Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

Herr Minister Hermann, Zwi schenrufe von der Regierungsbank sind nicht erlaubt. Neh men Sie bitte bei den Abgeordneten Platz, wenn Sie einen Zwischenruf machen wollen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Damit es dem Kollegen Hermann leichter fällt, werde ich na türlich auch ein Zitat eines seiner Kollegen aus dem Kabinett verwenden. Justizminister Guido Wolf war ebenfalls über rascht. Er sagte:

Dass auf Mautdaten selbst zur Aufklärung von Mordfäl len nicht zurückgegriffen werden darf, das Verkehrsmi nisterium aber den Einsatz automatischer Kennzeichen erfassungssysteme zur Durchsetzung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge prüft, hat mich überrascht.

Die Grünen müssen sich fragen lassen, ob sie hier nicht mit zweierlei Maß messen.

Und wenn Ihnen das noch nicht reicht, kann ich noch Aussa gen von Herrn Hagel, der gerade hereinkommt, anschließen: Herr Hagel sagte nämlich am 15. Juni:

Die Grünen sind... mit den Kernthemen unserer Zeit, der inneren Sicherheit und dem Abwägen zwischen Freiheit und Sicherheit, vollkommen überfordert.

Die ganze Geschichte wirkt auf mich wie ein großer öf fentlicher Selbstfindungsprozess der Grünen...

Herzlichen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Für die Landesregierung er teile ich Herrn Minister Strobl das Wort.

(Minister Winfried Hermann nimmt auf einem Abge ordnetenstuhl Platz.)

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Freiheit braucht Sicherheit. Selten waren diese drei Worte stärker im Fokus unserer gesellschaftlichen Debatten als jetzt, und ich bin der FDP/DVP-Fraktion dankbar, dass wir heute im Landtag über dieses Thema debattieren können.

Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich hier im Land eine Auf gabe übernommen, eine Aufgabe, die ich mit einem Eid auf unsere Verfassung übernommen habe, und diese Aufgabe neh me ich ernst. Der Innenminister ist für die Sicherheit der Men schen in diesem Land in besonderem Maß verantwortlich. Diese Sicherheit ist aber kein Zustand, der, wenn man ihn er reicht hat, für alle Zeiten gesichert wäre. Diese Sicherheit muss jeden Tag neu erarbeitet werden. Dafür arbeiten Tausen de von Polizistinnen und Polizisten in diesem Land sehr hart, viele bis an den Rand ihrer physischen und psychischen Leis tungsfähigkeit.

Deswegen hat sich diese grün-schwarze Koalition auf den Weg gemacht, die Polizei, die Sicherheitsbehörden in unse rem Land personell zu stärken, mit mehr Personal auszustat ten. Dazu haben wir im Jahr 2017 einen ersten richtigen Schritt gemacht. Diese Koalition der Möglichkeiten handelt und unterstützt die Polizei und die anderen Sicherheitsbehör den in unserem Land durch mehr Personal.

(Beifall bei der CDU)

Wir legen Wert darauf, dass die Polizistinnen und Polizisten in unserem Land gut ausgerüstet sind. Nirgendwo in Deutsch land ist die Polizei besser ausgerüstet als die Polizei in BadenWürttemberg. Das ist auch richtig so. Den Menschen, die für uns den Kopf hinhalten, müssen wir eine optimale Ausrüstung zur Verfügung stellen: ballistische Schutzwesten, ballistische Helme, eine der Lage der Zeit angemessene Bewaffnung, or dentliche Fahrzeuge und anderes mehr. Zur guten Ausrüstung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gehört im Übri gen auch die Bodycam, weil sie gewaltdeeskalierend wirkt.

(Abg. Anton Baron AfD: Wann kommt die?)

Sie haben darüber fünf Jahre lang geredet, wir haben nach fünf Monaten im Landtag von Baden-Württemberg das Gesetz ge macht und die Bodycam für die Polizistinnen und Polizisten in unserem Land eingeführt.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Falsche Blickrichtung! – Weite re Zurufe von der SPD und des Abg. Thomas Blen ke CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, das schmerzt. Aber manchmal ist die Wahrheit eben hart.

(Abg. Anton Baron AfD: Wann kommt die Bodycam? – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Drittens, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wenn die Welt sich ändert, kann nicht alles bleiben, wie es ist. Wir kön nen nicht sagen: „Wir bekämpfen die Terroristen mit den Mit teln, die wir schon immer hatten.“ Wir müssen uns die Reali tät anschauen. Wir stellen fest, dass Terroristen zunehmend keine einsamen Wölfe sind, sondern hoch organisierte und gut vernetzte Gruppen. Diese Terroristen kommunizieren nicht

über ein Münztelefon oder einen versteckten Briefkasten. Nein, sie nutzen moderne Kommunikationsmittel: WhatsApp, Skype, Telegram Messenger und anderes mehr. Ironischerwei se nutzen sie dabei genau die Errungenschaften der westlichen Welt, die sie so sehr verabscheuen.

Wenn das aber so ist, müssen wir unseren Sicherheitsbehör den auch die Instrumente an die Hand geben, damit sie Ter roranschläge nicht nur aufklären, sondern auch verhindern können. Dass wir in diesem Landtag, was seit gestern klar ist, die präventive Telekommunikationsüberwachung zur Terror verhinderung einführen werden und dass wir das auch bei ver schlüsselten Telefonaten werden tun können – durch die so genannte Quellen-TKÜ –, ist ein sicherheitspolitischer Fort schritt, der sich sehen lassen kann. Diese Koalition handelt und bringt das Land entscheidend voran.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Das ist im Übrigen deswegen ein entscheidender Punkt – um noch einmal auf den Fall Anis Amri, den Breitscheidplatz in Berlin, zurückzukommen; das gilt im Übrigen auch für Kha lid Masood in London – – Beide Attentäter hatten noch kurz vor den jeweiligen Anschlägen eine entsprechende Kommu nikation mit ihren Hintermännern. Deswegen ist es entschei dend wichtig, dass wir darauf in solchen Fällen Zugriff neh men können.

Das zweite Beispiel, meine sehr verehrten Damen und Her ren, das heute angesprochen wurde: Mautdaten für die Ver brechensbekämpfung. Vor wenigen Wochen konnte das Poli zeipräsidium Freiburg vermelden, einen dringend Tatverdäch tigen gefasst zu haben, der mindestens zwei junge Frauen ver gewaltigt und ermordet haben soll, eine junge Frau davon in Endingen am Kaiserstuhl – ein schreckliches Verbrechen, das die gesamte Region, das gesamte Land in Aufruhr versetzt hat, ein bestialischer Sexualmord, der selbst hartgesottenen Er mittlern das Blut in den Adern hat gefrieren lassen.

Möglich war die Festnahme des mutmaßlichen Täters nur des wegen, weil unsere baden-württembergischen Ermittler auf österreichische Mautdaten zurückgreifen und so den fragli chen Fernfahrer ermitteln konnten.

Die Soko „Erle“ und die Polizeibeamtinnen und Polizeibeam ten des Polizeipräsidiums Freiburg haben mit Akribie und vor allem mit nimmermüder Kondition über einen langen, langen, langen Zeitraum akribisch ermittelt. Jetzt ist es gelungen, auch den zweiten Freiburger Mord aufzuklären. Das ist eine her vorragende kriminalistische und polizeiliche Leistung der ba den-württembergischen Polizei, für die wir so was von dank bar sein können, weil es für das Sicherheitsgefühl in diesem Land entscheidend ist, diese beiden Mordfälle aufgeklärt zu haben. Ich habe unserer Polizei Respekt und Dank zu sagen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP sowie des Abg. Hans Peter Stauch AfD)

Klar ist auch: Ohne – –

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage – –

Ich würde gerade diesen Gedanken gern zu En de führen. Danach kann die Zwischenfrage gern gestellt wer den.

Klar ist auch: Ohne den Zugriff auf die österreichischen Maut daten würde dieser Tatverdächtige, der mindestens zwei Frau en vergewaltigt und anschließend umgebracht hat, nach wie vor mit seinem Lkw durch Deutschland und Österreich fah ren. Ich bin sehr froh, dass er hinter Schloss und Riegel ist.

Herr Abg. Dr. Rülke, Sie müssen mir schon zugestehen, dass ich dann, wenn wir uns alle darüber freuen, dass wir einen sol chen Täter haben fassen können, die Frage stelle, ob das, was wir 2005 im Deutschen Bundestag verabschiedet haben – das war ja richtig –, auch heute noch richtig ist. Das ist ein Be schluss des Deutschen Bundestags gewesen, aber nicht der Berg Sinai. Wenn sich die Welt ändert, kann sich auch die Po litik ändern. Dann kann man ein solches Gesetz ändern, und dann muss es doch erlaubt sein, darüber eine Debatte zu füh ren – nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, lassen Sie jetzt die Zwischenfrage des Abg. Dr. Bullinger zu?

Ja, selbstverständlich.

Herr Abg. Dr. Bullinger, bit te.

Es geht jetzt aber gar nicht um Hubschrauber.

Herr Minister, das Thema ist zu ernst. Ich werde keine Frage zum Hubschrauber stellen.

2005 wurde in meinem Wahlkreis ein Parkwächter auf der Au tobahnraststätte bzw. auf dem Autohof in Satteldorf mutwil lig, vorsätzlich totgefahren – Kapitalverbrechen, für mich ein deutig Mord. Damals ging man davon aus, dass dieser Lkw von der Autobahn kam und auch wieder auf die Autobahn fuhr. Leider durfte man die Mautdaten, die mit Sicherheit zur Aufklärung dieses Kapitalverbrechens geführt hätten – und der fährt heute wahrscheinlich noch mit dem Lkw – – Die Mautdaten hätten geholfen, dieses Verbrechen aufzuklären.

Deshalb die Frage jetzt: Was wollen Sie konkret unterneh men? Sind Sie bereit, über den Bundesrat oder sonst über Ih re Partei – – Was wollen Sie konkret machen, damit es nicht noch einmal passiert, dass ein Mörder frei mit dem Lkw her umfährt?

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das widerspricht aber Rülke diametral! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Wenn es die FDP erlaubt!)

Herr Kollege Dr. Bullinger, ich kenne diesen Fall sehr gut. Ein 63-jähriger Parkplatzwächter ist auf dem Park platz des Rasthofs Sattelhof

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Satteldorf!)

Satteldorf – von einem Sattelzug angefahren und dabei so schwer verletzt worden, dass er kurz darauf starb. Dieser Mann ging dabei nur seinem Job nach und wollte ordnungs gemäß eine Parkgebühr kassieren – von seinem späteren Mör der.

Vorrangig wurde im Übrigen – ganz ähnlich wie auch im Fall von Freiburg und Kufstein – nach dem Lenker eines weißen Sattelzugs der Marke Scania – Plan- oder Kastenaufbau, mit ausländischem Kennzeichen, vermutlich niederländischem oder italienischem – gefahndet. Die Fahndung verlief erfolg los; der Täter konnte bis heute nicht ermittelt werden.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Sie sollen uns nicht den konkreten Sachverhalt erklären! – Abg. Sascha Bin der SPD: Der Sachverhalt ist bekannt!)