Protokoll der Sitzung vom 22.03.2017

(Beifall bei der AfD – Abg. Rüdiger Klos AfD: Ja wohl!)

Es sind die schwarz-rot-grün-gelb-bunten Realitätsverweige rer, die sie dabei eskortieren. Sie sitzen seit Jahrzehnten an den Hebeln der Macht. Sie sind schuld, nicht ihre Kritiker.

(Zuruf von der AfD: Genau!)

Das Gebot der Stunde lautet: Rückkehr zum europäischen Gründungsgedanken –

(Zurufe von der AfD: Jawohl! – Genau!)

der ist nämlich vernünftig –, Rückkehr zum Geist der Römi schen Verträge – die sind hoch vernünftig –, Rückkehr zur so zialen Marktwirtschaft, Rückkehr zur Herrschaft des Rechts, Rückkehr zur wirklichen Subsidiarität –

(Beifall bei der AfD)

nicht nur als Lippenbekenntnis –, Rückkehr zur Vielfalt und Freiheit der Völker, kurz: Rückkehr zu Europa.

(Zuruf von der SPD)

Richtig, eine kluge Rückkehr; denn manches ist schiefge laufen. – Dies impliziert eine Abkehr von dem in den letzten Jahren eingeschlagenen Weg. Nur so kann der Patient EU ge nesen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Hofelich.

Werte Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und Kollegen! Herr Meuthen, nach Ihnen zu spre chen ist immer eine Herausforderung.

(Vereinzelt Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Der erste Satz meiner Rede lautet angesichts dessen, was Sie gerade angesprochen haben, deshalb: Von welchem Europa sprechen Sie eigentlich? In welchem Europa leben Sie eigent

lich? Ich lebe in einem anderen Europa, Herr Meuthen. Das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der SPD, den Grünen und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Jörg Meu then AfD: Das glaube ich Ihnen!)

Am 25. März 1957 haben sich die Länder der Montanunion zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zu Euratom zusammengeschlossen. Einen Monat zuvor, am 25. Februar desselben Jahres, hatte der Oberbefehlshaber der NATO noch gefordert, dass die Bundeswehr atomar bewaffnet werden soll. Einen Monat später, am 12. April 1957, haben sich deutsche Atomwissenschaftler im Göttinger Manifest dagegen ausge sprochen, dass sich Deutschland atomar bewaffnet.

Wir haben seither gute Jahre hinter uns. Es war richtig, dass wir ein Europa des Friedens haben, es war richtig, dass wir ein Europa der Aufklärung haben, es war richtig, dass wir ein Europa der Freiheit haben, und es war richtig, dass wir ein Eu ropa der zunehmenden europäischen Identität haben. Darauf sind wir in Baden-Württemberg stolz, Kolleginnen und Kol legen.

(Beifall bei der SPD, den Grünen und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU)

Natürlich sind wir in einer nicht einfachen Phase. Die ersten Eindrücke sprechen gegen dieses Europa, das in Feierlaune sein soll: Großbritannien tritt aus der EU aus, Ungarn unter läuft die Gewaltenteilung, Polen brüskiert beleidigt den Eu ropäischen Rat, und zu allem Überfluss erklimmen die Nor weger, die sich vom Klub der 28 ferngehalten haben, im welt weiten Glücksranking die Nummer 1.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja! Und sind noch nicht in der EU!)

Die zweiten Eindrücke verändern jedoch das Bild. Die west lichen Balkanländer sehen Europa als ihre Hoffnung, Tusk wird mit 27 von 28 Stimmen – also auch von Ungarn und Tschechien – gewählt, Rumänen gehen für die Freiheit auf die Straße, Trump, Putin und Co. schweißen Europa zusammen, in Deutschland sind Bürger für „Pulse of Europe“ auf der Stra ße, und als starkes Statement bremst Holland Wilders und Co. ab.

Ich darf es einmal so sagen: Mit dem zweiten Eindruck sieht man besser. Europa ist in keiner so schlechten Verfassung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Europa erlebt ein Comeback. 60 Jahre nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge – nach dem Kontinent der Schlacht felder, nach dem Kontinent der Nationalismen, nach dem Kon tinent der sozialen Gegensätze – besinnt es sich und wird er wachsen. Sicher, der Idealismus von Rom ist nicht der Prag matismus von Brüssel; beides könnte jedoch statt gegensätz lich künftig vielleicht besser symbiotisch sein. Wer ein prag matisch gelingendes Europa will, Kolleginnen und Kollegen, braucht künftig mehr Idealismus.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Unser Land Baden-Württemberg: historisch seit den Staufern und den Zähringern europäisch ausgerichtet, blutig und auch tragisch am Hartmannsweilerkopf die Chauvinismen durch lebend, aufgeklärt mit Europäern wie Carlo Schmid oder Ralf Dahrendorf, die wir uns nicht von anderen vereinnahmen las sen, meine Damen und Herren, für Europa eintretend.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Die einfache Lehre für unser Land ist: Baden-Württemberg darf nicht mittrotten. Baden-Württemberg muss für Europa vorangehen, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Wir, die SPD-Landtagsfraktion, markieren dabei unsere euro päische Position in einigen wenigen Bemerkungen, die ich an dieser Stelle aktuell ansprechen möchte, wobei ich nicht im Grundsätzlichen bleiben möchte.

Erstens: Eine Rückabwicklung von Europa gibt es mit uns nicht, auch nicht unter dem Deckmantel „weniger, aber effi zienter“. Wer bloß den Binnenmarkt von Waren und Kapital will und die Arbeitnehmer und Verbraucher außen vor lässt, wer keine gemeinsame europäische Außenpolitik will, wer in Europa nicht industriepolitisch Strukturnachteile angehen und Strukturvorteile anstreben will, der liegt falsch. Bei uns ist klar: Bei Arbeitnehmern gilt immer der Sozialstandard des Landes, in dem gearbeitet wird. Bei Verbrauchern gibt es kei ne zwei Qualitätsstandards. Europa bleibt industriell und ex portiert seine Produkte und sein Wissen.

An die – schon wieder – Teppichausleger für den Turbokapi talismus gerichtet sagen wir: Schlau ist nicht klug. BadenWürttembergs Interesse ist mehr Europa und ein soziales Eu ropa, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Ihr habt gar nichts verstanden! Ach du meine Güte!)

Zweitens: Europa schützt seine Außengrenzen und lässt an dere nicht im Regen stehen. Regierungen in Zentral- und Ost europa werden das hoffentlich mit uns nach und nach mitma chen. Sie müssen wissen: Nichts ist umsonst. Diejenigen, die seitens der Visegrad-Staaten Hilfe erwarten, von denen erwar ten wir auch, dass sie uns helfen. Es gibt heute halb so viele Frontex-Beamte, wie es griechische Inseln gibt. Das zu än dern ist gemeinsame europäische Verantwortung.

Ich sage an dieser Stelle auch einmal: Die dauernde Demüti gung der Griechen muss endlich einmal ein Ende haben, Kol leginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Flucht ist ein Geschäft, und wir wollen dieses Geschäftsmo dell zerstören, so wie Boote zerstört gehören und so wie es eben auch wichtig ist – das ist meine dritte Bemerkung –, dass wir Entwicklungszusammenarbeit praktizieren, dass wir nicht defensiv und reaktiv sind. Der angekündigte europäische Mar shallplan für Afrika – nördlich und südlich der Sahara – ist überfällig. Für Baden-Württemberg ist die Burundi-Hilfe, so

honorig sie ist, zu kurz gesprungen. Wir erwarten eine Außen wirtschaftsstrategie des Landes Baden-Württemberg, welche mehr als eine Exportförderung ist. Das, was wir mit Amerika und mit Asien leicht buchstabieren, nämlich dass Auslandsin vestitionen auch Inlandswachstum und Beschäftigung brin gen, das muss auch für Afrika gelten, Kolleginnen und Kol legen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Erinnern wir uns an die Worte von Willy Brandt:

Europa wird seiner Verantwortung nur gerecht, wenn es den Partnern in der Dritten Welt Zukunftsträchtiges zu bieten hat.

Viertens einige wenige Sätze zur innereuropäischen Bürokra tie. Ich zitiere sinngemäß einmal Günther Oettinger: Wollen wir einen europäischen Gurkenkrümmungsstandard, oder wol len wir 28 davon? Auch das ist eine Frage in Europa.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD)

Das dauernde Anekdotische mit Fokus auf der angeblichen Bürokratie mag ganz nett sein, und es kommt ja auch recht gut an. Richtig ist auch, dass die Europäische Kommission mehr Kommunikation braucht. Wir spüren in Brüssel und in Straßburg auch, dass man da unterwegs ist. Aber ich finde auch – eben wurde das Thema Holz angesprochen –, dass nicht alle Themen, für die vielleicht Kartellbehörden zustän dig sind, nun unbedingt bei der Europäischen Kommission abgeladen werden müssen. Das gehört sich nicht, Kollegin nen und Kollegen. Europa ist nicht der Abladeplatz für Sor gen, für die es an anderer Stelle eine Zuständigkeit gibt.

(Beifall bei der SPD)

Subsidiarität ist kein Begriff, der wirklich Bestandteil der Rö mischen Verträge wäre; sie ist eher ein Begriff eines defensiv zusammengesetzten Europas.

(Zuruf von der AfD)

Für die SPD gilt, dass die originären Aufgaben der Landes verfassung selbstverständlich nicht zur Disposition stehen. Weder in Richtung Bund – der künftig mehr Geld für die stei genden Landesausgaben bereitstellen muss – noch in Rich tung Europa werden wir diese Aufgaben abgeben.