Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

(Abg. Andreas Stoch SPD: Sie sollen uns nicht den konkreten Sachverhalt erklären! – Abg. Sascha Bin der SPD: Der Sachverhalt ist bekannt!)

Auch das ist ein Fall, bei dem ich mir die Frage stelle: Was wiegt hier schwerer? Ich kann uns alle nur ermuntern, in die sen Abwägungsprozess zu gehen, und zwar so schnell wie möglich. Der Deutsche Bundestag hat nun nur noch zwei Sit zungswochen; da wird es vermutlich nicht mehr klappen. Aber mit diesem Thema kann sich ja dann der nächste Deutsche Bundestag beschäftigen. Ich bin einmal gespannt, wie sich die FDP bei dieser Frage in den nächsten Wochen und Monaten positionieren wird. So, wie Sie fragen, Herr Kollege Dr. Bullinger, passt das nicht ganz zu dem, was Ihr Fraktionsvor sitzender, Herr Dr. Rülke, eingangs gesagt hat.

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Dem zufolge, was ich im Koalitionsvertrag in NordrheinWestfalen lese, ist die dortige FDP schon ein Stückchen wei ter als viele bei Ihnen. Dass die FDP in Nordrhein-Westfalen weiter ist als die traditionsreiche FDP hier in Baden-Württem berg,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wahr scheinlich ist sie im Bund zu schwach!)

das ist auch schon mal eine interessante Erkenntnis.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Dinge sollten wir miteinander sorgfältig abwägen. Ich habe im Übrigen ge sagt: Datenschutz darf kein Täterschutz werden. Wenn Sie die se Aussage genau verstehen, sehen Sie, dass Datenschutz kein Täterschutz ist.

(Abg. Sascha Binder SPD: Was hat denn der Kolle ge gesagt?)

Wir müssen aber aufpassen, dass sich der Datenschutz nicht möglicherweise durch fahrlässiges Handeln in diese Richtung entwickelt.

Ich erinnere mich noch gut an die Diskussionen um das Au tobahnmautgesetz. Der damalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat nicht für alle Zeiten definitiv ausgeschlossen, dass Mautdaten auch für andere Zwecke verwendet werden können. Das war damals eine rein politische Entscheidung, die getroffen worden ist. Die Innenpolitiker waren damals par teiübergreifend – um es einmal vorsichtig zu formulieren – nicht begeistert, aber sie haben sich dem großen Ziel der Ver kehrspolitiker und der Finanzpolitiker untergeordnet. Das ist möglicherweise ein Fehler gewesen. Wenn wir aber erkennen, dass es ein Fehler war, dann sollten wir unter Beachtung der

datenschutzrechtlichen ebenso wie selbstverständlich aller verfassungsrechtlichen Vorgaben auch die Kraft haben, ein solches Bundesgesetz zu ändern. Um nicht mehr und um nicht weniger geht es in dieser Frage.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

In der zweiten Runde erteile ich für die Fraktion der FDP/DVP das Wort Herrn Abg. Dr. Rülke.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Strobl, Sie ha ben gerade gesagt, den Fall Satteldorf kennen Sie gut. Eine Frage ist in diesem Zusammenhang aber offen geblieben. Herr Minister Strobl, wenn Sie diesen Fall so gut kennen, warum haben Sie dann aber zum letzten Mal im Jahr 2015 – Frau Kol legin Razavi, es geht nicht um das Jahr 2002 oder um das Jahr 2004; es geht auch nicht um das Jahr 1706; es geht um das Jahr 2015 – dieser Form des Datenschutzes im Bundestag zu gestimmt? Warum hat Sie nicht der Fall Satteldorf zu entspre chenden Überlegungen gebracht? Diese Frage ist, glaube ich, offen geblieben.

Sie haben nun die Frage gestellt: Wie stellt sich die FDP/DVPFraktion im Landtag von Baden-Württemberg dazu? Ich sa ge Ihnen ganz klar: Es gibt in unserer Fraktion unterschiedli che Meinungen, aber die Mehrheit der Fraktion ist der Mei nung: Wenn es um Datenschutz geht, kann man die Diskussi on nicht erst dann beginnen, wenn die Daten erhoben sind, sondern man muss die Diskussion dann beginnen, wenn sich die Frage stellt, ob man Daten überhaupt erheben soll.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir waren der Meinung, diese ganze Datenerfassung im Zu sammenhang mit Lkws und Pkws ist Quatsch, eine Vignetten lösung wäre besser gewesen. Wenn Sie aber Daten erhoben haben – Herr Kollege Strobl, da haben Sie durchaus recht –, dann ist es der Bevölkerung schwer vermittelbar, dass die Da ten aus Abrechnungsgründen genutzt werden dürfen, aber nicht, um Mörder zu fangen. Das ist durchaus richtig.

Diese Diskussion werfe ich Ihnen auch nicht vor, sondern was ich Ihnen vorwerfe, ist die Widersprüchlichkeit des Agierens. Frau Kollegin Razavi, Sie haben von Klamauk gesprochen. Das war nicht unser Klamauk. Wir sind nicht wie die Grünen auf die Idee gekommen, zu sagen: „Strobl, das ist George Or well, wenn er Mörder fangen will; aber Hermann will die Die selfahrer fangen, und dafür darf man die Daten nutzen.“ Das ist doch nicht unser Klamauk, das ist doch das Agieren Ihrer Koalition.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wir sind auch nicht diejenigen, die im Deutschen Bundestag – zum letzten Mal vor zwei Jahren, nicht 1706 und auch nicht vor 15 Jahren – für den Datenschutz gestimmt haben und jetzt plötzlich sagen, wir müssten die Daten nutzen. Das ist Ihr Kla mauk, nicht unserer, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Herr Abg. Dr. Rülke, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja. – Was Nord rhein-Westfalen anlangt, Herr Kollege Strobl, ist es durchaus nicht so, dass wir da unterschiedlicher Meinung wären. Wir werden auch das meiste von dem unterstützen, was Sie ges tern beschlossen haben. Wir müssen uns das genau anschau en, aber wir haben kein grundsätzliches Problem mit der elek tronischen Fußfessel. Das meiste oder wahrscheinlich alles, was im nordrhein-westfälischen Koalitionsvertrag steht, hät te auch die baden-württembergische FDP/DVP mitgetragen.

Nur eines machen wir nicht mit, meine Damen und Herren, nämlich das, was die Kollegin Razavi heute wiederholt hat und was, wenn ich es richtig verstanden habe, von den Grü nen auch nicht akzeptiert wird: die Onlinedurchsuchung. Die sen Blödsinn machen wir nicht mit, weder in Nordrhein-West falen noch in Baden-Württemberg noch auf Bundesebene.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Herr Abg. Dr. Merz hat ver zichtet. – Dann darf ich für die SPD-Fraktion das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch erteilen.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Herr Strobl hat versucht, seine Aussage, mit der er den Datenschutz in die Nähe des Täterschutzes ge rückt hat, zu relativieren. Herr Strobl, ich kann Ihnen sagen: Da war nichts falsch zu verstehen. Sie haben gefordert, das Mautgesetz von 2005 zu korrigieren: „Datenschutz darf kein Täterschutz sein.“ Damit sagen Sie, dass durch die aktuelle Gesetzeslage der Datenschutz Täterschutz ist. Das haben Sie so gesagt, und im Weiteren haben Sie gesagt: „In diesem Sinn darf sich Datenschutz auch nicht ansatzweise zum Komplizen von Kapitalverbrechen machen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer so mit dem Da tenschutz umgeht, agiert populistisch, agiert jedenfalls nicht auf der Grundlage unserer Verfassung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ein weiterer, abschließender Satz: Wir merken bei diesem Thema wie bei vielen anderen, dass zwischen CDU und Grü nen in der Wahrnehmung der Wirklichkeit fundamentale Un terschiede bestehen. Die CDU versucht, durch ein Mehr an Gesetzen Sicherheit zu suggerieren. Die Grünen versuchen, mit ihrer Staatsskepsis, die sie wohl auch in ihrer Grund-DNA haben, diesen Staat so klein wie möglich zu halten, und ha ben ein grundsätzliches Misstrauen gegen staatliche Organe.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird die se Koalition auch keine Lösung finden. Eine Lösung besteht nämlich nicht in einem Mehr an Gesetzen, sondern in einem Umsetzen von Gesetzen. Dazu brauchen Sie nichts anderes als einen starken, handlungsfähigen Staat. Dazu brauchen Sie Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Daran werden wir Sie messen – und nicht an vollmundigen Ankündigungen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Gedeon.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Freiheit, Sicherheit, Balance – vie le sind ausgesprochen philosophisch geworden.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Aber worum geht es wirklich? Haben wir denn zu wenig Frei heit in diesem Land, aber dafür genügend Sicherheit? Oder haben wir vielleicht zu wenig Sicherheit und dafür genügend Freiheit?

Nein, meine Damen und Herren, die Situation ist so, dass wir immer mehr Überwachung und trotzdem immer mehr An schläge haben. Das heißt, die herrschenden Parteien beherr schen die Kunst, immer weniger Sicherheit mit immer weni ger Freiheit zu verbinden. Das ist also das Kunststück, dass wir keine Balance haben, sondern dass von beidem immer we niger übrig bleibt.

Woran liegt das? Das schreit förmlich nach einer Alternative, meine Damen und Herren. Diese Alternative ist: spezifische Überwachung. Wir müssen die Risikogruppen spezieller an gehen. Die Risikogruppen gerade beim Terrorismus sind eben die jungen Moslems. Hier geht es darum, spezifisch einzugrei fen. Da höre ich natürlich schon die Worte „Generalverdacht“, „Diskriminierung“ usw.

Fakt ist doch, dass 99 % dieser Anschläge aus dieser Grup pierung kommen. Fakt ist, dass diese Gruppierung auch nichts dafür tut, um aktiv solche Anschläge von solchen Leuten zu verhindern. Allenfalls kommen ganz laue verbale Distanzie rungen, und selbst die sind jetzt nicht mehr glaubhaft, wenn man sieht, was am Wochenende in Köln passiert ist. Schlap pe 300 Leute haben sich in einer nationalen Demonstration für die Muslime in Deutschland gegen den islamistischen Ter ror ausgesprochen.

Meine Damen und Herren, das ist nicht überzeugend. Wir müssen hier wirklich unsere Politik in diesem Sinn ändern: mehr gezielte Untersuchungen, mehr Härte gegen die Prob lemgruppen. Dann werden wir es schaffen, dies mit mehr Si cherheit und mehr Freiheit für den Rest der Bevölkerung zu verbinden.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Ak tuelle Debatte beendet und Punkt 1 unserer Tagesordnung er ledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Erhalten, was uns erhält: Baden-Würt temberg für biologische Vielfalt – beantragt von der Frak tion GRÜNE

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet.

Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf die Mitglieder der Landes regierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.

Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn Frakti onsvorsitzenden Schwarz.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist geprägt von seiner ursprünglichen Natur und seinen vielfältigen Kultur landschaften. Die Streuobstwiesen im Albvorland, der Tan nenmischwald im Schwarzwald, die Moore des Oberlands und die Wacholderheiden auf der Schwäbischen Alb bieten vielen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum.