Protokoll der Sitzung vom 12.07.2017

Für uns Grüne ist besonders wichtig, dass diese Kriterien aus reichend bestimmt sind und ihre Einhaltung wirklich kontrol liert wird und dass nicht nur Konzessionen vergeben werden. Denn nur so können wir das oberste Ziel – effizienter Jugend schutz und Spielerschutz – ausreichend sicherstellen, meine Damen und Herren.

Der hier vorliegende Entwurf ist der kleinste gemeinsame Nenner. Weitere Änderungen wird ein weiterer Glücksspiel änderungsstaatsvertrag bringen müssen, beispielsweise die Einführung einer bundesweiten Sperrdatei für Spielhallen oder die Einrichtung einer gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts für die Glücksspielaufsicht.

Unsere Fraktion steht hinter diesen beiden Vorhaben und un terstützt die Landesregierung gern dahin gehend.

Die neue Landesregierung in Schleswig-Holstein hat ange kündigt, der Neufassung des Glücksspieländerungsstaatsver trags nicht zuzustimmen. Stattdessen strebt sie u. a. eine Li beralisierung des Onlinespiels an. Gerade im Onlinebereich ist das Suchtpotenzial jedoch besonders groß, und dort gibt es auch zahlreiche Einfallstore für Betrug. Beim Onlinepoker können Sie z. B. nicht nachvollziehen, wer mitspielt, ob Ab sprachen unter den Mitspielern stattfinden oder ob Sie gar ge gen einen Computer spielen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Und das ma chen die Grünen mit?)

Auch der Jugendschutz wird oftmals nicht ausreichend sicher gestellt. Diese Passage wurde wohl auf Drängen der FDP auf genommen. – Herr Rülke, an Ihrer Stelle würde ich mit Zwi schenrufen ganz vorsichtig sein, wenn Sie hier im Glashaus sitzen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das sind die Grünen, die das mitmachen!)

Der angekündigte Ausbruch Schleswig-Holsteins aus dem Glücksspielstaatsvertrag erschwert eine deutschlandweite ko härente Regelung. Diese aber ist notwendig, um das Lotterie monopol des Staates vor den Wettbewerbshütern der Europä ischen Kommission zu rechtfertigen.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Die Koalition in Schleswig-Holstein, die nach eigener Aussa ge eine europarechtskonforme Lösung anstrebt, steht dieser somit selbst im Weg. Das ist in höchstem Maß unsensibel und illoyal. Wir, die Fraktion GRÜNE, hoffen, dass die Landesre gierung in den weiter gehenden Verhandlungen jedenfalls hier noch ein Ergebnis mit Schleswig-Holstein erzielen kann,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Dann müsst ihr mit den Grünen dort reden!)

das mehr Kohärenz beinhaltet.

Ich möchte noch ganz kurz auf das Landesglücksspielgesetz eingehen, das von diesem Glücksspieländerungsstaatsvertrag auch abhängt. Ich denke, das Mindestabstandsgebot, das seit dem 1. Juli gilt, ist eine gute Sache, weil es die suchtpräven tiven Elemente in diesem Gesetz betont. Für uns ist es auch wichtig, dass die Städte nun endlich vollziehen, was seit fünf Jahren bekannt ist, nämlich ab 1. Juli das Mindestabstandsge bot zu beachten. Mit uns wird es keine Aufweichung dieser 500-m-Regelung geben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Ich sehe nun den Städtetag auch in der Pflicht, seine Mitglie der nach den ausführlichen Handreichungen des Innenminis teriums zu beraten, damit sie nun auch die Konzessionen rechtssicher vergeben können oder sie eben auch versagen können.

Wir stimmen dieser Vorlage zu und wünschen der Landesre gierung weiterhin viel Erfolg, das Land Schleswig-Holstein noch zu überzeugen.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Für die CDU-Fraktion er teile ich dem Kollegen Zimmermann das Wort.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Jetzt aber! Sagst du auch noch etwas zur Windkraft? – Abg. Anton Ba ron AfD: Jetzt aber, Herr Zimmermann! Schade, dass kein Windkraftthema auf der Tagesordnung steht!)

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ziel des neuen Glücksspiel änderungsstaatsvertrags – ich habe es gemerkt, Herr Minis ter: das war auch für Sie ein etwas schwieriges Wort – ist es, eine Regelung zu finden, die sowohl der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch der des Europäischen Ge richtshofs Rechnung trägt. Dabei spielen für uns besonders die Fragen des Jugend- und des Spielerschutzes sowie die Fra gen der Suchtprävention – Sie haben es auch mehrfach ange sprochen – und der Suchthilfe eine wichtige Rolle.

Was jetzt kommt, ist eine punktuelle Veränderung des Staats vertrags. Nun wird die Regulierung des Sportwettenmarkts abgeschlossen und Klarheit für Anbieter und beteiligte Dritte geschaffen – also Zahlungsdienstleister, Medien, Sportverei ne, Sportverbände. Zugleich wird den Glücksspielaufsichts behörden der Weg zur flächendeckenden Untersagung nicht erlaubter Angebote eröffnet. Ich denke, damit wird ein wich tiger Beitrag gegen die fortschreitende – nennen wir es ein mal so – Erosion des Ordnungsrechts geleistet.

Die nachhaltige Regulierung des Lotterie- und Wettmarkts in Baden-Württemberg ist nicht nur ein ordnungspolitisches Ziel, sondern hat auch nachhaltigen Einfluss auf die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Wenn z. B. die Einnahmen von Toto-Lotto Baden-Württemberg sinken, können die gemein wohlorientierten Bereiche nicht mehr in dem Maße aus dem Wettmittelfonds gefördert werden, wie sie es meines Erach tens und sicherlich auch Ihres Erachtens verdient haben. Der Glücksspielstaatsvertrag ist hierfür eine angemessene europa rechtskonforme und verfassungsrechtlich stabile Regulierung des Glücksspiels in Deutschland.

Welche einzelnen Punkte hier jetzt genau geändert wurden, hat der Herr Minister schon zum großen Teil genannt. Wie ge sagt, die Kontingentierung der Sportwettenkonzessionen auf bislang 20 wird aufgehoben, und es wird zu einem für alle An bieter offenen Erlaubnisverfahren übergegangen.

Neu ist auch: Die bisherige siebenjährige Experimentierpha se, die bis zum 30. Juni 2021 läuft, soll über diesen Termin hinaus bis zum 30. Juni 2024 verlängert werden.

Bei der Behördenorganisation bleibt es für das Konzessions verfahren bei der ländereinheitlichen Entscheidung. – Ich kann nun einiges weglassen.

Deshalb ist aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion wie auch aus Sicht der SPD – so habe ich Sie verstanden – und sicherlich auch aus Sicht der anderen –

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Wir reden ja erst noch! – Abg. Reinhold Gall SPD: Wir haben doch noch gar nicht geredet!)

die Bekämpfung der Spielsucht und der damit einhergehen den negativen sozialen Folgen sowie der begleitenden mög

lichen Kriminalität nach wie vor ein zentraler Gesichtspunkt bei der Ordnung des Glücksspielwesens. Die Evaluation wird dann zeigen, inwieweit der neue Staatsvertrag wirkungsvolle Instrumente bietet, um dem entgegenzuwirken.

Ich bin mir sicher, die CDU-Fraktion ist sich sicher, dass mit dem nun vorliegenden Entwurf des Gesetzes zu dem Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag die beste Lösung für das Allgemeinwohl gefunden wurde.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

So eine kurze Rede habe ich hier noch nie gehalten.

(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall – Abg. Rainer Stickel berger SPD: Sie war aber gut!)

Kollege Zimmermann, das war in Ordnung. Bevor sich da aber etwas festsetzt: Der Kol lege Frey gehört zur Fraktion GRÜNE.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Vielleicht weiß er mehr? – Abg. Josef Frey GRÜNE zu Abg. Karl Zim mermann CDU: Das kostet eine Runde Bier, gell? – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Akzep tiert!)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Rott mann.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen, meine Damen und Herren! Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheinen mag, debattieren wir doch heute einen sehr wichtigen Punkt. Es geht um die Struk tur des Glücksspielmarkts und die damit verbundenen Aus wirkungen.

Bereits 2008 trat die erste Auflage des Glücksspielstaatsver trags in Kraft. Sie hatte folgende Ziele: erstens die Glücks spielsucht und Wettsucht zu verhindern, zweitens das Ange bot an Glücksspielen zu begrenzen, drittens illegales Glücks spiel zu verhindern, viertens Jugend- und Spielerschutz zu ge währleisten, fünftens Begleitkriminalität zu verhindern und sechstens die ordnungsgemäße Durchführung von Glücksspie len zu ermöglichen.

So weit, so gut. Das sind alles hehre Ziele. Doch um das zu erreichen, schuf man ein staatliches Glücksspielmonopol, ver bot jegliches Glücksspiel im Internet – und hat es am Ende gut gemeint und schlecht gemacht. Denn 2010 urteilte der Eu ropäische Gerichtshof, dass das staatliche Glücksspielmono pol gegen europäisches Recht verstößt.

In der Folge wurde der Erste Glücksspieländerungsstaatsver trag verabschiedet, der eine leichte Öffnung des Marktes vor sah, indem man durch ein zentrales Glücksspielkollegium 20 Lizenzen an private Anbieter vergeben wollte; das Glücks spiel über das Internet blieb jedoch verboten.

Das einzige Bundesland – ein Kollege ging schon darauf ein –, das diesen Vertrag nicht unterschrieb, war Schleswig-Hol stein – doch dazu später mehr.

Das für die Vergabe zuständige Land Hessen schaffte es trotz mehrfacher Fristverschiebung nicht, eine ordentliche Verga be hinzubekommen. Die Regeln für die Vergabe waren höchst intransparent und damit nicht nachvollziehbar. 2015 urteilte der Hessische Verwaltungsgerichtshof, dass das eingerichte te Glücksspielkollegium verfassungswidrig sei, da es eine drit te Ebene zwischen Bund und Ländern bilde.

Im Februar 2016, also kein Jahr später, legte der Europäische Gerichtshof noch einmal nach und urteilte, dass das Schutz konzept nicht europarechtskonform sei. Nachdem also nun sowohl der Glücksspielstaatsvertrag als auch der Erste Glücks spieländerungsstaatsvertrag gescheitert sind, folgt nun der Glücksspieländerungsstaatsvertrag Nummer 2. Auch dieser wird aber nach meiner Einschätzung keinen Bestand haben. Die Beschränkung auf 20 Konzessionen wird aufgehoben, das Glücksspiel im Internet bleibt verboten, und das verfassungs widrige Glücksspielkollegium bleibt bestehen.

Unter dem Strich zeigt sich also Folgendes: Die Glücksspiel staatsverträge sind Pfusch und schlichtweg zu nichts zu ge brauchen.

(Beifall bei der AfD)

Dass die EU uns auch noch in die Suppe spuckt, macht die Sache nicht besser. An dieser Stelle kommt nun SchleswigHolstein ins Spiel – Schleswig-Holstein, nicht „Hohlstein“; die Leute dort sind nicht hohl. Schleswig-Holstein unterzeich nete bereits den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag nicht, öffnete vorsichtig den Markt für private Anbieter und Onlinecasinos, aber immer unter den Vorgaben des Verbrau cherschutzes. Und siehe da: Wie eine Studie des Deutschen Sportwettenverbands ergab, haben diese Maßnahmen gefruch tet. Erstens wurde der Schwarzmarkt erfolgreich zurückge drängt, und zweitens wurde endlich für alle Beteiligten Rechtssicherheit geschaffen. – Als geborener Schleswig-Hol steiner kann ich nur sagen: Manchmal sind die Fischköppe nicht nur den hessischen, sondern auch den schwäbischen Tüftlern überlegen.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Aber nur manchmal! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Stürmischer Ap plaus!)

Nebenbei: Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt, dass der Sonderweg Schleswig-Holsteins – im Gegensatz zu dem Weg unserer Landesregierung – mit europäischem Recht in Ein klang steht. Und dabei sind unserer Landesregierung die EU und deren Rechte ja immer so wichtig.

Die Lösung für diese ganze verzwickte Situation kann nur lau ten: Schluss mit Flickschusterei und Schluss mit dem Aus blenden der Realität. Wir brauchen einen neuen Glücksspiel staatsvertrag, der dem Motto folgt: Regulation statt Prohibi tion. Wenn wir die Spieler zurückholen wollen, die in die Il legalität abgerutscht sind, brauchen wir eine qualitative Re gulierung des Glücksspielmarkts mit dem Fokus auf dem Ver braucherschutz.