweiterung von Schulgebäuden. – Ich se he dies im Übrigen sehr positiv und sehr locker: Wenn das Geld aus Berlin kommt, nehmen wir es gern; wir können es gut gebrauchen. – Diese Mittel werden je nach Bedürftigkeit der Kommunen in den Bundesländern verteilt. Dies wieder um ist ein Nachteil für Baden-Württemberg; denn so können wir nur 250 Millionen € erwarten. Da dies über dieses Pro gramm so verteilt wird, hoffen wir, dass beim angekündigten 5-Milliarden-€-Programm zur Digitalisierung der 40 000 Schu len in der Bundesrepublik Deutschland die Einwohnerzahl und die Schülerzahl als Maßstab genommen werden. Dann

könnten wir eine stattliche Summe von bis zu 600 Millionen € erwarten. Das wäre ein Fortschritt für Baden-Württemberg. Wir hoffen, dass dies in Berlin auch so entschieden wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Eine Klärung soll bis zum Sommer erfolgen. Daher, meine Da men und Herren von der SPD, kann ich Ihre Frage: „Ist es Zeit für ein landeseigenes Schulbaumodernisierungsprogramm?“ derzeit nur so beantworten: Im Prinzip ja. Aber solange wir nicht wissen, was wir auch vom Bund zu erwarten haben, müssen wir uns noch etwas gedulden.

(Abg. Rainer Hinderer SPD: Das ist wie bei Radio Eriwan! – Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Landesei gen!)

Fakt ist – – Ja, jetzt warten Sie doch mal ab, was vom Bund kommt, und dann entscheiden wir, was wir im Land tun und wie dies geregelt wird. Jetzt ein landeseigenes Programm auf zulegen halten wir für verfrüht.

Ein letztes Wort zu dem, was der Kollege Dr. Kern gesagt hat. Sie müssen es allmählich einsehen: Der Gemeinschaftsschu le gehört die Zukunft.