Protokoll der Sitzung vom 11.05.2017

Meine Damen und Herren, auch darüber hinaus ist es interes sant, zu sehen, wer mit der Wahl nicht so ganz glücklich war. Der Mann in Moskau hat das Ergebnis auch nicht gerade gern gesehen. Man muss einfach wissen, wie die Konstellation ist: Er hatte ja lange einen Schlingerkurs gefahren. Zwischen durch hatte er einmal Fillon bevorzugt, weil dieser gesagt hat, er werde die Sanktionen beenden. Aber dann ging er wieder zurück zu Le Pen – und dann die Enttäuschung! Ich kann mir vorstellen, dass nun die Rubelkredite an die Rechtspopulisten eingestellt werden. Es bringt einfach nichts, in sie zu inves tieren.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ja!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Ihnen an dieser Stelle aber etwas sagen, was mir aufgefallen ist: Wir sind ja doch globalisiert, was Medien betrifft, und müssen auf merksam registrieren, was alles verbreitet wird.

(Abg. Anton Baron AfD: Vor allem unser Sozialmi nister!)

Das Boulevardblatt des Herrn Putin hat einen Satz veröffent licht, den ich Ihnen gern einmal preisgeben möchte, damit Sie wissen, was uns da alles ins Haus steht.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ist das die „Prawda“?)

Sie schreiben wirklich nach dem Wahlsieg: „Jetzt müssen die Franzosen durch die globalistische Hölle“, und jetzt kommt es: „Sie verdienen nicht die Demokratie, die mit dem Leben Millionen sowjetischer Soldaten bezahlt worden ist.“ Sie müs sen sich einmal durchlesen, was dort publiziert wird, und Pu blikation in Moskau ist schnell Publikation in der ganzen Welt. Solch eine Stimmung wird geschaffen. Das muss man wissen, insbesondere dann, wenn man sich sonst als Putin-Versteher gerieren möchte.

Ich denke, man sollte sich mit Ratschlägen an den neu gewähl ten Präsidenten Frankreichs zurückhalten. Ein Spruch lautet: „Jetzt sitzt er im Sattel, jetzt muss er halt reiten.“ Aber ich ha be den Eindruck, er weiß um den schweren Weg. Erinnern Sie sich, was er am Sonntagabend den Franzosen zugerufen hat: „Es ist ein gewaltiger, ein harter Weg, der vor uns steht.“

Er weiß, dass im Moment die Schlüsselindikatoren der fran zösischen Wirtschaft fest in die falsche Richtung weisen: Ob Staatsausgaben, Staatsverschuldung, Regulierung, Steuerquo te, Industrieabbau – alles geht nach oben. Das weiß Macron, und ich denke, wir brauchen ihm im Moment wirklich keine Ratschläge zu erteilen; denn er spürt, dass die Hauptheraus forderung darin besteht, die Arbeitslosigkeit, die sich wie ein böser Bazillus in die Gesellschaft eingeschlichen hat, zu be kämpfen.

Wir brauchen Frankreich als starken Partner in Europa – da zu komme ich später noch –, aber auch als wirtschaftsstarken Partner. Es muss uns klar sein, dass man Außenhandel am bes ten mit jenen betreiben kann, die selbst stark sind. Wir haben gestern darüber gesprochen, dass Baden-Württemberg 2015 Waren im Wert von 12 Milliarden € nach Großbritannien ex portiert hat. Ich habe mir die Zahlen noch einmal geben las sen. Die Exporte von Baden-Württemberg nach Frankreich beliefen sich 2015 auf 14 Milliarden €.

(Abg. Winfried Mack CDU: Hört, hört!)

Sie können sich vorstellen: hauptsächlich im Maschinenbau, in der Anlageninvestition und der Chemieindustrie – alles Be reiche, die im Grunde geradezu herausfordern, dass es Frank reich gelingt, wieder Wachstum zu generieren und dann auch allmählich die Arbeitslosigkeit abzubauen.

In der „Neuen Zürcher Zeitung“ steht: „zaghafte Pläne für die Wirtschaft“, „schwammig“, „reichlich zögerlich“. Natürlich, wenn man sich anschaut, was er im Wahlkampf von sich ge geben hat, stellt man fest: Es war einerseits intervenistisch und andererseits wiederum ein Bekenntnis zur Marktwirtschaft. Wie immer hat Frau Merkel einfach recht, wenn sie sagt, jetzt

müssen wir einfach abwarten, was kommt. Es muss noch kon kreter werden!

Ich will ganz klar sagen, dass Macron zugestanden werden muss, dass er vor einer Parlamentswahl steht. Diese ist für den weiteren Kurs entscheidend, denn – das übersehen wir oft, weil wir die Macht des französischen Präsidenten vielleicht zu hoch einstufen – wenn der Premierminister keine Mehrheit bekommt, liegt er flach. Es muss also jetzt ein Ergebnis bei der Parlamentswahl herauskommen. Dann wird es um eine Mehrheit gehen.

Ich habe gestern mit unserem Freund Philippe Richert telefo niert. Er sagte: „Wir werden das üben müssen, was ihr schon kennt, nämlich Koalitionsabsprachen, das Schmieden einer Koalition.“ Ich meine, klar ist, was er sich vorstellen könnte; aber, wie gesagt, auch wenn am Sonntag ein Premierminister vorgeschlagen wird, ist es möglich, dass Frankreich erst am 18. Juni nach langen Verhandlungen zu einem Premier kommt.

Einige klare Aussagen hat Macron getroffen: 120 000 Beam tenstellen abbauen. Haben Sie das einmal hochgerechnet? Ich glaube, 60 Millionen Einwohner hat Frankreich. Baden-Würt temberg hat 10 Millionen, also ein Sechstel davon. Stellen Sie sich vor, wir würden sagen, wir bauen 20 000 Beamtenstellen ab. Herr Stich würde sein Sommerfest sofort streichen. 120 000 Beamtenstellen streichen, das ist schon einmal ein Wort.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Aber auch nur ein Wort!)

Das Nächste ist: Er will die Unternehmensteuer von 33 % auf 25 % herunterfahren. Die Kollegen von der Sozialdemokra tie haben heute überrascht. In der Zeitung heißt es: „Schulz stützt Macrons Kurs“. Es ist fraglich, ob er die zwei Punkte auch unterstützen würde, die ich gerade genannt habe.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Das ist doch Schröder pur!)

Schröder pur; ja, gut.

(Heiterkeit)

Wenn Schulz allmählich begreift, dass Schröder gar nicht da nebengelegen hat, dann wäre dies für uns alle ein Segen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Auch die SPD muss es be greifen! – Gegenruf des Abg. Peter Hofelich SPD – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Wir wollen nicht allein die Rosinen!)

Übrigens haben sich bereits zwei Personen – damals beide Wirtschaftsminister – Gedanken darüber gemacht, wie man es angehen könnte. Es waren Gabriel und Macron zusammen. Damals sind die Gedanken entstanden, die jetzt ein wenig Fu rore machen, nämlich einen Haushalt für den Bereich der Währungsunion zu schaffen.

(Abg. Anton Baron AfD: Sauber!)

Der Aufschrei ist heute überall lesbar. Ich würde einfach ein mal sagen: Gemach, gemach! Er würde gern einen Haushalt für die Währungsunion einführen und, wenn ich es richtig ver stehe, vor allem ein Investitionsbudget für Deutschland und Frankreich einrichten. Aber dies ist noch lange nicht der

Schnellzug in Richtung einer Schuldenunion, die heute an die Wand gemalt wird.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD – Abg. Anton Baron AfD: Ja, ja!)

Da gibt es eine Vollbremse, und die heißt Wolfgang Schäub le; das garantiere ich Ihnen.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Im Übrigen habe ich bewundert, wie er sich im Wahlkampf engagiert und ohne Rücksicht für Europa starkgemacht hat.

(Zuruf von der AfD: „Ohne Rücksicht“!)

Ohne Rücksicht. Warten Sie, bis es fertig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Thomas Marwein GRÜNE – Lachen bei Abgeordne ten der AfD)

Er hat sich ohne Rücksicht für Europa starkgemacht. Wie die ser Mann auch die ungerechte Kritik gegenüber Europa und gegen Brüssel angeprangert hat!

(Abg. Anton Baron AfD: EU! EU!)

Das ist bei uns nicht immer so zu hören, weil es hier eine ge genläufige Entwicklung gibt. Klar hat er gesagt, er wolle die Fortentwicklung, er wolle die Vertiefung und somit die Inte gration weiterführen.

(Abg. Anton Baron AfD: Verrückt!)

Man muss auch wissen, was er damals bei seiner Rede in der Humboldt-Universität zu Berlin gesagt hat. Er hat gesagt: „Im Grunde ist mein Bekenntnis klar: Es muss, wenn der Euro in zehn Jahren noch vorhanden sein soll, zu einer politischen Union, einer Wirtschafts- und Währungsunion kommen.“ Er hat hinzugefügt: „Wenn dies nicht kommt, dann stirbt der Eu ro.“ Der Euro ist das politische Mittel, mit dem auch die Schicksale der Länder zusammengekoppelt sind, um Europa wirklich entstehen und Wirklichkeit werden zu lassen.

(Abg. Anton Baron AfD: Keine Ahnung!)

Es handelt sich um eine spannende Geschichte, vor allem für die, die Kritik üben. Ich sage: Die Aufbruchstimmung, die der Mann mitbringt, ist wichtig. Wenn man sich das Weißbuch von Juncker anschaut, die fünf Szenarien, dann kann man sa gen: Ohne neuen Schwung wird davon gar nichts verwirklicht. Die Chance, die jetzt entsteht, müssen wir begreifen. Da kommt einer, der Aufbruchstimmung entfaltet, und jetzt kann der Motor wieder in Gang gesetzt werden, der so unglaublich wichtig ist, nämlich Berlin und Paris. Dieser Motor ist wich tig, da Deutschland, so häufig auch danach gefragt wird, al lein keine europäische Führungsverantwortung übernehmen kann. Es braucht das Pärchen Paris und Berlin, auch wegen der geschichtlichen Hintergründe.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Lassen Sie uns jetzt einfach einmal die Parlamentswahlen in Frankreich gelassen abwarten. Bei allem, was Europa anbe

langt, bedarf es meist einer vollständigen Zustimmung der an deren Länder.

(Zuruf des Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD)

Hier würde ich jetzt nicht in Angst verfallen und in Höllen feuer blicken, sondern sagen, es handelt sich zunächst viel leicht um eine überschießende Programmatik, aber wir haben gemeinsam mit Berlin in Europa und im Weißbuch eine Grundlage, die eine gute Zukunft bringen kann.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Abg. Stächele.

Ach, ich hätte noch viel zu sagen.

(Heiterkeit – Abg. Thomas Blenke CDU: Es ist so schön! – Zuruf von der SPD: Wir hören gern zu!)

Das glaube ich Ihnen.