Protokoll der Sitzung vom 19.07.2017

Wir werden uns aber auch in diesem Punkt ausreichend Zeit dafür nehmen, zu sehen, wie wir was mit welchem Inhalt und mit welchen Finanzleistungen umsetzen können. Ich glaube, dass das ein faires Vorgehen ist. Wie gesagt, bei den genann ten Zahlen von 825 Millionen € und davon gut 60 Millionen € konkret für die Kindertagespflege bleibt es natürlich zunächst.

Es gibt eine Frage der Frau Abg. Lösch.

Frau Ministerin, vorhin wur de gesagt, dass sich die Landesregierung nicht an den Zuwei sungen an die Tagespflegepersonen beteiligt.

Geben Sie mir recht, dass sich das Land über die Zuweisun gen schon jetzt zu 68 % an den Kosten bei den unter Dreijäh rigen beteiligt? Das heißt, die Landesregierung beteiligt sich da schon.

Wissen Sie, wie hoch der Anteil bei den Tagespflegepersonen ist, wie viele unter Dreijährige betreut werden und wie viele über Dreijährige?

Zunächst einmal haben Sie, Frau Abg. Lösch, recht: Das Land fördert nach dem FAG die Betriebsausgaben der Kleinkindbetreuung in der Kindertagespflege zu 68 %, wie Sie eben richtig benannt haben. Das waren 2017 die eben ge nannten 60,2 Millionen €. An dieser grundsätzlichen Förde rung wird sich selbstverständlich auch nichts ändern.

Nur als Hinweis: Beispielsweise waren das 2016 noch 51 Mil lionen €; jetzt sind wir bei über 60 Millionen €. Das ist eine Steigerung um 9,2 Millionen €, was einer 18-prozentigen Stei gerung vom Jahr 2016 auf 2017 entspricht. Ich will damit nur deutlich machen, dass der Vorwurf – der jetzt nicht von Ihnen kam –, wir würden nichts machen und würden das Thema nicht ernst nehmen, so definitiv nicht stimmen kann.

Hinzu kommt: Für die Vorbereitung, Qualifizierung und Fort bildung – das haben wir auch etatisiert – haben wir 2,2 Milli onen € zusätzlich vorgesehen, und wir haben eine institutio nelle Förderung des Landesverbands Kindertagespflege mit 95 000 €. Wir werden – das kann ich ankündigen – künftig seitens des Kultusministeriums auch eine weitere Beteiligung in einer Höhe von 50 000 € übernehmen, sodass auch da das Signal ist, dass es uns wichtig ist.

Wir werden uns aber jetzt die Zeit nehmen müssen, um zu klä ren, wie wir damit in der Zukunft inhaltlich und finanziell um gehen. Das ist das Thema Kindertagespflege. Es umfasst aber im Pakt für frühkindliche Bildung und Betreuung – das ist mir wichtig – auch noch weitere Themen, die man nicht unter schätzen darf.

Die Zahl der Tagespflegepersonen ist im Vergleich zu 2016 um rund 2 % auf gut 6 620 zurückgegangen. Wir hatten also in einem Jahr ein Ausscheiden von rund 140 Tagespflegeper sonen. Auf der anderen Seite ist die Zahl der Kinder, deren Eltern diesen Weg der Betreuung wählen, um ungefähr 2 % auf jetzt ungefähr 21 000 Kinder gestiegen.

Insgesamt gilt, dass wir auch mit den Jugendämtern, die die Bedeutung der Kindertagespflege kennen und zu Recht schät zen, in gutem Kontakt stehen. Ich gehe davon aus, dass auch dort weiterqualifiziert und fortgebildet wird und auch bedacht wird, dass wir, um diese Arbeit fortzusetzen, entsprechend qualifiziertes Personal brauchen und gewinnen müssen.

Deshalb glaube ich: Wir sind auf einem guten Weg. Wir res pektieren die Forderung nach mehr Geld und werden diese auch ernst nehmen. Wir werden zunächst einmal daran arbei ten, wie das Konzept aussieht, und dann sehen, welche finan ziellen Möglichkeiten wir einräumen können.

Es gibt eine Frage des Abg. Dr. Fulst-Blei.

Frau Ministerin, ich würde gern die Bundesebene noch kurz beleuchten. Vonseiten des Bundes gibt es zwei Förderprogramme, von denen mehr Geld zum Ausbau der Kindertagesbetreuung fließt: einmal das In vestitionsprogramm Kinderbetreuungsfinanzierung 2015 bis 2018 sowie das von 2017 bis 2020.

Mit welchen Beträgen können wir in Baden-Württemberg rechnen, und vor allem, wie werden diese verteilt und wie ge denkt die Landesregierung, damit auch die Kindertagespfle ge zu stärken?

Es ist richtig, was Sie sagen, Herr Fulst-Blei. Der Bund hat bisher drei Investitionsprogramme Kinderbetreu ungsfinanzierung U 3 aufgelegt, und zwar für die Jahre 2008 bis 2013, 2013 bis 2014 und 2015 bis 2018. Dabei erhielt die Kindestagespflege in Baden-Württemberg insgesamt etwa 6,7 Millionen € für die Neuschaffung von rund 9 000 Plätzen im Bereich U 3. Die bisher laufenden 6,7 Millionen € ermögli chen ungefähr 9 000 zusätzliche Betreuungsplätze.

Im vierten Investitionsprogramm, 2017 bis 2020, für Kinder von der Geburt bis zum Schuleintritt – das ist ein längerer Zeitraum – erhielt Baden-Württemberg rund 152 Millionen €. Daran wird natürlich auch die Kindertagespflege konkret par tizipieren.

Mein Haus arbeitet momentan an der Verteilung dieser Mit tel, und ich hoffe, dass wir die Auszahlung in den nächsten Wochen und Monaten konkret vornehmen können. Zurzeit sind wir dabei, dies zu entwickeln.

Vielen Dank. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Damit rufe ich das zweite Thema auf, beantragt von der Frak tion der CDU:

U n t e r r i c h t s v e r s o r g u n g i m k o m m e n d e n S c h u l j a h r : M a ß n a h m e n k a t a l o g z u r S t a b i l i s i e r u n g

Wem darf ich das Wort erteilen? – Frau Abg. Felder, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Das Thema „Qualität an den Schu len“ ist seit gut einem Jahr wieder in den Fokus dieser Lan desregierung und dieses Parlaments gerückt. Es ist auch ein großes Thema, das uns beschäftigen muss, denn es gibt eini

ge Ergebnisse, die uns nicht zufriedenstellen können. Zur Qualität gehören immer auch die gut ausgebildeten Lehrerin nen und Lehrer. Wir haben in der Vergangenheit viel darüber diskutiert, dass wir hier einen großen Bedarf haben. Teilwei se ist es sehr schwierig, diesen zu decken.

Wir haben in dieser Woche über einen Maßnahmenkatalog von Ihnen, Frau Ministerin, in der Presse lesen können. Des halb fragen wir heute die Landesregierung: Welche Maßnah men ergreifen Sie konkret, um die Unterrichtsversorgung im kommenden Schuljahr zu sichern?

Vielen Dank. – Für die Lan desregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Dr. Eisen mann.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Felder, es ist tatsächlich so, wie Sie sagen, dass wir nicht zwingend ein Ressourcenproblem haben. Natürlich brauchen wir für neue bildungspolitische Maßnahmen auch zusätzliche Ressourcen, aber wir haben ein grundlegendes Be werberinnen- und Bewerberproblem.

Ausgehend davon gibt es zwei Bereiche, die dabei ganz ent scheidend sind. Zum einen ist in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2020/2021 im gesamten Bereich des öffentlichen Diens tes die Zahl derjenigen, die in den Ruhestand gehen, sehr, sehr hoch. Nur ein Beispiel: Von den 6 600 zu besetzenden Stellen im Schuljahr 2016/2017, also im vergangenen September, wa ren es über 65 % Zurruhesetzungen. Diejenigen, die Ende der Vierziger-, Anfang der Fünfzigerjahre geboren sind, gehen in den Ruhestand, und dies setzt sich über die nächsten drei bis vier Jahre so fort. Das ist nicht zwingend eine große Überra schung, zeigt aber, dass wir darauf in den nächsten drei bis vier Jahren reagieren müssen.

Hinzu kommt ein Effekt, den man ebenfalls nicht unterschät zen darf, obwohl er ein Einmaleffekt ist: Wir haben jetzt, zum Schuljahr 2017/2018 – darauf beziehen Sie sich; ich spreche von September 2017, also von dem Zeitraum in zwei Mona ten –, rund 5 000 Stellen zu besetzen. Wir können heute fest stellen, dass eine Größenordnung von 650 bis 700 Stellen noch nicht besetzt ist. Die anderen Stellen sind besetzt, da wir Besetzungsverfahren vorgezogen und veränderte Bewerbungs möglichkeiten eingeräumt haben – Stichwort: Die schulschar fe Ausschreibung wurde in manchen Bereichen, vor allem im ländlichen Bereich, auf nahezu 100 % erhöht. Das sind Maß nahmen, die durchaus funktioniert haben.

Von diesen rund 650 bis 700 erkennbar offenen Stellen bewe gen sich rund 500 im Bereich der Grundschulen. Das ist das größte Problem, das wir haben. Es wird natürlich auch durch einen Effekt ausgelöst – ihn darf man nicht unterschätzen –: Wir haben in diesem Jahr im Grundschulbereich keine Neu anfängerinnen und Neuanfänger, keine Junglehrerinnen und Junglehrer. Das liegt daran, dass man 2011 die Studienzeit von sechs auf acht Semester erhöht hat. Jetzt befinden wir uns so zusagen im siebten Semester. Das heißt, die Verlängerung greift genau in diesem Schuljahr, im Schuljahr 2017/2018. Denn die Studentinnen und Studenten studieren ein Jahr län ger. Momentan studieren gut 400 Personen in diesem Bereich; von diesen hat bisher allerdings noch kein Einziger den Ab schluss.

Das ist ein Einmaleffekt. Aber Sie können feststellen, dass zu diesem Schuljahr keine einzige neu ausgebildete Grundschul lehrerin bzw. kein einziger neu ausgebildeter Grundschulleh rer auf den Markt kommen.

Gut 400 Personen werden momentan in diesem Bereich aus gebildet. Es ist erkennbar, dass wir dem Problem der 500 of fenen Lehrerstellen im Grundschulbereich damit relativ gut abhelfen könnten.

Das Ganze ist nicht wirklich überraschend. Denn man hat das 2011 eingeleitet. Insofern kann man erkennen, dass dieses Pro blem zum Schuljahr 2017/2018 – zumindest einmalig – auf tritt und das grundsätzliche Problem verschärft.

Deshalb haben wir Maßnahmen vorgeschlagen. Beispielswei se schauen wir im Bereich der Teilzeit sehr intensiv danach, inwieweit individuelle Gründe – nicht gesetzliche Gründe – geltend zu machen sind im Sinne von „dienstlich verpflich tend“ und „Unterrichtsversorgung“.

Wir haben natürlich das Thema, dass schon heute nicht weni ge Lehrerinnen und Lehrer ihre Zurruhesetzung um ein bis zwei Jahre verschieben. Dafür werben wir offensiv, ermögli chen Zuverdienstmöglichkeiten – so, wie Sie es aus dem Be reich der VKL- und der VABO-Klassen kennen.

Des Weiteren haben wir auch den Vorschlag gemacht – das ganze Paket haben wir in den letzten Tagen vorgestellt –, aus Lehrerbereichen – das ist in anderen Bundesländern durchaus üblich –, in denen wir einen Überhang haben, Lehrkräfte für andere Schularten zu gewinnen.

Wir haben rund 1 500 Bewerberinnen und Bewerber im Gym nasialbereich nicht auf eine Stelle übernehmen können. Das heißt, rund 1 500, die fertig ausgebildet und jetzt auf dem Markt sind, bekommen keine Stelle im Bereich Schule. Das liegt daran, dass sie Fächerkombinationen haben, die sich vor wiegend im geisteswissenschaftlichen Bereich bewegen – Deutsch/Englisch, Deutsch/Geografie, Deutsch/Geschichte –, nicht in den Naturwissenschaften; dort haben wir einen gro ßen Handlungsbedarf.

Genau diesen ausgebildeten Gymnasiallehrerinnen und Gym nasiallehrern bieten wir an – wenn sie mögen, solange sie wol len und ganz freiwillig –, zu Grundschulbedingungen an Grund schulen zu unterrichten. Sie werden parallel berufsbegleitend über zwei Jahre weiterqualifiziert – natürlich ist der Gymna sialbereich etwas anderes als die Grundschule.

Wir haben über 800 ausgebildete Lehrer, die dafür gut infra ge kämen und zudem im Grundschulbereich durch die Kom bination „Deutsch plus X“ für uns auch hinsichtlich Qualität und Leistung von großem Interesse wären. Weit über hundert Personen haben bereits ihr Interesse bekundet.

Das ist eine Möglichkeit, die wir als richtig erachten, um ge rade auch in den nächsten drei, vier Jahren den Problemen, die wir in Bezug auf geeignete Lehrerinnen und Lehrer, Be werberinnen und Bewerber haben, entgegenzuwirken.

Wir gehen davon aus, dass wir mit dem gesamten Maßnah menpaket die Zahl von 650 bis 700 offenen Stellen zum Sep tember 2017 deutlich reduzieren und – hoffentlich – mit einer stabilen Unterrichtsversorgung ins neue Schuljahr starten wer

den. Gleichwohl wird uns das Thema Unterrichtsversorgung auch im kommenden Schuljahr – so ehrlich muss man sein – immer noch beschäftigen.

Vielen Dank. – Jetzt hat Frau Abg. Boser die nächste Frage.

Frau Ministerin, eine der Maß nahmen, die wir schon im letzten Jahr bei den Vorbereitungs klassen durchgeführt hatten, war die Anfrage bei pensionier ten Lehrerinnen und Lehrern, ob sie wieder in den Schuldienst zurückkehren möchten. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer sind damals angefragt worden? Wie erfolgreich war diese Maßnah me?

Wir haben, bezogen auf den Bereich der VKL- und der VABO-Klassen, mehrere Hundert Pensionärinnen und Pensionäre, die tatsächlich wiedereingestiegen sind und die dies auch sehr erfolgreich machen. Sie können hören – Sie sind ja auch viel an Schulen unterwegs –, dass das immer sehr gut funktioniert. Das ist der eine Punkt.

Wir gehen bei unserem Maßnahmenkatalog aber auch gezielt auf diejenigen zu, deren Zurruhesetzung jetzt ansteht, die al so noch sozusagen im Schulbetrieb sind und diesen Dienst dann, wenn sie denn möchten, ein, zwei Jahre fortführen kön nen, um uns gerade in den nächsten drei bis vier Jahren zu hel fen.

Aber wir hatten eine Größenordnung von rund 300 bis 350 Pensionärinnen und Pensionären, die in diesem Bereich mit viel Engagement arbeiten, bezogen auf VKL und VABO.

Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei.

Frau Ministerin, wir haben in den letzten Wochen insbesondere – Sie haben es heute auch zu Recht wiederholt – über den Bedarf, den Mangel im Grund schulbereich gesprochen. Sie haben auch ausgeführt, dass ei ne Pensionierungswelle auf uns zurollt. Wir teilen die Erfah rung, dass sich viele Prognosen im Grunde als nicht haltbar erwiesen haben, insbesondere was den angeblichen Rückgang des Bedarfs angeht. Die Zahl der Schüler ist höher, als sie pro gnostiziert wurde. Dementsprechend brauchen wir mehr Res sourcen.

Wir waren jetzt etwas überrascht – das sorgt aktuell auch bei den Elternverbänden, bei den Gesamtelternbeiräten für Dis kussionen –: Es gibt ein Merkblatt Ihres Hauses vom März 2017: „Berufsziel Lehrerin/Lehrer – Künftige Einstellungs chancen für den öffentlichen Schuldienst in Baden-Württem berg“. Darin heißt es mit Blick auf die Grundschullehrkräfte beispielsweise – wörtliches Zitat –:

... ist die aktuelle Studienanfängerzahl insgesamt in etwa bedarfsgerecht.