Protokoll der Sitzung vom 11.10.2017

Ich vermute mal, meine Damen und Herren, dass alle, die heu te mit Vorschlägen da sind, es nicht allein in Stuttgart machen können würden. Auch bei der AfD sehe ich durch die Diffe renzierung in natürliche Personen und juristische Personen das nicht ohne Berlin als machbar an. Das haben Sie vorhin etwas anders in den Raum gestellt. Das heißt, wir alle kom men nicht ohne Berlin durch. Das meiste wird nur mit dem Bund gehen, und da haben wir eine Steuerdiskussion, die ge rade insgesamt in Bewegung ist. Dabei geht es insbesondere um die Frage der Einkommensteuer.

Ich will an dieser Stelle einmal aus der Sicht der Sozialdemo kratie sagen: Das, was ich heute von der CDU lesen konnte, dass nämlich das Jahreseinkommen, ab dem der Spitzensteu ersatz greift, heraufgesetzt werden soll in Richtung 65 000 €, damit wir diese Spreizung haben und man nicht zu früh in den Spitzensteuersatz hineinkommt, das ist, wie ich hier auch be reits sagte, ein Kernanliegen von uns. Das wäre eine Steuer politik für Baden-Württemberg. Das will ich ganz klar anspre chen.

Ich glaube aber, dass wir bezüglich des Grunderwerbs am En de eine Mischung haben werden mit dem Baugeld, mit Frei beträgen. Vielleicht kommen auch Landesinitiativen dazu. Mal schauen, was am Ende herauskommt.

Uns wäre es am liebsten, wenn wir in Baden-Württemberg ei gene Beiträge leisten könnten und eine Konstellation in Ber lin eigene Beiträge leistet mit Dingen, die wir ebenfalls für richtig halten; das soll uns recht sein.

Entscheidend ist, dass wir tatsächlich an dem Punkt sind, dass wir jungen Familien in diesem spezifischen Lebensabschnitt den Erwerb von Grundeigentum und damit das Bauen mög lich machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Aden.

(Abg. Anton Baron AfD: Den FDPlern wachsen die Locken!)

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grunderwerb steuer ist in den heutigen Tagen des Baubooms tatsächlich ei ne richtige Gelddruckmaschine. Sie rattert, sie rattert perma nent, und sie wirft unheimlich viele Geldscheine aus. Es han

delt sich bei der Grunderwerbsteuer beileibe nicht um eine Bagatellsteuer. Sie bringt mittlerweile 12,8 Milliarden € im Bund und allein für unseren Landeshaushalt 1,8 Milliarden €. Seit 2005 haben sich die Einnahmen aus dieser Steuer tatsäch lich verdoppelt.

In der zweiten Lesung sprechen wir nun heute über den Ge setzentwurf der AfD – den muss ich nicht weiter begründen – und über unseren Antrag – den muss ich auch nicht weiter be gründen; ich glaube, unser Anliegen ist klar geworden.

Wie bereits in der ersten Lesung ausgeführt, haben wir trotz der extremen Niedrigzinsphase eine stagnierende Eigen tumsquote. Es ist ein Jammer, ja eigentlich ein Versagen der Politik, dass in dieser Phase die normalen Sparer um Teile ih rer Alterseinkünfte gebracht werden und es auf der anderen Seite nicht gelingt, wenigstens das Wohneigentum für junge Familien in hohem Maß zu fördern.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Das liegt natürlich an mehreren Faktoren. Erstens – darum geht es bei der Diskussion heute – finanzielle Belastungen durch die Nebenkosten des Erwerbs, zweitens schleppende Ausweisung kommunaler Bauflächen und drittens baupreis treibende Standards wie etwa die in der letzten Legislaturpe riode durch Grün-Rot eingeführte und reformierte Landesbau ordnung. All diese Dinge führen zu stark steigenden Preisen. Die Startvorteile durch die derzeit niedrigen Zinsen schmel zen wie Schnee in der Sonne.

Die Nachfrage nach Wohneigentum ist – das hat eine Umfra ge der „Bild“-Zeitung gezeigt – sehr hoch. Über 82 % der Bür ger in Stuttgart und 74 % bundesweit wollen Wohneigentum schaffen. Hier sprechen wir von der Mitte der Gesellschaft. Dieser werden durch die heutigen Steuergesetze und -regeln Knüppel zwischen die Beine geworfen.

Der potenzielle Erwerber wird von zwei Seiten in die Zange genommen: zum einen durch die stark gestiegenen Baukos ten und zum anderen durch die Grunderwerbsteuer. Man hö re und staune: Seit dem Jahr 2005, seit dem die Bundesländer über die Höhe ihrer Steuersätze selbst entscheiden können, sind diese Steuersätze insgesamt 25 Mal erhöht worden – im Saarland allein vier Mal.

Mit einem Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer könnte man die Käufer direkt um 5 % entlasten. Dabei soll, um zielgerich tete Förderung zu betreiben, dieser persönliche Freibetrag für die ersten 500 000 € geltend gemacht werden können, und zwar für den Erwerb von Wohneigentum durch natürliche Per sonen.

Weitere in diesem Zusammenhang diskutierte Kriterien – es wurden ja schon ein paar Dinge angeführt, die sehen wir auch so –, die eine noch zielgenauere Förderung ermöglichen wür den, sind aber unter dem Gesichtspunkt der Anwendbarkeit zunächst hintanzustellen. So kann dieser Freibetrag auch über die Zeit ausgeschöpft werden. Wir denken da z. B. an den Fall, dass in jungen Jahren eine kleine Wohnung erworben wird, aber später für die Familie ein Haus benötigt wird. Hier soll also die Möglichkeit eines Restfreibetrags bestehen und er halten werden.

Wir fordern, dies im Wege einer Bundesratsinitiative zu rea lisieren, weil hierfür das Grunderwerbsteuergesetz geändert werden muss, was, wie wir mittlerweile alle wissen, in der Kompetenz des Bundes liegt.

Ähnliche Vorstöße gab es bereits durch die Länder NordrheinWestfalen und Schleswig-Holstein. Wer sich die Debatte im Bundesrat am 22. September angeschaut hat, hat gesehen – das war ganz interessant –: NRW und Schleswig-Holstein und besonders der grüne Minister Habeck – wenn ich es einmal so sagen darf – gingen in ihrer Begründung berechtigterwei se in die Richtung, wie es die FDP/DVP hier fordert.

Natürlich würde so ein Freibetrag zu Steuerausfällen bei den Kommunen führen. Beispielsweise in meinem Wahlkreis Rott weil – 140 000 Einwohner – werden wir im Jahr 2017 4,5 Mil lionen € Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer haben; im nächsten Jahr werden es etwa 5 Millionen € sein. Das muss natürlich ausgeglichen werden, und wir müssen dafür sorgen, dass die Kommunen durch eine Senkung, durch die Abschaf fung oder durch einen Freibetrag nicht zusätzlich belastet wer den. Da muss man einen Finanzausgleich – in welcher Form auch immer – schaffen.

Noch ein Punkt ist bereits angesprochen worden, den wir aus anderen Gründen in der Tat für sehr wichtig halten: die Ge genfinanzierung im Zusammenhang mit den Share Deals. Wir wissen ja, dass man bei diesen Share Deals bei 95 % der Ver kaufssummen die Grunderwerbsteuer umgehen kann. Wir von der FDP/DVP sind der Meinung, dass diese Steuertatbestän de abgeschafft werden müssen.

Aber wie immer liegt der Teufel im Detail. Es sind verfas sungsrechtliche und auch steuerrechtliche Aspekte zu betrach ten. Das ist nicht so einfach durchzuführen. Die Gruppe, die im Finanzministerium eingerichtet worden ist, beschäftigt sich schon seit Längerem mit diesem Problem. Wir hoffen, dass dieses Problem tatsächlich einer langfristigen und endgülti gen Lösung zugeführt wird.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos])

Ihren Gesetzentwurf, lieber Herr Baron, müssen wir wirklich ablehnen. Herr Hofelich hat gesagt, Sie haben ein selektives Gesellschaftsbild. Ich würde hinzufügen: auch ein antiquier tes.

(Abg. Emil Sänze AfD: Aber es führt zur Vermeh rung, Herr Kollege! – Zuruf des Abg. Daniel Rott mann AfD)

Wir müssen uns nur die vielen Singlehaushalte heutzutage an schauen.

Wir befinden uns, sehr geehrte Damen und Herren, auf Bun desebene in einer spannenden Phase der Regierungsbildung. Das Thema „Förderung von Wohneigentum für Familien“ fand sich in der einen oder anderen Weise in jedem Wahlpro gramm. Man kann daher erwarten, dass das auch ein Thema in Koalitionsgesprächen – in welcher Konstellation auch im mer – sein wird.

Ich komme zum Schluss. Die Wohneigentumsquote stagniert in Deutschland bei 46 %. Jetzt ist wichtig: Erwerbsnebenkos

ten können nicht kreditfinanziert werden und senken somit das Eigenkapital. Lassen Sie uns deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, von dieser Stelle aus gemeinsam ein Signal sen den, indem wir einen sinnvollen Akzent setzen. Somit bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Genau! Richtig!)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Staatssekretärin Dr. Splett das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute in zweiter Lesung den Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zur Än derung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer. Wir dis kutieren auch über den Antrag der FDP/DVP-Fraktion zur Re form der Grunderwerbsteuer.

Bezüglich des Gesetzentwurfs haben sich seit der Ersten Be ratung inhaltlich keine neuen Erkenntnisse ergeben.

(Abg. Anton Baron AfD: Ich habe auf die Regierung gewartet!)

Im Grunde tauschen wir die gleichen Argumente wie im Juli aus. Sie haben auch im Ausschuss keine weiteren Ausführun gen dazu gemacht.

(Abg. Anton Baron AfD: Die Regierung hat ja nicht reagiert!)

Ich möchte die wesentlichen Problempunkte, die sich im Üb rigen auch in den Stellungnahmen der kommunalen Landes verbände widerspiegeln, noch einmal kurz nennen.

Erstens: Der Gesetzentwurf lässt offen, wie die Steuerminder einnahmen kompensiert werden sollen. Er stellt damit insbe sondere die öffentlichen Leistungen infrage, die erst durch den erhöhten Grunderwerbsteuersatz möglich wurden. Ich werde auf das Thema Kinderbetreuung noch eingehen.

Zweitens: Die vorgeschlagene Absenkung des Grunderwerb steuersatzes wäre bezüglich des formulierten Ziels, junge Fa milien zu fördern, nicht zielgenau. Der Familienbegriff ist ei nerseits zu eng gefasst, weil er nur Verheiratete profitieren lässt, andererseits aber zu weit; denn es geht im Gesetzent wurf nicht um Familien mit Kindern, sondern um verheirate te Personen, egal, welchen Alters, und egal, ob mit Kindern oder ohne.

Drittens: Die Umsetzung wäre mit einem hohen bürokrati schen Aufwand verbunden. Statt einer Steuervereinfachung wäre es eine Steuerverkomplizierung mit sehr großem Auf wand für die Steuerbehörden.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Denn den Grunderwerbsteuerstellen liegen die erforderlichen Daten, auch wenn Sie das anders vermuten, nicht vor. Sie sind auch nicht in den von den Notariaten übersandten Grund stückskaufverträgen enthalten.

Viertens – das ist ein ganz wesentlicher Problempunkt – be stehen Zweifel, ob die Einführung eines ermäßigten Steuer satzes von der Gesetzgebungskompetenz der Länder über haupt umfasst ist, also ob das, was Sie hier vorschlagen, ver fassungsrechtlich überhaupt möglich ist.

(Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD: Probieren wir es! – Gegenruf des Abg. Anton Baron AfD: Genau, probie ren wir es aus!)

Denn das im Grundgesetz geregelte Recht der Länder zur Festlegung des Steuersatzes eröffnet eben nicht die Möglich keit, personenbezogene Steuersatzermäßigungen zu regeln.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD)

Ich habe bereits in der Ersten Beratung betont, dass es der Landesregierung ein wichtiges Anliegen ist, dass junge Fami lien bezahlbaren Wohnraum finden.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch etwas genauer auf das in diesem Jahr neu konzipierte Förderprogramm „Woh nungsbau BW“ einzugehen. Das ist in Sachen Wohnraum für Familien noch zielgenauer geworden und ist damit auch ziel genauer als die beiden Vorschläge aus der Opposition.