Protokoll der Sitzung vom 11.10.2017

weil wir da verfassungsrechtliche Hürden sehen, die nach un serer Ansicht nicht überwunden werden können.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Wir sehen auch die Notwendigkeit, dass die anlasslose Über wachung in Form von Vorratsdatenspeicherung – nichts an deres wäre dies ja – zunächst einmal die Hürde des Bundes verfassungsgerichts nehmen müsste. Ich würde mich sehr un wohl fühlen, in Baden-Württemberg eine Ermächtigungs grundlage mit einem Gesetz zu schaffen, das unter Umstän den in wenigen Monaten die Hürde der Verfassungsmäßigkeit nicht nehmen würde. Das muss tatsächlich erst erprobt wer den.

Der Minister hat einiges zu einem weiteren neuen Projekt, der intelligenten Videoüberwachung, gesagt. Da sind Fragen of fen. Gehen Sie einmal zum Fraunhofer-Institut nach Ettlingen oder Karlsruhe. Das ist die Technologiefirma, die das entwi ckelt. Die haben da schon sehr klare Vorstellungen. Es gibt auch Grundlagenforschung dazu. Aber jetzt bedarf es einer Anwendung.

Für die Anwendung wird ein Pilotprojekt in engem rechtli chen Rahmen mit Evaluation usw. voraussichtlich in Mann heim geschaffen, und erst dann kann man sagen: Das ist ein Bereich, der die Polizei entlastet, der auch minimalinvasiv ar beitet, weil das auf Algorithmenbasis einer Software ge schieht, die erst dann zum Handeln Anlass gibt, wenn sich in einer Szene – sagen wir auf dem Mannheimer Paradeplatz; das wäre tatsächlich auch ein Paradebeispiel für eine solche Maßnahme – etwas tut, was dem hohem Anschein nach ein Verbrechen oder einen terroristischen Überfall auslösen könn te.

Das ist im Großen und Ganzen der Regelungsgehalt. Wir ha ben intensiv um diese Maßnahmen gerungen. Ich habe ver sucht, deutlich zu machen, dass uns, den Grünen, das nicht leichtgefallen ist, aber dass wir davon überzeugt sind, jetzt diesen Weg zu gehen, um Baden-Württemberg auch in Zu kunft zu einem Land der Freiheit und der Sicherheit zu ma chen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Lorek.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Eines vorneweg: Es geht nicht darum, sich mit den anderen Bundesländern darin zu überbieten, wer das schärfste Polizeigesetz hat. Es geht vielmehr darum, den Men schen in unserem Land die Sicherheit zu geben, die der Be drohungs- und Sicherheitslage angemessen ist. Die Polizei und der Landesverfassungsschutz in Baden-Württemberg ma chen eine hervorragende Arbeit.

Noch erfolgreicher wären meine früheren Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei in der Prävention und bei der Auf klärung von Straftaten, wenn sie wenigstens über die gleichen technischen Möglichkeiten verfügten wie diejenigen, die Straftaten planen, unterstützen und ausführen. Hier müssen wir etwas tun.

Unser Innenminister Thomas Strobl sowie die grün-schwar ze Koalition handeln. Ein Gesetz, das eine Straftat verhindert und die Aufklärung von Straftaten vereinfacht, ist ein gutes Gesetz. Wir müssen für unsere Polizei, die unsere Freiheit schützt, die rechtlichen Voraussetzungen und die notwendi gen Werkzeuge schaffen.

Meine Damen und Herren, unsere Gesellschaft verändert sich. Die Technik, die wir nutzen, aber auch die Technik, die po tenzielle Straftäter nutzen, verändert sich. Damit verändern sich auch Aufgaben, Ausrüstung und Taktik der Polizei. Wir müssen die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in unse rem Land mit den technischen Möglichkeiten der Gegenwart, aber auch der nahen Zukunft gewährleisten. Wir wollen nicht immer nur hinterherlaufen.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Dem trägt dieser Gesetzentwurf Rechnung. Wir beraten heu te das modernste und beste Polizeigesetz der Republik, ein Gesetz, das, wie auch der Innenminister schon ausführte, mit Sicherheit auch ein Vorbild für das bundesweit diskutierte Musterpolizeigesetz sein wird.

Kollege Binder, wir haben kein Handlungsdefizit, wie von Ih nen über die Presse mitgeteilt wurde, sondern wir handeln vo rausschauend mit Maß und Weitblick.

(Abg. Sascha Binder SPD: Was? – Vereinzelt Heiter keit)

Die Gefahr für terroristische Anschläge ist latent hoch. Um Gefährder identifizieren zu können, benötigen unsere Beam tinnen und Beamten die modernsten Instrumente zur präven tiven Telekommunikationsüberwachung und – das betone ich ausdrücklich – auch die Möglichkeit, auf verschlüsselte Kom munikation zuzugreifen. Das Instrument der Telefonüberwa chung – seit Jahren im Einsatz und seit Jahren bewährt und eingeführt – reicht aber heute nicht mehr.

Die heutige Kommunikation läuft anders. Es reicht eben nicht mehr, den Datenverkehr mitzuhören. Der läuft verschlüsselt. U. a. auch deshalb sind Dienste wie Whatsapp und Skype so beliebt – auch bei Straftätern. Wenn die Polizei nur mithören kann, bekommt sie nur verschlüsselten Datensalat. Also müs sen die Spezialisten mit dem Programm direkt auf das Handy zugreifen können, um die Informationen vor der Verschlüsse lung ausleiten zu können. Um mehr geht es nicht. Die Quel len-TKÜ ist im Prinzip nur etwas, was sich schon lange be währt hat, einfach nur mit den heutigen technischen Möglich keiten.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Daneben wird endlich auch eine präventive Telefonüberwa chung ermöglicht. Gerade diese ist wichtig, um mögliche An schläge zu verhindern. Auch hier darf ich Sie beruhigen: Na türlich halten wir uns bei den Möglichkeiten, wenn die Soft ware entwickelt ist, auch an die Verfassung.

Es ist natürlich schon ein Unterschied: Man kann entweder immer hinterherlaufen, oder wir haben die Rechtsgrundlagen,

damit die Software, wenn das BKA sie hat, entsprechend rechtskonform eingesetzt werden kann.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Richtig! Immer die Na se vorn dran!)

Ich glaube, es ist richtig, dass man bei einem so wichtigen Thema auch vorausgeht und nicht immer nur hinterherläuft.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, wie un gemein wichtig das Gesetz zur Änderung des Landesverfas sungsschutzgesetzes ist. Damit setzen wir die Empfehlungen aus dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Rechts extremismus/NSU“ um.

Dass die Videoüberwachung die Sicherheit im öffentlichen Raum erheblich verbessert und die Strafverfolgung und Ver urteilung von Tätern oft erst ermöglicht, steht außer Zweifel. Mit einer intelligenten Videoüberwachung kann die Polizei die Bilder anhand definierter Verhaltensmuster künftig elekt ronisch auswerten. Die Auswertung bringt zwei signifikante Vorteile: Der personelle Aufwand wird erheblich reduziert, und die Polizei hat schneller Erkenntnisse über die Straftat.

Dabei wird oft der Einwand geäußert, Terroristen ließen sich von solchen Maßnahmen nicht abschrecken. Das stimmt. Es geht allerdings nicht nur um Prävention, sondern auch um die Ermittlung im Fall von Straftaten, die Ermittlung von Straf tätern. Ein überführter Täter begeht – zumindest in nächster Zeit – keine weiteren Straftaten mehr.

Vorletzte Woche: Ohne Videoüberwachung wäre der Erpres ser in der Bodenseeregion,

(Abg. Thomas Blenke CDU: Genau!)

der Kindernahrung vergiftet hat, nicht so schnell überführt worden. Als Vater eines zehn Monate alten Sohnes weiß ich, welchen Ängsten und Befürchtungen die Eltern da ausgesetzt sind bzw. waren. An dieser Stelle nochmals wirklich einen großen Dank an die Polizei, an die Beamtinnen und Beamten für den großartigen Einsatz und den schnellen Ermittlungser folg.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Damit wurden durch die Nutzung von Videoaufnahmen ganz konkret weitere Straftaten, drohende Vergiftungen von Babys bzw. Babynahrung verhindert.

Wir sind auch für einen konsequenten Datenschutz, für den Schutz der Privatsphäre. Wenn wir allerdings Smartphones mit Gesichtserkennung nutzen und zulassen, dass US-Unter nehmen unsere Bewegungsprofile abspeichern, dann möchte ich doch auch hier zu einer etwas weniger aufgeregten Dis kussion raten.

(Minister Thomas Strobl: Sehr gut!)

An die Adresse der Gegner des Gesetzes kann ich nur sagen: Hören Sie endlich auf, zu verbreiten, das Gesetz würde die Freiheit des Einzelnen einschränken.

Neben Ermittlungen geht es nicht nur darum, die Bewegun gen mutmaßlicher Gefährder zu dokumentieren, sondern auch

darum, sie zu kontrollieren und zu begrenzen. Deshalb schafft das Gesetz endlich eine strafbewehrte präventiv-polizeiliche Rechtsgrundlage, um Aufenthaltsvorgaben und Kontaktver bote zu erlassen, und vor allem die Grundlage, um die Beach tung von Vorgaben und Verboten der elektronischen Fußfes sel zu kontrollieren.

Meine Damen und Herren, die schrecklichen Ereignisse des Deutschen Herbstes von vor 40 Jahren jähren sich jetzt. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal die Chance nutzen, Innenminister Thomas Strobl ausdrücklich zu danken, dass er nicht nur des ermordeten Hanns Martin Schleyer gedenkt, son dern auch der Polizeibeamten Reinhold Brändle, Helmut Ul mer und Roland Pieler sowie des Fahrers Heinz Marcisz, die in der Ausübung ihrer Pflicht ermordet bzw. hingerichtet wur den.

Da sehen wir: Terroristen sind häufig an Kriegswaffen ausge bildet und scheuen sich nicht, diese einzusetzen. Deshalb ist es auch richtig, unserem Spezialeinsatzkommando Explosiv mittel, Handgranaten zur Verfügung zu stellen, damit sie die se in speziellen Situationen als letztes Mittel einsetzen dür fen.

Wir sind nah bei den Menschen. Wir wissen, dass nicht nur die hohe abstrakte Gefahr von Terroranschlägen die Sicher heit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land beeinträch tigen kann, sondern auch eine sehr unmittelbare, nämlich die von gewaltbereiten, oft alkoholisierten Menschen ausgehen de Gefahr. Wir schaffen jetzt die Grundlage für die Kommu nen, räumlich und zeitlich begrenzte Alkoholkonsumverbote an örtlichen Brennpunkten auszusprechen. Es wird dann ein Alkoholkonsumverbot dort möglich sein, wo tatsächliche Pro bleme bestehen und Straftaten begangen werden. Dies ist in der Tat nicht neu, sondern eine seit Langem bestehende For derung der kommunalen Landesverbände.

Die Kommunen erhalten damit eine klare Handlungsoption und können gezielt gegen alkoholbedingte Störungen der öf fentlichen Sicherheit vorgehen. Das ist sicherlich viel effek tiver als das bislang geltende flächendeckende nächtliche Al koholverkaufsverbot. Das wird damit auch aufgehoben.

Kollege Binder, Sie haben in Ihrer Regierungszeit viel disku tiert, wenig umgesetzt.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Sie haben gar keine Ah nung! – Abg. Reinhold Gall SPD: Woher haben Sie eigentlich Ihren Hochmut?)

Wir handeln; die grün-schwarze Koalition handelt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Oh, ich glaube, ich habe das als Polizeibeamter ein bisschen verfolgt.

Ich möchte an dieser Stelle einmal an die Bodycam erinnern, die wir als Erstes umgesetzt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Sehr peinlich!)

Wir machen uns nicht „Digital first, Bedenken second“ zu ei gen.

(Zuruf: Was?)