Protokoll der Sitzung vom 11.10.2017

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der notwendi gen Neuordnung der ÖPNV-Finanzierung und dem bundes weit modellhaften Bündnis für den Mittelstand setzen wir ein starkes Zeichen für den ÖPNV in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Gögel.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Oha!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Oha!“ hätte ich jetzt fast überhört. Es tut mir auch fast leid, dass ich heute zu einem sehr trockenen Thema spre chen darf.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Aber wichtig! Nicht tro cken, wichtig!)

Aber ein sehr wichtiges Thema. – Ich hätte natürlich schon gern einige Antworten auch speziell auf Ihre Ausführungen von heute Morgen gegeben. Aber das lassen wir am besten jetzt weg.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Das können Sie jetzt gern tun!)

Dazu gibt es vielleicht morgen noch ein paar Gelegenheiten.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das lassen Sie in Ihrem eigenen Interesse bleiben!)

Herr Rülke, wir werden auch noch Gelegenheit haben, un sere Meinungen auszutauschen.

(Abg. Thomas Dörflinger CDU: Ist das eine Dro hung? – Abg. Nicole Razavi CDU: Ist das ein Ver sprechen oder eine Drohung? – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Eine Drohung!)

Wenn Sie bis dahin die Vornamen der Abgeordneten vielleicht auch noch intus haben, dann passt das – nicht so wie seiner zeit beim Wahlkampf in Karlsruhe.

Kommen wir zum Thema, zu diesem Gesetzentwurf zum ÖPNV. Die AfD findet zunächst einmal bedauerlich, dass wie der ein Gesetzentwurf auf Druck der EU notwendig wurde, nicht aus eigener Überzeugung. Das ist die Grundvorausset zung, die wir da schon kritisieren müssen.

Das Zweite: Wenn Sie sagen, Herr Dörflinger, wir hätten ei ne ausgewogene Sicherheit für die Omnibusunternehmen in Baden-Württemberg in der Zukunft zu erwarten, dann ist das ein Grund, warum wir diesen Gesetzentwurf ablehnen, denn diese Sicherheit steht nicht im Entwurf. Hier steht drin, dass für die Zeit ab 2021 die Landesregierung einen neuen, krite rienbasierten und dynamischen Verteilschlüssel in Aussicht stellt, der auf den Parametern der raumstrukturellen Gegeben heiten, des ÖPNV-Angebots und leistungsbezogener Nenn größen aufbauen soll – soll! –, der u. a. die Gebietsgröße als Konstante und die Dichte des Fahrplans oder die Fahrgast nachfrage als leistungsbezogene Parameter berücksichtigen soll.

Die Evaluierung wird in den nächsten Jahren stattfinden. Sie wollen Verbände und Unternehmer mit einbinden. Das ist er freulich. Was dabei herauskommt und wo die Entwicklung hingehen wird, müssen wir abwarten.

Das Aufwachsen der Mittel um 50 Millionen € jährlich ist si cher weitsichtig und voraussichtig. Denn Sie sehen, dass die demografischen Zahlen sich verändern, dass wir in den nächs ten Jahren einen Zuwachs von Schülern bekommen werden. Ich möchte gar nicht darauf eingehen, wo die alle herkom men. Aber faktisch ist klar, dass wir einen Zuwachs von Schü lern bekommen werden. – Da brauchen Sie nicht den Kopf zu schütteln. Ich meine, der Familiennachzug wird ein großes Thema in dieser neuen Jamaika-Runde sein,

(Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD)

und wir werden wesentlich mehr Schüler, junge Menschen hier im Land erwarten können. Dafür brauchen wir natürlich auch entsprechende ÖPNV-Mittel, und deshalb wachsen die se auf.

Die Frage ist, was die kommunalen Verantwortungsträger dann mit diesen Mitteln tun werden. Ich kann Ihnen heute schon sagen: Die werden versuchen, auch ihre eigenen Kas sen zu verbessern, und werden sich zusammentun, werden Ausschreibungsvolumen zusammenlegen, die europäische Ausschreibungen notwendig machen. Wir werden sehen, wie die Struktur der Omnibusverkehre in sechs, acht Jahren in Deutschland aussehen wird, wer diese Nahverkehre hier in Deutschland und im Ländle durchführen wird. Ob das dann die Standards sind, die wir uns heute für die Schülerbeförde rung, für die Personenbeförderung vorstellen, muss man ab warten. Ich bin da sehr skeptisch.

Wir haben einen kleinen Änderungsantrag zu dem Gesetzent wurf eingereicht. Da geht es um eine aus unserer Sicht kleine Ungerechtigkeit. Wir haben hier für Verwaltungskosten 1 % der zugewiesenen Summen an die kommunalen Träger aus gelobt. Jetzt sind das vielleicht für Pforzheim 1 700 € und für eine andere Stadt 60 000 €. Mich würde schon interessieren, wie dann Pforzheim mit dem Betrag von 1 700 € die Aus schreibungen, die Bearbeitung, die verwaltungstechnische Ab wicklung dieser Verkehre durchführen soll.

Deshalb haben wir gesagt: Wir sollten einen Mindestbetrag, einen Sockelbetrag einführen, der den von der Landesverwal tung unterstellten 0,3 Arbeitskräften entspricht, die nach der Berechnung der Verwaltung notwendig sind, um die zwölf Kreise, die es heute betrifft, nicht in wirtschaftliche Zwänge zu bringen.

Deshalb können wir eigentlich nur mit diesen Änderungen dem Gesetzentwurf zustimmen. Sollten diese, wie schon von den Grünen angedeutet, abgelehnt werden, werden wir den Gesetzentwurf ablehnen müssen.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Kleinböck.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen, liebe Kollegen! Ich hatte bereits in der ersten Lesung vor der Sommerpause darauf hingewiesen, dass diese Reform für uns unstrittig ist. Es geht im Kern darum, die Regelungen der Finanzierung nach § 45 a des Personenbeförderungsge setzes an die Vorgaben einer EU-Verordnung anzupassen, bei der es um die öffentlichen Personenverkehrsdienste auf Schie ne und Straße geht.

Meine Damen und Herren, gerade der öffentliche Personen nahverkehr als Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge ist für uns Sozialdemokraten ein zentraler Baustein. Denn Mo bilität ist eben auch immer soziale Teilhabe und muss deshalb jeder Bürgerin, jedem Bürger barrierefrei zur Verfügung ste hen. Das muss und will ich an dieser Stelle nochmals beto nen.

Die Ergebnisse der Anhörung haben indes die Schwachstel len des Gesetzentwurfs deutlich werden lassen. In einem Satz zusammengefasst: Was Sie anbieten, kommt zu spät und ist zu wenig. Insofern, liebe Kollegin Zimmer, werde ich Ihre Er wartungshaltung an dieser Stelle nicht enttäuschen. Aber ich darf auch Ihren Vorwurf noch mal aufgreifen und darauf hin weisen, dass wir mit dem damaligen Finanzminister zunächst die Finanzen in Ordnung bringen mussten. Sie haben heute so viel Geld zur Verfügung, wie dies noch nie zuvor der Fall war.

Ich sage das nicht nur aus der Sicht der SPD, sondern sehe mich hier auch mit Verbänden, die den Grünen bekannterma ßen besonders nahestehen, in einer guten Gemeinschaft. BUND, VCD und LNV kommen übereinstimmend ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Erhöhung der Mittel ab dem Jahr 2021 zu spät kommt. Kritisiert wird auch die fehlende Dyna misierung angesichts der absehbar steigenden Kosten. Diese Kritik deckt sich also 1 : 1 mit dem, was ich bereits vor der Sommerpause an Ihrem Gesetzentwurf kritisiert habe. Schon damals hatte die SPD davor gewarnt, die unzweifelhaft not wendige Anhebung der finanziellen Mittel nur stufenweise und erst ab 2021 zu realisieren.

Nach unserer Überzeugung können wir es uns nicht leisten, so lange zu warten. In Baden-Württemberg muss gerade in Ballungsräumen sofort etwas geschehen, und es muss mehr geschehen. Die Städte und Kreise brauchen schon jetzt mehr Geld für Busse und Bahnen, um aufgrund der zu erwartenden steigenden ÖPNV-Nachfrage das Angebot rasch ausweiten zu können.

Dass es hier dem Verkehrsminister an Mut fehlt, will ich gar nicht unterstellen. Denn wir haben ihn ja sicher allesamt ganz anders kennengelernt.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Sascha Binder SPD zu Minister Winfried Hermann: Das ist doch ein Lob!)

Angesichts der prall gefüllten Kassen, lieber Herr Minister, hätten wir an dieser Stelle gerade von den Grünen ein kraft volleres Zeichen für mehr ÖPNV im Land erwartet.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, bei der praktischen Um setzung der Reform muss es jetzt darum gehen, die Stärkung der Aufgabenträger zu erreichen. Das, was hier von meinem Vorredner angekündigt wurde, will ich einmal nicht erwarten. Ich gehe davon aus, dass diese Taschenfüllerei bei den Auf gabenträgern nicht – wie hier angekündigt – stattfinden wird.

Andererseits muss die enge Einbeziehung der starken und er folgreichen Busunternehmen in Baden-Württemberg, die be kanntermaßen mittelständisch geprägt sind, gewährleistet sein. Deshalb ist es an dieser Stelle auch notwendig, mit viel Sen sibilität und Fingerspitzengefühl die Aufgabe an die Aufga benträger weiterzugeben. Wie dies jetzt mit den allgemeinen Vorschriften in den Kreisen und Verkehrsverbünden umge setzt wird, ist eine der zentralen Aufgaben. Der WBO hat hier zu ja einige Vorschläge unterbreitet. Das muss vorbehaltslos diskutiert werden, und ich denke, die Landesregierung ist auch gut beraten, das mit allen Akteuren auf diesem Feld gemein sam zu diskutieren.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Das machen wir doch!)

Wir hätten es außerdem als positives Zeichen gesehen, wenn der Rechtsanspruch der Busunternehmer auf die 45-a-Mittel im Gesetz sehr viel deutlicher festgeschrieben worden wäre, auch wenn der Pakt für den Mittelstand ein erster Schritt ist. Er springt aus unserer Sicht jedoch zu kurz und kommt auch zu spät.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich erinnere in diesem Kontext an die oft beschworene große ÖPNV-Offensive die ser Landesregierung, auf die die täglichen Nutzer von Bussen und Bahnen bis heute vergeblich warten.

Es stellt sich die Frage, ob diese Reform eine weitere grünschwarze Mogelpackung für den ÖPNV darstellt, wie das sei nerzeit schon der Vorschlag zur Fahrzeugfinanzierung war.

Es mag sein, dass von einer Kiwi-Koalition nicht mehr zu er warten ist.

(Glocke des Präsidenten)

Lieber Kollege, so lang sam, aber sicher müssen Sie zum Schluss kommen.

Noch einen Satz.

Danke.

Aus unserer Sicht ist jeden falls ohne Not aus einem notwendigen großen Wurf ein kraft- und mutloses Reförmchen geworden.

Ich will zum Ende kommen.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Das ist schon der zweite Satz! – Gegenruf des Abg. Sascha Binder SPD: Er hat nicht gesagt, er kommt zum Ende! Er hat gesagt, er will zum Ende kommen!)

Auch wenn einige Paragrafen, die im Gesetz aufgeführt sind, durchaus in unserem Sinn formuliert sind, will ich festhalten, dass wir dem Gesetz insgesamt nicht zustimmen können, dass wir uns aber der Stimme enthalten. Was den Änderungsantrag der Regierungsfraktionen betrifft, kann ich feststellen, dass unsere Kritik nicht ganz untergegangen ist. Wir werden des halb diesem Antrag zustimmen, bleiben aber dabei,