Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

Ja.

(Abg. Felix Schreiner CDU: Ich heiße aber nicht Wald, sondern Schreiner! – Gegenruf des Abg. Her mann Katzenstein GRÜNE: Hat sie ja auch gesagt, Herr Kollege! – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Hat sie gesagt!)

Ich habe auch Frey verstanden.

Herr Minister, wir wollen ja nicht, dass es der Autoindustrie so geht wie der Uhrenindus trie im Schwarzwald. Deswegen setzen wir auf technische Nachrüstung. Sie haben es gesagt.

Ich wollte, was das Thema „Synthetische Treibstoffe“ angeht, noch einmal nachfragen: Was gibt es da für Erkenntnisse in der Landesregierung? Denn mein Stand ist, dass z. B. ein Elektromotor nicht unbedingt schädlicher für die Umwelt ist als ein Zwei-Liter-Verbrennungsmotor, 75 PS, betrieben mit synthetischem Treibstoff. Gibt es da Erkenntnisse, und was unternimmt die Landesregierung an dieser Stelle, um dies vielleicht noch voranzutreiben?

Bitte, Herr Minister.

Vielen Dank. – Die Frage war auch in der Frage von Herrn Abg. Haußmann ein bisschen intendiert. Aus meiner Sicht geht es nicht um die Frage „Elektromobilität, ja oder nein?“, auch wenn ich glau be, dass dies im Moment wahrscheinlich die beste Technolo gie ist. Vielmehr geht es um Abgasfreiheit und Klimaneutra lität. Deswegen kommen automatisch auch Kraftstoffe ins Spiel. Biologisch erzeugte Kraftstoffe z. B., die nicht zulas ten der Ernährungsproduktion gehen, sind sinnvoll. Das hat te man auch einige Zeit, und heute hat man es zum Teil noch in der Landwirtschaft.

Wir werden vermutlich im Luftverkehr, bei der Schifffahrt, aber auch bei den Lkws noch nicht so schnell elektrisch un terwegs sein. Deswegen wird man in solchen Bereichen um die Entwicklung von synthetischen, aber dann möglichst kli maneutral erzeugten Kraftstoffen vielleicht nicht herumkom men. Deswegen haben wir übrigens auch im Bereich der Di gitaloffensive ein Modellprojekt THG-Quote – das ist die Treibhausgaseffekt-Quote – mit dem Ziel gestartet, den CO2Ausstoß zu reduzieren.

Eine Möglichkeit ist, dass man Überschüsse bei erneuerbaren Energien – diese fallen manchmal an, wenn es viel Wind gibt, die Stromabnahme aber gering ist – nutzt, um beispielsweise Wasserstoff zu erzeugen, und so die Brennstoffzellenmotori sierung unterstützt. Man könnte mit der überschüssigen Ener gie auch Methan erzeugen und damit einen Gasmotor betrei ben. Es gibt also verschiedene technische Varianten, wie man dies nutzen kann.

Ich bin ein bisschen unglücklich über die grüne Formulierung „abgasfrei“. Besser wäre es, von „klimaneutral“ und „emissi onsarm“ zu sprechen. Dann hätte man die Gesamtbilanz im Blick. Man muss auch wissen: Mobilität darf man nicht nur in Bezug darauf sehen, was hinten aus dem Auspuff kommt oder was konkret an Energie benötigt wird, sondern es geht darum, dass die gesamte ökologische Bilanz der Fahrzeugpro duktion, der Nutzung und der Entsorgung stimmt. Deswegen gehört zum neuen Elektroauto eigentlich hinzu, dass dieses komplett recycelbar ist und dass natürlich auch in der Vorket te schon ökologisch gehandelt wird.

Vielen Dank. – Nun erteile ich das Wort Frau Abg. Dr. Baum.

Herr Minister Hermann, ich habe eine Frage zu Ihren anfänglichen Äußerungen. Ich weiß nicht genau, wie ich diese interpretieren soll: Heißt das jetzt für die Grünen – so, wie es damals auch für Frau Merkel galt –, dass man sich nicht darauf verlassen kann, dass das, was vor der Wahl gesagt wird, auch nach der Wahl gilt?

(Unruhe)

Oder heißt das praktisch, dass die Grünen in jedem Parlament, in dem sie vertreten sind, eigene Entscheidungen treffen kön nen, ohne Rücksicht auf das Bundesprogramm zu nehmen?

(Abg. Nicole Razavi CDU: Was hat das jetzt mit dem Thema zu tun?)

Wissen Sie, wenn man einer Partei angehört, die nicht in der Regierung ist und die auch noch nie in einer Regierung war, dann kann man vor der Wahl und nach der Wahl immer das Gleiche sagen. Das ist ganz einfach, wenn man nichts umsetzen kann bzw. muss.

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Ach, sonst nicht? Das ist gut, dass das hier so formuliert wird! Schön, dass Sie das sagen! Danke sehr! – Lachen der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Sie springen zu kurz,

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Ja, ja!)

wenn Sie sagen: „was man will“. Sie reden ja hier im Land tag und wo Sie sonst noch reden so, als wären Sie allein un terwegs. Heute Morgen war das so der Gestus von Herrn Klos an das Plenum: „Sie glauben, die Erde ist eine Kugel. Aber wir wissen – wissenschaftlich –, sie ist eine Scheibe.“ In die sem Bewusstsein laufen Sie herum.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD)

Es ist doch vollkommen logisch, dass man, wenn man an ei ner Wahl teilnimmt, seine eigenen Ansprüche genau so for muliert, wie man es für richtig hält. Wenn man eine Regie rung bildet, muss man in Deutschland in der Regel eine Ko alition bilden, und dann muss man Abstriche an dem machen, was man sich vorher vorgenommen hatte. Man nennt das Kompromiss.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Das verstehen die nicht! Sie werden ja auch niemals an die Regierung kom men!)

Übrigens: Selbst wenn sie in der Opposition sind, gelingt es manchen Parteien ja, dazuzulernen und nach der Wahl zu er kennen: Die Welt hat sich geändert, und das eine oder ande re, was man vorher behauptet hat, stimmt so eben nicht.

Legen wir einmal Äußerungen von Ihnen nebeneinander. Es gibt bei Ihnen ja Abgeordnete im Verkehrsausschuss, die dort in Redebeiträgen sagen: „Wir müssen den ÖPNV ausbauen; wir müssen elektrifizieren“, und heute Morgen höre ich in Ih rer Rede: „Aber der Stromabnehmer von der Eisenbahn pro duziert Millionen Tonnen Feinstaub, und das haben Sie nicht im Visier.“ Ja, wie passt denn das zusammen? Sie erlauben sich die gröbsten Widersprüche und treten hier als Papst auf. Das ist doch völlig daneben.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD)

Ich erteile das Wort Herrn Abg. Rivoir.

Herr Minister, ich möchte auf die sen Vergleich noch einmal kurz eingehen. Sie haben eben selbst ausgeführt, dass es Ziel sei, den Verkehr an Feinstaub tagen um 20 % zu reduzieren. Dadurch ist aber noch gar nicht gewährleistet, dass die Schadstoffbelastung sinkt. Eigentlich müsste im Rahmen dieses Vergleichs als Ziel formuliert wer den, um wie viel Prozent die Schadstoffbelastung abnehmen

soll. Denn theoretisch könnten nachgerüstete Fahrzeuge ja dort hineinfahren, und die Belastung bleibt durch das Ver kehrsaufkommen noch immer bei 100 %. Damit hätten Sie Ih ren Vergleich nicht erreicht. Das ist doch ein Widerspruch an sich, den Sie da formuliert haben. Vielleicht können Sie noch einmal darlegen, wie Ihr Gedankengang da war.

Das ist kein Wi derspruch. Denn der Richter weiß – das wissen Sie eigentlich auch –, dass der Feinstaub im Wesentlichen nicht mehr aus den Auspuffen kommt, sondern bei Abbremsungen aus Bremsab rieb stammt, aus Reifenabrieb und Straßenbelagsabrieb, und dass hier Aufwirbelungen entstehen. Deshalb gilt: Viel Verkehr bedeutet viel Vorläuferproduktion von Feinstaub und viel Auf wirbelung. Aus dieser Überlegung heraus hat man grob abge schätzt, dass, wenn 20 % weniger Verkehr rollt, die Schadstof fe um so und so viel weniger werden und man auf diese Weise in etwa die Grenzwerte einhalten kann.

Wohlgemerkt: Am Neckartor geht es ja um die Feinstaub grenzwertüberschreitungstage. Im Jahresdurchschnitt halten wir die Grenzwerte ein, aber beim zweiten Grenzwert, den maximal zulässigen Überschreitungstagen – 35 im Jahr –, sind wir darüber. Wir müssen also nicht komplett reduzieren, son dern wir müssen es einfach nur schaffen, dass wir weniger Überschreitungstage haben. Das kann man durch weniger Ver kehr an den sogenannten Feinstaubalarmtagen, die zukünftig Schadstoffalarmtage heißen werden, schaffen. Voraussetzung ist, dass die Menschen zu zweit im Auto fahren, also sich ge genseitig mitnehmen, oder umsteigen auf den öffentlichen Verkehr oder auf das Fahrrad.

Also nochmals: Der Feinstaub ist nicht die Folge von grüner Politik, sondern der Feinstaub ist die Folge verfehlter Ver kehrspolitik über viele Jahre, falscher Automobiltechnik und der zu geringen Bereitschaft von Menschen, selbst etwas da zu beizutragen, dass die Luft sauber wird. Aber alle wollen saubere Luft haben. Da sage ich: Jeder, der ein Auto hat, hat die Verantwortung, das einmal stehen zu lassen. In Stuttgart ist es nicht so wie im ländlichen Raum, dass man sagen kann: Ich brauche ein Auto. In Stuttgart gibt es einen guten öffent lichen Verkehr, und da kann man sich auch einmal ein paar Tage umstellen.

Vielen Dank. – Nunmehr er teile ich das Wort Herrn Abg. Haußmann.

Sehr geehrter Herr Mi nister, ich komme doch noch einmal auf die Eingangsfrage zurück. Ich will aber noch die Frage anhängen, auf welcher konkreten Rechtsgrundlage Sie in dem Maßnahmenpaket ab 2018 ein Fahrverbot ausschließlich für Dieselfahrzeuge – Eu ro 5 und geringer – vorsehen. Da würde mich die Rechts grundlage interessieren.

Dann hatte ich eingangs gefragt: Wenn es zu den Fahrverbo ten kommt, wie muss man sich das dann vorstellen? Welche Ausnahmen gibt es da? Wie wird das geregelt, organisiert? An wen kann man sich da wenden? Wie steht es dann beispiels weise in Stuttgart mit einer Notfallpraxis? Gibt es dann nur Ausnahmen für die medizinisch Verantwortlichen, oder dür fen dann künftig Patienten trotzdem noch zu der Notfallpra xis fahren? Da würde mich einfach interessieren: Was ist da konkret vorgesehen?

Vielen Dank. – Zur Rechtsgrundlage: Bei den gesetzlich vorgesehenen Fahr beschränkungen – es handelt sich immer um Beschränkungen in Umweltzonen; wir haben ja schon 26 grüne Umweltzonen in Baden-Württemberg – darf man, wenn man nur eine rote oder nur eine gelbe Plakette hat, in die grünen Umweltzonen nicht hineinfahren. Alle, die grüne Plaketten haben, dürfen hi neinfahren.

Dieses Instrument haben wir vom Bund gefordert, aber bis her noch nicht bekommen. Deswegen waren wir beim Bun desverkehrsministerium und haben das Bundesverkehrsmi nisterium gefragt: Wenn ihr uns dieses Mittel nicht gebt, wie sollen wir es dann machen? Denn wir müssen etwas machen. Daraufhin kam die Empfehlung: Dann nehmen Sie doch ein fach Straßenverkehrsschilder, die es schon gibt, nämlich „Ge sperrt für Fahrzeuge aller Art“, ausgenommen Benziner Eu ro 3 und besser und Diesel Euro 6, und darunter das Schild „Lieferverkehr frei“.

Damit wäre auch schon die Frage beantwortet, die Sie gestellt haben. Es wird zahlreiche Ausnahmen geben. Ob das der Handwerker ist oder der Computerfachmann – all das ein schließlich Pizzaservice wird als Lieferverkehr bezeichnet. Auch der Lieferverkehr für Industrieunternehmen wird frei gegeben. Dann gibt es schon bei den bisherigen Umweltzo nen eine ganze Liste von Diensten und Einrichtungen, die aus genommen sind: Bundeswehr, Feuerwehr, Notfalldienste, Ärz te, Apotheken usw. Es gibt also eine ganze Reihe von Ausnah men. Ich habe sie hier auch schon einmal genannt, auch im Verkehrsausschuss habe ich sie schon einmal mitgeteilt. Wenn Sie das im Einzelnen interessiert, lade ich Sie ein, auf unsere Homepage zu gehen. Da finden Sie nochmals alle Punkte. Es wird dann noch wenige individuelle Ausnahmen geben, über die dann im Einzelfall von der Verwaltung der Stadt Stuttgart entschieden wird. Aber der große Teil wird allgemein gere gelt. Das werden wir offen kommunizieren, sodass es jeder nachvollziehen und nachlesen kann.

Jetzt hat als Nächster Herr Abg. Dr. Murschel das Wort. Ich bitte um möglichst kurze Fragen und kurze Antworten. Ich habe nämlich noch zwei, drei Wortmeldungen. – Bitte, Herr Abg. Dr. Murschel.

Vielen Dank. – Herr Mi nister, ich habe noch eine Frage nach dem vorgesehenen Pro zedere bei möglichen Fahrverboten. Bisher war es doch so, dass die freiwilligen Fahrverzichte bei diesen Feinstaubalarm tagen dadurch ausgelöst wurden, dass Überschreitungen, über das Winterhalbjahr verteilt, zu erwarten waren. Jetzt war es ja wieder ausgesetzt. Heute haben wir z. B. eine Situation mit hohen Ozonwerten, verbunden mit Stickoxid usw. Eine sol che Situation kann also auch im Sommer eintreten. Soll denn dieses Instrumentarium dann 365 Tage im Jahr gelten, oder gilt das auf den Winterzeitraum beschränkt und damit nur tem porär?

Maßnahmen zur Luftreinhaltung müssen immer auch abgewogen werden: Wie groß ist der Eingriff, wie tief ist der Eingriff, und was ist zu mutbar für den Verkehr, die Wirtschaft usw.? Deswegen han delt man nicht ausschließlich aus einem Kriterium – Luftrein haltung – heraus.

Deswegen haben wir uns zusammen mit der Stadt und dem Re gierungspräsidium entschieden, dass die Saison vom 15. Okto ber bis zum 15. April geht, weil in dieser Zeit häufig Inversions wetterlagen vorkommen und dann die Schadstoffe in besonderer Weise – auch aufgrund der Temperaturen – über die Grenz werte geradezu hinausschießen. Denn die Luft steht in Stutt gart wie unter einer Glasglocke, und dann reichern sich in we nigen Tagen oder Stunden die Schadstoffe an.

Also: Saison nur ein halbes Jahr. Wir nehmen dabei in Kauf, dass es auch im Sommer ab und zu Tage gibt, an denen die Werte über die Grenzwerte hinausschießen, aber der Aufwand wäre insgesamt zu groß. Aus diesem Grund haben wir gesagt: Wir konzentrieren uns auf die wirklich schwierigen Zeiten; das ist der Winter.

Nochmals: Die Feinstaubalarmtage, die zukünftig nicht mehr so heißen werden, sind eigentlich Tage, an denen man vor ei ner Inversionswetterlage warnt. Das macht der Deutsche Wet terdienst. Der kann das inzwischen stabil prognostizieren, und zwar zwei Tage im Voraus und mindestens zwei Tage weiter; denn für einen Tag rufen wir keinen Alarm aus. Wenn wir die se Prognose haben, muss die Stadt Stuttgart den Alarm oder die Warnstufe ausrufen, und dann gilt am übernächsten Tag die Fahrbeschränkung.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Minister.

Das ist sozusa gen der Mechanismus.

Vielen Dank, Herr Minister. – Sehr geehrte Damen und Herren, die Zeit für ein Thema in der Regierungsbefragung beträgt längstens 30 Minuten. Diese 30 Minuten sind vorbei. Ich habe noch einige Wortmeldungen, aber das ist die Regel, die in der Geschäftsordnung steht. Da her ist meine Bitte, wenn ich jetzt das nächste Thema aufrufe – – Wir sind mit diesem Thema durch, Herr Minister.

Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Das nächste Thema – Ressort MWK –, von der Fraktion GRÜNE beantragt, lautet: