Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

(Beifall bei der SPD)

Da sind wir auch ganz schnell nicht nur im Bereich der Er nährung, da sind wir auch ganz schnell bei sehr aktuellen The men, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wenn es z. B. um die Frage von bezahlbarem Wohnraum geht, dann sind wir ganz schnell bei der Frage, ob wir Grundstücke zur Verfügung haben, die diesen Wohnraum auch tatsächlich zur Verfügung stellen können.

Jetzt kommt die Frage: Stelle ich die Ideologie in der einen oder anderen Richtung an die oberste Stelle, oder fange ich mit einer vernünftigen Abwägung zwischen den Zielen an? Es gibt hier nämlich einen Zielkonflikt. Aus meiner Sicht hilft uns an dieser Stelle Ideologie nicht weiter. Denn Ideologie führt zur Verknappung von bestimmten Dingen, z. B. von Wohnraum in Ballungsräumen, und deswegen brauchen wir an den richtigen Stellen auch die richtigen Entscheidungen, damit die Gesellschaft nicht auseinanderfällt, damit sich alle Menschen bezahlbaren Wohnraum leisten können, und in die se Abwägung müssen wir auch den Naturschutz und den Ar tenschutz einstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Bei einem Punkt wird es konkret. Meine Kollegin Gabi Rol land hat sehr viele Maßnahmen aufgezählt, bei denen wir uns von dieser Regierung Entscheidungen wünschen. Es reicht nicht, die Überschriften zu liefern. Diese konkreten Entschei dungen, die zu treffen sind, z. B. im Bereich der Landwirt schaft, sehe ich bei den Regierungspartnern Grüne und CDU – wir haben heute Morgen schon das viel gebrauchte und ab genutzte Wort „Komplementärkoalition“ benutzt – noch nicht. Diese Entscheidungen müssen nämlich durch die zuständigen Fachminister getroffen werden – Herr Ministerpräsident hat ja die Herren Untersteller und Hauk sogar namentlich erwähnt und das Wort „gemeinsam“ ganz besonders betont –, doch wenn Sie in diesem Moment auf die Regierungsbank schau en, erkennen Sie: In diesem Raum brauchen Sie keine Klima tisierung, in diesem Bereich haben Sie jetzt schon minus 20 Grad Celsius, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Lachen bei den Grünen – Beifall bei der SPD – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das sind Ihre Entzugs erscheinungen, Herr Kollege! – Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Deswegen, Herr Ministerpräsident: An den Stellen, wo es kon kret wird, fehlen uns die Antworten. Da fehlt uns die Konkre tisierung. Wir haben in den letzten fünf Jahren als sozialde mokratischer Regierungspartner viele Dinge mit angestoßen, die heute noch, glaube ich, richtig und gut sind, die wir auch in Baden-Württemberg brauchen. Wir brauchen aber tatsäch lich eine Natur- und Artenschutzstrategie,

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Haben wir!)

die den Menschen in Baden-Württemberg das zugesteht, was sie von dieser Politik erwarten, nämlich ein lebenswertes Ba den-Württemberg, in dem die Gesellschaft zusammensteht und nicht auseinanderfällt in die, die sich Naturschutz leisten können, und die, die ihn sich nicht leisten können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort dem Fraktionsvorsitzenden Dr. Rül ke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion GRÜNE hat of fensichtlich in Absprache mit der Regierungsspitze eine für sie als wichtig erachtete Aktuelle Debatte beantragt, eine Ak tuelle Debatte mit einem offensichtlich wichtigen Thema, nämlich „Artenschutz und biologische Vielfalt“. In der Tat, dieses Thema ist wichtig, und es eignet sich auch für eine sol che Debatte, denn – wie der Kollege Stoch schon ausgeführt hat – es herrscht normalerweise relativ viel Konsens darüber, dass dieses Ziel wichtig ist.

Aber eines würde uns schon interessieren – und ich glaube, auch die Öffentlichkeit –, nämlich eine Antwort auf die Fra ge: Welchen Erkenntnisgewinn bringt eine solche Debatte über den Gemeinplatz hinaus, dass Artenschutz und biologi sche Vielfalt eigentlich etwas sind, was die große Mehrheit der Bevölkerung als wichtig erachtet? Jetzt haben wir den Vor sitzenden der grünen Fraktion gehört, wir haben auch den Mi nisterpräsidenten gehört, aber ich muss feststellen: Das, was

an Erkenntnisgewinn herausgekommen ist, ist schon ziemlich dünn. Sie haben es natürlich schön verpackt, Herr Kollege Schwarz, mit Ihrem Sonntagsausflug, den Sie uns geschildert haben,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: War genial, gell?)

der wunderbaren Natur, der Vielfalt der Arten, die Sie alle auf gezählt haben. Ich habe allerdings den Tannenstachelbart, den Lieblingspilz des Ministerpräsidenten, vermisst. Bei diesen Ausführungen ist vor mir die biedermeierliche Welt von Edu ard Mörike und Adalbert Stifter wieder aufgetaucht; das war aller Ehren wert.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Was dann anschließend allerdings etwas kürzer kam, war die Frage des Handelns. Sie haben eine Reihe von Dingen er wähnt, die es allerdings schon gibt. Sie haben die Biosphären gebiete erwähnt. Ja, auch wir halten Biosphärengebiete für gut und richtig. Die gibt es allerdings nicht erst, seit Grüne in der Landesregierung sind. Wir hätten uns auch gewünscht, dass man beispielsweise in der Region Nordschwarzwald, wo Sie den Nationalpark etabliert haben, auch darüber gesprochen hätte, ob ein Biosphärengebiet nicht vielleicht besser gewe sen wäre.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Denn wenn Sie jetzt einmal mit den Fachleuten reden, erfah ren Sie von ihnen: In diesem Jahr droht in erheblichem Maß eine Borkenkäferinvasion. Doch wenn das im Nationalpark tatsächlich passiert, bin ich einmal gespannt, wie anschließend die Diskussion verläuft.

Ferner wurden die Naturparke genannt. Ja, in der Tat: Wir würden uns wünschen, dass Sie ein bisschen mehr für die Na turparke übrig hätten, auch ein bisschen mehr an finanziellen Mitteln, und nicht alles in Ihr Prestigeprojekt Nationalpark in vestieren würden, wo die Kosten ja mittlerweile aus dem Ru der laufen. Dazu, dass dort Holz von nordamerikanischen oder sibirischen Wäldern verwendet wird, hat Kollege Glück ja schon das Notwendige gesagt.

Nur an einer Stelle sind Sie, Herr Kollege Schwarz, konkret geworden. Das war das Thema Geld. Sie haben 90 Millionen € für den Naturschutz angekündigt. Es ist überhaupt eine der großen Überschriften dieser grün-schwarzen Landesregierung: „Wir haben viel Geld, weil die Steuereinnahmen hervorragend sind,“ – das hat weniger mit Ihrer Regierungspolitik zu tun – „und deshalb geben wir überall viel Geld hinein.“ Das ist das Thema, mit dem Sie glauben, alle Probleme lösen zu können.

Einen Satz habe ich mir aufgeschrieben, Herr Schwarz. Der ist schon nett. Ich zitiere:

Auch ökologische Schulden sind implizite Schulden.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Andreas Stoch SPD: Nachtigall...!)

Das heißt mit anderen Worten: Überall da, wo wir Geld aus geben, handelt es sich um implizite Schulden.

Das heißt mit anderen Worten: Überall da, wo wir Geld aus geben, ist das berechtigt.

Das ist genau das, was Sie im Grunde hier beabsichtigen: Al les wird zu impliziten Schulden erklärt, und damit sind alle Ausgaben dieser Landesregierung gerechtfertigt. So kann man natürlich auch nachhaltige Finanzpolitik machen, meine Da men und Herren. Auf diese Art und Weise kann man die Schul dentilgung bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag vertagen; denn alles ist ja implizite Verschuldung.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben zu Recht die Geschwindig keit des Artensterbens – insbesondere bei den Insekten – be klagt, haben beklagt, dass insbesondere unter den Tagfalter arten schon die Hälfte verschwunden sind, und haben deut lich gemacht, wir hätten die Mammutaufgabe, an dieser Stel le gegenzusteuern, und es sei Ihr Ziel, hier einen politischen Schwerpunkt zu setzen.

Das ist durchaus ehrenwert, Herr Ministerpräsident. Sie sind da – Kollege Stoch hat es auch schon betont – durchaus glaub würdig. Es ist natürlich auch das gute Recht einer gewählten Landesregierung, an dieser Stelle einen politischen Schwer punkt zu setzen. Vor diesem Hintergrund habe ich mich dann mit der Frage beschäftigt: Kommt da mehr an konkreten In halten als beim grünen Fraktionsvorsitzenden? Das war die spannende Frage. Im Verlauf Ihrer Rede haben Sie dann deut lich gemacht, Ihr Ziel sei es, dass die Böden fruchtbar blei ben. Herr Ministerpräsident, da hätte ich mir dann schon ein Bekenntnis zur Landwirtschaft insgesamt gewünscht und nicht nur zu einem bestimmten Teil der Landwirtschaft.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Denn Landwirtschaft ist auch Landschaftspflege, und nicht nur biologische Landwirtschaft ist Landschaftspflege,

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

sondern auch die vielen konventionell arbeitenden Landwir te in Baden-Württemberg tun dies. Es gibt übrigens auch an dere Naturschützer, nicht bloß den NABU, Herr Rösler; es gibt auch die Jäger und die Angler,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

und im Unterschied zum NABU braucht man als Jäger und Angler eine Prüfung, um Naturschützer zu sein.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Auch da hätte ich mir ein Bekenntnis gewünscht.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben davon gesprochen, diesen Weg kraftvoll und beharrlich zu gehen. Aber auch hier stellt sich wieder die Frage: Was ist neu? Das Einzige, was Sie er wähnt haben – unter Verzicht auf die konkrete Zahl des Kol legen Schwarz –, ist: „Wir wollen Geld für dieses Thema aus geben.“ Auch hier ist das einzig Neue: „Wir wollen Geld aus geben.“

Vom Biosphärengebiet haben Sie geredet. Das gibt es schon. Den Nationalpark haben Sie beschworen. Den gibt es schon. Was man da anders machen könnte, liegt auf der Hand.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Mit Ihnen gäbe es das alles nicht!)

Nein, den Nationalpark gäbe es nicht,

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: So ist es!)

sondern es gäbe da vielleicht ein Biosphärengebiet. Dann hät ten wir jetzt möglicherweise nicht das Borkenkäferproblem.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Dann müssten Sie nicht ständig erklären, warum die Kosten aus dem Ruder laufen. Dann müssten Sie auch nicht erklären, warum man nicht vorher wusste, dass man beim Nationalpark einen Parkplatz braucht.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Das gäbe es nicht. Da haben Sie in der Tat recht.